Einführung in die Sprachwissenschaft Repetitorium Gerrit Kentner 27. Juni 2012
Zielsetzung Überblick über die Teildisziplinen in der Sprachwissenschaft Erlernen der Fachsprache, in der sprachliche Phänomene zu beschreiben sind Erlernen von Methoden zur Analyse von Sprache; selbstständige Anwendung Überprüfung der eigenen Überzeugungen, was Sprache, was Muttersprache ist.
Was ist Sprache? Auf kognitiven Prozessen basierendes, gesellschaftlich bedingtes, historischer Entwicklung unterworfenes Mittel zum Ausdruck bzw. Austausch von Gedanken, Vorstellungen, Erkenntnissen und Informationen sowie zur Fixierung und Tradierung von Erfahrung und Wissen Artspezifität Kreativität, Fähigkeit zur begrifflichen Abstraktion Möglichkeit zu metasprachlicher Reflexion (Bussmann, H.: Lexikon der Sprachwissenschaft)
Aspekte des Sprachbegriffs einzelsprachlich ausgepägtes System von freigeschaffenen, aber konventionell überlieferten Zeichen und Kombinationsregeln Gegenstand strukturalistischer Untersuchungen Wissenssystem, über das Sprachnutzer verfügen: kreative Fähigkeit, von dem System entsprechend der kommunikativen Bedürfnisse einen (potentiell) unendlichen Gebrauch zu machen. Die generelle Kenntnis des Sprachsystems wird Kompetenz genannt und wird der Performanz (aktuelle Sprachverwendung unter Einfluss von Umwelt, Körper, Gedächtnis, Emotion etc.) gegenübergestellt. Gegenstand der mentalistischen Linguistik (generative Linguistik)
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft? Es gibt sehr unterschiedliche Herangehensweisen an diesen Untersuchungsgegenstand. strukturalistische Sprachwissenschaft Generative Sprachwissenschaft (im Rahmen der Kognitionswissenschaft) Sprache und Kommunikation Soziolinguisitik Historische Linguisitk Angewandte Sprachwissenschaften...
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft? Alle linguistischen (Sub-)Disziplinen brauchen einen gemeinsamen Beschreibungsapparat, der es erlaubt, sprachliche Phänomene zu analysieren. Die linguistischen Kernbereiche, auch Kernbereiche der Grammatik: Phonetik und Phonologie (Lautsystem) Morphologie (Wortstruktur) Syntax (Satzstruktur) Semantik (Bedeutung)
Sprache als Zeichensystem Mit Sprache kann man über etwas reden. Die Linguistik kann als Teildisziplin der Semiotik (Zeichentheorie) gesehen werden (versteht sich aber als selbstständige Disziplin). Was ist ein Zeichen? Etwas, das für etwas steht - aliquid stat pro aliquo oder auch Ein Zeichen steht für ein Bezeichnetes Stellvertreterfunktion!! Dieser Zeichenbegriff enthält keine Einschränkung darüber, was Zeichen und Bezeichnetes sein könnten.
Sprache als Zeichensystem Drei Typen von Zeichen (nach Charles Pierce) Index (auch Symptom) Zeichen und Bezeichnetes stehen in einem Folge-Verhältnis (auch Ursache-Wirkungs-Zusammenhang) Stimmlage steht für Geschlecht Fieber steht für Krankheit Rauch steht für Feuer Ikon Zeichen und Bezeichnetes stehen in einem Ähnlichkeitsverhältnis Piktogramme Onomatopoetika (Wauwau, Kuckuck) Symbol weder Ähnlichkeits- noch Folgeverhältnis zwischen Zeichen und Bezeichnetem
Sprache als Zeichensystem Wie werden Zeichen benutzt Symbol Die Beziehung von Zeichen und Bezeichnetem ist grundsätzlich arbiträr: Das Wort Baum hat nichts baumhafteres als das engl. tree. Ein gelbes, auf der Spitze stehendes Quadrat mit weissem Rand kann ohne explizite Erklärung nicht als Zeichen für Vorfahrt gedeutet werden. Die Zuweisung einer Bedeutung setzt also Konventionen (Übereinkünfte) über den Zeichengebrauch voraus. Symbole werden wie Ikonen intentional gesetzt und interpretiert.
Sprache als Zeichensystem Objekte oder Phänomene werden nur über den Zeichenbenutzer zum Zeichen. Er stellt den Referenzbezug zwischen Zeichen und Bezeichnetem her Ein an einer Stange befestigtes, farbiges Stück Blech in Quadratform ist erst dann ein Zeichen, wenn wir unser Wissen um seine Funktion aufrufen. Die Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem ist also indirekt!
Das semiotische Dreieck...
