Die Herausforderung neue Tuberkulosemedikamente zu entwickeln

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Transkript:

Die Herausforderung neue Tuberkulosemedikamente zu entwickeln Karl-Heinz Altmann, ETH Zürich Departement für Chemie und Angewandte Biowissenschaften Institut für Pharmazeutische Wissenschaften Treffpunkt Science City 16. November 2014

Tuberkulose Tuberkulose ist eine ansteckende Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Mycobacterium tuberculosis (Mtb) ausgelöst wird. Robert Koch (1843-1910) Nobelpreis für Medizin 1905 Typischerweise angegriffenes Organ ist die Lunge, es können aber auch andere Organe betroffen sein.

Tuberkulose oder Schwindsucht: Eine alte Geisel der Menschheit Auftreten der Krankheit im alten Ägypten, im antiken Griechenland und Rom Phthisis = Schwindsucht (Herodot) 1546: Übertragung durch Ansteckungskeime? (Frascatoro) 1832: Begriff der Tuberkulose (von tuberculum = Knötchen) (Schönlein) 1893: Mycobacterium tuberculosis als Auslöser der Krankheit (Koch) Todesfälle auf 10 000 Deutschand, 1750-1960

Tuberkulose 2013: Ein immer noch schwerwiegendes Problem 9 Mio neue TB Infektionen 1.1 Mio Neuinfektionen bei HIV-positiven Personen 1.5 Mio Todesfälle 360 000 Todesfälle von Personen mit einer HIV-TB Co-Infektion 480 000 Fälle von arzneimittelresistenter (MDR) TB 10% der Fälle mit extrem arzneimittelresistenter (XDR) TB Ca. 1/3 der Weltbevölkerung ist latent mit Mtb infiziert Quelle: WHO Report 2014: Global Tuberculosis Control

Tuberkulose 2013: Gobale Erkrankungsraten Quelle: WHO Report 2014: Global Tuberculosis Control

Tuberkulose: Übertragung und Infektion Heilung Aktive Infektion Tod Latente Infektion Modifiziert aus A. Koul et al., Nature 2011, 489, 483.

Tuberkulose ist eine behandelbare Krankheit Arzneimittelempfindliche TB ( drug-susceptible (DS)-TB) Initiale Phase (2 Monate): Isoniazid / Pyrazinamid / Ethambutol Fortsetzungsphase (4 Monate): Isoniazid / Rifampicin Heilungsrate 95% Arzneimittelresistente TB ( multidrug-resistant (MDR)-TB) Resistenz gegenüber Isoniazid, Rifampicin Behandlungsdauer 18-24 Monate, Kombination von 8-10 Arzneimitteln Heilungsrate 50% - 70% Extrem arzneimittelresistente TB (XDR)-TB Resistenz gegenüber Isoniazid, Rifampicin; Fluoroquinolone; Amikacin, Kanamycin, Capreomycin. Sehr hohe Sterblichkeitsrate

Bakterielle Resistenz: Was bedeutet das? Kontakt mit Bakterien Infektion und und Bakterienwachstum Behandlung mit mit Arzneimitteln Nicht resistente Bakterien Bakterien wachsen Bakterien sterben Arzneimittelresistente Bakterien Bakterien wachsen Bakterien wachsen weiter Quelle: National Institute of Allergy and Infectious Diseases, USA

Das Antibiotikaresistenz-Problem ist nicht auf die Tuberkulose beschränkt

Zweitlinientherpie Erstlinientherapie Arzneimittel gegen Tuberkulose Arzneistoff Entdeckungsjahr Zielstruktur Isoniazid 1952 InhA (FabI) Rifampicin 1963 RNA Polymerase Pyrazinamid 1954 Ribosom Etambutol 1961 Arabinosyltransferasen p-aminosalicylsäure 1948 Dihydropteroatsynthase Streptomycin 1944 Ribosom Ethionamid 1961 InhA (Fab III) Ofloxacin 1980 DNA Gyrase/Topisomerase Capreomycin 1963 Ribosom Kanamyin 1957 Ribosom Amikacin 1972 Ribosom Cycloserin 1955 D-Ala Racemase/Ligase Bedaquilin Zulassung 2012 ATP synthase Delamanid Zulassung 2014 Verschiedene 8 Substanzen in der klinischen Entwicklung (Juni 2014)

