Leseprobe aus: Schär, Steinebach (Hrsg.), Resilienzfördernde Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen, ISBN Beltz Verlag,

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http://www.beltz.de/de/nc/verlagsgruppe-beltz/gesamtprogramm.html?isbn=978-3-621-28149-2

Leseprobe aus:, Steinebach (Hrsg.), Resilienzfördernde Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen, ISBN 978-3-621-28149-2 Vorwort Warum der Vielzahl von Büchern über Psychotherapie mit Kindern, Jugendlichen und Familien noch ein weiteres hinzufügen? Der Blick in die Bücher zeigt, dass in der Vielfalt die Perspektiven, Theorien, Modelle und Methoden der Psychotherapie oftmals unverbunden bleiben. Dieses Buch will also keine neue Therapieschule etablieren, sondern einen schulenübergreifenden Erklärungsrahmen für das therapeutische Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen anbieten. Dabei werden zwei Themen miteinander verwoben, die in den letzten Jahren sowohl in der psychologischen Forschung als auch in der therapeutischen Praxis immer wichtiger und populärer geworden sind: Auf der einen Seite gibt es eine Fülle von empirischen und theoretischen Arbeiten, die aufzeigen, dass es für unsere Entwicklung und unsere psychische Gesundheit zentral ist, wie gut es uns gelingt, grundlegende psychische Bedürfnisse zu befriedigen. Auf der anderen Seite wurde oftmals bemängelt, dass sich die Psychologie allen voran die klinische Psychologie und Psychotherapie zustark auf die pathologischen Aspekte fokussiert hat. Aus diesem Grund wurde die Forderung laut, sich vermehrt auf die Aktivierung von Ressourcen sowie die Förderung von Resilienz zu fokussieren. Die Kombination dieser beiden Themen kann unserer Meinung nach das therapeutische Arbeiten befruchten. Die Orientierung an Grundbedürfnissen ermöglicht beispielsweise, Symptome als erste, wenn auch nicht funktionale Problemlösestrategien zu sehen. Dadurch wird ein Blick hinter die Symptome ermöglicht. Die Annahme dabei ist, dass Kinder und Jugendliche auffälliges, dysfunktionales, destruktives oder unangemessenes Verhalten nicht aus Dummheit oder Bosheit zeigen, sondern dass sie oft einen»guten«grund für ihr Handeln haben. Uns geht es darum, diesen Grund zu verstehen und mit dem Klientensystem Strategien zu erarbeiten, die erfolgreich sind und keine»nebenwirkungen«haben. Es geht also nicht in erster Linie darum, Symptome»wegzutherapieren«. Stattdessen gilt es, dem Klientensystem eine funktionalere und widerspruchsfreie Bedürfnisbefriedigung zu ermöglichen, wodurch schließlich Probleme und Symptome»überflüssig«werden. Dafür ist es wichtig, die Ressourcen des Systems zu reaktivieren und so auch das Klientensystem resilient zu machen. Wir gehen nicht von einem»entweder-oder«aus, sondern von sowohl Problem- als auch Ressourcenorientierung bzw. sowohl Symptombearbeitung als auch Grundbedürfnisbefriedigung. Der Fokus wird in diesem Buch auf beides, Ressourcenorientierung und Grundbedürfnisbefriedigung, gelegt. Das vorliegende Buch ist ein Herausgeberwerk: Wir haben für die jeweiligen Kapitel Autorinnen und Autoren angefragt, die sich besonders gut in den jeweiligen Bereichen auskennen, aber ganz unterschiedliche therapeutische Hintergründe aufweisen. Auch wenn diese breite theoretische Orientierung der Autorinnen und Autoren möglicher- Vorwort 13