Sprache als Zeichensystem Die Struktur des sprachlichen Zeichens: Mit Saussure unterscheiden wir zwischen Form (signifiant) und Inhalt (signifié) des sprachlichen Zeichens. Achtung: signifié Referenzobjekt signifié Bedeutung/ Konzept (ist ein Aspekt des Zeichens) Referenzobjekt ist nicht inhärenter Teil des Zeichens Saussure verwendet für signifiant auch den Begriff image acoustique; signifié wird auch concept genannt.
Sprache als Zeichensystem Die Struktur des sprachlichen Zeichens: Form und Bedeutung sind unmittelbar aufeinander bezogen. Die Beziehung ist charakterisiert durch: Arbitrarität (s.o.) Zuordnung von Laut und Bedeutung ist willkürlich. Konventionalität (s.o.) Zuordnung kann nicht von jedem Benutzer nach Belieben vorgenommen werden. Zuordnung muss innerhalb der Sprechergemeinschaft einigermassen stabil sein, ansonsten scheiterte Kommunikation. Assoziativität: Zeichenform und -inhalt sind unterschiedliche aber miteinander verbundene Gedächtnisinhalte.
Sprache als Zeichensystem Das System Sprache ist nicht als eine Liste von Zeichen zu verstehen, aus der ein Sprecher bestimmte Elemente für seine Äusserungen wählt und aneinanderreiht. Die sprachlichen Zeichen sind nicht einfach aufgelistet, sondern haben systematische, regelhafte Beziehungen untereinander. Eine Sprache sprechen heisst daher, Regeln zu folgen (was Kreativität nicht ausschliesst!). Syntagmatische Beziehungen Paradigmatische Beziehungen Analyse und Kombinatorik der Zeichen
Sprache als Zeichensystem Syntagmatische Beziehungen Beziehung zwischen benachbarten sprachlichen Elementen in einer komplexen Einheit (Syntagma) semantische Beziehung: Der Hund bellt / *Die Ente bellt grammatische Beziehung: Der Hund bellt / *Der Hund bellen Paradigmatische Beziehungen vertikale Beziehung zwischen sprachlichen Elementen. Austauschbarkeit / Substituierbarkeit von Elementen einer Klasse (eines Paradigmas) semantisches Paradigma: Der Hund {bellt, knurrt, winselt, jault, *spricht...} morphosyntaktisches Paradigma: Der Hund {bellt, bellte, hat gebellt, *bellten...}
Sprache als Zeichensystem Analyse und Kombinatorik der Zeichen Sprachliche Zeichen sind mehrfach strukturiert ( Mehrstufigkeit der Zeichenorganisation, doppelte Gegliedertheit, Dualität ) Wörter sind analysierbar in kleinere a) bedeutungstragende Wortbestandteile (Morpheme) und diese wiederum in b) bedeutungsunterscheidende Laute (nicht bedeutungstragende Phoneme) Andererseits sind Wörter kombinierbar zu grösseren Einheiten: Phrasen, Sätze, Texte sprachliche Zeichen sind komplex und daher ökonomisch (sie transportieren viel auf einmal)
Wörter Analysierbar in Laute ohne eigene Bedeutung { v, œ, K, t, 5} Wortbestandteile mit Bedeutung {Wort + er } Kombinierbar mit anderen Wörtern zu Sätzen und Texten
Morphologie Grundbegriffe der Wortstrukturbeschreibung Teilgebiete der Morphologie Morphembegriff Morphemklassifikation Flexion im Deutschen Literatur zum Thema: Meibauer, J. et al. (2002): Einführung in die germanistische Linguistik. Stuttgart: Metzler. Kap 5 Grewendorf, G. et al. (1998). Sprachliches Wissen. Frankfurt a.m.: Suhrkamp. Kap. 5
Teilgebiete der Morphologie Morphologie Wortbildung Flexion Komposition Lehr+stück Wasser+eis grau+blau Derivation un+glaub+lich schein+bar Plan+ung Haus - Hauses gehen - gingst heiser - heiserer
Der Wortbegriff Was ist überhaupt ein Wort? ein typischerweise komplexes sprachliches Zeichen, das aus kleineren Einheiten (eben den Morphemen) aufgebaut ist und seinerseits Bestandteil noch grösserer Zeichenkomplexe sein kann. (GHS, S 254)
