Roboter in der Pflege und Versorgung von Personen mit Demenz - Einblicke in das SILQUA-Projekt EmoRobot Tagung Forschen für die alternde Gesellschaft 02. Juni 2016 Prof. Dr. Helma M. Bleses Sven Ziegler, M.Sc. Public Health
Das Projekt EmoRobot Emotionen stimulierende Assistenzroboter in der Pflege und Betreuung dementiell erkrankter Menschen in der stationären Langzeitpflege Projektleitung: Prof. Dr. Helma M. Bleses Gefördert vom BMBF im Rahmen der Ausschreibung SILQUA-FH Förderkennzeichen: 03FH006SA3 1
Hintergrund / Zielsetzung Erkundung des Einsatzes von robotischen Assistenzsystemen als Unterstützung bei der Betreuung von Menschen in verschiedenen Phasen einer dementiellen Entwicklung [1] Technology-Pull Perspektive [2] Konzentration auf Systeme, die bei den betroffenen Personen (auch) Emotionen stimulieren (sollen) [1] vgl. Perrin et al. (2008) [2] vgl. Krings et al. (2014) 2
Methodischer Ansatz Methodenpluralität in der Forschungsplanung qualitativ-explorative Untersuchung im Sinne mit quasi-feldexperimentellem Charakter [1], [2] theoretisches Sampling [3] der Datenerhebung Beobachtung [4] Videographie/fokussierte Ethnographie [5] Interviews [4], [6] [1] vgl. Kleining (1986) [2] vgl. Kühl (2009) [3] vgl. Glaser/Strauss (2005) [4] vgl. Honer (2011) [5] vgl. Tuma et al. (2013) [6] vgl. Kleining (1994) [7] vgl. Strauss/Corbin (1996) [8] vgl. Kelle/Kluge (2010) der Datenauswertung sequenzielle Videoanalyse [5] Kodierung der Daten Fallkontrastierung [8] [5], [7] 3
Feldphasen Sample [1] 8 Frauen 3 Männer Ethische Fallbesprechung zu jeder Person [3] Planung und Durchführung kontrastierender Interventionen mit und ohne Robotik auf Basis positiv besetzter Alltagssituationen [1] [2] Erstbegegnungen/offene Begegnungen mit der Robotik (n=17) Interventionen ohne Robotik (n=26) Interventionen mit Robotik (n=39) [1] vgl. Beer et al. (2015) [2] vgl. Ziegler et al. (2015) [3] vgl. Berendonk/Stanek (2010) 4
Analyse Auswahl aus den Forschungsfragen und theoretische Bezugspunkte: Wie reagieren Menschen in verschiedenen Phasen ihrer Demenz in unterschiedlichen Situationen ihres Alltags auf Emotionen stimulierende Assistenzsysteme (unterschiedlicher Art)? Anwendung von Goffmans Konzept der Rahmenanalyse: Was geht hier eigentlich vor? [1] Wofür halten Menschen mit Demenz Emotionen stimulierende Assistenzsysteme (unterschiedlicher Art)? [...] Verstehen des Verstehens [...] [2] [1] Goffman (1980): 16. [2] Soeffner (2004): S. 63, kursiv im Original 5
Analyse Personen mit Demenz... erkunden deuten handeln resümieren 6
Vorläufiges Resümee Personen mit Demenz... lassen robotische Assistenzsysteme in ihrer Alltagswelt auf ihre je eigene Art und Weise zu schätzen die Situation mit (potenziell fremder) Robotik auf ihre je eigene Art und Weise ein und handeln entsprechend zeigen uns Grenzen und Entwicklungsbedarfe robotischer Systeme auf führen uns Kompetenzen vor Augen, die uns (scheinbar) hellwache normale Erwachsene [1] irritieren Sie verweisen uns darauf, Deutungen nicht aufgrund einer Diagnose vor(weg)zunehmen, sondern auf die jeweilige Situation selbst zu beziehen [1] Honer (2011): 139 7
