Schadenfreude und Mitleid bei Kindern ZWEI SEITEN EINER MEDAILLE

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Transkript:

49. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Bochum, 21.-25. September 2014 Schadenfreude und Mitleid bei Kindern ZWEI SEITEN EINER MEDAILLE André Körner, Rose Schindler & Udo Rudolph Technische Universität Chemnitz, Germany

Gliederung 1. Schadenfreude & Mitleid und ihre Entwicklung 2. Studien Studie 1: Zielerreichung und Soziometrie Studie 2: Beziehung und Nutzengewährung Studie 3: Valenz des Verhaltens, Verantwortlichkeit und Nutzengewährung 3. Zusammenfassung & Ausblick Allgemeine & Biopsychologie 2

Schadenfreude oder Mitleid? 3

Soziale (moralische) Emotionen Schadenfreude Fühlt sich für den Beobachter gut und der Zielperson schlecht an Reduziert die Wahrscheinlichkeit von Hilfeverhalten Signal für falsches Verhalten Mitleid Fühlt sich für den Beobachter schlecht und für die Zielperson gut an Erhöht die Wahrscheinlichkeit von Hilfeverhalten Signal für richtiges Verhalten (Weiner, 2006; Rudolph, Schulz & Tscharaktschiew, 2012) 4

Entwicklung bei Kindern Schadenfreude und Mitleid Im Alter von 2 Jahren entstehen die kognitiven und emotionalen Voraussetzungen für Empathie (Zahner-Waxler & Radke-Yarrow, 1990) Perspektivenübernahme - Fähigkeit, eine Annahme über Bewusstseinsvorgänge in anderen Personen vorzunehmen (Resch, 1999) Normen der Gesellschaft (Ought) kennen und deren Verletzung wahrnehmen ab einem Alter von 2,5-3 Jahren (Kagan, 1984; Keller et al., 2003; Lagattuta, 2005) Eine erste Studie zeigt Kinder konnten ca. ab dem 4 Lebensjahr diese Emotionen mitteilen (Schulz, Tscharaktschiew & Rudolph, 2012) 6

Studie 1: Zielerreichung und Soziometrie 7

Studie 1: Zielerreichung und Soziometrie N = 195 Kindern Alter = 4 bis 7 Jahre UV1: Geschlecht des Protagonisten (weiblich vs. männlich) UV2: Zielerreichung (Ziel erreicht vs. Ziel nicht erreicht) AV1: Mitleid, Schadenfreude und Hilfeverhalten AV2: Soziometrischer Status des Protagonisten (Wahl dieser Person zum Sitzpartner) 8

Der Einfluss von Zielerreichung Schadenfreude Mitleid 5 5 4 4 3 2 Szenario 1 Szenario 2 3 2 Szenario 1 Szenario 2 1 1 0 GA+ 0 GA+ GA- GA- Zielerreichung F = 5.99*, ² =.02 Szenario F = 2.41, ² =.01 Zielerreichung F =.72, ² <.01 Szenario F = 7.57**, ² =.02 9

Der Einfluss von Zielerreichung 5 Hilfeverhalten 5 Sitzpartnerwahl 4 4 3 2 Szenario 1 Szenario 2 3 2 Szenario 1 Szenario 2 1 1 0 GA+ 0 GA+ GA- GA- Zielerreichung F = 2.96, ² =.01 Szenario p >.05, ² <.01 Zielerreichung F = 5.72*, ² =.02 Szenario p >.05, ² <.01 10

Studie 2: Beziehung und Nutzengewährung 11

Studie 2: Beziehung und Nutzengewährung N = 27 Kinder Alter = 6 bis 8 Jahre UV1: Szenario (Strand vs. Baum) UV2: Soziometrischer Status (Zuneigung oder Ablehnung des Protagonisten) AV1: Mitleid und Schadenfreude AV2: Nutzengewährung verschenken einer Gummibärchentüte (dichotom) 12

Pfadmodell -.43*** Schadenfreude -.15 Art der Gefühlsbeziehung Nutzengewährung Mitleid.48***.36** 13