Der Wortbegriff Wie viele verschiedene unterstrichene Wörter enthalten die folgenden sieben Sätze: 1. Die Türme der Burg waren schon von weitem zu sehen. 2. Auf den Türmen wehten bunte Fahnen. 3. Der eine Turm war vierzig Meter hoch. 4. Der andere Turm war nur etwa dreissig Meter hoch. 5. Wir sind auf den Turm geklettert. 6. Auf dem Turm hatten wir eine prächtige Aussicht. 7. Die Mauern des Turms bestanden aus dicken Quadern. Vorschlag: 4 (phonologische oder grafische Definition) Gegenvorschlag: 6 (syntaktische Definition) Noch ein Vorschlag: 1 (lexikalische Definition)
Der Morphembegriff Was ist ein Morphem? Ein Morphem wird klassischerweise definiert als kleinster Wortbestandteil mit eigener Bedeutung
Der Morphembegriff Problem 1: hat dass eine Bedeutung? Problem 2: hat Infinitiv -en in bau-en eine Bedeutung? Ein neuer Morphembegriff muss her: nach Wurzel (1984): Ein Morphem ist die kleinste, in ihren verschiedenen Vorkommen als formal einheitlich identifizierbare Folge von Segmenten [ Einzellauten], der (wenigstens) eine als einheitlich identifizierbare ausserphonologische Eingenschaft zugeordnet ist. Bedeutung zu haben ist kein notwendiges Kriterium! Es reicht aus, grammatische Funktion zu haben (z.b. anzeigen des Infinitivs)
Morphemklassifikation 3 Klassifikationsschemata nach semantischem Gehalt (Inhalts- vs. Funktionsmorpheme) nach Selbständigkeit (freie vs. gebundene Morpheme) nach Rolle, funktionale Klassifikation (Stamm-, Derivations-, Flexionsmorpheme, Fugenelemente)
Morphemklassifikation nach semantischem Gehalt (Inhalts- vs. Funktionsmorpheme) Inhaltsmorpheme Morpheme, die selbst Bedeutung haben oder die Bedeutung anderer Morpheme beeinflussen / verändern. Haus, Vogel, auf, unter, un- (Negation), -lich/-ig (vergleichbar mit), rot, ver-, -n (Plural), -ei (z.b. in die Pendelei geht mir auf die Nerven )...
Morphemklassifikation nach semantischem Gehalt (Inhalts- vs. Funktionsmorpheme) Funktionsmorpheme Morpheme ohne eigene Bedeutung, mit ausschliesslich grammatische Funktion [inkl. best. Präpositionen, Pronomen, Konjunktionen]. -en (Infinitiv), dass, es (in es regnet ), -heit, -keit, auf (in auf etwas anstossen ), -em (Dativ in diesem schönen Beispiel schenke ich grosse Aufmerksamkeit )...
Morphemklassifikation nach Selbständigkeit (freie vs. gebundene Morpheme) freie Morpheme Morpheme, die in ihrer Form ohne weitere Morpheme als Wortform auftreten können: Lexikalische Morpheme: Haus, Vogel, auf, unter, rot, Pendel, geh, hier, gestern... Grammatische Morpheme: dass, es, von, auf...
Morphemklassifikation nach Selbständigkeit (freie vs. gebundene Morpheme) gebundene Morpheme Morpheme, die nicht selbständig als Wort vorkommen: Grammatische Morpheme: be-, ge-, un-, ver-, zer-, ent-,... -bar, -lich, -keit, -heit, -s, -er, -en, -ung, -end,... Lexikalische Morpheme: les-, ess- (diese werden häufig auch als Imperative und damit als freie Morpheme verwendet), rechn-, ordn- Konfixe: Stief-, Schwieger-, zimper-, fanat-, bio-, onmi-, unikale Morpheme: Schorn-, Him-, Brom-, -lier (verlieren)
Morphemklassifikation Funktionale Klassifikation Stammmorpheme Derivationsmorpheme Flexionsmorpheme Fugenelemente
Exkurs: zurück zum Morphembegriff Ist Sprache ein poly-morphematisches Wort? Anders gefragt: ist das -e in Sprache ein eigenes Morphem? Beispiele: Sprache, *Sprach; Sprachschule, *Spracheschule; Fremdsprache, *Fremdsprach; Fremdsprachunterricht, *Fremdspracheunterricht
Exkurs: zurück zum Morphembegriff Beispiele: Sprache, *Sprach; Sprachschule, *Spracheschule; Fremdsprache, *Fremdsprach; Fremdsprachunterricht, *Fremdspracheunterricht Die Alternation zwischen Sprach und Sprache ist vorhersagbar! Die Alternation hat phonologische Gründe! Erinnern wir uns an den Morphembegriff: Ein Morphem ist die kleinste, in ihren verschiedenen Vorkommen als formal einheitlich identifizierbare Folge von Segmenten, der (wenigstens) eine als einheitlich identifizierbare ausserphonologische Eingenschaft zugeordnet ist.
