Die Geschäftsfähigkeit I. Begriff Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte selbständig vollwirksam vorzunehmen. Das BGB sieht grundsätzlich alle Menschen als geschäftsfähig an und regelt daher nicht die Geschäftsfähigkeit, sondern die Ausnahmefälle Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit, 104 ff BGB. II. Geschäftsunfähigkeit Geschäftsunfähige können nicht selbständig am Rechtsverkehr teilnehmen, d.h. weder Willenserklärungen wirksam abgeben, 105 I BGB, noch empfangen, 131 I BGB. Ausnahme: Volljährige Geschäftsunfähige i.s.v. 104 Nr. 2 können Bargeschäfte des täglichen Lebens, die mit geringen Mitteln bewirkt werden, wirksam abschließen, 105a BGB. 1. Arten der Geschäftsunfähigkeit Geschäftsunfähigkeit wegen Alters, 104 Nr. 1 BGB.?Geschäftsunfähigkeit wegen krankhafter Störungen, 104 Nr. 2 BGB (sog. natürliche oder tatsächliche Geschäftsunfähigkeit). Danach ist geschäftsunfähig, wer aufgrund seines Geisteszustandes außerstande ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen
abhängig zu machen (so der BGH). Allerdings besteht die Möglichkeit, dass solche Personen in einem lichten Moment (lucidum intervallum) wirksam rechtsgeschäftlich handeln, 104 Nr. 2 BGB (In Klausursachverhalten muss es massive Anhaltspunkte für diese Variante geben, da es sich um einen Ausnahmefall handelt, der sich zu Lasten des grds. Geschäftsunfähigen auswirkt!). 2. Sonderfälle: relative und partielle Geschäftsunfähigkeit a) Relative Geschäftsunfähigkeit: Eine relative Geschäftsunfähigkeit nur für besonders schwierige Geschäfte wird mit Hinweis auf die Belastung des Rechtsverkehrs mit zu vielen Unsicherheiten und erheblichen Abgrenzungsproblemen von Rspr. und Lit. abgelehnt (vgl. BayObLG NJW 1989, 1678). b) Partielle Geschäftsunfähigkeit: Partielle GuF ist (nur) anerkannt für Fälle von Querulantenwahn (für die Prozessführung) und krankhafter Eifersucht (für Fragen der Ehe). Konsequenz: Der Betreffende kann grds. alle Geschäfte wirksam vornehmen, nichtig gem. 105 II BGB sind aber all diejenigen Rechtsgeschäfte, die bspw. zu den Angelegenheiten der Prozessführung gehören (Beauftragung eines Anwalts etc.).
3. Rechtsfolge: a) Geschäftsunfähige können selbst überhaupt keine wirksamen Rechtsgeschäfte vornehmen; ihre WE sind grds. unheilbar nichtig, 104, 105 I BGB. Die Folgen der 104, 105 BGB treten automatisch ein, ohne dass es auf die Erkennbarkeit für den Empfänger der WE ankommt. Der gute Glaube an die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden wird nicht geschützt. b) Für den Geschäftsunfähigen handelt sein gesetzlicher Vertreter. Das sind für Kinder i.d.r. beide Eltern ( 1629 I 2 BGB), für Volljährige deren Betreuer ( 1902 BGB). Handelt der gesetzliche Vertreter im Namen des Geschäftsunfähigen, so treffen die Rechtsfolgen den Geschäftsunfähigen. c) Nichtig ist auch eine Willenerklärung, die im Zustande der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird ( 105 II BGB). Bsp.: Volltrunkenheit, epileptische Anfälle etc. Durch diesen Zustand allein tritt jedoch keine Geschäftsunfähigkeit ein. (d.h. dem Bewusstlosen selbst kann eine Willenserklärung wirksam zugehen (vgl. Brox BGB AT Rn. 269).
III. Die beschränkte Geschäftsfähigkeit Beschränkt geschäftsfähige Personen können in bestimmtem Umfang Rechtsgeschäfte wirksam vornehmen. Grundsätzlich bedürfen sie aber der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters ( 107 I BGB). 1. Voraussetzungen Das BGB kennt nur die beschränkte Geschäftsfähigkeit wegen Alters, 106 BGB. Danach ist der Minderjährige von der Vollendung des siebten Lebensjahres an bis zum Eintritt der Volljährigkeit (vgl. 2 BGB) beschränkt geschäftsfähig. 2. Teilgeschäftsfähigkeit Auf die von einem beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommenen Rechtsgeschäfte finden gem. 106 BGB die 107 bis 113 BGB Anwendung. Die beschränkt Geschäftsfähigen sind für die in 112, 113 BGB geregelten Rechtsgeschäfte voll geschäftsfähig. Eine entsprechende Ermächtigung des Minderjährigen durch den gesetzlichen Vertreter führt daher zu einer partiell unbeschränkten Geschäftsfähigkeit für einen beschränkten Kreis von Rechtsgeschäften. Die 112 und 113 BGB sind daher vorrangig zu prüfen.
