St. Vinzenz-Hospital Dinslaken Klinik für Geriatrie - Altersmedizin Chefarzt Dr. Martin Jäger Neue DGEM-Leitlinie Neurologie Ernährungstherapie bei M. Parkinson edi 2011 Berlin, am 25.02.2011
Idiopathisches Parkinson Syndrom IPS, M. Parkinson; ~ 75% aller PS Prävalenz: 100-200/100000 Einwohner Prävalenz bei über 65jährigen: 1800/100000 Einwohner In Deutschland eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, verbunden mit erheblichen Funktionseinschränkungen bei älteren Menschen Im Rahmen der demographischen Entwicklung ist zukünftig mit weiter steigenden Patientenzahlen zu rechnen!
Einteilung Parkinson Syndrome Vier Gruppen von Parkinson Syndromen: 1. IPS 2. Familiäre Formen des PS 3. Symptomatische (sekundäre) PS wie NPH, toxisch, vaskulär, Medikamenteninduziert 4. PS im Rahmen anderer neurodegenerativer Erkrankungen (64 Leitlinien in der Neurologie, Parkinson Syndrome 2008)
M. Parkinson Die Braak Hypothese früheste pathologische Evidenz des IPS im enterischen Nervensystem, in der Medulla, im Bulbus olfactorius, im hinteren Vaguskern (wie Lewy Neuritis und Lewy Körperchen) langsames Fortschreiten über Jahre über den Hirnstamm zur Substantia nigra und zum Kortex Nicht motorische Symptome wie die sehr häufigen Störungen der GI Motilität v. a. Dysphagie, verzögerte Magenentleerung und Obstipation können typischen motorischen Parkinson Symptomen um Jahre voraus gehen. Diese Symptome können in Zukunft möglicherweise als frühe Indikatoren der prämotorischen Phase dienen. (47 Jost 2010, 48 Hayes 2010)
M. Parkinson - Dysphagie Gastrointestinale Probleme sind bekannt, seit James Parkinson 1817 einen Patienten mit Gewichtsverlust und Problemen bei Nahrungsaufnahme und Schlucken beschrieb. (55 Parkinson 1817) Die Assoziation zwischen Dysphagie und Dauer oder Schweregrad des IPS wird kontrovers beschrieben. Die Stadieneinteilung des IPS kann nicht als prädiktiver Faktor für das Vorliegen einer Dysphagie und ihrer Komplikationen dienen. (49 Wood 2010) Parkinson Patienten zeigen ein erhöhtes Risiko für Dysphagie auch in frühen Krankheitsstadien. (IIa)
M. Parkinson - Dysphagie - Prävalenz Berichte zur Prävalenz der Dysphagie bei IPS zeigen eine große Streubreite von 18,5-100%. (49 Wood 2010) Die meisten Studien beschreiben eine Prävalenz der Dysphagie bei IPS von etwa 50 81 %. (14 Coates 1997; 27 Johnston 1995; 28 Leopold 1997; 39 Miller 2006; 54 Sueli Monte 2005) Dysphagie mit multiplen Abnormalitäten des Schluckaktes finden sich bereits in Früstadien des IPS, selbst in asymptomatischen Fällen. (39 Miller 2006)
M. Parkinson - Dysphagie - QOL Keine signifikanten Beziehungen zwischen schluckspezifischer Lebensqualität Krankheitsschwere und Dauer. Signifikante Beziehungen zwischen schluckspezifischer und genereller Lebensqualität und Depression. Mögliche Beziehung zwischen Schluckfähigkeiten, sozialen Funktionen und Depression. (34 Plowman 2009)
M. Parkinson Dysphagie - Komplikationen Dysphagie ist mit erhöhtem Risiko für Komplikationen wie reduzierte Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, Aspirationen und Pneumonien verbunden und ist damit assoziiert mit erhöhter Morbidität und Mortalität. (49 Wood 2010) Dysphagie kann eine große soziale und psychologische Last für Betroffene und Angehörige bedeuten. Schluckstörungen müssen nicht schwergradig sein, um signifikante Belastungen für Betroffene und Angehörige darzustellen. (39 Miller 2006)
M. Parkinson Dysphagie - Komplikationen Schwierigkeiten beim Kauen und in der oralen Phase des Schluckens großer Zeitbedarf und Erschöpfung beim Essen Angst vor Verschlucken und Ersticken Scham vor Husten in Gesellschaft reduzierter Genuss bei Kostveränderungen Abhängigkeit von fremder Hilfe kann die soziale, physische und psychische Gesundheit von Dysphagiepatienten negativ beeinflussen. (49 Wood 2010, 1 Michou 2010)