Studie 3: Valenz des Verhaltens, Verantwortlichkeit und Nutzengewährung 14

Studie 3: Valenz des Verhaltens, Verantwortlichkeit und Nutzengewährung N = 157 Alter = 4 bis 8 Jahre UV1: Verhalten des Protagonisten (positiv vs. negativ) UV2: Verantwortlichkeit des Protagonisten für sein Missgeschick (verantwortlich vs. nicht verantwortlich) UV3: Geschlecht des Protagonisten (weiblich vs. männlich) AV: Mitleid, Schadenfreude und Hilfeverhalten AV: Nutzengewährung - verschenken einzelner Gummibärchen (kontinuierlich) 15

Studie 3: Valenz des Verhaltens, Verantwortlichkeit und Nutzengewährung 5 Schadenfreude 5 Mitleid 4 4 3 2 1 0 Ver + Ver - Ver + Ver - Szenario 1 Szenario 2 3 2 1 0 Ver + Ver - Ver + Ver - Szenario 1 Szenario 2 Val + Val - Val + Val - Verhaltensvalenz (F = 45.07***, η 2 =.17) Verantwortlichkeit (F = 6.41*, η 2 =.02 ) Verhaltensvalenz (F = 22.92***, η 2 =.11) Verantwortlichkeit (F = 5.58*, η 2 =.02 ) 16

Studie 3: Valenz des Verhaltens, Verantwortlichkeit und Nutzengewährung Hilfeverhalten Nutzengewährung 5 5 4 4 3 3 2 1 Szenario 1 Szenario 2 2 1 Szenario 1 Szenario 2 0 Ver + Ver - Ver + Ver - 0 Ver + Ver - Ver + Ver - Val + Val - Val + Val - Verhaltensvalenz (F = 44.79***, η 2 =.17). Verantwortlichkeit (F = 10.98**, η 2 =.04). Szenario (F = 11.08**, η 2 <.01) Verhaltensvalenz (F = 81.64***, η 2 =.29). Verantwortlichkeit (F = 9.22**, η 2 =.03). 17

Zusammenfassung Schadenfreude und Mitleid werden in ähnlichen Situationen empfunden und schließen sich gegenseitig aus. In unseren Studien konnten Kinder ab einem Alter von 4 Jahren diese Emotionen mitteilen. Kinder empfinden Schadenfreude eher bei Personen, die sie nicht mögen, wenn diese etwas Böses getan haben oder tun wollten und selbst verantwortlich waren für ihr nachfolgendes Missgeschick. Beide Emotionen beeinflussen nachfolgende Interaktionen. 18

Literaturquellen: Kagan, J. (1984). The Nature of the Child. New York: Basic Books Inc. Lagattuta, K. H. (2005). When you shouldn t do what you want to do: Young children s understanding of desires, rules and emotions. Child Development, 76, 713-733. doi:10.1111/j.1467-8624.2005.00873.x Resch, F., Parzer, P., Brunner, R. M., Haffer, J., Koch, E. Oelkers, R., Schuch, B., & Strehlow, U. (1999). Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters. Ein Lehrbuch. Beltz, Weinheim. doi:10.1080/15299730802045666 Rudolph, U., Schulz, K., & Tschraktschiew, N. (2013). Moral emotions: An analysis guided by Heider s naive action analysis. International Journal of Advances in Psychology, 2(2), 69-92. Schulz, K., Tscharaktschiew, N., & Rudolph, U. (2012). Daniel has fallen into a Muddy Puddle - Schadenfreude or Sympathy? Manuscript submitted for publication Weiner, B. (2006). Social motivation, justice, and the moral emotions. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates, Publishers. Zahn-Waxler, C., Radke-Yarrow, M., & King, R., A. (1979). Child Rearing and Children's Prosocial Initiations toward Victims of Distress. Child Development, 50(2), 319-330. doi: 10.1111/1467-8624.ep12421504 Bild: http://www.colourbox.de/preview/2110210-634177-theatrical-masks-isolated-vector-illustration-character-theater-tragedy-and-comedy.jpg 19