Niere Salz-/Wasserhaushalt 2009

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29/10/2014 Peter Reismann

Transkript:

Aus: Gray's Anatomy: Descriptive and Surgical Theory United Kingdom 1858

Zentrale Aufgaben der Nieren Regulation des Wasserhaushaltes Regulation des Mineralhaushaltes (Osmolarität) Regulation des Säure-Basen-Haushaltes Regulation von Blutdruck und Blutvolumen Ausscheidung von Fremdstoffen (Gifte, Medikamente) Ausscheidung von Abbauprodukten (insbesondere der Stickstoff-Stoffwechsel-Endprodukte Harnstoff, Kreatinin und Harnsäure) Endokrine Funktionen (Erythropoietin, Vitamin D 3 ) Die Niere dient der Salz-Wasser-Homöostase

Filtration Funktionsprinzip Glomerulus (Glomeruläre Filtrationsrate = GFR) Resorption Tubulus und Sammelrohr Sekretion Tubulus und Sammelrohr

Bitte merken: 1. Die fraktionelle Exkretion ist der Anteil einer mit der GFR filtrierten Menge einer Substanz, der ausgeschieden wird. 2. Die GFR der Niere bleibt bei Blutdruckschwankungen aufgrund der Autoregulation der Nierendurchblutung konstant.

Bitte merken: 1. Die fraktionelle Exkretion ist der Anteil einer mit der GFR filtrierten Menge einer Substanz, der ausgeschieden wird. 2. Die GFR der Niere bleibt bei Blutdruckschwankungen aufgrund der Autoregulation der Nierendurchblutung konstant. 3. Die GFR wird mit Substanzen (Inulin, Kreatinin) bestimmt, die - frei filtrierbar sind - tubulär nicht resorbiert werden - tubulär nicht sezerniert werden - im Tubulus nicht verstoffwechselt werden

Bestimmung des RBF Messung des renalen Plasmaflusses (RPF, normal 0,6 l/min) mit Hilfe der Testsubstanz p-aminohippurat (=PAH), die bei einer Nierenpassage fast vollständig (zu 90%) ausgeschieden wird Menge/Zeit=Volumen/Zeit x Konzentration (RPF x P apah RPF x P rvpah ) = V U x U PAH RPF = V U x U PAH / (P apah P rvpah ) RPF = V U x U PAH / (0,9 x P apah ) RBF = RPF/(1-Hkt) P apah P rvpah V U U PAH

Treibende Kraft der Filtration = effektive Filtrationsdruck P eff = P kap P Bow π kap (-π Bow ) = 48 13 25 ~ 10 mmhg P kap Blutdruck in Kapillaren P Bow Druck in Bowman-Kapsel π kap onkotischer Druck in der Kapillare π Bow onkotischer Druck in Bowman-Kapsel GFR = P eff x K f wobei K f = F x k (F Fläche; k Wasserdurchlässigkeit)

Bitte merken: 1. Der RPF wird mit para-aminohippursäure bestimmt, die - frei filtrierbar ist - tubulär nicht resorbiert wird - tubulär sezerniert werden 2. Die Größe der GFR wird vom effektiven Filtrationsdruck im Glomerulus bestimmt. 3. Die FF (Filtrationsfraktion) ist der Volumenanteil der Nierendurchblutung, der filtriert wird (ca. 20 %).

Tubuloglomerulärer Rückkopplungsmechanismus (Tubulo-glomerulär Feedback TGF) Hohe NaCl Konzentration Einstrom von NaCl in Zellen der Macula densa Freisetzung vasokonstriktorischer Mediatoren Abnahme GFR

Energiebilanz der proximalen Na + -Resorption 1/3 transzellulär benötigt für 3 Na + 1 ATP (für Na/K-ATPase) 2/3 parazellulär benötigen keine zusätzliche Energie 9 Na + /ATP

Bitte merken: 1. 2/3 des filtrierten NaCl und des Wassers wird im proximalen Tubulus resorbiert (obligate Resorption). 2. Im proximalen Tubulus wird Na + zu 1/3 transzellulär sekundär aktiv über den Na + /H + Austauscher 1/3 parazellulär mit dem Solvent drag 1/3 parazellulär Potential-getrieben resorbiert. 3. Hemmstoffe der Carboanhydrase wirken als Diuretikum, allerdings führen sie auch zu einer Azidose

Energiebilanz der proximalen Na + -Resorption 1/3 transzellulär - 1 ATP (für Na/K-ATPase) 2/3 parazellulär 9 Na + /ATP Energiebilanz der aufsteigender Teil Henle-Schleife 1/2 transzellulär - 1 ATP (für Na/K-ATPase) 1/2 parazellulär 6 Na + /ATP

