Anna-Kristin Kalbacher, Prof. Dr. Andreas Krause, Günter Weng Kollegiale Hospitation im Kontext der Selbstevaluation an Schulen Stolpersteine und Gestaltungsvorschläge 1 Einbettung der Studie in die aktuelle Bildungslandschaft Seit dem Schuljahr 2007/08 ist die Durchführung von Selbstevaluation für alle Schulen Baden- Württembergs verpflichtend ( 114 Schulgesetz B.-W.). Damit sind alle Schulleitungen und Lehrkräfte aufgefordert, gemeinsam im Kollegium ein für ihre Schule passendes Evaluationskonzept auszuarbeiten. Ziel ist die Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität von Unterricht und Schule. Bei der Auswahl von Methoden für die Datenerhebung und Evaluation sind den Schulen Freiräume eingeräumt. Die Kollegiale Unterrichtshospitation ist eine Möglichkeit, mit der Unterrichtsqualität überprüft und optimiert werden kann. Im Rahmen der Pilotphase Selbstevaluation, die im Schuljahr 2004/05 startete, entschied sich das Kollegium einer Baden-Württembergischen Grundschule freiwillig zur Durchführung eines Projekts zur Kollegialen Hospitation (QUS, Qualitätsentwicklung in Unterricht und Schule). Dabei besuchten sich die Lehrkräfte regelmäßig im Unterricht und beobachteten sich zu selbst gewählten Kriterien. Ein Kollege moderierte jeweils die Sitzung, in der die hospitierende Lehrkraft der im Unterricht beobachteten Lehrkraft Feedback gab. Die Erstautorin hat die Schule über ein halbes Jahr wissenschaftlich begleitet und ist neben einer Vielzahl an positiven Auswirkungen der Projektarbeit auch auf Stolpersteine gestoßen. Ergebnisse der Begleitstudie werden in diesem Beitrag vorgestellt und dabei Vor- und Nachteile der Kollegialen Hospitation aufgezeigt. Zuletzt werden Gestaltungsvorschläge abgeleitet, wie die Methode zu Selbstevaluationszwecken Erfolg versprechend eingesetzt werden kann. Zu Beginn führen wir in das Qualitätssystem QUS ein, das Schulen einen Rahmen bietet, um Kollegiale Hospitation auch zur Selbstevaluation einzusetzen. 2 Das Qualitätssystem QUS (Qualitätsentwicklung in Unterricht und Schule) Das Qualitätssystem QUS (Berliner, Hertweck, Poss & Wilhelm, 2008) bietet Schulen einen Rahmen für die systematische Durchführung von Kollegialer Hospitation. Das Kollegium entscheidet sich dabei gemeinsam für die mindestens dreijährige Durchführung des Projekts, das von einem Fachberater für Schulentwicklung unterstützt wird. Zu Beginn des Projekts werden die Lehrkräfte in einem Workshop geschult und in praktischen Übungen auf die Projektarbeit vorbereitet. Mit QUS wird der Aufbau einer Feedbackkultur intendiert sowie eine Verzahnung der individuellen Entwicklung der einzelnen Lehrkräfte mit der Qualitätsentwicklung der Schule als Ganzes. Die entsprechende Organisationsstruktur des Projekts zeichnet sich durch drei Ebenen aus: die Schulebene, vertreten durch die Steuergruppe, die Qualitätsgruppen- bzw. Teamebene, bestehend aus vier bis sechs Lehrkräften, und die individuelle Ebene. Auf jeder Ebene werden eigene Evaluationsziele festgelegt, die inhaltlich jedoch in Zusammenhang stehen und deren Ergebnisse auf jeder Ebene anonymisiert rückgemeldet und ausgewertet werden. Die Qualitätsgruppen (Q-Gruppen) sind für die Vorbereitung und Auswertung der Hospitationen verantwortlich. Jede Lehrkraft wird einmal im Schulhalbjahr von einem Kollegen besucht und übernimmt selbst jeweils einmal die Rolle als Beobachter und Moderator im anschließenden Feedbackgespräch. In der Steuergruppe sind Vertreter aus den Q-Gruppen sowie die Schulleitung vertreten. Diese ist für die Zusammenführung der Ergebnisse aus den einzelnen Q-Gruppen verantwortlich und soll diese wiederum für jede einzelne Lehrkraft zugänglich machen. Alle gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die weiterführende Projektarbeit und die nachfolgenden Hospitationen. Diese systematische Feedbackkultur sowie die Förderung des professionellen Dialogs zwischen den einzelnen Lehrkräften und den verschiedenen Gruppen soll die Kontinuität im Bemühen um Qualitätssicherung und -entwicklung an der Schule gewährleisten. Am Ende eines dreijährigen Entwicklungszeitraums soll der Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems an der Schule vollzogen sowie die Lehrkräfte dazu befähigt sein, eigenständig weiterzuarbeiten.