Ausblick Potenziale/Grenzen: supplementärer Einsatz von Robotik als Kommunikationsgegenstand/-anlass Unterhaltungsmedium Vehikel für personenorientierte Angebote humane Steuerung und/oder Begleitung scheint derzeit immer erforderlich Forschungsbedarfe: weitere Erkundungen zum Erleben und den Bedürfnissen von Personen mit Demenz als Grundlage für die (Weiter-)Entwicklung (pflegerischer) Konzepte im Umgang mit dieser Personengruppe bedürfnisorientierte Entwicklung technischer Systeme adäquaten Einsatz (robotischer/technischer) Hilfsmittel begleitende Forschung beim Einsatz robotischer Systeme im Alltag 8
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Literatur Beer, T.; Bleses, H. M.; Ziegler, S. (2015): Personen mit Demenz und robotische Assistenzsysteme. Ethnographische Erkundungen zu Randakteuren der Pflege. Pflege und Gesellschaft 20 (1), S. 20 36 Berendonk, C.; Stanek, S. (2010): Positive Emotionen von Menschen mit Demenz fördern - Die Gestaltung individuell bedeutsamer Alltagssituationen durch Pflegefachpersonen und pflegende Angehörige. In Kruse, A. (Hrsg.): Lebensqualität bei Demenz? Zum gesellschaftlichen und individuellen Umgang mit einer Grenzsituation im Alter. Heidelberg: AKA, S. 157 176 Glaser, B. G.; Strauss, A. L. (2005): Grounded theory. Strategien qualitativer Forschung. 2., korr. Aufl. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Huber Goffman, E. (1980): Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Honer, A. (2011): Kleine Leiblichkeiten. Erkundungen in Lebenswelten. Wiesbaden: Springer VS Kelle, U.; Kluge, S. (2010): Vom Einzelfall zum Typus. 2., überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Springer VS Kleining, G. (1986): Das qualitative Experiment. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 38 (4), S. 724-750 Kleining, G. (1994): Qualitativ-heuristische Sozialforschung: Schriften zur Theorie und Praxis. Hamburg-Harvestehude: R. Fechner Krings, B.-J.; Böhle, K.; Decker, M.; Nierling, L.; Schneider, C. (2014): Serviceroboter in Pflegearrangements. In: M. Decker, T. Fleischer, Schippl, J.; Weinberger, N. (Hrsg.): Zukünftige Themen der Innovations- und Technikanalyse: Lessons learned und ausgewählte Ergebnisse. Karlsruhe: KIT Scientific Publishing, S. 63-121 Kühl, S. (2009): Experiment. In: Kühl, S., Strodtholz, P., Taffertshofer, A. (Hrsg.): Handbuch Methoden der Organisationsforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 534 557 Perrin, T.; May, H.; Anderson, E. (2008): Wellbeing in Dementia. An Occupational Approach for Therapists and Carers, 2nd revised edition. Edinburgh: Churchill Livingstone Soeffner, H.-G. (2004): Auslegung des Alltags Der Alltag der Auslegung. Zur wissenssoziologischen Konzeption einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik. 2. durchgesehene und erg. Auflage. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft Strauss, A. L.; Corbin, J. M. (1996): Grounded theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz, PsychologieVerlagsUnion Tuma, R.; Schnettler, B.; Knoblauch, H. (2013): Videographie: Einführung in die interpretative Videoanalyse sozialer Situationen. Wiesbaden: Springer VS Ziegler, S.; Treffurth, T.; Bleses, H. M. (2015): Entsprechend dem (mutmaßlichen) Willen? Ethische Anforderungen bei der Einbindung von vulnerablen Personen (am Beispiel von Personen mit Demenz) in wissenschaftlichen Projekten zur Beforschung emotionsorientierter Pflege und Betreuung mit robotischen Assistenzsystemen. Pflege und Gesellschaft 20 (1), S. 37 52 10