Moderne Phasengleichgewichtsmodelle

Ähnliche Dokumente
Inhalt 1 Grundlagen der Thermodynamik

Physikalisch-chemische Grundlagen der thermischen Verfahrenstechnik

User NRTL BIPs. Für die BIP-Regression wählt man:

Karl Stephan Franz Mayinger. Thermodynamik. Grundlagen und technische Anwendungen. Zwölfte, neubearbeitete und erweiterte Auflage

Mischphasenthermodynamik Prüfung

Die Zusammensetzung am Ausgang der 1. Verdampfereinheit (0) kann aus dem beigefügten T, x-diagramm abgelesen werden zu

Thermodynamik I. Sommersemester 2012 Kapitel 2, Teil 2. Prof. Dr. Ing. Heinz Pitsch

Entwicklung einer universellen Gruppenbeitragszustandsgleichung

Die Simulation einer Abwasseranlage mit CHEMCAD

Physikalisches Anfaengerpraktikum. Zustandsgleichung idealer Gase und kritischer Punkt

Simulation und Optimierung. 7. Vorlesung. Ergänzungen zur Parametrierung eines A+ Projektes. Grundlagen der Simulation von Destillationsprozessen

-aus theoretischen Ansätzen - Approximationen

Praktikum Physikalische Chemie I. Versuch 4. p, V, T - Verhalten realer Gase am Beispiel von SF 6

Phasen, Komponenten, Freiheitsgrade

Modul: Allgemeine Chemie

2.1 Bestimmung einiger Isothermen von Schwefelhexafluorid SF 6

Physikalische Chemie 1 (Thermodyn. u. Elektrochemie) SS09 - Blatt 1 von 13. Klausur PC 1. Sommersemester :15 bis 11:45.

ÜBUNGEN ZUR VORLESUNG Physikalische Chemie I (PC I) (Prof. Meerholz, Hertel, Klemmer) Blatt 14,

Lernziele: Phasen, Komponenten, Freiheitsgrade Die Phasenregel Zweikomponentensysteme: Dampfdruckdiagramme,

Die Zusammensetzung am Ausgang der Verdampfereinheit (0) kann aus dem beigefügten T, x-diagramm abgelesen werden zu

Die kinetische Gastheorie beruht auf den folgenden drei Annahmen:

Band 2: Mehrstoffsysteme und chemische Reaktionen. Grundlagen und technische Anwendungen

PC I Thermodynamik J. Stohner / M. Quack SoSe 2006

Liste der Formelzeichen. A. Thermodynamik der Gemische 1

Skript zur Vorlesung

d) Das ideale Gas makroskopisch

Physik 4 Praktikum Auswertung Zustandsdiagramm Ethan

Einführung in die Rektifikation mit CHEMCAD

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Grundlegung WS 2014/15 Chemie I Dr. Helge Klemmer

Manfred Nitsche. Kolonnen-Fibel. Für die Praxis im chemischen Anlagenbau. Springer Vi eweg

Die 4 Phasen des Carnot-Prozesses

Grundlagen zur Auswahl, Synthese und Auslegung thermischer Trennprozesse

Physikalische Chemie Physikalische Chemie I SoSe 2009 Prof. Dr. Norbert Hampp 1/9 1. Das Ideale Gas. Thermodynamik

2.3 Stoffmodelle für Reinstoffe Die Dampftabelle ... MPa C m 3 /kg m 3 /kg ... 0, ,23 0, ,

A 1.1 a Wie groß ist das Molvolumen von Helium, flüssigem Wasser, Kupfer, Stickstoff und Sauerstoff bei 1 bar und 25 C?

