Anorexia nervosa in der Klinik

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Anorexia nervosa in der Klinik Karin Egberts Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Würzburg Arzt-Lehrer-Tagung 17. Juli 2013

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Intensivstation

Diagnostik- Differentialdiagnose

Ansatzpunkte der Therapie (Medizinische Grundversorgung) Gewichtsrehabilitation Essverhalten Psychotherapie Psychosoziale Integration Familie

Voraussetzungen an die Klinik Multimodales Therapiekonzept hoch strukturiertes therapeutisches Milieu ( holding function, aber auch Durchsetzung des Symptomverzichts) multiprofessionelles, spezialisiertes Team altersspezifische Ausrichtung Vernetzung/ Langzeitkonzept

Gewichtsrehabilitation Viele typische Symptome der AN werden durch den Hungerzustand hervorgerufen oder verstärkt: Gewichtsrestitution therapeutisch zwingend notwendig! Individuelles Zielgewicht Nahrungsaufbau Ruhezeiten 500g - 1000g Gewichtszunahme pro Woche Gewichtskontrollen

Gewichtsstufenplan (positive Verstärkung)

Ernährungstherapie zeitlich begrenzte, begleitete Mahlzeiten Abbau der Ruhezeiten Ernährungsberatung Vorportioniertes Essen Selbstportionieren freies Essen Lernen, das Gewicht zu halten Zunehmende Eigenverantwortung

Kochgruppe

Psychotherapie Kognitive Verhaltenstherapie Einzelsitzungen mit Bezugstherapeut Gruppentherapie Veränderung dysfunktionaler Gedanken Aufbau von Selbstvertrauen und sozialen Fertigkeiten Abbau von Ängsten bzgl. Gewicht und Aussehen Behandlung von Begleitstörungen (z.b. soziale Ängste, Depression, Zwänge) Psychoedukation: Verständnis der Erkrankung

Bewegungstherapie

Einbeziehung der Eltern und Familie Essentiell in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen Information und Beratung Stützende Elterngespräche, Familiengespräche Ggf. Familientherapie Wochenendaufgaben Elterngruppe

Multimodale Therapie von Essstörungen Elternarbeit Ergotherapie Musiktherapie Reittherapie Heilpädagogik Soziale Kompetenzgruppe Psychotherapie körperorientierte Therapieverfahren Schule Ernährung, Gewichtsmanagement Medizinische Grundversorgung

Medikamentöse Therapie: Substanzklassen Antidepressiva (SSRI) niederpotente Antipsychotika atypische Antipsychotika Tranquilizer v.a. bei Begleitstörungen und zur Rückfallprophylaxe

Vorbereitung Leben nach der Klinik Belastungserprobung Klinikschule, evtl. externer Schulbesuch Tages- und Wochenendbeurlaubungen Einbeziehung des sozialen Umfelds und Förderung von Aktivitäten in der Freizeit (Freunde, Kino, Sportverein etc.) Risiko der stationären Therapie: Bruch im Lebenslauf

Auswärtsessen

Planung der ambulanten Behandlung Hohe Rückfallgefahr! Sorgfältige Planung der poststationären Versorgung Stabilisierende Psychotherapie Gewichtskontrolle Wiederaufnahmevertrag Ggf. Rehabilitationsmaßnahme, Kontakt mit Jugendamt

Einsatz neuer Medien In Erprobung: CD-ROMs Internetgestützte Interventionsprogramme Email- oder SMS- Support Internet Foren: Chat-Gruppe Laufende BMBF-Projekte zur Rückfallprophylaxe der AN und BN (Fichter Quadflieg et al.) KJP- Anorexie- Register : Forschungs- Datenbank

Verlauf und Prognose Heilung: 45-50% (neuere Studien bis 80%) partielle Besserung: 33% chronifizierter Verlauf: 20% Cross-over in bulimische Störung: 15-20% mittlere Mortalitätsrate: 2,2% (Metaanalyse: 31 Verlaufsstudien im Zeitraum 1960-96)

Fazit: Anorexia nervosa in der Klinik oft Methode der Wahl Gewichtsrehabilitation ist vorrangiges Ziel, vor vollständiger seelischer Gesundung so früh wie möglich und ausreichend lange mehrdimensionales Therapieangebot und altersspezifisches Setting Langzeitkonzept: ambulante Fortsetzung der Behandlung

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Anorexia nervosa negative Prädiktoren hoher Gewichtsverlust (BMI 13) Chronizität männliches Geschlecht prämorbide Auffälligkeiten Erbrechen

positive Prädiktoren Erkrankung in Adoleszenz konfliktfreie Eltern-Kind-Beziehung kurze und wenige stationäre Aufenthalte kurze Krankheitsdauer vor stationärer Behandlung Hoher BMI bei Entlassung (20.-25. BMI-Perzentile!!) Engmaschige ambulante Nachsorge und strikte Gewichtskontrolle