Energiebilanz der proximalen Na + -Resorption 1/3 transzellulär - 1 ATP (für Na/K-ATPase) 2/3 parazellulär 9 Na + /ATP Energiebilanz der aufsteigender Teil Henle-Schleife 1/2 transzellulär - 1 ATP (für Na/K-ATPase) 1/2 parazellulär 6 Na + /ATP Energiebilanz distales Konvolut 1/1 transzellulär - 1 ATP (für Na/K-ATPase) 3 Na + /ATP

Energiebilanz der proximalen Na + -Resorption 1/3 transzellulär - 1 ATP (für Na/K-ATPase) 2/3 parazellulär 9 Na + /ATP Energiebilanz der aufsteigender Teil Henle-Schleife 1/2 transzellulär - 1 ATP (für Na/K-ATPase) 1/2 parazellulär 6 Na + /ATP Energiebilanz distales Konvolut 1/1 transzellulär - 1 ATP (für Na/K-ATPase) 3 Na + /ATP Energiebilanz Sammelrohr 1/1 transzellulär - 1 ATP (für Na/K-ATPase) 3 Na + /ATP

Harnkonzentrierung und Diurese Antidiurese 0,35 ml/min; ~ 1300 mosm/kg H 2 O entspr. 0,3 % der GFR Wasserdiurese 25 ml/min; ~ 50 mosm/kg H 2 O entspr. 20 % der GFR

Harnkonzentrierung und Diurese Vorraussetzungen 1. Kortikomedullärer osmotischer Gradient 2. Rezirkulation von Harnstoff 3. Blutversorgung im Gegenstrom 4. Wasserdurchlässigkeit des Sammelrohrepithels

Diabetes insipidus Diabetes insipidus centralis: Verminderte ADH Sekretion durch Tumor, Trauma, Entzündung Diabetes insipidus renalis: Verminderte renale Ansprechbarkeit durch Rezeptordefekt (angeboren), Schädigung des Nierenmarks DD: Desmopressin-Test

Regulation des Säure-Basenhaushalts durch die Niere Filtrierte Menge an Protonen: 7 µmol/d Metabolischer Überschuss: 60 100 mmol/d Drei Möglichkeiten, Protonen auszuscheiden: -Ausscheidung von freier Säure -Ausscheidung von titrierbarer Säure -Ausscheidung von Ammoniak

Ausscheidung von titrierbarer Säure Freie Protonen im Urin (Urinvolumen 1,5 l; ph 5,5): 5 µmol Titration des Urins mit OH - bis ph 7,4: 30 60 mmol OH -

Bedeutung NH 4+ -Ausscheidung Wesentlich ist die Ausscheidung von Ammoniak unter Umgehung der Harnstoffbildung in der Leber, wodurch Bikarbonat eingespart wird.

Kompensation von Störungen des SBH Metabolische Alkalose: Erhöhte Bikarbonatkonzentration im Filtrat Resorption bis zur Bikarbonatschwelle (Gradient von ~ 20 mmol/l) Vermehrte Ausscheidung von Bikarbonat

Kompensation von Störungen des SBH Respiratorische Alkalose: Verminderter pco 2 nach Hyperventilation und verminderte Protonenbildung Absenken der Bikarbonatschwelle Vermehrte Ausscheidung von Bikarbonat

Kompensation von Störungen des SBH Respiratorische Azidose: Erhöhter pco 2 nach Hypoventilation und verehrte Protonenbildung Geringe Erhöhung der Bikarbonatschwelle, die aber nicht effizient ist, da bereits fast alles Bikarbonat resorbiert wird Kompensation nur durch vermehrte Protonenausscheidung (s.u.) möglich

Kompensation von Störungen des SBH Metabolische Azidose: Verminderte Bikarbonatkonzentration im Filtrat Geringe Erhöhung der Bikarbonatschwelle, die aber nicht effizient ist, da bereits fast alles Bikarbonat resorbiert wird Kompensation nur durch vermehrte Protonenausscheidung (s.u.) möglich

Drei Möglichkeiten, Protonen auszuscheiden: -Ausscheidung von freier Säure -Ausscheidung von titrierbarer Säure -Ausscheidung von Ammoniak (nicht-titrierbare Säure)

Pathophysiologie: Renal tubuläre Azidosen (RTA) Proximale RTA Typ 2: ursprünglich als Fanconi-Syndrom beschrieben (generalisierte Dysfunktion des proximalen Tubulus) Verminderte Reabsorption von Bikarbonat Ursachen: -Hereditär -Erworben (toxisch, Proteinurie)

Pathophysiologie: Renal tubuläre Azidosen (RTA) Distale RTAs verminderte NH 4+ -Ausscheidung Distale RTA Typ 4 (klinisch häufigste): Relativer Aldosteronmangel/reduzierte Wirkung

Renin und Nierenhormone - Calcitriol (D-Hormon) -Renin - Erythropoietin - Thrombopoietin - Urodilatin - Klotho (Anti-Aging Hormon; hemmt proximale Phosphatresorption und steigert distale Kalziumresorption)

Fandrey et al., Cardiovasc Res 71: 642-651, 2006 O 2 -sensing