Prof. hristoffers, Vorlesung Organische hemie für Verfahrensingenieure, Umweltschutztechniker und Werkstoffwissenschaftler 1. inführung 1.1 Atomorbitale Die Atome im Molekülverband werden durch lektronen verknüpft. Die lektronen eines Atoms zeigen Wellennatur. Der für die wellenmechanische Atomtheorie fundamentale mathematische Ausdruck ist die Schrödinger-Gleichung. Sie beschreibt die Beziehung der Wellenfunktion ψ eines lektrons mit seiner nergie. Wendet man diese Gleichung auf die lektronen eines Atoms an, so ist sie nur für diskrete nergieeigenwerte 1, 2, 3, usw. lösbar. Löst man die Schrödinger-Gleichung für ein lektron und einen bestimmten nergiezustand 1, so erhält man eine Wellenfunktion ψ oder einen aus mehreren Gleichungen für ψ bestehenden Satz von Wellenfunktionen. Die Funktion ψ hat ein positives oder negatives Vorzeichen. ine anschauliche Bedeutung für die Funktion ψ selbst gibt es nicht. Das Quadrat von ψ 2 ist jedoch für einen bestimmten nergiezustand ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines lektrons im Molekül. Für ein Atom und eines seiner lektronen begrenzt ψ 2 einen bestimmten Raum um den Atomkern, in welchen man das lektron mit größter Wahrscheinlichkeit findet. Diese durch ψ 2 beschriebene Ladungsdichteverteilung eines lektrons um den Kern wird als Atomorbital oder lektronenwolke bezeichnet. Wo die lektronenwolke am dichtesten ist, hält sich das lektron am wahrscheinlichsten auf. 1.1.1 s-orbitale in s-orbitale ist kugelsymmetrisch. y Ψ 2 (lektronendichte) 1s Vorzeichen: überall r x Ψ 2 2s Vorzeichen: überall z r 1
Prof. hristoffers, Vorlesung Organische hemie für Verfahrensingenieure, Umweltschutztechniker und Werkstoffwissenschaftler 1.1.2 p-orbitale y Die p-orbitale sind rotationssymmetrisch bezüglich einer y- bzw. z-koordinate. s gibt drei p-orbitale:, und mit hantelförmigem Umriss. Die ψ-funktionen der p-orbitale haben -Orbital x je einen positiven und negativen Bereich, was für die LAO (siehe 1.2.1.1) von Bedeutung ist. In den Orbitalen, d. h. der graphischen Darstellung von ψ 2, wird das Vorzeichen der Wel- z lenfunktion ψ angegeben. Die Größe ψ 2 selbst hat naturgemäß nur ein positives Vorzeichen. 1.1.3 lektronenkonfiguration leichter lemente nergiezustände 1 und 2 : 1s, 2s, und 2p-Orbitale. 2s 2 2 2 1s Regeln zur Besetzungsreihenfolge: 1) nergie: Zuerst werden die energieärmsten Orbitale besetzt. 2) Pauli-Prinzip: Bis zu zwei lektronen können ein Orbital besetzen. Im Falle einer Doppelbesetzung müssen die lektronenspins antiparallel ein. 3) und-regel: Ist ein Satz entarteter (d. h. energiegleicher) Orbitale verfügbar, z. B. 2, 2, 2, so werden alle Orbitale erst einzeln belegt, bevor eines doppelt besetzt wird. 2
Prof. hristoffers, Vorlesung Organische hemie für Verfahrensingenieure, Umweltschutztechniker und Werkstoffwissenschaftler Atom 1s 2s 2 2 2 Symbol 1s e 1s 2 <e> Li <e> 2s Be <e> 2s 2 B <e> 2s 2 2p <e> 2s 2 2p 2 N <e> 2s 2 2p 3 O <e> 2s 2 2p 4 F <e> 2s 2 2p 5 Ne <e> 2s 2 2p 6 1.2 Kovalente Bindung Durch Überlappung von Atomorbitalen entstehen kovalente Bindungen zwischen Atomen (lektronenpaarbindung). Die Metall- und die ionische Bindung sind für die organische hemie ohne Bedeutung. 1.2.1 σ -Bindungen 1.2.1.1 Wasserstoff ( 2 ) Valence Bond (VB) Theorie: In den Molekülen vermitteln lektronenpaare zwischen den Atomkernen die chemische Bindung; Symbolik: in Punkt ist ein ungepaartes lektron, ein Strich ein lektronenpaar. 1s 1 1s 1 σ 2 3