Der Zeitaufwand für das QUS-Projekt umfasst für jede Lehrkraft pro Schulhalbjahr die Teilnahme an zwei Qualitätsgruppentreffen zur Vorbereitung bzw. Auswertung der Hospitationen sowie 4 x 45 min. für die Hospitationsarbeit. Jede Lehrkraft übernimmt im Halbjahr jeweils einmal die Rolle als beobachtete Lehrkraft, als Unterrichtsbeobachter und als Moderator eines Feedbackgesprächs. Wer sich zusätzlich in die Steuergruppe einbringt, ist an weiteren Sitzungen beteiligt. Derzeit arbeiten ca. 35 Schulen in Baden Württemberg mit QUS, davon 13 Schulen im Rahmen des Karlsruher Bildungsprojekts QUS, das vom Regierungspräsidium Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem QUS-Team in den Schuljahren 2007/08 bis 2008/10 durchgeführt wird. Methodische Grundlagen für Evaluationsprozesse Zentrales Element jeder schulischen Evaluation ist die Entwicklung geeigneter, d.h. messbarer Indikatoren zur Schulqualität. Dieser Prozess stellt für Schulleitungen und Lehrkräfte zu Beginn eine große Herausforderung dar. Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport bietet Schulen zur Unterstützung einen Leitfaden an (Landesinstitut für Schulentwicklung, 2007). Die folgenden Beispiele sind dem Leitfaden sowie Ebert und Wilhelm (2005) entnommen. Die Vorbereitung der Hospitationen verläuft in mehreren Schritten: Zunächst legen die Lehrkräfte einen größeren Qualitätsbereich (z.b. Unterrichtsergebnisse und -prozesse) sowie innerhalb dessen ein Kriterium (z.b. Gestaltung des Lehr- und Lernprozesse) fest. Das konkrete Ziel wird in Form einer Qualitätsaussage formuliert (z.b. Die Schüler fühlen sich für ihren Lernerfolg mitverantwortlich ). Der letzte und häufig schwierigste Schritt ist die Ableitung beobacht- und somit messbarer Indikatoren (z.b. Schüler können klare Aussagen zu ihrem derzeitigen Lernstand machen ). Im QUS-Projekt entscheidet sich das Kollegium pro Schuljahr für ein verbindliches Schulthema. Die Steuer- und Qualitätsgruppen sowie jede einzelne Lehrkraft sind dann aufgefordert, jeweils einen eigenen Teilaspekt zu diesem Schulthema auszuwählen und dazu eine Qualitätsaussage mit zwei passenden Indikatoren festzulegen. Für jede Hospitation liegen somit drei Ziele (das gesamtschulische, teambezogene und individuelle Ziel) mit insgesamt sechs Indikatoren vor. Studien auf Basis der Zielsetzungstheorie (Locke & Latham, 1990) konnten vielfach nachweisen, dass eine Leistung umso besser ausfällt, je spezifischer und schwieriger die festgelegten Ziele sind, sofern sie im Rahmen der individuellen Leistungsfähigkeit liegen. Nur anhand spezifischer Ziele kann eine Leistung gemessen und eine exakte Beurteilung der Zielerreichung vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang weist Kohnke (2002) auf die Gefahr hin, dass bei zu vagen Zielen (z.b. besser werden ) die Bewertungen für beinahe alle Ergebnisse gut ausfallen. Wird aber ausschließlich positives Feedback gegeben, entsteht keine Ist-Soll-Diskrepanz und somit keine Motivation zur Veränderung. 3 Die Begleitstudie und ihre Fragestellungen Die Untersuchung entstand in Kooperation des Instituts für Psychologie der Universität Freiburg, dem Regierungspräsidium Freiburg (Abteilung 7: Schule und Bildung) und dem Konzeptionsteam des QUS-Projekts. Die Erstautorin begleitete das neunköpfige Kollegium einer Grundschule im Raum Karlsruhe im ersten Schulhalbjahr 2005/06. Die Datenerhebung fand zu zehn Messzeitpunkten mit mehreren Erhebungsmethoden statt. Zum Einsatz kamen Dokumentenanalysen, Interviews, teilnehmende Beobachtung und verschiedene Fragebogen. Die Methodenkombination sowie das vorwiegend qualitative Datenmaterial, das durch die teilnehmende Beobachtung sowie die Selbstauskünfte der Lehrer entstanden war, ermöglichte eine detaillierte Analyse sowie ein tieferes Verständnis der ablaufenden Veränderungsprozesse an der Schule. In der Begleitstudie wurde exemplarisch untersucht, inwiefern der Einsatz von Kollegialer Hospitation zur Selbstevaluation an Schulen sinnvoll erscheint. Ein weiteres Untersuchungsziel war die Dokumentation der Auswirkungen der Projektarbeit auf den Ebenen Unterricht, Lehrkraft, Kollegium und Schule (s. Tabelle 1).