Exkurs: zurück zum Morphembegriff Ist Sprache ein poly-morphematisches Wort? Anders gefragt: ist das -e in Sprache ein eigenes Morphem? Nein, das -e in Sprache hat rein phonologische Funktion; es ist kein Morphem i.s. der obigen Definition; es ist ein Pseudosuffix (auch Stammerweiterung oder morphologischer Rest ). Lösung des Problems: Sprache und sprach sind zwei Realisierungsvarianten eines zugrundeliegenden, abstrakten(!) Morphems sprach. Ähnliches gilt für ablautende Wurzeln und Paradigmen mit Suppletion.
Exkurs: zurück zum Morphembegriff Abstraktheit des Morphembegriffs Realisierungsvarianten eines zugrundeliegenden Morphems heissen Allomorphe Anders gesagt: Ein Morphem kann als Klasse von Allomorphen (kleinste realisierbare Einheiten mit derselben semantischen und/oder grammatischen Funktion) definiert werden.
Morphemklassifikation Funktionale Klassifikation Stammmorpheme (s.o.) Derivationsmorpheme: ändern Bedeutung und / oder Wortart der Wurzel stehen nicht allein (gebundene Morpheme), sind einem Stammmorphem angefügt - Affixe kommen als Präfixe, Suffixe, Infixe (nicht im Deutschen) und Zirkumfixe vor
Morphemklassifikation Funktionale Klassifikation Derivationsmorpheme sind i.d.r Affixe: Präfixe: be-, ent-, ver-, ge-, Suffixe: -bar, -ung, -heit, -keit, -lich, -ig, -ei, -chen... Zirkumfixe: ge-hüpf-t Infixe: Spanische Diminutive: Oskar - Oskitar; Edgar - Edguitar; Victor - Victitor; Julia - Julita
Morphemklassifikation Funktionale Klassifikation Flexionsmorpheme: Kommen als Affixe, im Deutschen v.a. als Suffixe vor ändern weder Bedeutung noch Wortart werden von syntaktischen Gegebenheiten verlangt (z.b. Kongruenz) Erscheinen an der Wortperipherie (nach den Derivationsmorphemen
Morphemklassifikation Funktionale Klassifikation Grenzfall der Morphologie: Fugenelemente Ein morphologischer Atavismus - eine Funktion ist nicht erkennbar Fugenelemente kommen meist in Komposita vor: Bauer+n+hof, Frau+en+haus, Leben+s+lust, Flasche+n+hals, Weg+e+zoll, Bild+er+sturm
Flexion An Nomen, Pronomen und Adjektiven: Deklination Am Verb: Konjugation Kommen als Affixe, im Deutschen v.a. als Suffixe vor ändern weder Bedeutung noch Wortart werden von syntaktischen Gegebenheiten verlangt (z.b. Kongruenz) Erscheinen an der Wortperipherie (nach den Derivationsmorphemen)
Flexion Grammatische / morphosyntaktische Merkmale, die durch Flexion ausgedrückt werden Kasus (Nom, Gen, Dat, Akk) Numerus (Singular, Plural) Genus (mask., fem., neutr.; Sexus - natürliches Geschlecht) Person (1., 2., 3.) Tempus (Präsens, Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I, FuturII) Modus (Indikativ, Imperativ, Konjunktiv I, Konjunktiv II) Genus Verbi (Aktiv, Passiv) Komparation (Positiv, Komparativ, Superlativ) im dt. nur lexikalisch: Aspekt
Klassifikation von Wortarten anhand von Flexion flektierbar vs. unflektierbar unflektierbar: Adverbien (hier, gestern...), Interjektionen (ach, autsch, ups), Konjunktionen (und, oder, dass, weil, wenn, obwohl), Partikeln (nur, ja, doch, je), Präpositionen (auf, von unter) flektierbar: Rest konjugierbar (nach Tempus flektierbar) vs. deklinierbar (nach Kasus flektierbar) Verben sind konjugierbar deklinierbar: Rest mit festem Genus vs. nach Genus flektierbar mit festem Genus: Nomen nach Genus flektierbar: Rest komparierbar vs. nicht komparierbar Adjektive sind komparierbar, Pronomen sind nicht komparierbar
Hierarchie der Wortstruktur Rindfleischetikettierungsaufgabenübertragungsgesetz
Hierarchie der Wortstruktur Rind fleisch etikett ier ung s auf gab en über trag ung s ge setz
Hierarchie der Wortstruktur Rindfleischetikettierungsaufgabenübertragungsgesetz N {Neutrum} Rindfleischetikettierungs aufgabenübertragung N {Fem} s gesetz N {Neutrum} ge N setz V
Hierarchie der Wortstruktur Rindfleischetikettierungsaufgabenübertragung N {Fem} Rindfleischetikettierungs aufgaben übertragung N {Fem} übertrag V über P trag V ung N {Fem}
Hierarchie der Wortstruktur Kopf: Als Kopf wird der Teil eines Wortbildungsproduktes bezeichnet, der die grammatischen Eigenschaften des komplexen Wortes bestimmt. Projektion: Projektion ist der Name für das Wortbildungsprodukt. Die Eigenschaften des Kopfes werden auf das Ganze projiziert. Kopfvererbungsprinzip: Die morphosyntaktischen Eigenschaften des Wortes werden durch seinen Kopf bestimmt. Kopfparameter: Im Deutschen ist der Kopf immer rechts