Prof. hristoffers, Vorlesung Organische hemie für Verfahrensingenieure, Umweltschutztechniker und Werkstoffwissenschaftler Molekülorbital (MO) Theorie: Durch Linearkombination von Atomorbitalen ψ 1 und ψ 2 (LAO), d. h. Addition oder Subtraktion der Wellenfunktionen, entstehen neue Molekülorbitale σ und σ*. Diese werden entprechend den in Abschnitt 1.1.3 erläuterten Regeln besetzt: σ* = ψ 1 ψ 2 ; σ = ψ 1 ψ 2 σ 1s 1s σ nergiegewinn (2 x) bindendes Molekülorbital σ (σ s,s ) antibindendes Molekülorbital σ Vorzeichen: überall Nullstelle Der nergiegewinn ergibt sich aus der Bruttoenergieabsenkung aller beteiligten lektronen. 1.2.1.2 Fluor (F 2 ) F F F F 2p 1 2p 1 2 σ p,p σ p,p 4
Prof. hristoffers, Vorlesung Organische hemie für Verfahrensingenieure, Umweltschutztechniker und Werkstoffwissenschaftler 1.2.1.3 Fluorwasserstoff (F) F F 2p 1 1s 1 σ 2 p,s 1.2.2 π-bindung: Sauerstoff (O 2 ) σ-bindungen sind rotationssymmetrisch bezüglich der Kernverbindungsachse ("infachbindungen"). ine π-bindung ist nicht rotationssymmetrisch und besitzt entlang der Kernverbindungsachse eine Knotenebene ("Nullstelle"). ine Doppelbindung besteht aus einer σ- und einer π-bindung. O O σ-bindung: O O eine σ- und eine π-bindung π-bindung: σ p,p π p,p Ψ 2 = 0 entlang der Kernverbindungsachse Achtung: Aus didaktischen Gründen ist dies ein stark vereinfachtes Bild von O 2. s handelt sich eigentlich um ein Diradikal. 5
Prof. hristoffers, Vorlesung Organische hemie für Verfahrensingenieure, Umweltschutztechniker und Werkstoffwissenschaftler 1.2.3 ybridisierung 1.2.3.1 Methan ( 4 ) sp 3 -ybridisierung: 2 xperiment: 4 ist stabil? 2x σ s,p keine stabile Verbindung! vier gleiche Bindungen in den cken eines Tetraeders (Winkel: 109 28' 109.5 ) Lösung: neue Theorie ybridisierung : 2s 2 2p 2 vier gleiche Orbitale 4 sp 3 -ybridorbitale Mathematik: 1 sp 3 25% s 75% p nergie: s = 0 4 x sp 3 Methan: 4 x σ s,sp 3 : sp 3 : s σ sp,s 3 Die vier sp 3 -ybridorbitale sind entartet und in die cken eines Tetraeders gerichtet. 6
Prof. hristoffers, Vorlesung Organische hemie für Verfahrensingenieure, Umweltschutztechniker und Werkstoffwissenschaftler Auch andere Formen von ybridisierung sind denkbar: sp 2 -ybridorbital: sp 2 1/3 s 2/3 p nergie: s = 0 3 x sp 2 Geometrie: trigonal planar, Winkel: 120 in xy-bene (z-achse: -Atomorbital) sp-ybridorbital: sp 50% s 50% p nergie: s = 0 2 x sp Geometrie: linear, Winkel: 180 x 2 sp-orbitale entlang der x-achse (y,z-achsen:, -Atomorbitale) 7
Prof. hristoffers, Vorlesung Organische hemie für Verfahrensingenieure, Umweltschutztechniker und Werkstoffwissenschaftler 1.2.3.2 than ( 2 6 ): -infachbindung 1s 1 4 x sp 3 σ sp 3, s σ sp 3, sp 3 Winkel: 109 28' σ sp, sp 3 3 --infachbindung zwei eckenverknüpfte Tetraeder 1.2.3.3 then ( 2 4 ): -Doppelbindung planar, Winkel,, 120 sp 2 -ybridisierung am : 3 sp 2 1 Orbital σ s, sp 2 σ sp 2, sp 2 π p, p = besteht aus: 1 σ sp 2, sp 2 1 π p, p kantenverknüpfte Tetraeder Der -Abstand beträgt im then 134 pm und im than 154 pm. in σ(sp 2,sp 2 ) besitzt also mehr s-harakter als ein σ(sp 3,sp 3 )-Molekülorbital. 8
Prof. hristoffers, Vorlesung Organische hemie für Verfahrensingenieure, Umweltschutztechniker und Werkstoffwissenschaftler 1.2.3.4 thin ( 2 2 ): -Dreifachbindung linear, Winkel: 180, Abstand -: 120 pm sp-ybridisierung am : 2 sp 1 1 Orbital σ sp,sp σ s,sp z z' x y y' π, z π p,p z Die -Dreifachbindung im thin besteht aus einem bindendem σ(sp,sp)-molekülorbital sowie zwei bindenden π(p,p)-molekülorbitalen. Die beiden π-orbitale stehen orthogonal zueinander, eines in der x,y-bene, das andere in der x,z-bene. Die beiden -infachbindungen kommen durch bindende σ(sp,s)-molekülorbitale zustande. 9