1. Wärmelehre 1.1. Temperatur. Physikalische Grundeinheiten : Die Internationalen Basiseinheiten SI (frz. Système international d unités)

Vorlesung Statistische Mechanik: Ising-Modell

Kolligative Eigenschaften

Versuch 14: Dampfdruckkurve - Messung der Dampfdruckkurven leicht verdampfbarer Flüssigkeiten -

PC-Übung Nr.1 vom

Grundlagen der Allgemeinen und Anorganischen Chemie. Atome

Übungen zur Vorlesung Physikalische Chemie 1 (B. Sc.) Lösungsvorschlag zu Blatt 11

PC-Übung Nr.3 vom

Van der Waals-Theorie und Zustandsgleichung

Physikalische Chemie Praktikum. Reale Gase, Kritischer Punkt

Probeklausur STATISTISCHE PHYSIK PLUS

Multiple-Choice Test. Alle Fragen können mit Hilfe der Versuchsanleitung richtig gelöst werden.

Karlsruher Institut für Technologie Festkörperphysik. Übungen zur Theoretischen Physik F SS 10

Van der Waalsgeleichung

E2: Wärmelehre und Elektromagnetismus 6. Vorlesung

! #!! % & ( )! ! +, +,# # !.. +, ) + + /) # %

P = P(T, v) = k BT v b a v 2 (37.1)

Flüssigdichte eines Gemisches

8.4.5 Wasser sieden bei Zimmertemperatur ******

Das Mie Potenzial sowie die Form nach Lennard-Jones

Lehrbuch Chemische Technologie

Inhaltsverzeichnis Hinweise zur Benutzung Einführung in die Arbeits- und Denkweise Basis der Thermodynamik

E Homogene / inhomogene Mischungen und Entmischungsdiagramme

T p = T = RT. V b. ( ) 2 V p. V b. 2a(V b)2 V 3 RT. 2a(V b) V 3 (p+ a V 2 )

LMPG1 ÜB1 Phasendiagramme & Dampfdruck Lösungen Seite 1 von 6

Wärmelehre/Thermodynamik. Wintersemester 2007


Grundlagen zur Auswahl, Synthese und Auslegung thermischer Trennprozesse

Grundlagen zur Auswahl, Synthese und Auslegung thermischer Trennprozesse

PCG Grundpraktikum Versuch 5 Lösungswärme Multiple Choice Test

Bernhard Härder. Einführung in die PHYSIKALISCHE CHEMIE ein Lehrbuch Chemische Thermodynamik W/ WESTAR.P WISSENSCHAFTEN. Skripte, Lehrbücher Band 2

Thermodynamik der Gemische

1. Ziel des Versuchs. 2. Theorie. Dennis Fischer Gruppe 9 Magdalena Boeddinghaus

a) Welche der folgenden Aussagen treffen nicht zu? (Dies bezieht sind nur auf Aufgabenteil a)

Don t gamble with physical properties Kein Glücksspiel mit Stoffdaten Lunch & Learn

Phasen, Komponenten, Freiheitsgrade

Untersuchungen zum Einsatz alternativer

Dampfdruck von Flüssigkeiten (Clausius-Clapeyron' sche Gleichung)

Institut für Physikalische Chemie Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

E2: Wärmelehre und Elektromagnetismus 6. Vorlesung

So genannte. Steckbriefaufgaben. für ganzrationale Funktionen. Teil 1: Ganzrationale Funktionen 2. Grades (Parabelfunktionen) Datei 42080

Phasengleichgewicht. 1. Experimentelle Bestimmung des Dampfdrucks von Methanol als Funktion der Temperatur. A fl. A g

Reale Gase - kritischer Pumkt

Versuch Beschreiben Sie die Vorgänge, die in der Nähe des kritischen Punktes zu beobachten sind.

Berechnen Sie die Wärmemenge in kj, die erforderlich ist, um 750g H 2 O von

Van der Waalsgleichung

Reale Gase. Versuch: RG. Inhaltsverzeichnis. Fachrichtung Physik. Erstellt: E. Beyer Aktualisiert: am Physikalisches Grundpraktikum

4. Freie Energie/Enthalpie & Gibbs Gleichungen

Institut für Physikalische Chemie Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Kompressor in CHEMCAD

Untersuchung von Realgaseigenschaften in ANSYS CFX am Beispiel einer Lavaldüsenströmung

Thermodynamik 1 Klausur 02. August 2010

Gesetz von Boyle. Empirisch wurde beobachtet, dass bei konstanter Temperatur gilt: p.v = Konstant bzw V 1 / p bzw p 1 / V.