weise zulasten einer klaren, einheitlichen Linie geht, war sie uns wichtig. Für uns war es eine spielerische und experimentelle Art, zu überprüfen, ob wir das zu Beginn gemachte Versprechen,»schulenübergreifend«und»verbindend«zu sein, auch wirklich einhalten können. Wenn wir nun die verschiedenen Texte lesen, empfinden wir die unterschiedlichen Perspektiven als Bereicherung einer gemeinsamen Idee und das Experiment scheint uns gelungen. Wir hoffen, dass Sie als Leserinnen und Leser dies auch so empfinden. Das Buch besteht aus drei Teilen: Im ersten Teil wird die Psychotherapie mit Kindern, Jugendlichen und Familien mit dem Fokus auf Grundbedürfnisse betrachtet. Was brauchen Kinder und Jugendliche, damit sie gut gedeihen können? Unter welchen Bedingungen entwickeln sie Probleme und Auffälligkeiten und wie sind diese zu verstehen? Oder positiver formuliert: Welche spezifischen Grundbedürfnisse müssen erfüllt werden, damit Kinder und Jugendliche sich wohl fühlen und psychisch gesund bleiben? Wie kann die Idee der Grundbedürfnisbefriedigung in der Therapie mit Kindern, Jugendlichen und Familien nutzbar gemacht werden? Kapitel 1 stellt im Sinne einer Übersicht zu diesem Thema ein Rahmenmodell vor und in den Kapiteln 2 bis 5erfolgt eine Vertiefung der wichtigsten Grundbedürfnisse, sowohl theoretisch als auch anwendungsorientiert. Im zweiten Teil liegt der Fokus auf den Themen Resilienz und Ressourcenaktivierung: Warum ist eine Resilienz- und Ressourcenorientierung wichtig? Wie werden im therapeutischen Setting Ressourcen aktiviert und Resilienz gestärkt? Welche altersund entwicklungsspezifischen Aspekte gibt es dabei zu berücksichtigten? In Kapitel 6 werden die wichtigsten Begrifflichkeiten geklärt und in den vier nachfolgenden Kapiteln erfolgt eine theoretische und praktische Vertiefung in Bezug auf Kleinkinder (Kap. 7), Schulkinder (Kap. 8), Jugendliche (Kap. 9) und Familien (Kap. 10). Im dritten Teil des Buches steht der Therapieprozess im Fokus. Dabei wird versucht, die beiden Aspekte (Grundbedürfnisse bzw. Ressourcenperspektive) in Bezug auf den gesamten Therapieprozess zusammenzubringen: von der Therapieplanung und Fallkonzeption(Kap. 11),Erstgespräch(Kap. 12),über diediagnostik(kap. 13),zu schwierigen Situationen in der Therapie (Kap. 14) bis hin zum Abschlussgespräch (Kap. 15). Abgeschlossen wird das Buch mit einer kritischen Reflexion in Bezug auf den Nutzen und auf die Grenzen unserer Perspektive und der daraus entwickelten therapeutischen Strategien und Methoden. Wir danken den Autorinnen und Autoren für die interessanten, bereichernden und wegweisenden Beiträge. Wir danken den Lektorinnen des Beltz-Verlags, Frau Schwesinger und Frau Kühnle Zerpa, für die gewissenhafte und kompetente Unterstützung. Den Leserinnen und Lesern wünschen wir Freude beim Lesen und Nachdenken und vor allem gute Erfahrungen in der Umsetzung der ressourcen- und bedürfnisorientierten Therapie mit Kindern und Jugendlichen. Zürich im Herbst 2014 Marcel Schär und Christoph Steinebach 14 Vorwort

1 Überblick: Grundbedürfnisse bei Kindern, Jugendlichen und Familien Marcel Schär Christoph Steinebach 1.1 Einleitung In der Psychotherapie gibt es unzählige Theorien, Artikel und Bücher darüber, wie psychische Störungen entstehen und wie sie zu beheben sind. In den letzten Jahren haben mehrere Autoren unabhängig voneinander»grundbedürfnisfrustrationsmodelle«vorgeschlagen (z. B. Grawe, 2004; Young et al., 2009). Die Idee, dass unser Wohlbefinden davon abhängt, wie gut wir zentrale Bedürfnisse befriedigen können, ist an und für sich nicht neu. Neu an diesen Modellen ist, dass sie speziell für die psychotherapeutische Praxis ausgearbeitet worden sind. Aufgrund ihres praktischen Nutzens avancieren sie mittlerweile zum psychotherapeutischen Standardwissen. Anwendung der Grundbedürfnisfrustrationsmodelle fürkinder, Jugendliche und Familien Meistens wurden diese Modelle für die Erwachsenenpsychotherapie entwickelt, die Anwendung für die Kinder- und Jugendpsychotherapie dagegen steckt noch in den»kinderschuhen«(loose et al., 2013; Borg-Laufs & Dittrich, 2010). Dies ist erstaunlich, da sie bei näherer Betrachtung eigentlich wie geschaffen für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien sind. Die wichtigsten Gründe sind hier kurz zusammengefasst: " Vorbeugung. Die Grundbedürfnisfrustrationsmodelle gehen davon aus, dass die Art und Weise, wie Grundbedürfnisse in der Kindheit befriedigt werden, einen massiven Einfluss auf das spätere psychische Funktionieren hat. Werden Grundbedürfnisse nicht genügend befriedigt, führt dies mit der Zeit zu inneren Spannungen, die sich früher oder später»entladen«müssen. Bildlich gesprochen kann hier die Entstehung des Vulkanes beobachtet werden, bevor dieser ausbricht. Ähnlich wie bei einem frühen Vitaminmangel soll das rechtzeitige Erkennen von»psychologischen Grundbedürfnismängeln«dazu dienen, Störungen vorzubeugen. Wenn es gelingt, die fehlende oder mangelhafte Bedürfnisbefriedigung zu korrigieren, reduziert sich der innere Druck und die daraus folgenden Symptome werden überflüssig. Das heißt allerdings nicht unbedingt, dass sie auch gleichzeitig verschwinden. Wie die verhaltenstherapeutischen Ansätze betonen, können Symptome unter gewissen Bedingungen auch selbstaufrechterhaltend sein (z. B. Angst). " Flexibilität. Durch Frustrationen der Grundbedürfnisse bilden Kinder und Jugendliche implizite, negative Grundannahmen bzw. Arbeitsmodelle über sich (z. B.»Ich bin nichts wert«) und die Welt (»Die anderen sind unzuverlässig«). Durch wiederholte Bestätigung dieser negativen Grundannahmen werden diese immer einfluss- 16 1 Überblick: Grundbedürfnisse bei Kindern, Jugendlichen und Familien

