Informationsmaterialien über den ökologischen Landbau und zur Verarbeitung ökologischer Erzeugnisse für die Aus- und Weiterbildung im Ernährungshandwerk und in der Ernährungswirtschaft (Initiiert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau) BLE 2010 Fleischerhandwerk Warmfleischverarbeitung B3 Veränderungen des Fleisches nach der Ausschlachtung Autor: Gliederung 1 Was versteht man unter Warmfleisch?... 2 2 Warmfleischverarbeitung... 2 3 Verarbeitungsmöglichkeiten... 5 4 Zusammenfassung... 7
1 Was versteht man unter Warmfleisch? Der lebende Organismus versorgt die Muskulatur mit Adenosintriphosphat (ATP). Dieses natürliche Phosphat schafft eine lockere Muskelstruktur und verhindert die Bildung des Actomyosinkomplexes. Solange ATP vorhanden ist, bleibt das Muskelfleisch schlaff. Zwischen den unverbundenen Eiweißen kann sich viel körpereigenes Wasser mit Geschmacksstoffen einlagern. Während der Totenstarre wird das ATP abgebaut, und somit besitzt der Muskel kein natürliches Phosphat mehr (vergleiche Foliensatz Biochemische Veränderungen im Muskel Totenstarre ). Die Verarbeitungseigenschaften werden also verschlechtert, so dass Phosphate oder Citrate zugegeben werden müssen, um eine ausreichende Wasserbindung zu ermöglichen. Von Warmfleisch spricht man bei Schweinen bis 45 Minuten nach dem Blutentzug, bei Rindern bis 60 bis 90 Minuten nach dem Blutentzug. Danach beginnt mit einsetzender Totenstarre der Abbau von ATP. 2 Warmfleischverarbeitung Die Warmfleischverarbeitung ist oft etwas problematisch. Lange Transportwege und BSE- Tests haben diese früher beliebte Technologie zurückgedrängt. Warum Warmfleisch, nicht zuletzt bei der Öko-Wurstherstellung, Vorteile bringt, ist in den folgenden Absätzen erklärt (vergleiche Foliensatz Vergleich von Warm- und Kaltfleisch ). 2.1 Eigenschaften von Warm- und Kaltfleisch Warmfleisch Der ph-wert ist hoch (6,5 bis 7), da ATP und Glykogen (tierische Stärke, Muskelzucker) vorhanden sind (vergleiche Foliensatz: Bildung der Fleischmilchsäure ). Aktin und Myosin sind getrennt, da ATP vorhanden ist. Das Warmfleisch ist weich und klebrig, hat eine gute Wasserbindung, einen kräftigen Fleischgeschmack und ist für Brühwurst (ohne Kutterhilfsmittel) und Kochwurst bestens geeignet. Der Glykogengehalt mindert die Salzschärfe, deshalb ist Salzzugabe bis 25 g je kg Warmfleisch möglich. 2 BLE 2010
Kaltfleisch Der ph-wert ist gefallen (5,2 bis 5,6), da das Gykogen durch fleischeigene Enzyme zu Fleischmilchsäure abgebaut worden ist. Aktin und Myosin haben sich zu Aktomyosin zusammengeschlossen, da das ATP abgebaut wurde. Das Kaltfleisch ist fest, hat eine schlechtere Wasserbindung und ist weniger gut für Kochwurst und Brühwurst geeignet. Ein Kutterhilfsmittel darf zugegeben werden. Das Glykogen ist abgebaut, deshalb ist eine Salzzugabe von höchstens 22 g je kg Fleisch und Fett nötig. 2.2 Brät aus Warm- und aus Kaltfleisch Wird ohne Kutterhilfsmittel gearbeitet, treten natürlich auch bei Brät und Wurst zwischen Warmfleisch- und Kaltfleischverarbeitung gravierende Unterschiede auf, wie sie die folgenden Gegenüberstellungen belegt. Brät aus Warmfleisch ist glatt und sehr hell, die Lufteinschlüsse sind rund und glatt, es glänzt und ist sehr homogen. Brät aus Kaltfleisch ist rauer und nicht ganz so hell, die Lufteinschlüsse sind kleiner und unregelmäßig, es glänzt weniger und wirkt grober. Fotos: H. Jakob 3 BLE 2010