a) Betrieb eines Erwerbsgeschäftes, 112 BGB Ermächtigt der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes den beschränkt Geschäftsfähigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes. So ist er für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt ( 112 I 1 BGB). Dies gilt jedoch nicht für Rechtsgeschäfte, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bedarf ( 112 I 2, 1643, 1821 f. BGB; Bsp.: Kreditaufnahme, Prokuraerteilung etc.) b) Dienst oder Arbeitsverhältnis, 113 BGB Wird der beschränkt Geschäftsfähige von seinem gesetzlichen Vertreter ermächtigt in Dienst oder Arbeit zu treten, so ist er für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die unmittelbare Eingehung, Aufhebung oder Erfüllung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art betreffen sowie solche Geschäfte, die in engem Zusammenhang mit der Vertragsdurchführung stehen (Beispiele: Abschluss der notwendigen Beförderungsverträge, Kauf von Arbeitskleidung, Verträge über Kost und Wohnung am Dienstort etc.). 3. Von vornherein wirksame Rechtsgeschäfte Das BGB kennt drei Fälle, in denen das vom Minderjährigen vorgenommene Rechtsgeschäft von vorneherein wirksam ist.
?Nach 107 Fall 1 BGB ist das Rechtsgeschäft von vorneherein wirksam, wenn es für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Nach 107 Fall 2 ist das Rechtsgeschäft von vorneherein wirksam, wenn es mit vorheriger Einwilligung (183) des gesetzlichen Vertreters geschlossen wurde. Im Übrigen sind rechtlich neutrale Geschäfte jederzeit möglich (aa Medicus). a) Rechtlich lediglich vorteilhafte Geschäfte Entgegen Wortlaut 107 Fall 1 BGB kommt es nicht darauf an, ob die Willenserklärung als solche lediglich rechtlich vorteilhaft ist; vielmehr ist die rechtliche Vorteilhaftigkeit des mit der Willenserklärung bezweckten Rechtsgeschäfts entscheidend. Ob ein rechtlicher Vorteil vorliegt ist allein nach der rechtlichen Wirkung, nicht aber nach dem wirtschaftlichen Erfolg des Geschäfts zu entscheiden. Ein Geschäft ist rechtlich nachteilig, wenn unmittelbar durch das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen persönliche Pflichten begründet oder vorhandene Rechte des Minderjährigen aufgehoben oder gemindert werden. Verpflichtungsgeschäfte sind - mit Ausnahme der rein einseitig verpflichtenden Verträge zugunsten des Minderjährigen (Bsp.: Schenkung ohne Auflage an Minderjährigen) niemals lediglich rechtlich vorteilhaft.
Verfügungsgeschäfte sind regelmäßig rechtlich vorteilhaft, wenn zugunsten des beschränkt Geschäftsfähigen ein Recht übertragen, aufgehoben, verändert oder belastet wird. Bei der Übertragung von Grundstücken ist jedoch zu beachten: - Dingliche Belastungen sind nur unschädlich, wenn dafür (wie bei Grundpfandrechten) nur die Sache haftet und nicht die Person. - Öffentliche Lasten (Steuern, Abgaben etc) sind unschädlich, weil diese den Eigentümer nur mittelbar kraft öffentlichen Rechts treffen (beachte hierzu auch BGH NJW 2005, 415 ff.). - Der Erwerb eines vermieteten Grundstücks ist wegen 566 I BGB ( Erwerb bricht nicht Miete ) stets nachteilig. Denn anders als die öffentlichen Lasten knüpft 566 I BGB den rechtlichen Nachteil schon an den Erwerb, nicht aber an das Innehaben der Rechtsposition. Die Erfüllung eines Anspruchs, der einem beschränkt Geschäftsfähigen zusteht, ist durch Leistung an ihn nicht möglich, da die Erfüllung ( 362 BGB) für ihn nicht rechtlich vorteilhaft ist (er geht seines Anspruches verlustig). c) Rechtlich neutrale Geschäfte Rechtlich neutrale Geschäfte treffen ausschließlich einen fremden Rechtskreis. Obwohl der Wortlaut des 107 BGB einen rechtlichen Vorteil verlangt, sind sie unabhängig von 107 BGB zulässig, da der Minderjährige insoweit nicht schutzwürdig ist (vgl. Rechtsgedanke 165 BGB). Beispiele für rechtlich neutrale Geschäfte: Vertretung eines anderen durch einen Minderjährigen ( 165 BGB)
Verfügung über fremde Sache mit Einwilligung des Berechtigten ( 185 BGB) Verfügung über fremde Sachen als Nichtberechtigter nach 932 ff BGB, denn die Haftung des Minderjährigen aus 816, 989, 823 BGB ist bloß mittelbare Folge des Rechtsgeschäfts, (a.a. Medicus beim gutgläubigen Erwerb). d) Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, 107 Fall 2 BGB Das Rechtsgeschäft des Minderjährigen ist von Anfang an wirksam, wenn es mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorgenommen wurde. Einwilligung ist vorherige Zustimmung, 183 BGB. Die Einwilligung kann speziell für ein bestimmtes Rechtsgeschäft erteilt werden, aber auch ein beschränkter Generalkonsens für einen klar abgrenzbaren Lebensbereich (z.b. für eine Urlaubsreise) ist möglich. Nicht möglich ist dagegen ein unbeschränkter Generalkonsens (denn dieser würde zur Umgehung des Minderjährigenschutzes führen)