Phonetik & Phonologie
Artikulationsorgane
Lautklassifikation Artikulatoren aktive Artikulatoren, bewegliche Organe: Unterlippe (labium - labial), Zunge (lingua - lingual), Zungenspitze (apex - apikal), Zungenkranz (korona - koronal), Zungenblatt (lamina - laminal), Zungenrücken (dorsum - dorsal), Zungenseite (latus - lateral), Stimmritze (glottis - glottal)
Lautklassifikation Artikulatoren aktive Artikulatoren, bewegliche Organe: Unterlippe (labium - labial), Zunge (lingua - lingual), Zungenspitze (apex - apikal), Zungenkranz (korona - koronal), Zungenblatt (lamina - laminal), Zungenrücken (dorsum - dorsal), Zungenseite (latus - lateral), Stimmritze (glottis - glottal) passive Artikulatoren, unbewegliche Organe, gegen die die aktiven Artikulatoren bewegt werden: Oberlippe (labium - labial), Zähne (dentes - dental), Alveolen (alveolar), harter Gaumen (palatum - palatal), weicher Gaumen (velum - velar), Uvula (uvular), Pharynx (pharyngal)
Konsonanten Konsonanten im Deutschen (klassifiziert nach aktiven und passiven Artikulatoren) Labiale: bilabial: [p, b, m] - Puppe, Bube, Mumie labiodental: [f, v] - Phase, Vase Koronale dentale: - (engl.: [T,D]) - bath, the alveolare: [t, d, s, z, n, l, (r)] - Tüte, Dandy, Ass, Sahne, Nase, Lallen, Ritter postalveolare: [S, Z] - Schuh, Etage Dorsale palatale: [ç, j] - China, ja velare: [k, g, x] - Kai, Gau, Ach uvulare: [X, K] - Buch, Ritter ausserdem: [h, P GlottalerPlosiv ] - Hallo, Au
Konsonanten Konsonanten im Deutschen (klassifiziert nach Artikulationsart und akt. Artikulator) Plosive: labial: [p, b] - Puppe, Bube; koronal: [t, d] - Tüte, Dandy; dorsal: [k,g] - Kai, Gau; glottal: [P] - Beamter Frikative labial: [f, v] - Fall, Wall; koronal: [s, z] - City, Suppe; dorsal: [x, X, K] - Ach, Kuchen, Rübe; glottal: [h] - Haus Vibranten (Trills) labial: [B] - (nur paralinguistisch genutzt); koronal: [r] - Karre; dorsal: [R] - Karre Nasale labial: [m] - Mama; koronal: [n] - Nonne; dorsal: [N] - Enge Approximanten labial: [w] - engl. why; koronal: [ô] - engl. write; dorsal: [j] - ja Lateral labial: ; koronal: [l] - lallen; dorsal:
Lautklassifikation Lautklassen Vokale Konsonanten Sonoranten -Geräuschbeteiligung Obstruenten +Geräuschbeteiligung
Lautklassifikation Lautklassen Vokale Konsonanten Sonoranten Obstruenten Liquide Nasale Approximanten Plosive Frikative
Lautklassifikation Vokale Monophthonge Diphthonge gespannt a,e,i,o,u,ø,y ungespannt @,5,E,I,O,œ,U,Y ai,au,oy
Probleme des Phonembegriffs bedeutungsunterscheidende Funktion ist nur innerhalb einer Sprache sinnvoll es ist nicht immer einfach zu entscheiden, ob ein bestimmter Laut Phonemstatus hat oder nicht. Wenn man das Phonem als kleinste Beschreibungseinheit der Phonologie annimmt, sind phonologische Prozesse schwer zu erklären Segment als Bündel von Merkmalen jeder Laut kann mit einer Menge von Merkmalen eindeutig bestimmt werden, z.b.: [-sonorant, -kontinuierlich, +stimmhaft, +labial] - /b/ Begriff der Natürlichen Klasse
Merkmale Laute können als Bündel von Merkmalen beschrieben werden. Was bringt uns das? wir können natürliche Klassen definieren. Bei der Ich-Ach-Laut-Alternation ist ein einziges Merkmal ausschlaggebend (aber 5 Vokale mit dem Merkmal [+hinten] lösen den Prozess aus) Natürliche Klasse der hinteren Vokale: [u, U, o, O, a]
Format einer phonologische Regel Auslautverhärtung stimmhafte Obstruenten dürfen nicht am Ende eines Wortes stehen. [-sonorant] [-stimmhaft] / # Eine andere Möglichkeit wäre, den Prozess als Beschränkung über die Distribution von Lauten zu beschreiben: Stimmhafte Obstruenten kommen nur im Silbenansatz vor
Phonologische Prozesse Tilgung von Segmenten (Elision, Synkope) Hinzufügen von Segmenten (Epenthese) kontextuell lizensierte Veränderung von Segmenten (Assimilation, Dissimilation) Umstellung von Segmenten (Metathese)
Beschränkungen über Lautabfolgen: Um die Legalität von Lautabfolgen beurteilen zu können, müssen wir den Kontext kennen + [blat, balt, a.blt, a.bl#t, *.ablt.] + [l#bat] - Wechselbad; [t#la.b] - Umweltlabor; [l#ta.b] - das ist in der Regel Tabu; [at#bl] - mattblau; [t#bal] - Handball # = Grenze eines phonologischen Wortes;. = Silbengrenze Phonologisches Wort und Silbe müssen Teil der phonologischen Repräsentation sein, da sie Domänen für phonologische Regeln oder Beschränkungen bilden.