2.3 Wurst mit Warmfleisch und mit Kaltfleisch Wurst mit Warmfleisch ist glatt und hell, die Lufteinschlüsse sind rund und glatt, sie glänzt und ist sehr homogen. Wurst mit Kaltfleisch ist rauer und nicht ganz so hell, die Lufteinschlüsse sind kleiner und unregelmäßig, sie glänzt weniger und wirkt grober. Fotos: H. Jakob 2.4 Hinweise zum Verarbeiten von Warmfleisch Beim Verarbeiten von Warmfleisch spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle. Generell gilt: Je schneller das Fleisch verarbeitet wird, umso besser. Folgende Fristen sind jedoch unbedingt einzuhalten: bis höchstens 2 Stunden nach der Schlachtung bei Schweinefleisch, bis höchstens 8 Stunden nach der Schlachtung bei Rindfleisch. Innerhalb dieser Zeiträume muss das Warmfleisch entweder verarbeitet werden oder die Warmfleischeigenschaften sollten konserviert sein. Deshalb sind folgende Punkte zu beachten: schnell auslösen, schnell mit Salz zerkleinern, niedrige Temperaturen sind vorteilhaft, weil die Warmfleischeigenschaften so etwas länger erhalten bleiben. 4 BLE 2010
3 Verarbeitungsmöglichkeiten 3.1 Warmbräten Warmfleisch kann sofort zu Warmbrät verarbeitet werden. Dazu ist es vorteilhaft, den Kutter mit Eis vorzukühlen und mit gefrorenem Speck zu arbeiten, damit das Fleisch möglichst fein zerkleinert wird und so viel Eiweiß aufgeschlossen werden kann. (vergleiche Foliensatz: Warmbräten ) Fleisch sofort nach der Schlachtung auslösen, Kutter mit Eis unter -10 C vorkühlen, Fleisch schnellstmöglich mit Salz im Langsamgang trocken ohne Eis vorkuttern, bei 0 C erste Eisportion, bei 3 C zweite Eisportion, bei 6 C gefrorenes Fett und Gewürze und bei 9 C restliches Eis dazugeben, bei 12 C Brät herausnehmen, nun möglichst schnell füllen und brühen. Abbildung 1: Warmfleisch im Kutter Foto: H. Jakob 5 BLE 2010
3.2 Verarbeitungseigenschaften des Warmfleisches konservieren (= Phospatabbau verhindern) Ist Warmbräten aus betriebsorganisatorischen Gründen nicht möglich, sollten die guten Verarbeitungseigenschaften des Warmfleisches für die Brühwurstherstellung konserviert werden. Dies kann wie folgt geschehen: 3.2.1 Warmschroten (vergleiche Foliensatz: Warmschroten ) Fleisch sofort nach der Schlachtung auslösen, mit Salz vermischen, schnellstmöglich 13 mm wolfen, nun gut vermischen, flach in Kästen schichten, bei 0 C auskühlen lassen, in 1 bis 2 Tagen verarbeiten. Auf diese Weise kann der Warmfleischeffekt 1 bis 2 Tage erhalten bleiben. Foto: H. Jakob Abbildung 2: Das gewolfte, gesalzene Warmfleisch wird per Hand vermengt. 3.2.2 Schockgefrieren Fleisch möglichst schnell in nussgroße Würfel schneiden, schnell flach geschichtet eingefrieren. Auf diese Weise kann der Warmfleischeffekt einige Wochen erhalten werden. Das Fleisch muss jedoch im gefrorenen Zustand verarbeitet werden. 6 BLE 2010
4 Zusammenfassung Warmfleischverarbeitung ist die beste Möglichkeit, Brühwurst ohne Zusatzstoffe wie Phosphate und Citrate herzustellen. Auch wenn nur ein kleiner Teil Warmfleisch bei der Brühwurstherstellung verwendet wird, ist dies von Vorteil. Als schnell zu verarbeitende Teile bieten sich beim Rind Hals und Dünnung an, beim Schwein die Backe. Leider ist die Warmfleischverarbeitung oft aus betriebsorganisatorischen oder rechtlichen Gründen (BSE-Test) nicht möglich. Im Kapitel Brühwurstherstellung werden u. a. Wege aufgezeigt, auch mit Kaltfleisch eine gute Öko-Wurst herzustellen. Nutzen Sie, wenn nur irgend möglich, die Option Warmfleisch, es lohnt sich. 7 BLE 2010