23. Mai 2000 Physikalisch-Chemisches Praktikum Versuch Nr. 11

Physik III im Studiengang Elektrotechnik

Klausur zur Vorlesung Thermodynamik

Abschlussbericht zu Kennziffer 2472: Experimentelle Bestimmung von Grenzaktivitätskoeffizienten in ternären und höheren Elektrolytsystemen

Werner Langbein. Thermodynamik. Gleichgewicht, Irreversible Prozesse, Schwankungen. Verlag Harri Deutsch

Einführung in die linearen Funktionen. Autor: Benedikt Menne

Phasendiagramm. Praktikum I, Teil Werkstoffe HS 2008/09 Versuch 6; Verfasser: Philippe Knüsel

Phasengleichgewicht und Phasenübergänge. Gasförmig

PC I Thermodynamik und Transportprozesse

Transkript:

Moderne Phasengleichgewichtsmodelle NRTL-Unifac-PSRK-SRK Als der Doktorand und Physiker Johannes Diderik van der Waals (1837-1923) 1873 seine Doktorarbeit an der holländischen Universität Leiden über Over de Continuiteit van den Gasen Vloeistoftoestand (Die Kontinuität des flüssigen und gasförmigen Zustands) verfasste, konnte er nicht ahnen, was er damit auslöste. Er erhielt 1910 den Nobelpreis für Physik. Abb. 1 Prof. Dr. van der Waals. Quelle: Wikipedia Mit seiner Zustandsgleichung legte van der Waals den Grundstein für nahezu alle Zustandsgleichungen, die wie heute kennen. Redlich-Kwong (RK, 1949), Soave-Redlich-Kwong (SRK, 1972), Peng-Robinson (PR, 1976), Grayson-Streed-Chao-Seader (GS, 1961), Benedikt-Weg-Rubin- Starling (BWRS), Reichsanstaltgleichung, Virialgleichung basieren auf seiner Gleichung. Alle Zustandsgleichung wurden allerdings erst Jahrzehnte nach van der Waals Zustandsgleichung entwickelt und veröffentlicht. Ein Schüler von van der Waals und Henricus van t Hoff an der Universität Amsterdam war der holländische Chemiker Johannes Jacobus van Laar (1860-1938). Er wurde 1924 Ehrendoktor der Universität Groningen. 1906 trug er sein Modell über die Berechnung der chemischen Aktivität γ vor. Nach ihm ist das van Laar Modell benannt. Auch er konnte nicht ahnen, das auf seiner Grundlage viele uns heute bekannte Modelle wie Porter, Margules, Wilson, Uniquac, und NRTL entwickelt wurden. 1