Konstituenten der Silbe σ Ansatz Reim Nukleus Koda Der Nukleus ist das sonorste Element; zu den Silbenrändern fällt die Sonorität ab. Vokale Liquide Nasale Frikative Plosive Sonoritätsabfolgebeschränkung erlaubt Vorhersagen über mögliche und unmögliche Silben. [.alm.], *[.aml.], [.kna.], *[.nka.]
Überblick Was Sie inzwischen über Syntax wissen sollten: Sätze sind geordnete Abfolgen von Wörtern. (Satzartige) Wortabfolgen sind in Konstituenten organisiert (Konstituententests). Satzstrukturen können in Baumdiagrammen dargestellt werden Auflösung syntaktischer Ambiguitäten. Begriffe: Kopf, Komplement (Ergänzung), Adjunkt (Angabe) Klassifikation von Konstituenten nach Wortarten (NP, VP, AP, PP, AdvP, Det, N, V, P, A, Adv) Dominanzbegriff, Rekursion, Phrasenstrukturgrammatik Rektion und Valenzbegriff (quantitative Valenz, qualitative Valenz) topologisches Modell Kasus und thematische Rollen
Was will die Syntax Aufgabe der Syntax ist es, das Regelwissen zu explizieren, mit dem alle und nur die grammatischen Sätze einer Sprache abgeleitet werden können. gar nicht so einfach...
Wortabfolge und syntaktischer Status Gleichartige Wortabfolgen haben nicht unbedingt denselben syntaktischen Status: Karl liebt Silke und Maria. Karl liebt Silke und Maria liebt Holger. Fritz glaubt, dass Maria zugunsten von Karl nie etwas unternommen hätte. Fritz glaubt, dass Maria zugunsten von Karl nie etwas unternommen worden wäre.
Konstituenten (1) Regina, die gestern dem Nachbarn, der im Hinterhof des Hauses, welches in der Grünstraße steht, hilflos wartete, geholfen hat, ist Vorsitzende des Schützenvereins. Satz besteht nicht nur aus Folge von Wörtern, sondern ist in höhere Einheiten gegliedert, die selbst wieder aus Wortfolgen bestehen. Diese Gliederungseinheiten werden Konstituenten genannt In (1) sind alle Einzelwörter Konstituenten, der ganze Satz ist eine komplexe Konstituente und einiges dazwischen hat auch Konstituentenstatus.
Konstituenten Arbeitsdefinition: Eine Konstituente ist eine kohärente Wortgruppe mit syntaktischer Funktion und/oder Bedeutung. Einzelwörter sind ebenfalls Konstituenten. Wie kann man feststellen, was eine Konstituente ist? Konstituententests Ersetzungsprobe Frageprobe Verschiebeprobe Pronominalisierungsprobe Weglassprobe Koordinierungsprobe
Ambiguitäten Der Mörder tötete den Koch mit dem Messer Der Mörder tötete den Koch mit dem Messer
Klassifikation von Konstituenten Nicht nur Wörter unterliegen Abfolgebeschränkungen, sondern auch komplexe Konstituenten: Die Ente hat geschlafen. *Hat geschlafen die Ente. Um Abfolgeregularitäten beschreiben zu können, sollten die ermittelten Konstituenten zunächst klassifiziert werden. Klassifikationskriterium: Wortarten und ihre Distribution
Konstituentenklassifikation Distribution von Konstituenten Die Haustiere Die langen Winterabende Kinder *Empfindlich *Telefonieren *Gestern *Auf der Mauer erfreuen mich. {Die Haustiere, Kinder, die langen Winterabende} haben dieselbe Distribution. Wortart der primitivsten Konstituente: Nomen. Konstituenten mit derselben Distribution wie Nomen heissen Nominalphrase.