M. Parkinson Dysphagie - Komplikationen Dysphagiepatienten zeigen ein erhöhtes Risiko stiller Aspirationen ohne sichere klinische Zeichen oder Symptome. Eine videofluoroskopische Studie fand stille Aspiration bei 21% der untersuchten Parkinson Patienten mit Speichelfluß. (49 Wood 2010) Eine andere videofluoroskopische Studie zeigte Aspirationen bei 53,6% und Störungen des Schluckaktes bei 100% der untersuchten Parkinson Patienten mit klinischen Zeichen einer Schluckstörung. (29 Nagaya 1998)
M. Parkinson Dysphagie - Diagnostik subjektive Patientenangaben und Dysphagiesymptome oft unspezifisch Objektive Schluckuntersuchungen haben wiederholt eingeschränkte Schluckfunktionen in über 50% der Parkinson Patienten festgestellt, die keine Schluckstörungssymptome bemerkten/berichteten. (49 Wood 2010) Weitergehendes klinisches und apparatives Assessment umfasst einen multidisziplinären Ansatz. (39 Miller 2006, 49 Wood 2010)
M. Parkinson Dysphagie - Diagnostik Dysphagiescreening auch in frühen Krankheitsstadien mit frühzeitiger Diagnose von Veränderungen des Schluckaktes hat das Potential, vermeidbare Sekundärkomplikationen der Dysphagie ebenso wie psychosozialen Stress und Belastungssituationen zu verzögern oder zu vermeiden. (C)
M. Parkinson - Dysphagie - Therapie Studien zur Untersuchung des Effektes von L-Dopa auf Schluckfunktionen zeigen widersprüchliche Ergebnisse und könnten auf einen nicht-dopaminergen Anteil in der Pathophysiologie hinweisen. Nagaya et al zeigten, dass Schlucktraining bei Parkinson Patienten Schluckfunktionen verbessert. (49 Wood 2010)
M. Parkinson - Dysphagie - Therapie Parkinson Patienten mit Dysphagie sollten Interventionen durch spezialisierte Sprachtherapeuten und Diätadaptationen zugeführt werden. (B) Konsistenz adaptierte Diäten und Andicker für Flüssigkeiten können für sicherere Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme bei Dysphagie empfohlen werden, (C) möglichst nach gezieltem apparativem Assessment.
M. Parkinson - Obstipation Gastrointestinale Funktionsstörungen insbesondere Obstipation zählen zu den Hauptproblemen im täglichen Leben von Parkinson Patienten. Prävalenz der Obstipation bei IPS ~ 60-80% (10 Barichella 2009, 23 Evatt 2007, 24 Evatt 2009, 43 Jost 1997, 46 Krogh 2009) Obstipation kann 10-20 Jahre vor motorischen Parkinson Symptomen auftreten. Niedrigfrequente Darmbewegungen könnten das zukünftige Risiko des Auftretens von IPS vorhersagen. (47 Jost 2010, 48 Hayes 2010)
M. Parkinson - Obstipation Eine faserreiche Diät zeigt positive Effekte auf die Plasma-Spiegel von L-Dopa und motorische Funktionen. Eine faserreiche Diät ist mit Verbesserung der Obstipation und höherer Bioverfügbarkeit von L-Dopa positiv korreliert. (42 Astarloa 1992, 46 Krogh 2009) Adäquate Versorgung mit Ballaststoffen, mindestens 30-35 g täglich in Verbindung mit angemessener Flüssigkeitsaufnahme mit mindestens 1500 ml täglich wird empfohlen. (B)
M. Parkinson - Obstipation Eine doppelblinde, Placebo kontrollierte Studie mit 57 Parkinson Patienten mit Obstipation zeigte sgnifikant höhere Responder Raten und die Effektivität von Macrogol in der Therapie der Obstipation. (45 Zangaglia 2007, 47 Jost 2010)
M. Parkinson - Gewichtsverlust Malnutrition und Gewichtsverlust werden häufig auch frühzeitig im Krankheitsverlauf beschrieben. Gewichtsverlust scheint ein kontinuierlicher Prozess zu sein, der Jahre vor der Diagnose beginnen kann und nicht durch reduzierte Energieaufnahme bedingt ist. (Lorefät 12 u 20 2006; Chen 2003; Barichella 2008) Patienten mit Gewichtverlust zeigen eine höhrere Fett- und Energieaufnahme, was auf einen gesteigerten metabolischen Bedarf hindeutet. Gewichtsverslust bei IPS ist mehr durch Verlust von Fett- als von Muskelgewebe bedingt. (Lorefät 2006; Davies 1994; Markus 1993)