NRTL Das NRTL-Modell (Non-Random-Two-Liquid) gilt heute als das leistungsfähigste Modell der Gamma- Modell- Klasse zur Beschreibung von Phasengleichgewichten. Das soll die Leistung anderer Modelle wie z.b. Uniquac, welches in Unifac enthalten ist, nicht schmälern. Aber das NRTL-Modell hebt sich von allen anderen Modellen dadurch ab, daß es seit seiner ersten Veröffentlichung sehr viele Modifikationen erfahren hat. Dadurch wurde dieses Modell zunehmend leistungsfähiger. Ist es zunächst, wie alle anderen Modelle dieser Klasse, geschaffen worden, um VLE (Vapor-Liquid- Equilibrium) zu berechnen, wird es heute auch für LLE (Liquid-Liquid-Equilibrium) und SLE (Solid- Liquid-Equilibrium) und sogar für Elektrolyte verwendet. Es muss aber klargestellt werden, dass alle Gamma-Modelle zunächst nichts anderes tun, als binäre Messdaten von Phasengleichgewichten wiederzugeben und zu interpolieren. Der Unterschied der Modelle besteht aber darin, welche Art von Phasengleichgewicht und wie genau diese wiedergegeben werden. Genau darin liegt der Vorteil von NRTL wie am nachstehenden Beispiel gezeigt wird. Vor ca. 40 Jahren begann man am Lehrstuhl Prof. Dr. Onken, Uni Dortmund, viele binäre Messungen durchzuführen, die unter Dechema Data Collection veröffentlicht wurden. Die daran enthaltenen VLE und LLE Messdaten und Parameter sind in CHEMCAD für NRTL und andere Modelle enthalten. Leider ist dieses Werk nicht fortgesetzt worden. AMessungen, die später durchgeführt wurden, sind meist nicht öffentlich und daher nicht in CHEMCAD verfügbar. Sind die fehlenden binären Gleichgewichtsdaten nicht zu beschaffen, sollte man die entsprechenden NRTL Parameter in CHEMCAD dennoch auffüllen, andernfalls erfolgt eine ideale Berechnung mit Aktivitätskoeffizient= 1. Die schnellste Methode in CHEMCAD ist Unifac. Für Vorprojekte und Machbarkeitsstudien reicht das in den meisten Fällen. Genauer, aber aufwendiger ist es, Messungen oder Molekularsimulationen durchzuführen bzw. in Auftrag zu geben. Dass das Phasengleichgewicht von Mehrstoffgemischen auf der Basis binärer Daten berechnet werden kann, ist eine der wichtigsten Leistungen aller Gamma-Modelle. Ebenso gilt für alle Gamma- Modelle, dass sie grundsätzlich LLE berechnen können. Mit NRTL erhält man natürlich die genauesten Ergebnisse. Basieren die verwendeten Parameter jedoch auf VLE-Messungen, kann man damit nur bedingt LLE berechnen. Bei großer Mischungslücke, d.h. geringer gegenseitiger Löslichkeit (z.b. Benzol-Wasser) erhält man mit VLE Parametern noch gute LLE Ergebnisse. Ist die Mischungslücke jedoch klein und die gegenseitige Löslichkeit groß (z.b. Butanol-Wasser) erhält man mit VLE Parameter schlechte LLE Ergebnisse. Genauer wird die LLE Berechnung durch NRTL, wenn man LLE Parameter aus LLE Messdaten verwendet. Zu Beginn hatte das NRTL Modell lediglich 3 Parameter. Heute steht in CHEMCAD das NRTL Modell mit bis zu 9 Parametern zur Verfügung. Damit lassen sich auch außergewöhnliche Gleichgewichte berechnen. Hier ein Beispiel eines LLE. 2

Abb. 2 LLE Methylpiridin-Wasser nach NRTL in CHEMCAD Dieses Phasendiagramm stellt das LLE Methylpyridin-Wasser dar. Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass oberhalb von 160 C und unterhalb von 50 C das LLE verschwunden ist. Für diese Berechnung wurde NRTL mit 7 Parameter verwendet. Das NRTL Modell lässt sich auch für SLE (Solid-Liquid-Equilibrium) und Elektrolyte sehr erfolgreich verwenden. Beispiel dafür lassen sich leicht in CHEMCAD erstellen. Unifac Das Thema fehlender NRTL Parameter wurde schon angesprochen. Wenn die Beschaffung von Messdaten nicht gelingt, kommen ersatzweise nur Schätzmethoden in Frage. Die bekannteste Methode ist Unifac. Das Prinzip ist einfach. Man ermittelt die Molekülgruppen (z.b. -CH3, -OH), aus denen sich das zu berechnende Molekül zusammensetzt und addiert die Daten, die diesen Molekülgruppen zugeordnet sind. Eine analoge Methode ist bekannt zur Berechnung von Stoffdaten nach Joback-Lydersen, s. VDI-Wärmeatlas Kapitel Berechnen von Stoffdaten. Beim Unifac Modell werden allerdings keine Stoffdaten berechnet, sondern die Aktivitätskoeffizienten Gamma auf der Basis des Uniquac (Universal quasichemical) Modells. In CHEMCAD dient das Unifac Modell auch dazu, fehlende NRTL Parameter zu ersetzen. Es ist nicht selten, daß bei einem Gemisch von z.b. 10 Stoffen etwa nur die Hälfte der erforderlichen binären NRTL Parameter vorhanden sind. In dem Fall würden diese ideal berechnet. Die fehlenden binären Parameter werden in CHEMCAD durch einen einzigen Knopfdruck mit NRTL Parameter aus Unifac aufgefüllt, und zwar entweder aus der VLE - Datenbank oder aus der LLE Datenbank. Dabei ist ebenfalls zu beachten, daß zu LLE (die zwei Stoffe 3