Konstituentenklassifikation {empfindlich, ausserordentlich schlau, seiner Frau treu} haben dieselbe Distribution. Wortart der primitivsten Konstituente: Adjektiv. Konstituenten mit derselben Distribution wie Adjektive heissen Adjektivphrase. {telefonieren, gehen ins Schwimmbad, erfreuen mich} haben dieselbe Distribution. Wortart der primitivsten Konstituente: Verb. Konstituenten mit derselben Distribution wie Verben heissen Verbalphrase. {zur Miete, in Berlin, auf dem Dachboden der Villa} haben dieselbe Distribution. Allen komplexen Konstituenten ist gemein, dass sie eine Präposition erfordern. Wir sprechen deswegen von Präpositionalphrase.
Strukturanalyse S Det Die NP N A N frechen Kinder VP spielen auf der Wiese telefonieren sind unerträglich...
Strukturanalyse S NP VP Det Die A frechen N N Kinder spielen auf der Wiese telefonieren sind unerträglich... Kopf der NP ist Kinder Der Kopf projiziert [frechen Kinder] und [die frechen Kinder]. die frechen Kinder ist die maximale Projektion. Der Kopf der NP ist im Deutschen rechts (vgl. frz. les enfants insolents).
Strukturanalyse S NP VP Det N V PP Die A N spielen P NP frechen Kinder auf Det N der Wiese Kopf der PP ist links (aber vgl. den Fluss entlang, der Kinder wegen, Maria zugunsten )
Phrasenstrukturgrammatik Baum stellt Dominanzbeziehungen dar: Dominanz: Ein Knoten X dominiert einen Knoten Y genau dann, wenn X auf dem von Y ausgehenden Weg zur Wurzel des Baumes geht. S NP VP Det N V PP Die A N spielen P NP frechen Kinder auf Det N der Wiese
Phrasenstrukturgrammatik Unmittelbare Dominanz: Ein Knoten X dominiert einen Knoten Y unmittelbar, wenn X der nächste Knoten ist, der Y dominiert. S NP VP Det N V PP Die A N spielen P NP frechen Kinder auf Det N der Wiese
Phrasenstrukturgrammatik S NP VP Det N V PP Die A N spielen P NP frechen Kinder auf Det N S NP+VP N Kinder V spielen VP V+PP Det die N Wiese PP P+NP A frechen NP Det+N P auf N A+N Det der der Wiese
Phrasenstrukturgrammatik S NP VP Det N VP Det N V PP Det N V P NP Det N V P Det N Die N V P Det N Die Kinder V P Det N Die Kinder spielen P Det N Die Kinder spielen auf Det N Die Kinder spielen auf der N Die Kinder spielen auf der Wiese (S NP+VP) (NP Det+N) (VP V+PP) (PP P+NP) (NP Det+N) (Det Die) (N Kinder) (V spielen) (P auf) (Det der) (N Wiese)
Rekursion NP NP + Konj + NP Rekursiv wird eine Struktur genannt, in der ein Symbol X ein gleichartiges Symbol X dominiert. NP NP Konj oder NP NP Konj NP NP Konj NP Der Porschefahrer und sein Beifahrer der Opelfahrer und seine Gattin
Valenz / Rektion Eigenschaft eines Wortes, andere Wrter an sich zu binden, Ergnzungen zu fordern bzw. Leerstellen zu erffnen und die Besetzung dieser Leerstellen zu regeln. (Wikipedia) Besonders deutlich wird das am Verb schlafen (intransitiv, einwertig) fordert ein Subjekt reparieren (transitiv, zweiwertig) fordert Subjekt und Objekt schenken (ditransitiv, dreiwertig) fordert Subj., direktes Obj. und indirektes Obj. schneien (nullwerig), Subjektstelle wird durch expletives es (auch Pseudoaktant) besetzt
Valenz / Rektion Ergänzung (Komplement) vs. Angabe (Adjunkt) Der sprachliche Ausdruck, der den Valenztrger ergnzt, ihn sttigt, von ihm regiert und bestimmt wird, wird auch Ergnzung (oder Komplement) genannt, die von der bloßen zustzlichen Angabe unterschieden wird. Der Makler schenkt der Mieterin das Haus *Der Makler schenkt der Mieterin. *Der Makler schenkt das Haus. Akkusativ und Dativobjekt sind Komplemente
Valenz / Rektion Ergänzung (Komplement) vs. Angabe (Adjunkt) Der Mechaniker repariert der Mieterin das Fahrrad. *Der Mechaniker repariert der Mieterin. Der Mechaniker repariert das Fahrrad. Akkusativobjekt ist Komplement, Dativobjekt ist Angabe (freier Dativ).
