Prof. em. Dr. rer. pol. Norbert Konegen downloads: www.p8-management.de/universität konegen@uni-muenster.de Griechenland aktuell (03.02.2015) Alternativen für Hellas?
Agenda I. Bisherige Hilfsprogramme 1. Rettungspaket I (2010-2013) 2. Rettungspaket 2 (2012-2014) II. Ökonomische Basisdaten EWU/Griechenland ein Vergleich III. Verfall der Kreditfähigkeit Griechenlands 1. Beschleunigter Verfall der Kreditfähigkeit 2. Gesamtwirtschaftlicher Finanzierungssaldo (GFS) 3. Kapazitätssteigernde Investitionen (IK) 4. Konsumquote IV. Der schwere Weg zur Sanierung Griechenlands 1. Folgen jahrelanger Haushaltsdefizite 2. Rechnet sich Griechenland wieder schön? V. Mögliche Auswege aus der Schuldenkrise VI. Literaturhinweise Quelle: konegen, ifpol uni münster 2
I. Bisherige Hilfsprogramme für Griechenland: 253 Mrd. mit Auflagen 1. Rettungspaket I (2010-2013); 2. Rettungspaket II (2012-2014) Ende EFSF 2/2015 (es stehen noch aus: 1,9 Mrd.; IWF 3/2016 Quelle: konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 3
bisher abgerufene Hilfsprogramme Staatsschulden Griechenlands in Mrd. davon 80% bei öff. Inst. (bei Grexit 76 Mrd. für Deutschland weil Target enthalten!) Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) Quelle: FAZ 6.1.2015 konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 4
Griechenlands Schulden sind vergleichsweise billig Quellen: FAZ 3.1., 6.1., 16.1., 24.1., 28.1.2015 Staatsschuld von 322 Mrd., Schuldenquote 175%. Dennoch Zinsen auf Staatsschulden durchschnittlich 2,4% (D. Bund 2,7% bei weitaus geringerer Schuldenquote!). Kredite des EFSF Laufzeiten von 32 Jahren, Zinsreduktionen G. bleiben Risikozuschläge erspart, Zinsen auf EFSF-Kredite gegen Null! 260 Mrd. (80%) der Staatsschulden verteilen sich auf öffentliche + internationale Gläubiger; 2012: Durch Schuldenschnitt werden 100 Mrd. an Verbindlichkeiten gestrichen. Griechische Banken verlieren Eigenkapital + werden mit 40 Mrd. gerettet. Die im EFSF (44% der Staatsschuld) als Gläubiger versammelten Eurostaaten haben durch Zinssenkungen + Laufzeitverlängerungen gemessen am Gegenwartswert der EFSF bereits 40% ihrer Forderungen abgeschrieben (s. Tilgungsplan). Quelle: konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 5
und Vorgaben der EZB EZB akzeptiert griech. Staatsanleihen wg. Ramschcharakter nur noch unter 2 Bedingungen: Troika muss mehrfach aufgeschobene Bewertung des lfd. Anpassungsprogramms mit positivem Urteil beenden + die neue Regierung Reformen fortsetzt + Sparmaßnahmen beibehält. Alle 4 systemrelevanten großen griech. Banken hängen durch ELA (Notfall-Liquiditätsunterstützung) am Tropf der EZB weil ihr Zugang zu Kapitalmärkten auf absehbare Zeit versperrt ist. Tilgung ausgezahlter Hilfskredite ab 2015 d.h. Handlungsfähigkeit der griech. Regierung drastisch eingeschränkt. Quelle: konegen, ifpol uni münster 6
Tilgungsplan ausgezahlter Hilfskredite in Mrd. (kumuliert) Quelle: Handelsblatt 28.1.15, Nr. 19 konegen, ifpol uni münster 7
II. Ökonomische Basisdaten EWU/Griechenland ein Vergleich Griechenlands Anteil am BIP des Euroraums 2013: 1,8 % Quelle:Bundesbank, Monatsbericht 1/2015:6* konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 8
ökonomische Basisdaten. Griechenland im Euroraum Quelle: FAZ 31.1.15, Nr. 26 konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 9