Ebene des Unterrichts Neue Anregungen Fachliche Weiterentwicklung Ebene der einzelnen Lehrkraft Selbstbewusstsein bzgl. der Unterrichtsqualität Motivation zur fachlichen Weiterentwicklung Ebene des Kollegiums Mehr Austausch von Materialien Umgang vertrauensvoller Ebene der Schule Hilfe bei Umsetzung des Leitbildes verbessertes Ansehen der Schule Tabelle 1: Kriterien für die Untersuchung der Auswirkungen der Projektarbeit auf verschiedenen Ebenen (Beispiele) Im Rahmen der Begleitstudie stellte sich zunehmend heraus, dass die Lehrkräfte Schwierigkeiten bei der Entwicklung spezifischer Indikatoren hatten. Daraufhin wurde dieser Aspekt genauer betrachtet. In Abschnitt 5 wird aufgezeigt, was bei der Festlegung von Indikatoren sowie bei der Vorbereitung für eine gelingende Evaluation beachtet werden sollte. 4 Ergebnisse der Projektarbeit Die Auswertungen ergaben, dass die Lehrkräfte auf allen Ebenen (Unterricht, Individuum, Kollegium und Schule) eine Vielzahl an positiven Auswirkungen der Projektarbeit wahrnahmen (s. Tabelle 2; Kalbacher, 2006). Auf individueller Ebene wurde bis auf eine Ausnahme von allen Lehrkräften ein erhöhtes Selbstbewusstsein bzgl. der eigenen Unterrichtsqualität wahrgenommen. Weiterhin gaben jeweils zwei Drittel der Kollegen einen Anstieg der Motivation zur fachlichen Weiterentwicklung sowie der methodischen Kompetenzen (Zeitmanagement, Feedback, Moderation) an. Acht von neun Projektbeteiligten hatten neue Anregungen für den Unterricht erhalten. Im Kollegium wurde der Umgang als vertrauensvoller beschrieben, außerdem hatte ein verstärkter Austausch von Unterrichtsmaterialien stattgefunden. Fast alle Lehrkräfte gaben an, dass die Projektarbeit die Umsetzung des schulischen Leitbilds unterstützt hatte. Der Zeitaufwand wurde von acht der neun Lehrkräfte als akzeptabel angesehen. Diese Ergebnisse belegen positive Auswirkungen auf die Kommunikations-, Vertrauens- und Feedbackkultur und deuten daraufhin, dass QUS wesentliche Impulse für die Schulentwicklung und die Professionalität im Kollegium geben konnte. Anzahl der Personen 9 8 7 6 5 4 3 2 1 (eher) ja (eher) nein Selbstbewusster Motivation zur neue Anregungen mehr Austausch von Umgang bzgl. fachlichen Materialien vertrauensvoller Unterrichtsqualität Weiterentwicklung Tabelle 2: Auswirkungen der Projektarbeit: Selbstauskünfte der Lehrkräfte (Kalbacher, 2006)
Trotz der positiven Auswirkungen brach eine der beiden Q-Gruppen die Kollegialen Hospitationen nach zwei Hospitationsrunden ab und entschied sich für eine andere Evaluationsmethode (Fragebogen). Infolge dieses Abbruchs untersuchten wir den Prozess, wie es von dem motivierten Projekteinstieg, der Entwicklung der Indikatoren und deren Beobachtung zu dem Entschluss der Beendigung der Hospitationen kam. Die Indikatoren, welche die Lehrkräfte zur Beobachtung festgelegt hatten, waren teilweise sehr unspezifisch formuliert. So lautete die Formulierung eines Indikators z.b. mehr Selbständigkeit der Schüler -.eine solche allgemeine Formulierung ist jedoch eher als Ziel und weniger als konkreter Indikator zu verstehen. Wie bereits in Abschnitt 2 beschrieben, werden allgemein gehaltene Indikatoren häufig positiv bewertet. Dies verdeutlicht auch das folgende Zitat einer beteiligten Lehrkraft: Wir haben gemerkt, dass wir gut sind - jetzt können wir die Hospitationen beenden. Eine mögliche Erklärung für den Abbruch des Projekts in einer Q-Gruppe wäre also die fehlende Motivation zur Weiterführung der Kollegialen Hospitationen. Es muss angemerkt werden, dass die Feedback-Kultur an der Schule