Valenz / Rektion Auch Präpositionen, bestimmte Nomen und Adjektive fordern Ergänzungen bzw. eröffnen Leerstellen: Nomen:? Peter ist Neffe (Bruder, Onkel...). Peter ist Herberts Neffe.? Peter ist Fahrer. Peter ist Fahrer des roten Fiats / Porschefahrer (Rektionskompositum!). Adjektive: Peter ist treu. Peter ist seiner Freundin treu. (fakultative Ergänzung) *Peter ist ähnlich. Peter ist seinem Vater ähnlich. (obligatorische Ergänzung) des Wartens müde, des Deutschen mächtig, interessiert an X,
Qualitative Valenz: Kasus und thematische Rollen Kasus: Neben dem Nominativsubjekt verlangt... reparieren ein Akkusativobjekt gefallen ein Dativobjekt gedenken ein Genitivobjekt a *Der Bauer gefällt den Traktor. b *Der Traktor repariert dem Bauern. c *Der Bauer repariert des alten Traktors. d *Des Bauern gefällt dem alten Traktor. Fazit: Nicht nur die Anzahl der Leerstellen muss gefüllt werden, auch der Kasus muss stimmen!
Qualitative Valenz: Kasus und thematische Rollen Thematische Rollen a.??? Der Traktor repariert den Bauern. b.??? Der Traktor gedenkt des Bauern. c.??? Der Bauer gefällt dem Traktor. Hier stimmt der Kasus jeweils: reparieren mit Akkusativ, gedenken mit Genitiv, gefallen mit Dativ Trotzdem sind die Sätze schlecht
Qualitative Valenz: Kasus und thematische Rollen a.??? Der Traktor repariert den Bauern. b.??? Der Traktor gedenkt des Bauern. c.??? Der Bauer gefällt dem Traktor. Das Verb regiert nicht nur die Anzahl und die Kasus der Argumente, sondern auch semantische Eigenschaften: Das Objekt von reparieren sollte etwas Reparierbares (künstlicher Gegenstand) sein, das Subjekt sollte in der Lage sein, etwas zu reparieren. Subjekt von gedenken muss etwas sein, dem man mentale Zustände zuschreiben kann. Objekt von gefallen muss etwas sein, das zu ästhetischen Urteilen in der Lage ist.
Überblick thematische Rollen Agens: Verursacher, Handelnder Der Junge ärgert die alte Dame Patiens/ Thema: von Handlung betroffener, von Orts- oder Zustandswechsel betroffener Valentine isst ein Brot Experiencer: Belebter Experiencer ist sich etw. bewusst, empfindet etwas. Mir ist kalt; das beunruhigt mich. Rezipient: i.d.r. belebter Empfänger Axel hat viel Geld beim Lotto gewonnen Quelle: Die Milch kommt aus dem Allgäu. Ziel: Nach langer Fahrt erreicht er die Küste. Instrument: Der Wecker hat mich um 8 Uhr geweckt. Possessor: P. besitzt etwas, ihm ist etwas zugehörig Dieser Text enthält fiele Vehler.
Topologische Felder Vorfeld: vor der linken Satzklammer Nachfeld: nach der rechten Satzklammer Mittelfeld: zwischen linker und rechter Satzklammer Vorfeld LSK Mittelfeld RSK Nachfeld Frau Schulz will im Sommer nach Florenz reisen Im Sommer will Frau Schulz nach Florenz reisen Reisen will Frau S. im Sommer nach F. Nach F. reisen will Frau S. im Sommer LSK: finites Verb; RSK: nicht-finiter Teil des Verbalkomplexes
Drach sche Regeln Drachs Idee: möglichst viele Typen der deutschen Satzkonstruktion können auf nur wenige strukturelle Beziehungen zurückgeführt werden, nämlich auf die Topikalisierung als Beziehung zwischen Vorfeld und Mittelfeld und auf die sog. Finitumvoranstellung als Beziehung zwischen den Satzklammern. a. Verb-Erststellung Lernt Maria Spanisch? b. Verb-Zweitstellung Maria lernt Spanisch. c. Verb-Endstellung Hans fragt, ob Maria Spanisch lernt. Annahme: Verbletztstellung liegt allen Strukturen zugrunde
Drach sche Regeln Ableitung nach Drach (1937, vgl. auch Thiersch 1978): Zugrundeliegend: Maria Spanisch lernt. (kanonische Nebensatzstellung) 1. Schritt: Finitumvoranstellung (in die LSK): Lernt Maria Spanisch. (für Entscheidungsfragen, Imperative) 2. Schritt: Topikalisierung (Voranstellung einer Konstituente ins Vorfeld): Maria lernt Spanisch oder Spanisch lernt Maria (für selbständige Sätze)