Inklusion von Kindern mit (drohender) Behinderung in die Kinder- und Jugendhilfe 07.09.2009 Gisela Dittrich, DJI 1
Berichtsauftrag: Kinder und Jugendliche mit Behinderung einbeziehen Im Sinne des SGB IX wie im Sinn der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung musste für den Bericht eine konsequente inklusive Perspektive entwickelt werden. Die Kommission entschied sich dafür, die Lebenslage und die Gefährdungen in ihr für Kinder und Jugendliche mit Behinderung als ein Querschnittsthema zu behandeln, um so im Vergleich zu Kindern ohne Behinderung auf Behinderungen im sozialen Leben aufmerksam zu machen. 2
Bezugspunkt: UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.Dez. 2006 Ratifikation Deutschlands des Übereinkommens am 1.1.2009 Die UN-Konvention fordert von den unterzeichnenden Staaten u.a.: Die Sicherung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für Menschen mit Behinderungen sowie ihre uneingeschränkte Teilhabe. Die Sicherung der möglichen individuellen Autonomie und Unabhängigkeit für Menschen mit Behinderungen einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Das Wohl des Kindes soll vorrangig berücksichtigt werden und nicht hinter Institutioneninteressen zurücktreten müssen. 3
Die Einbeziehung der Geschlechterperspektive auf dem Hintergrund der Feststellung einer Mehrfachdiskriminierung von Mädchen und Frauen mit Behinderung. Dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern Zugang zur physischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umwelt, zu Gesundheit und Bildung sowie zu Information und Kommunikation haben. Die Förderung von Schulungsprogrammen zur Schärfung des Bewusstseins für Menschen mit Behinderung und deren Rechte. 4
Probleme, die in der Darstellung der Lebenslagen deutlich wurden Darstellungen und Untersuchungen zur Lebenslage von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung sind rar. Berichte und Untersuchungen beziehen sich vor allem auf medizinische, therapeutische Aspekte. Die Gleichsetzung von Krankheit und Behinderung erschwert es, über Wohlbefinden und Kohärenzsinn bei Kindern und Jugendlichen mit Behinderung nachzudenken. 5
Familien mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung beklagen das Fehlen von inklusiven Angeboten für alle Altergruppen. Die unterschiedliche Zuständigkeit zwischen Jugendhilfe für die Psychischen Behinderungen und die Sozialhilfe (SGB IX) für Körperliche und geistige Behinderungen entspricht in vielen Fällen nicht der Realität und dem Hilfebedarf der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung. Eltern müssen in den meisten Fällen Hilfen, die sie für ihre Kinder beanspruchen, erst mühsam erkämpfen bzw. einklagen. 6
Gefordert ist ein Perspektivwechsel in den sozialen Systemen und der individuellen Haltung derer die in ihnen arbeiten: Weg von der Sicht auf den Menschen mit Behinderung, der als behandlungs- und fürsorgebedürftig betrachtet wird, hin zu einer Haltung, die den Menschen mit Behinderung als Person mit eigenen Rechten wahrnimmt. 7
Menschen mit Behinderung machen darauf aufmerksam, dass die Behinderung einen Teil ihrer individuellen Persönlichkeit darstellt. Sie fordern ein Leben unter größtmöglicher Entfaltung individueller Fähigkeiten und der Wahl eines eigenen Lebensstils. Sie lehnen den Zwang ab, sich an Normvorstellungen orientieren zu müssen und überwiegend über medizinischtherapeutische Interventionen definiert zu werden. 8
Gefordert ist eine Veränderung der Hilfesysteme: Ein konsequenter Blick auf die individuelle Person mit Behinderung und auf ihre Lebenslage erfordert überwiegend zugehende und ambulante Hilfen und Angebote die auf die Teilhabechancen ausgerichtet sind. Die bestehenden Angebote und Hilfen sind geprägt von sich gegenseitig abgrenzenden Zuständigkeiten, die den Blick auf das Kind und den Jugendlichen mit Behinderung und seinen Bedürfnissen verstellen. 9
SGB 2.3.4.5.6. 7.8. 9. 10.11.12. Behinderten Hilfe Jugendhilfe Sozialhilfe Angebote für Kind Familie Jugendlicher Angebote für Kind Familie Jugendlicher Angebote für Kind Familie Jugendlicher 10
Notwendig sind Kooperationen und Vernetzungen der Hilfesysteme Der überwiegende Teil heutiger Angebote sind aber überwiegend aus dem Fürsorgegedanken heraus konzipiert. Ihnen fehlen vor allem bei stationären, teilstationären Angeboten eine Ausrichtung auf inklusive Strukturen. Andere Hilfesysteme wie die Jugendhilfe fühlen sich für Kinder mit geistiger oder körperlicher Behinderung nicht zuständig. 11
Damit haben diese Kinder und Jugendliche und ihre Eltern keinen Zugang zu den ihnen altersmäßig zustehenden inklusiven Angeboten wie z.b.: - Familienberatung, Erziehungsberatung - Freizeitaktivitäten - Regelkrippe - Regelhort - Maßnahmen der Ausbildung und Arbeitsbeschaffung 12
Es gibt vor allem für die Altersgruppen der jungen Erwachsenen außer den stationären Hilfen (wohnen) und teilstationären Hilfen (arbeiten) zu wenig Angebote, die für die Jugendlichen die Option einer Wahl oder die Einlösung eines eigenen Lebensstils zulassen. 13
Was können die ersten Schritte hin zu einem inklusiongeleiteten Angebot für Kinder und Jugendliche mit Behinderung durch die drei Systeme SH, JH, BH sein? Sozialhilfe Jugendhilfe Behindertenhilfe Umwandlung stationärer Heime zu Gunsten ambulanter Angebote Kinder Eltern Jugendliche, Selbsthilfe Lebenslage Überprüfung aller Regelangebote im Sinne eines Disability Mainstreaming Umwandlung Behindertenspezifischer Einrichtungen zu inklusiven Orten. Fachwissen wird in die Regeleinrichtungen integriert Kooperationen im Sinne der Belange des Kindes/Jugendl. Aufbau einer unabhängigen Beratung zur selbstständigen Lebensführung Kooperationen im Sinne der Belange des Kindes/Jugendl. 14
Empfehlungen Leitlinie 7 des 13. Kinder- und Jugendberichts: Im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention ( 24) haben alle Kinder, unabhängig von ihrem Rechtsstatus, ein Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit. 15
Insofern sind alle Maßnahmen an einer Inklusionsperspektive auszurichten, die keine Aussonderung akzeptiert. Inklusionsnotwendigkeiten bestehen vor allem für Kinder, die in Armut aufwachsen, für Heranwachsende mit Migrationshintergrund und für Mädchen und Jungen mit behinderungsbedingten Handlungseinschränkungen. Sprach-, Status- und Segregationsbarrieren sind abzubauen und die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung sind in allen Planungs- und Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen (disability mainstreaming). 16
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! 07.09.2009 17