Heriditäre Lebererkrankungen
Patientenvorstellung 49 Jahre alter Mann Luftnot in Ruhe seit einigen Wochen, Leistungsknick Knöchel- und Unterschenkelödeme seit 3 Monaten Keine Angina pectoris, keine wesentlichen Vorerkrankungen Alkohol ca. 1 Glas Wein pro Tag, kein Nikotin Beruf Ingenieur, verheiratet, langer Kinderwunsch Bruder des Patienten mit 57 Jahren an Leberversagen gestorben
Untersuchungsbefunde
Laborbefunde
Diagnose Hämochromatose
Definition der Hämochromatose Erbkrankheit infolge einer angeborenen Störung des Eisenstoffwechsels, die zu einer progressiven Eisenbeladung parenchymatöser Zellen in Leber, Pankreas und Herz führt. Das Vollbild der Erkrankung beeinträchtigt erheblich die Struktur und Funktion der betroffenen Organe. Die häufigste Form beruht auf einer Homozygotie der C282Y (Cystein > Tyrosin) Mutation im HFE-Gen. Zusätzlich bestehen weitere nicht-hfe-gen bedingte Mutationen. EASL International Consensus Conference on Hemochromatosis, J Hepatol 2000
Formen der Eisenspeicherkrankheiten I. Heriditäre Hämochromatosen Typen Gendefekt Gen Vererbung Typ 1 6p21.3 HFE autosomal rezessiv Typ 2A 1q21 HJV autosomal rezessiv Typ 2B 19q13.1 HAMP autosomal rezessiv Typ 3 7q22 TfR autosomal rezessiv Typ 4 2q32 SLC40A1 autosomal dominant II. Sekundäre Hämochromatosen Chronisch refraktäre Anämien, hämolytische Anämien, Thalassämien etc. Eisenüberladung bei Bantu-Indianern Transfusionen (2 EK = 250 mg Eisen), langjährige Eisentherapie (parenteral)
Eisenstoffwechsel
TFR1 Intestinale Eisenresorption HFE 2 Fe 3+ Transferrin HFE = Hämochromatose-Genprodukt TFR1 = Transferrin-Rezeptor Darmlumen Blut Fe 2+ Fe 3+ Ferritin SLC11A3 Ferroportin Fe 2+ SLC11A2 DMT1 2 Fe 3+ Transferrin Hephaestin
Gendefekte bei heriditärer Hämochromatose HFE b 2 -Mikroglobulin HFE C282Y Verlust einer Disulfidbrücke in der α3-domaine keine Bindung an β2- Mikroglobulin intrazellulär keine Expression an der Zelloberfläche defekter "Eisensensor" HFE H63D Verlust einer Disulfidbrücke in der α1-domaine verminderte Blockade des Transferrinrezeptors
Mutationen Häufigkeit Risiko der Erkrankung C282Y / C282Y 85-95% Hoch H63D / C282Y 3-8% Niedrig bis mittel C282Y / Wildtyp - Sehr selten HFE Genetische Diagnostik H63D / Wildtyp - Sehr selten HJV, HAMP, TfR2 1% Unbekannt CAVE: Prävalenz von C282Y / C282Y bei 1:200 und C282Y / Wildtyp bei 1:10 in der deutschen Bevölkerung, Prävalenz der Erkrankung Hämochromatose aber nur bei 1:1000
Natürlicher Verlauf der Hämochromatose
Leistungsschwäche GPT-Erhöhung Hyperpigmentierung HFE Befunde bei Diagnosestellung Diabetes mellitus Arthralgie Impotenz 0 20 40 60 80 100 % der Patienten
Eisenspeicherung in der Leber
Leberzirrhose
Befunde bei Vorliegen einer Leberzirrhose
Algorithmus bei Verdacht auf Hämochromatose Klinischer Hinweis und Transferrinsättigung > 60% Negativ und Serumferritin > 250 300 ng/l Gen-Test (C282Y Mutation) Positiv (homozygot) Falls weiter klinischer Verdacht: Leberbiopsie mit quantitativer Bestimmung des Lebereisengehalts Hämochromatose gesichert
Ziel: Aderlasstherapie Entspeicherung der Körpereisendepots innerhalb von 12-24 Monaten Stabilisierung eines Körpereisengehalts von 2-4 g Durchführung: 1-2 Aderlässe von 400-500 ml pro Woche bis zur Normalisierung des Serumferritins Erhaltungstherapie mit 4-8 Aderlässen/Jahr, so dass das Ferritin 20-50ng/ml beträgt Aderlasstherapie nie vollständig abbrechen!