bilden zwei flüssige Phasen) auch Unifac LLE und zu VLE (die zwei Stoffe sind vollständig mischbar) Unifac- VLE gewählt werden sollte. Nun hört sich das etwa so an wie wenn man auf Messdaten ganz verzichten könnte, denn man wird ja wohl für die bekannten Stoffe die Daten der Molekülgruppen wissen. Letzteres ist auch in der Tat fast so, jedoch ist die Genauigkeit des Unifac Modells nicht so hoch wie die der Messdaten. Eine allgemein gültige Angabe über die Unifac Genauigkeit kann aber nicht gegeben werden, da sie von vielen Einflüssen abhängig ist. Der Vorteil des Unifac Modells besteht aber immerhin darin, dass sich damit auf Anhieb Phasengleichgewichte deutlich besser als auf idealer Basis berechnen lassen, ohne daß man binäre Parameter benötigt. Es ist das Verdienst von Prausnitz, Fredenslund und Gmehling, die Unifac Methode entwickelt zu haben. Im VDI Wärmeatlas ist das Unifac Modell ausführlich erläutert. Die dort angegebenen Daten für die einzelnen Molekülgruppen stammen jedoch von anderen Autoren als bei CHEMCAD. Das führt natürlich zu unterschiedlichen, aber geringfügigen Ergebnissen. Die Ermittlung der Unifac-Parameter ist mit einem sehr großen Aufwand verbunden. Man benötigt eine große Zahl an VLE und LLE Daten, um die Daten, die einer Molekülgruppe zugeordnet werden sollen, in genügt großer Zahl und damit mit ausreichender Genauigkeit zu erhalten. Es gibt ca. 50 Unifac-Gruppen. Rechnet man z.b. mit 100 Messdaten pro Molekülgruppe, um eine ausreichende Genauigkeit zu erzielen, so sind 50 * 50 * 100 = 250000 Gleichgewichtsmessdaten erforderlich. Allein diese Größenordnung macht es deutlich, dass man über eine sehr umfangreiche VLE und LLE Datenbank verfügen muss. Um damit umzugehen, wird eine entsprechend große Erfahrung benötigt. Für den Verfahrenstechniker ist es daher nicht ratsam, Unifac Parameter selbst zu ermitteln. Zurück zu van der Waals. Die van der Waals Gleichung beschreibt das grundsätzliche kontinuierliche Verhalten der Materie vom gasförmigen Zustand über die Kondensation bis zum flüssigen Zustand. Der Verlauf lässt sich anschaulich grafisch darstellen wie hier mit Hilfe des Grafikprogramms Techplot. 4

Abb. 3 Isothermen der van der Waals-Gleichung, Quelle: Techplot-Programm Es ist darin zu erkennen, dass die Isotherme am kritischen Punkt eine horizontale Wendetangente hat. Daraus resultiert die besondere Verfahrenstechnik der überkritischen Gase. Der Zweiphasenbereich ist dadurch gekennzeichnet, dass die beiden Flächen F1 und F2 vom Betrag her identisch sind und damit die Maxwell sche Gleichung erfüllt ist. Die van der Waals-Gleichung enthält einige Vereinfachungen, ohne die sie nicht hätte entstehen können. Daher ist sie generell für die Berechnung von Gasdaten geeignet, wird darin aber von a anderen Zustandsgleichungen an Genauigkeit übertroffen. Der Grund liegt in dem Term V 2. Dieser Term besagt, dass die potentielle Energie eines Gases lediglich von der Dichte, d.h. Konzentration abhängig ist. Für Stoffe mit kugelförmigem Potenzial wie z.b. Edelgase, führt diese Vereinfachung durchaus zu guten Ergebnissen. Für alle anderen Stoffe ist dies, je mehr sie polar oder unsymmetrisch sind, nicht der Fall. Daher wird in allen anderen Zustandsgleichungen dieser Term durch meist empirisch gefundene Modifikationen ersetzt. Diese sind an Messungen bestimmter Stoffgruppen angepasst. Während z.b. die SRK-Gleichung an mehrere Stoffgruppen angepasst wurde und daher weitgehend universell einsetzbar ist, wurden z.b. die Zustandsgleichungen PR und GS an petrochemische Stoffe angepasst. Für Edelgase und andere Stoffe mit nahezu kugelförmigem Potenzial gilt das Theorem der übereinstimmenden Zustände. D.h. ihre auf die kritischen Daten reduzierten Stoffeigenschaften sind untereinander identisch. Eine der bekanntesten Eigenschaften ist die Fugazität, wie sie u.a. im VDI- 5