reicher und bilden den Nährboden für eine spätere Störung. Gerade bei Kindern und Jugendlichen sind diese Überzeugungen jedoch noch nicht»in Stein gemeißelt«, sondern wesentlich plastischer und dadurch einfacher veränderbar. " Ressourcenorientierung. Gemäß den Grundbedürfnisfrustrationsmodellen werden Störungen nicht als Krankheiten, sondern als Lösungen für die Befriedigung von Bedürfnissen gesehen, auch wenn diese hohe (psychische)»kosten«verursachen. Anders formuliert bedeutet dies: Störungen sind die subjektiv bestmöglichen Lösungsversuche, um trotz ungünstiger Voraussetzungen ein Mindestmaß an Bedürfnisbefriedigung zu erreichen. Ziel der Therapie ist es, mit den Kindern und ihrem Umfeld eine (noch) bessere Lösung zu finden, sprich eine Lösung mit weniger Kosten bzw. Nebenwirkungen. Diese Sichtweise hilft, eine ressourcenorientierte und nicht eine pathologisierende Haltung einzunehmen, die wesentlich für die gesunde Entwicklung des Kindes ist. " Therapieschulenübergreifende Metamodelle. Ein weiterer Vorteil von Grundbedürfnisfrustrationsmodellen ist, dass sie in der Regel therapieschulenübergreifende Metamodelle sind. Das heißt, es sind Rahmenmodelle, welche erlauben, bisherige Erkenntnisse schulenübergreifend zu einem sinnvollen Ganzen zu integrieren. Dadurch können bewährte Sichtweisen und Interventionen von verschiedensten Therapieschulen einbezogen und so optimal auf die Klienten und ihr System abgestimmt werden. 1.2 Theoretische Einführung in Grundbedürfnisse Es gibt unterschiedliche Grundbedürfnisfrustrationsmodelle. Wir lehnen uns nachfolgend an das Modell von Grawe an, wobei wir einige Adaptionen und Anpassungen vornehmen, auf die wir weiter unten ausführlich eingehen werden. Grawe selbst nennt sein Modell»das konsistenztheoretische Modell des psychischen Geschehens«(s. z. B. Grawe, 2004). Da die Theorie einen gewissen Komplexitätsgrad aufweist, wird sie zuerst grob skizziert und anschließend im Detail besprochen. Die Grundidee des vorliegenden»grundbedürfnisfrustrationsmodells«ist, dass Menschen sich nur dann gesund entwickeln können, wenn sie zentrale und angeborene psychische Grundbedürfnisse befriedigen können (s. Abschn. 1.4). Hierzu entwickeln sie Ziele und Verhaltensweisen, sogenannte motivationale Schemata (s. Abschn. 1.5). Dabei können Annäherungsschemata und Vermeidungsschemata unterschieden werden. Annäherungsschemata dienen der Erfüllung der Grundbedürfnisse und Vermeidungsschemata dienen der Verhinderung von Verletzung, Bedrohung oder Frustration der Grundbedürfnisse. Die Befriedigung dieser Ziele geht mit positiven Gefühlen (Lust, Freude usw.) einher, wogegen die Frustration mit negativen Affekten verbunden ist (s. Abschn. 1.6). 1.2 Theoretische Einführung in Grundbedürfnisse 17