zum Untersuchungszeitpunkt im Aufbau war, was die eher vorsichtige und vor allem positive Rückmeldung (innerhalb der Q-Gruppen) weiter erklären könnte. Hier zeigt sich, dass sich das notwendige Vertrauen für die intensive Zusammenarbeit mit Unterrichtsbeobachtungen und selbstwertrelevanten Rückmeldungen schrittweise entwickeln muss. Tabelle 3 zeigt eine Auswahl der von den Lehrkräften formulierten Indikatoren mit unterschiedlichen Ausprägungen an Spezifität. Konkrete Indikatoren (7) Schüler M bearbeitet das Arbeitsblatt vollständig Anzahl der Störungen im Unterricht Unscharfe Indikatoren (Konstrukte) (11) Hilfsbereitschaft Selbständigkeit Sonstiges (z.b. explorative Fragen) (6) Wie gehen die Schüler mit handlungsorientierten Aufträgen um? Welche Voraussetzungen für selbständiges Arbeiten sind gegeben? Tabelle 3: Beispiele für von der Schule verwendete Indikatoren mit Anzahl (Kalbacher, 2006) Einige hospitierende Lehrkräfte bemerkten bei den Unterrichtsbesuchen, dass die vorliegenden Indikatoren (z.b. Selbständigkeit der Schüler ) zu unspezifisch, folglich also nicht messbar waren und konkretisierten diese während der Unterrichtshospitation selbst (Nicht-Abschreiben als messbares Zeichen für Selbständigkeit). Die schriftlichen Ergebnisse der Unterrichtshospitation stellten zum Großteil Beschreibungen von Schülerverhalten darstellten (z.b. einige Schüler schreiben nicht voneinander ab ), nicht aber Quantifizierungen (z.b. ein Drittel der Schüler schreibt nicht voneinander ab). Als Quantifizierungsmaße eignet es sich, Schülerverhalten bzw. den Beobachtungsgegenstand auszuzählen und in Form von Häufigkeiten anzugeben. Um die erreichte Häufigkeit bewerten zu können und sie für Evaluationszwecke brauchbar zu machen, müssen zuvor die angestrebten Standards (z.b. 50 Prozent der Schüler sollen das Arbeitsblatt selbständig bearbeiten ) formuliert und später als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Die Begleitstudie zeigt die Notwendigkeit auf, Lehrkräfte in ihren Kompetenzen zur Entwicklung geeigneter Indikatoren intensiv zu schulen und vor allem Rückmeldeprozesse zu initiieren, die frühzeitig auf das fehlende Einhalten der vorgesehenen Standards etwa bei der Formulierung von Indikatoren hinweisen. Neben den noch unzureichend ausgeprägten Methodik-Kompetenzen kann ein motivationaler Faktor bei der Formulierung der unspezifischen Indikatoren mitgewirkt haben. Bei den Sitzungen der Q- Gruppen traten Widerstände gegen sehr konkrete Standards (z.b. 70 Prozent der Schüler zeigen ein bestimmtes Verhalten ) auf und es wurde die Meinung vertreten, dass in manchen Bereichen Intuition (z.b. ob in einer Klasse eine hilfsbereite Atmosphäre herrsche) ausreichend sei. Eine quantitative
Ausrichtung mit Standards wird im Leitfaden zur Selbstevaluation (Landesinstitut für Schulentwicklung, 2007) gefordert. Dieser Aspekt wird in Abschnitt 6 diskutiert. 5 Gestaltungsvorschläge für die Kollegiale Hospitation Durch vorbeugende Maßnahmen sowohl auf schulischer als auch auf schuladministrativer Ebene kann den Schwierigkeiten bei der Entwicklung konkreter Indikatoren begegnet werden. Einige sollen hier zur Diskussion gestellt werden. Ein Kollegium sollte sich, v.a. zu Projektbeginn, ausreichend Zeit nehmen, um die ausgewählten Themen ( Konstrukte ) zu hinterfragen ( was heißt für uns Hilfsbereitschaft? ), welche die Grundlage für die Ableitung der Indikatoren darstellen. Außerdem sollte man sich für die ersten Beobachtungen auf eine geringe Anzahl von Indikatoren beschränken, um sich in der Beobachtung zunächst