III. Verfall der Kreditfähigkeit Griechenlands Quelle: http://www.cep.eu/studien/cepdefault-index_2015/cepinput_default-index_griechenland_2015.pdf Die Frage, wie sich die Fähigkeit einer Volkswirtschaft insgesamt zur Rückzahlung ihrer Auslandskredite entwickelt wird durch den Default-Index als Prozessmaß ermittelt. Er berücksichtigt den Staat, das Kreditverhalten der Banken, Unternehmen und Konsumenten. Er setzt sich besonders aus dem gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssaldo als Maß für den Auslandskreditbedarf einer Volkswirtschaft (mangelnde Wettbewerbsfähigkeit + Leistungsbilanzdefizite finanziert durch ausländisches Kapital) (GFS) + dem Niveau der kapazitätssteigernden Investitionen (Ik) (um die Abschreibungen bereinigte Nettoanlageinvestitionen der Unternehmen + der öffentlichen Hand) einer Periode zusammen. Default-Index = GFS + Ik Quelle: 1ff. konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 10
Die Interpretation der Indexwerte erleichtern 4 Risikokategorien: Risikokategorie 1 (grün): Ein Land benötigt in der betrachteten Periode keine Auslandskredite. Ik + der Konsum werden aus heimischer Ersparnis finanziert. Risikokategorie 2 (gelb): Ik eines Jahres übersteigen die Nettokapitalimporte. Entwicklung der Kreditfähigkeit unbestimmt. Risikokategorie 3 (gelb-rot). Volkswirtschaft verschuldet sich im Ausland um Konsum zu finanzieren (Kreditfähigkeit?) begleitet von Kapitalflucht + schrumpfenden Kapitalstock. Das Land verarmt. Risikokategorie 4 (rot): Default-Index über 3 oder mehr Jahre negativ: Erosion der Kreditfähigkeit ist strukturell + damit eingetreten. Quelle: a.a.o. konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 11
Default-Index für Griechenland III.1. Beschleunigter Verfall der Kreditfähigkeit Quelle: http://www.cep.eu/studien/cepdefault-index_2015/cepinput_default-index_griechenland_2015.pdf Quelle: a.a.o 4. konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 12
III. Der Verfall der Kreditfähigkeit 2. Gesamtwirtschaftlicher Finanzierungssaldo (GFS) d.h. Auslandskreditbedarf in % des BIP Quelle: Quelle: http://www.cep.eu/studien/cepdefault-index_2015/cepinput_default- Index_Griechenland_2015.pdf Quelle: a.a.o. konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 13
noch Gesamtwirtschaftlicher Finanzierungssaldo (GFS) eine nicht nachhaltige Entwicklung! G. war über viele Jahre Nettokapitalimporteur: Inländischer Konsum + Investitionen wurden zu größten Teilen mit Auslandskrediten finanziert. Zweifel der Kapitalgeber an Schuldentragfähigkeit G.: Private Kredite durch staatliche Rettungsgelder ersetzt. Seit 2013 ist G. zwar Nettokapitalexporteur. Grund: Privates Kapital verlässt das Land. Dieses zeigen die negativen kapazitätssteigernden Investitionen. Folge: Entwicklung ist damit nicht nachhaltig. Quelle a.a.o:5 konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 14
III. Der Verfall der Kreditfähigkeit 3. Kapazitätssteigernde Investitionen in % des BIP (Ik) Anlageinvestitionen minus Abschreibungen von Unternehmen + öffentliche Hand Quelle: a.a.o: 4 konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 15
III. Der Verfall der Kreditfähigkeit 4. Konsumquote gemessen in % des verfügbaren Einkommens als Kehrseite der negativen Investitionsquote sowie stärkerer Rückgang des verfügbaren Einkommens seit 2010 Quelle: a.a.o: 5 konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 16
IV.1. Politische Folgen jahrelanger Haushaltsdefizite Hohe soziale und politische Kosten durch externe Austeritätsprogramme (Troika) mit Folgen für z.b. Rentner, KMU, Beschäftigung, Jugendarbeitslosigkeit; Etablierte Machtparteien sind in ein irrationales System klienteler Zusagen und Gegenleistungen eingebettet. Kennzeichen u.a.: Steuerhinterziehung, Kapitalflucht, Vetternwirtschaft, Aktive und passive Korruptionsstrukturen Reformunfähigkeit -unwilligkeit politischer Eliten mit Folgen für das politische/soziale System. Quelle: konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 17
politische/soziale Folgen jahrelanger Haushaltsdefizite Quelle: FAZ 11.1.15. konegen, ifpol uni münster 18