Wärmeatlas grafisch wiedergegeben wird. In CHEMCAD werden die Fugazitätskoeffizienten entsprechend der Gleichung P ( Z 1) lnϕ = 0 berechnet. dp P Über die Lösung dieser Gleichung muss man für die bekannten Zustandsgleichungen nicht mehr nachdenken, man kann sie der Literatur entnehmen. Alle Zustandsgleichung haben gemeinsam, dass ihre Parameter aus kritischen Daten berechnet werden. Das liegt daran, dass die kritische Isotherme am kritischen Punkt (Pc, Tc, Vc) eine horizontale Wendetangente aufweist. Daher erhält man durch zweimaliges Ableiten dp dv ein einfaches Gleichungssystem, welches nach den Parametern aufgelöst werden kann. In der Literatur wird diese Berechnung häufig am Beispiel der van der Waals Gleichung demonstriert. In CHEMCAD werden alle stoffabhängigen Parameter der Zustandsgleichungen automatisch aus den kritischen Daten des jeweiligen Stoffes berechnet. Bei der BWRS Gleichung kann der Anwender allerdings eigene Parameter verwenden. Vergleicht man die kritischen Daten der Stoffe mit denen des Verfahrens, ergibt sich, dass die Zustandsgleichung umso genauer ist, je näher die Verfahrensdaten denen der kritischen Daten sind. Daraus lässt sich schließen, dass Zustandsgleichungen im Vakuum ungenau sein können. Andererseits lassen sich Prozesse in der Näher des kritischen Punktes zumindest thermodynamisch gut wiedergeben, was aber nicht bedeutet, daß die Löslichkeit von Feststoffen berechnet werden kann. Alle Zustandsgleichungen sind für die Gasphase entwickelt worden, sind aber auch in der Lage, Kondensation und Verdampfung und sogar die Verdampfungswärme zumindest qualitativ zu berechnen. Sie sind aber ausnahmslos nicht in der Lage, für die Flüssigphase auch nur annähernd gute Ergebnisse zu liefern. Trotz aller Grenzen der Genauigkeit sind Zustandsgleichung unverzichtbar und gerade die Soave- Redlich-Kwong Zustandsgleichung (SRK) hat sich als nahezu universell einsetzbar erwiesen, während andere wie die Peng-Robinson (PR) oder Grayson-Stread-Chao-Seader (GS) oder Benedikt-Web- Robin-Starling (BWRS) für Spezialanwendungen entwickelt wurden. Daher werden viele thermodynamische Daten wie z.b. die Gasdichte in CHEMCAD mit der SRK-Gleichung ermittelt. Bei der Simulation von Gasprozessen wie Kompression bzw. Expansion ist die Anwendung einer Zustandsgleichung unerlässlich. Gerade bei dieser Anwendung sind die Berechnungsgleichungen, die auf dem idealen Gasgesetz beruhen, zu ungenau. 6