zu üben. Hilfreich für das Finden konkreter Indikatoren können Formulierungen wie Anzahl von... und Häufigkeit von... sein, womit die Ausrichtung auf quantifizierbare Standards unterstützt wird. Möchte man die Ergebnisse sehr genau quantifizieren (z.b. Erfassung eines prozentualen Schüleranteils), kann der Einsatz von Videoaufnahmen hilfreich sein, da für eine detaillierte Erfassung allen Schülerverhaltens ein einziger Beobachter nur unter sehr günstigen Bedingungen (z.b. geringe Klassengröße) zu sehr guten Ergebnissen führen kann. Zudem kann die videogestützte Betrachtung des eigenen Unterrichts zu neuen Eindrücken bei der unterrichtenden Lehrperson und auch zu sehr intensiven Gesprächen im Kollegium führen. Um Veränderungsprozesse, wie z.b. eine verbesserte Hilfsbereitschaft in der Klasse, erkennen zu können, sollte man die Indikatoren über mehrere Hospitationsrunden hinweg wiederholt verwenden. Auch kleine Erfolge können wertgeschätzt und Frustrationen wird entgegengewirkt, wenn die anfängliche Dokumentation der Ziele herangezogen und damit an den Anfangszustand erinnert wird. Die Schuladministration bietet allen Schulen die Möglichkeit, zur Unterstützung des anfänglichen Evaluationsprozesses einen Fachberater für Schulentwicklung heranzuziehen. Ein solches Angebot beinhaltet, dass ein schulfremder Evaluationsexperte das Kollegium einerseits in einem dem Projekt vorgeschalteten Workshop schult und es andererseits in zeitlichen Abständen auf seinem Weg zum eigenständigen Arbeiten begleitet. Diese Begleitung stellt eine anspruchsvolle und vielseitige Tätigkeit dar. Mit ihr ist nicht nur die vorbildhafte Moderation der Pädagogischen Konferenzen sowie die Hilfestellung bei der zeitlichen Strukturierung der Projektarbeit gemeint, sondern auch die Unterstützung bei inhaltlichen Fragen (z.b. Festlegung konkreter Indikatoren) und nicht zuletzt die Funktion als Ansprechperson verschiedenster projektbezogener Anliegen (bzgl. Teamkonflikten etc.). Auch für die Schulleitungen selbst ist die Evaluationsarbeit teilweise Neuland, sodass hier zwar weniger methodische, aber vielmehr inhaltliche Unterstützung in Form von Schulungen notwendig erscheint. 6 Diskussion der Methode im Kontext der Selbstevaluation Ausgangspunkt der Begleitstudie war die Frage, inwiefern Kollegiale Hospitation im Rahmen der Selbstevaluation eingesetzt werden sollte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lehrkräfte auf verschiedenen Ebenen (Individuum, Schule, Unterricht und Kollegium) viele positive Auswirkungen durch Projektarbeit feststellen konnten. Durch die intensiven Diskussionen über Schulqualität in den verschiedenen Arbeitsgruppen wurde ein Prozess der Professionalisierung der Lehrkräfte initiiert. Ferner ist seit längerem bekannt, dass verstärktes Miteinander und soziale Unterstützung, wie sie auch in diesem Kollegium vermehrt wahrgenommen wurden, als Stresspuffer zur Erhaltung der Gesundheit beitragen können. Die Stärke der Kollegialen Hospitation liegt insbesondere in der Anregung zur Kommunikation und für schulische Veränderungsprozesse. Die Methode stößt dort an ihre Grenzen, wo es um die Quantifizierung der reichhaltigen Eindrücke mit vertretbarem Einsatz bei der Datenerfassung geht. Bei der standardisierten Erfassung von Indikatoren im Sinne der Mindestanforderungen des Ministeriums (z.b. x Prozent der beobachteten Personen sollten ein bestimmtes Verhalten zeigen, vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport & Landesinstitut für Schulentwicklung, 2005, S. 8) wurden diese Schwierigkeiten deutlich. Mit bloßem Auge und ohne Videoaufnahme ist die Erfassung eines prozentualen Anteils von Schülerverhalten, im Vergleich zu Schülererleistungen (z.b. vervollständigte Arbeitsblätter, Noten) und Schülermeinungen