IV. 2. Rechnet sich Griechenland wieder schön? erfüllt G. damit die Auflagen der Troika? wichtig für Anschlussfinanzierungen. Zustand der Wirtschaft eine Frage der Definition 2013: Regierung: Gr. weist einen primären Haushaltsüberschuss (Primärsaldo = ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen auf die Staatsschuld werden lfd. Ausgaben durch lfd. Einnahmen gedeckt). Aber Primärdefizit im 2. Quartal 12 Mrd. trotz Zahlungen an angeschlagene griechische Banken! Ohne Sondereffekte im 3. Q. Überschuss der lfd. Steuereinnahmen über Ausgaben von 632 Mio.. Aber: offene Rechnungen an Lieferanten von 4,35 Mrd.! Aber: Haushaltsdefizit 2013: 13,1% des BIP! Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!! Es stehen an: Tilgung ausgezahlter Hilfskredite ab 3/2015 Quelle: FAZ7.4.14 konegen, ifpol uni münster 19
Griechenland rechnet sich wieder schön Quelle: FAZ 7.4.2014 konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 20
V. Mögliche Auswege aus der Schuldenkrise V. 1. Das Wahlergebnis der Parlamentswahlen vom 25.1.2015: Zu vergeben 300 Sitze. Davon Syriza (Rinkspopulisten) 149 ; Anel (Rechtspopulisten) 13 = 162 Parlamentssitze Regierungsparteien + Stimmenanteile ausgewählter Parteien seit 1974 in % Quelle: FAZ 27.1.15 konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 21
V. 2. Beschluss des EZB-Rats am 22.1.2015 22.1.15: EZB beschließt QE-Programm: 1,1 Billionen Ab 3/2015 bis 9/2016 kauft EZB jeden Monat Anleihen im Volumen von 60 Mrd.. Käufe solange, bis sich Inflationsrate 2% nähert. EZB kauft Anleihen aller Staaten die als sicher geratet wurden. 80% der Anleihen erwerben nationale Notenbanken. 8% des Gesamtprogramms kauft die EZB. Zudem kauft sie 12% des Gesamtpakets Wertpapiere europäischer Institutionen (z.b. EIB, EFSF, ESM). Risiko teilen sich die nationalen Notenbanken auch für Käufe der EZB. Nur ein Drittel aller ausgegebenen Staatsanleihen pro Land sollen in EZB-Hand sein. Grenze für Griechenland bis 07/15 erreicht. Ab dann weitere Käufe möglich. Quelle: faz.22.1.15 konegen, ifpol uni münster WS 14/15 22
V. 3. Gegen eine mögliche griechische Erpressung? Europ. Bankenaufsicht sollte Griechenland-Stresstest bei Banken durchführen (vermutete Kapitallücken). Staaten der Eurozone sollen sich auf Kreditausfälle Griechenlands vorbereiten. EZB sollte Griechenland von anstehendem Anleihekaufprogramm ausnehmen. ESM sollte Auszahlungen weiterer Kredittranchen zurückstellen, bis neue griech. Regierung gebildet ist + Klarheit über ihren politischen Kurs besteht. Ziel europ. Politik: Griechenland soll in Währungsunion bleiben aber vereinbarte Reformen im Konsens umsetzen. Eurozone sollte dringend ein geordnetes Umschuldungsverfahren für Staaten entwickeln. Grexit unwahrscheinlich. S.d. auch Art. 50 EUV; 140/3 AEUV) Quelle: auch Fuest u.a., FAZ 22.1.15 konegen, ifpol uni münster, WS 14/15 23
Appell an politische Entscheidungsträger + Finanzmarktakteure Lernen, ohne zu denken, ist eitel, denken ohne zu lernen, ist gefährlich. Konfuzius (551 479 v. Chr.) Quelle: konegen, ifpol uni münster 24
VI. Literaturhinweise Lüder Gerken & Matthias Kullas: cepdefault-index Griechenland. Beschleunigter Verfall der Kreditfähigkeit. cepinput, 01/2015. Centrum für Europäische Politik, Freiburg. 8S. http://www.cep.eu/studien/cepdefault-index_2015/cepinput_default- Index_Griechenland_2015.pdf Hilfspakete für Griechenland; http://de.wikipedia.org/wiki/griechische_staatsschuldenkrise Grafiken zum Thema http://www.bundesfinanzministerium.de/content/de/bilderstrecken/medi athek/infografiken/infografik-stabilisierung-des-euroraums.html Ökonomische Basisdaten Griechenland http://p8- management.de/uploads/media/script_vorlesung_viii_ws_12_13.pdf Quelle: konegen, ifpol uni münster +++ 25