Überlebenswahrscheinlichkeit (%) Prognose der Hämochromatose 100 80 60 40 20 Hämochromatosepatienten ohne Leberzirrhose Normalbevölkerung Hämochromatosepatienten mit Leberzirrhose 0 0 6 12 18 24 30 Zeit in Jahren
Seltenere heriditäre Lebererkrankungen
Morbus Wilson
Pathophysiologie des Morbus Wilson Wilson disease protein (ATP7B) in der Leber Die Kupfer-ATPase 7B ist notwendig für die Kupfer- Ausscheidung über die Galle und die Kupfer-Umverteilung über das Transportprotein Coeruloplasmin. Kupfer-Überladung mit neurologisch-psychiatrischen Symptomen und / oder Lebererkrankung fi M. Wilson (hepatolentikuläre Degeneration)
Allgemeiner Kupferstoffwechsel Menkes-Protein (Defizienz 1:300.000)
Kupferstoffwechsel der Leber
Pathophysiologie des Morbus Wilson
Leberhistologie bei Morbus Wilson
Genetik des Morbus Wilson Autosomal rezessive Erkrankung des Kupferstoffwechsels Genlokus auf Chromosom 13 (13q14.3-q21) Bisher mehr als 200 verschiedene Mutationen identifiziert, 40% der deutschen Patienten H1069G Die meisten Betroffenen sind compound heterozygot, d.h. sie tragen mehrere heterozygote Mutationen Inzidenz der manifest Erkrankten 1 : 35.000 1 : 100.000, Inzidenz der Mutationsträger 1 : 90 Genetísche Diagnostik nur im Rahmen von Familienuntersuchungen sinnvoll
Klinik des Morbus Wilson
Diagnosik des Morbus Wilson Kupfer im Serum Kupfer im Sammelurin Coeruloplasmin im Serum Leberfunktionsteste (Leberenzyme, Quick) Hämolyseparameter und Blutbild Nierenfunktion
Therapie des Morbus Wilson Kupferarme Diät (Kupferreich sind Innereien, Nüsse, Pilze und Schokolade; Molkereiprodukte sind kupferarm) Kupferchelatbildner D-Penicillamin (viele NW, u.a. toxische Nephrose, Fieber, Leuko-/Thrombopenie, SLE, Myastehenie), 4 x 300-600 mg/die Zink (induziert Metallothionin in der Darmmukosa) Bei akutem M. Wilson mit Leberversagen oder bereits bestehender Leberzirrhose Lebertransplantation
Alpha 1 - Antitrypsinmangel Alpha 1 Antitrypsin = Alpha 1 Proteinaseinhibitor Mit 90% wichtigster Proteinaseinhibitor im Serum Synthese in Hepatozyten 85% der α-1 Globuline (Elektrophorese!) Inaktivierung der Serumproteasen (Elastase, Chymotrypsin, Kollagenasen)
Alpha 1 - Antitrypsinmangel
Leberhistologie bei Alpha 1- Antitrypsinmangel Sekretionsstörung in den Hepatozyten für das veränderte A1AT-Molekül
Lungenbeteiligung bei Alpha 1 - Antitrypsinmangel Panlobuläres Empysem durch mangelnde Inaktivierung von Proteasen
Therapie des Alpha 1 - Antitypsinmangel Substitution von gepooltem A1AT bei schwerem Mangel und progressiver Lungenerkrankung und Vaskulitis Symptomatische Therapie bei Lebererkrankung, Lebertransplantation verändert Phänotyp Zukunftsaussicht: somatische Gentherapie