Angriffsorte von Tuberkulosemedikamenten Glycolipid Mycolsäuren Peptidoglycan ZELLWAND * Wirkstoff in Erprobung oder im Zulasssungsverfahren

Zweitlinientherpie Erstlinientherapie Tuberkulosemedikamente aus Naturstoffen Arzneistoff Entdeckungsjahr Zielstruktur Isoniazid 1952 InhA (FabI) Rifampicin 1963 RNA Polymerase Pyrazinamid 1954 Ribosom Etambutol 1961 Arabinosyltransferasen p-aminosalicylsäure 1948 Dihydropteroatsynthase Streptomycin 1944 Ribosom Ethionamid 1961 InhA (Fab III) Ofloxacin 1980 DNA Gyrase/Topisomerase Capreomycin 1963 Ribosom Kanamyin 1957 Ribosom Amikacin 1972 Ribosom Cycloserin 1955 D-Ala Racemase/Ligase Bedaquilin Zulassung 2012 ATP synthase Delamanid Zulassung 2014 Verschiedene 8 Substanzen in der klinischen Entwicklung (Juni 2014)

Rifampicin: Vom Naturstoff zum Tuberkulosemedikament Rifamycin B Rifampicin Isoliert 1957 aus Amycolatopsis mediterranei Schwaches Antibiotikum Rifamycin SV Aus Rifamycin B durch Semisynthese Erstes klinisch eingesetztes Rifamycin

Rifampicin: Wirkmechanismus RNA Polymerase Rifampicin

Naturstoffe als Ausgangspunkte für neue Tuberkulosemedikamente: Ripostatin B? RNA Polymerase Hemmer mit einem anderen Wirkmechansimus als Rifampicin (?) Ripostatin B Entwicklung einer chemischen Synthese des Naturstoffs als Grundlage für die Herstellung strukturell abgewandelter Analoga Struktur-Aktivitäts-Studien Augustiniak et al., 1996 Sorangium cellulosum so ce 377

Ripostatin und RNA Polymerase: Das Scharnier wird blockiert Geschlossen Offen Rip Rif + DNA Geschlossen Reclosed Start der Transkription DNA gebunden Modifiziert aus: Haebich, D.; von Nussbaum, F. Angew. Chem. 2009,48, 3397.

Ripostatin B: Synthesestrategie und Stand der Forschung Zielmolekül Verfahren zur Herstellung von Ripostatin B Hemmung der RNA Polymerase bestätigt Modifizierte Varianten mit erhöhter Hemmwirkung auf die RNA Polymerase aus Mtb Keine antibakterielle Aktivität! Bausteine

Naturstoffe als Ausgangspunkte für neue Tuberkulosemedikamente: Pyridomycin? Pyridomycin Maeda et al., 1953 Streptomyces albidofuscus Bestätigung der antimykobakteriellen Aktivität Entwicklung einer chemischen Synthese für die Herstellung strukturell abgewandelter Analoga Struktur-Aktivitäts-Studien

Pyridomycin: Hemmung der Zellwandsynthese Mycolsäuren a-mycolate Methoxy-Mycolate Keto-Mycolate Isoniazid 1.Aktivierung im Bakterium (KatG) 2.Reaktion mit NAD + Isoniazid NAD Hemmung der Zellwandsynthese b-ketoacyl-acp Synthase (KasA/B) Enoyl-ACP Reduktase InhA Pyridomycin O b-ketoacyl-acp Reduktase (MabA) b-hydroxyacyl-acp Dehydrase

Pyridomycin: Entwicklung eines abgewandelten Grundkörpers Vereinfachte Synthese ODER Gleiche Aktivität wie Pyridomycin!

Dihydropyridomycin: Bindung an InhA R. Hartkoorn; et al. Nature Chem. Biol. 2014, 10, 96.

Chemie Florian Glaus Darija Dedic Dr. Oliver Horlacher Rafael Schrof Danksagung Biologie/Biochemie Dr. Ruben Hartkoorn Prof. Stewart Cole Florence Pojer Prof. Valakunja Nagaraja Liliana Rodrigues ETH Zürich Schweizerischer Nationalfonds FP7 Program MM4TB