Beim Phasengleichgewicht unter einem Druck von >1 bar sollte der Fugazitätskoeffizient in der Gasphase grundsätzlich berücksichtigt werden. Bereits bei 1 bar beträgt der Fugazitätskoeffizient 0,98 und ist damit um 2% niedriger als der des idealen Gases (φ=1,0). Leider ist dies bei vielen publizierten VLE Messungen nicht beachtet worden. Für die meisten Stoffe sind die kritischen Daten bekannt oder lassen sich mit der Lyderson-Joback- Methode zumindest für nicht zu große Moleküle (MG <200 g/mol) abschätzen. Diese Leichtigkeit der Handhabung sollte aber nicht dazu verführen, den Ergebnissen der SRK-Gleichung unendliches Vertrauen zu schenken nach dem Motto endlich gibt es eine universelle Zustandsgleichung. Das ist sie aber nicht wie man leicht nachprüfen kann. Schon der Versuch, brauchbare Ergebnisse im Flüssigbereich zu erhalten, scheitert. Auch kann man mit SRK nur ideale VLE (Vapor-Liquid- Equilibrium), d.h. Phasengleichgewichte berechnen. Auf SRK-Basis kann man keine Aktivitätskoeffizienten γ für das Raoult sche Gesetz berechnen, eben nur Fugazitätskoeffizienten φ für das Dalton sche Gesetz. Das gilt auch für jede andere Zustandsgleichung. Es ist ratsam, diese beiden wichtigen Koeffizienten nur der jeweiligen Phase zuzuordnen. Es hat aber dennoch nicht an Versuchen gefehlt, mit SRK Phasengleichgewichte zu berechnen. In der Mineralöltechnik ist dies gängige Praxis. In Ermangelung der Stoffdaten, insbesondere der Dampfdrücke kann man das bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Dass man dann aber nicht zwischen Aliphaten, Aromaten, Naphthenen und Olefinen unterscheiden kann, muss man in Kauf nehmen. Für Mischungen existieren mehr oder weniger lineare Mischungsregeln, aus denen man die mittleren Parameter der Zustandsgleichung ermittelt. Auf dieser Basis lassen sich Zustandsgleichung auch auf Mischungen anwenden wie an einem Beispiel gezeigt werden soll. 7

Die nachstehende Grafik zeigt das Phase - Envelope (PT-Diagramm) einer Mischung aus leichten Kohlenwasserstoffen (C5-). Abb. 4 PT-Diagramm nach SRK eines aliphatischen Gemisches C5- in CHEMCAD Man erkennt einige Besonderheiten, nämlich, dass der kritische Punkt (blau) nicht mit dem Maximum der Kurve zusammenfällt, und dass die 90 bar Horizontale einerseits und die 95 C Vertikale andererseits die Kurve zweimal schneidet. Dies nennt man reziprokes Verhalten: der Ein- und Austritt durch das Zweiphasengebiet erfolgt ohne Phasenwechsel flüssig-gasförmig, sondern man kehrt zur ursprünglichen Phase zurück. Andere Zustandsgleichungen statt SRK liefern in diesem Fall ähnliche Ergebnisse. PSRK Dies ist eine an der Uni Oldenburg (Gmehling) entwickelte Methode zur besseren Gaslöslichkeitsberechnung (Fischer). PSRK bedeutet Prediktiv-SRK. Die bereits o.g. Schwachstelle des zweiten van der Waals Term wird durch Unifac ersetzt. Damit ergeben sich interessante Lösungen für die Gaslöslichkeit von z.b. C4- in Methanol oder der CO2 Löslichkeit in diversen Lösungsmitteln. Gaslöslichkeiten können mit SRK nur ideal (d.h. Wechselwirkungen werden nicht berücksichtigt)berechnet werden. Allerdings können nicht die für allgemein bekannten Unifac Parameter verwendet werden, sondern es müssen erneut Messungen gemacht werden, die für PSRK angepasst sind. Daher lagen in den Anfängen der PSRK Gleichung nur wenige Parameter vor. 8