M. Parkinson - Gewichtsverlust Frauen scheinen einen signifikant höheren Gewichtsverlust als Männer aufzuweisen. (Durrieu 1992) Bei Parkinson Patienten mit Gewichtsverlust ist eine Dysphagie häufiger als bei Kontrollpatienten nachweisbar. (20 Lorefät 2006) Nozaki et al konnten zeigen, dass der mittlere BMI bei Parkinson Patienten mit Dysphagie niedriger ist als ohne Dsyphagie. (49 Wood 2010)
M. Parkinson - Mangelernährung Die Prävalenz für Malnutrition und Risiko für Malnutrition bei IPS wird in mehreren Studien mit 22-23% beschrieben. (9 Wang 2010, 16 Markus 1993) Patienten mit IPS, insbesondere Frauen, zeigen ein erhöhtes Risiko für Malnutrition und Gewichtsverlust, auch in frühen Stadien. (IIa)
M. Parkinson Erfassung des Ernährungsstatus Bei Patienten mit IPS, insbesondere mit: Dyskinesien, nicht-motorischen Symptomen Depression Dysphagie sollte ein Screening auf Malnutrition durchgeführt werden. (C) Das Körpergewicht sollte monatlich überprüft werden. (C)
M. Parkinson Erfassung des In Ergänzung des Ernährungsstatus monatlichen Monitorings des Körpergewichtes sollte ein regelmäßiges Ernährungsscreening etabliert und Bestandteil der Routineversorgung werden. So können frühzeitig Risikopatienten identifiziert und adäquate ernährungsmedizinische Maßnahmen eingeleitet werden. (C)
M. Parkinson Erfassung des Ernährungsstatus (60 ESPEN Guidelines for Nutrition Screening 2002) Das Ernährungsscreening sollte auch bei Aufnahme in die Klinik oder in stationäre Pflegeeinrichtung durchgeführt werden. In der Klinik wird der NRS-2002 empfohlen. Bei älteren Patienten mit Hinweisen auf Frailty in Klinik, stationärer Pflegeinrichtung oder mit ambulanten Pflegedienst sollte der MNA benutzt werden.
Ernährungsmedizinische Maßnahmen wie? (61 ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Geriatrics 2006) Bei geriatrischen Patienten mit neurogener Dysphagie wird enterale Ernährung empfohlen, um Energie- und Nährstoffzufuhr zu sichern und so den Ernährungsstatus zu erhalten oder zu verbessern (A). Bei Patienten mit schwerer Dysphagie sollte eine Sondenernährung so früh wie möglich eingeleitet werden. (C).
Ernährungsmedizinische Maßnahmen wann? (61 ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Geriatrics 2006) Orale Nahrungssupplemente und/oder Sondenernährung werden frühzeitig für Patienten mit Risiko für Malnutrition empfohlen, z. B.: - unzureichende Nahrungsaufnahme oder - unbeabsichtigter Gewichtsverlust >5% in 3 Monaten oder - >10% in 6 Monaten oder - BMI 20 kg/m2 (B)
Ernährungsmedizinische Maßnahmen wie? (61 ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Geriatrics 2006) Ernährung über PEG ist in dieser Beziehung der Ernährung über NGS überlegen. (Ia) Für längerfristige enterale Ernährung ist die PEG der NGS vorzuziehen, da sie mit weniger Therapieversagern, besserem Ernährungsstatus assoziiert ist (A), und von den Patienten meist besser toleriert wird. Für ältere Patienten mit Notwendigkeit enteraler Ernährung voraussichtlich für länger als 4 Wochen wird die PEG-Anlage empfohlen. (A)
M. Parkinson Ernährungsstatus - Therapie Anpassungen ernährungsmedizinischer Maßnahmen sollten in Abhängigkeit des Verlaufs stetig neu erwogen werden. (C) Patienten mit Malnutrition oder Risiko für Malnutrition benötigen ernährungsmedizinische Maßnahmen in multidisziplinärem Ansatz. (C) Die diätetische Schulung von Patienten und Angehörigen sollte grundsätzlich Bestandteil in der Routineversorgung von Parkinson Patienten werden. (C)
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