(z.b. Zufriedenheit mit Unterrichtsmethoden) kaum möglich. Damit steht die Methode teilweise in Konflikt mit der Orientierung an standardisierbaren und quantifizierbaren Standards, die mit der Evaluation politisch angestrebt wird. Die Messung von harten Daten gelingt mit anderen Evaluationsmethoden wie beispielsweise dem Fragebogen effizienter und genauer. Geht es aber um die Schulung einer verbesserten Wahrnehmung von Schulqualität, den kollegialen Austausch darüber und die gemeinsame Entwicklung von neuen Prozessen, stellt die Kollegiale Hospitation eine geeignete Methode dar, die außerdem den kollegialen Kommunikationsprozess systematisiert. Allerdings müssen Abstriche bzgl. der Genauigkeit der Messung in Kauf genommen bzw. auf Videoaufnahmen zurückgegriffen werden. Erfahrungen zeigen, dass der Einsatz von Videoaufnahmen bei Lehrkräften zu Beginn zwar mit großen Hemmungen verbunden ist, dann aber als hilfreiche Unterstützung erlebt wird. Wir empfehlen Schulen, sich zu Beginn der Selbstevaluation genau zu überlegen, welches Ziel verfolgt werden soll und welche Methode dafür am besten eignet. Selbstverständlich erscheint eine Kombination von Methoden wie Fragebögen und Kollegialer Hospitation auf den ersten Blick sinnvoll, um die jeweiligen Vorteile zu kombinieren. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch durch den hierzu notwendigen zeitlichen Aufwand für das Kollegium bei gleichzeitig fehlender Erfahrung an der Schule im Umgang mit systematischen Befragungen (z.b. effiziente Auswertungen). Auch hier erscheint ein Unterstützungssystem für die Schulen notwendig, um zeitliche Überforderungen und Evaluationsunlust zu vermeiden (vgl. Krause, Schüpbach, Ulich & Wülser, 2007). Literatur Ebert, U. & Wilhelm, P. (2006). Einstieg in die systematische Qualitätsentwicklung. Karlsruhe. Zugriff am 22. Februar 2006 unter http://www.oberschulamtkarlsruhe.de/vis/beratung/qualitaet.htm Berliner, T., Hertweck, F., Poss, S. & Wilhelm, P. (2008). QUS Qualitätsentwicklung in Unterricht und Schule. Zugriff am 17. Januar 2008 unter http://www.qus-net.de Kalbacher, A.-K. (2006). Kollegiale Hospitation im Kontext der Selbstevaluation an Schulen. Formative Evaluation eines Schulentwicklungsprojekts. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Universität Freiburg. Kohnke, O. (2002). Effektivität von Zielvereinbarungen mit teilautonomen Gruppen. Ergebnisse einer experimentellen Studie in einem Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. München: Hampp. Krause, A., Schüpbach, H., Ulich, E. & Wülser, M. (2007). Arbeitsort Schule. Arbeits- und organisationspsychologische Perspektiven. Wiesbaden: Gabler. Landesinstitut für Schulentwicklung (Hrsg.) (2007). Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. Leitfaden zur Selbstevaluation an Schulen. Stuttgart: Landesinstitut für Schulentwicklung. Locke, E. A. & Latham, G. P. (1990). A Theory of Goal Setting and Task Performance. Englewood Cliffs: Prentice Hall. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport & Landesinstitut für Schulentwicklung (2005). Leitfaden zur Selbstevaluation an Schulen. Materialien für allgemein bildende Schulen in Baden- Württemberg. Weilheim/Teck: Bräuer. Dipl. Psych. Anna-Kristin Kalbacher Schulpsychologische Beratungsstelle Sautierstraße 30 79104 Freiburg e-mail: Anna-Kristin.Kalbacher@lkbh.de