Inzwischen können in CHEMCAD diese PSRK-Unifac Parameter durch Messdaten, meist Partialdruckmessungen durch Regression gewonnen werden. Das Verfahren kann bei großen Molekülen wie Selexol sehr aufwendig sein, wurde aber für das wichtige Anwendungsgebiete wie uchen Carbon Capture nahezu vollständig durchgeführt. Beispiele und Publikationen belegen die erfolgreiche Simulation. Das Verfahren ist in der Lage, die Löslichkeit von CO2 in Lösungsmitteln wie Selexol zu berechnen. Bekanntlich will man damit alles CO2 aus Großanlagen und einigen auf der Weide stehenden CO2 Lieferanten auffangen und in Hohlräume (unterirdisch) verbringen, wie man eben so manches in der Erde versteckt, was man nicht mehr braucht. Andere Verfahren entnehmen es dort wieder und gewinnen zusammen mit H2 und Strom wertvolle Produkte wie z.b. Synthesegas. Ein Ansatz für das Auflösen der CO2 ist im nachstehenden Flowsheet zu sehen. To Gas Turbines Treated Gas Pre-combustion Carbon Capture Selexol Absorber and Stripper Combined Flash & Thermal Regeneration Syngas without H2S and COS 4 Partial Condenser Compression Stage 3 Inlet 14 Lean Solvent Cooler 10 16 12 Captured CO2 Absorber Flash Heater Rich Selexol Stripper From Integrated Shift and Cooling Syngas 1 3 Rich Flash Drum 6 1 15 17 Compression Stage 3 Inlet 13 5 10 9 7 Lean / Rich Heat Exchanger Lean Selexol Reboiler 8 2 9 4 Intermediate Flash Turbo-generator Abb. 5 Verfahren zur CO 2 Absorption und Desorption mit Selexol in CHEMCAD Das Verfahren besteht im Wesentlichen aus zwei Kolonnen. In der ersten Kolonne wird CO2 aus einem Gasstrom mit Selexol ausgewaschen, d.h. absorbiert. Die Waschflüssigkeit Selexol wird expandiert und gibt dabei bereits beträchtliche Mengen CO2 ab. Schließlich erfolgt in der zweiten Kolonne die letzte Desorption, so dass am Kopf der Kolonne die Gesamtmenge CO2 anfällt. Das gereinigte Selexol aus der zweiten Kolonne wird der ersten Kolonne im Kreislauf wieder zugeführt. Auf diese Weise Damit lassen sich alle CO2 haltigen Gase wie u.a Rauchgase behandeln. Damit leistet die chemische Verfahrenstechnik mal wieder einen enormen Beitrag zur Lösung eines selbst gemachten Problems, nämlich der Rettung des Klimawandels, vielmehr des Klimas als solches oder was Nichtmeteorologen dafür halten: alles bleibt beim Alten. 9

Dieser Beitrag zum Thema Phasengleichgewichte hat nun 4 Modelle und deren Anwendung besprochen und eine Brücke schlagen von NRTL bis SRK. Nicht etwa, um zu zeigen, dass man mit einer Gleichung alles kann, sondern vielmehr, dass es eben nicht so ist und diese 4 Gleichungen ihre Berechtigung nebeneinander haben und sogar ineinander übergehen. Wenn dem so ist, dann ist doch die Frage erlaubt, warum gibt es nicht eine Gleichungen, die alle 4 vereint? Bemühungen dazu gibt es (Molekular Modelling), aber ohne erwähnenswerte bzw. brauchbare Ergebnisse für die ingenieurmäßige praktische Anwendung. Wir lassen diese Frage daher an dieser im Raum unbeantwortet stehen und begeben uns wieder an unsere täglichen verfahrenstechnischen Aufgabenstellungen und verwenden dazu diese 4 Modelle wo immer wir können, richtig an, am besten mit CHEMCAD. Kurzangaben der Quellen 1. Wikipedia 2011 2. Molwyn-Hughes: Physikalische Chemie 3. Lydecke-Lydecke: Thermodynamik 4. Prausnitz, Gmehling: Hochschulkurs III: Thermodynamik der Mischphasen 5. Gmehling, Kolbe:Thermodynamik 6. Pfennig: Thermodynamik 7. Nachdrucke der Veröffentlichung von Johannes Diderik Van Der Waals (ca. 1900) Wolfgang Schmidt November 2012 10