e) Sonderfall der Einwilligung: 110 BGB (Taschengeldparagraph) Ein von dem beschränkt Geschäftsfähigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn er die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind ( 110 BGB Taschengeldparagraph). 110 BGB ist nach h.m. ein Sonderfall des 107 Fall 2 BGB, d.h. in der Überlassung der Mittel an den Minderjährigen ( Taschengeld ) liegt die eingeschränkte Einwilligung in die Vornahme eines Rechtsgeschäfts unter Verwendung dieser Mittel unter der Bedingung, dass die Leistung mit den bezeichneten Mitteln bewirkt wird. Beachte jedoch, dass durch Auslegung nach 133, 157 BGB zu ermitteln ist, ob das konkrete Rechtsgeschäft noch von der Reichweite der Einwilligung gedeckt war und ob auch eventuelle Folgegeschäfte gedeckt sind. Außerdem sind die Beschränkungen des 1629, 1641, 1643 BGB zu beachten. f) Sonderfall: einseitige Rechtsgeschäfte Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der beschränkt Geschäftsfähige ohne die erforderliche Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters vornimmt, ist unwirksam ( 111 I BGB). Es kann auch nicht durch Genehmigung wirksam
werden. Wirksam ist es also nur, wenn es dem beschränkt Geschäftsfähigen einen rechtlichen Vorteil bringt oder der gesetzliche Vertreter die Einwilligung (=vorherige Zustimmung) erklärt hat. Sinn dieser Regelung ist es, für die Personen Klarheit zu schaffen, die durch das Rechtsgeschäft betroffen, aber an seiner Vornahme nicht beteiligt sind. Beachte insbesondere, dass selbst ein mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorgenommenes Rechtsgeschäft unwirksam sein kann, wenn der Minderjährige die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich (vgl. 121 I BGB) zurückweist, 111 II BGB (Ausnahme hiervon aber in 111 III BGB). Vorsicht: Ausnahmsweise greift 111 BGB trotz fehlender Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nicht ein! Das ist der Fall, wenn der Betroffene in Kenntnis der beschränkten Geschäftsfähigkeit des Handelnden damit einverstanden ist, dass die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von der Genehmigung der gesetzlichen Vertreter abhängig ist. Die 108 ff. sollen hier entsprechende Anwendung finden. (vgl. Brox BGB AT Rn. 286) 4. Nachträgliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts eines Minderjährigen Liegt kein Fall der 112, 113 BGB vor und fehlt bei einem rechtlich nachteiligen Rechtsgeschäft die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter, so hängt die Wirksamkeit des Vertrages von der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters ab ( 108 BGB). Die
Genehmigung ist die nachträgliche Zustimmung. Bis zur Erteilung oder Verweigerung tritt ein Schwebezustand ein; der Vertrag ist schwebend unwirksam. Durch die Erteilung der Genehmigung wird der Vertrag wirksam. Die Genehmigung eines nach 108 BGB schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts kann durch die Eltern ( 108 I BGB) oder den inzwischen volljährig gewordenen Minderjährigen erfolgen ( 108 III BGB). a) Voraussetzungen:?Das Rechtsgeschäft muss zur Zeit der Genehmigung überhaupt noch genehmigungsfähig sein, d.h. die Genehmigung darf noch nicht endgültig verweigert sein. Der gesetzliche Vertreter oder der volljährig gewordene Minderjährige muss die Genehmigung erklärt haben (auch konkludent). b) Erklärung der Genehmigung Die Genehmigung kann nach 184, 182 I BGB sowohl dem Minderjährigen als auch dem Vertragspartner gegenüber erklärt werden. Folge: Grundsätzlich wird das Rechtsgeschäft auch durch Verweigerung gegenüber dem Minderjährigen endgültig unwirksam. Beachte aber die Ausnahmeregelung in 108 II 1 letzter Halbsatz BGB:
Hat der gesetzliche Vertreter dem Minderjährigen gegenüber die Genehmigung verweigert und fordert der Vertragspartner nun den gesetzlichen Vertreter zu einer (zweiten) Erklärung auf, so wird die dem Minderjährigen gegenüber abgegebene Verweigerung unwirksam und das Rechtsgeschäft rückwirkend wieder schwebend unwirksam (wichtig, wenn der Minderjährige inzwischen volljährig geworden ist).