Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2013/14 Prof. Dr. phil. habil.

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Transkript:

Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2013/14 Prof. Dr. phil. habil. Udo Thiedeke 1) Neue mediale Kommunikation 2) Virtualisierung als mediales Phänomen 3) Zusammenfassung

1) Neue mediale Kommunikation Folie 1 Wir hatten gesehen, dass es mit der Soziologie und den Medien nicht so einfach ist. Will man statt einer an massenmedialer Kommunikation ausgerichteten Mediensoziologie eine Soziologie der Medien betreiben, die fragt, wie Sozialität durch mediale Kommunikation möglich ist, dann muss man konkrete Veränderungen der Kommunikation der Gesellschaft beobachten.

1) Neue mediale Kommunikation Folie 2 In den letzten Dekaden fällt auf, dass die Diskussion über die mediale Kommunikation von Wirklichkeit zu einem gesellschaftlichen und damit zu einem alltäglichen Thema geworden ist.

1) Neue mediale Kommunikation Folie 3 Nicht erst aus Perspektive des Konstruktivismus, der davon ausgeht, dass wir nur abhängig von unseren Beobachtungsmöglichkeiten Wirklichkeit konstruieren, aber keinen unmittelbaren Zugang zu,der Wirklichkeit haben, fällt mit dem Medienphilosophen Villém Flusser gesprochen auf, dass uns mehr und mehr bewusst wird, dass wir es zumindest medial nicht mit einer Welt der Daten (des Gegebenen), sondern mit einer Welt der Fakten (des Gemachten) zu tun haben.

1) Neue mediale Kommunikation Folie 4 Unser Eindruck davon, was die Wirklichkeit der Welt da draußen sein soll, hängt demzufolge in hohem Maße vom Blickwinkel und den Vermittlungsmöglichkeiten von Kommunikationsmedien ab.

1) Neue mediale Kommunikation Folie 5 Man muss sich dabei bewusst werden, dass das nicht nur für das gilt, was die Massenmedien drucken oder senden, d.h. für uns auswählen, dramatisieren und inszenieren. Es gilt auch für Medien wie die Sprache oder die (Hand )Schrift, in denen wir auch nur das kommunizieren, was gesagt und geschrieben werden kann. Besonders aber scheint es für die sog. neuen Medien, wie Computer und Internet zu gelten.

1) Neue mediale Kommunikation Folie 6 Die neuen Medien können noch weniger als andere Medien als bloße Übertragungskanäle betrachtet werden. Aufgrund ihrer Computerbasierung zerlegen sie (heute durch Digitalisierung) alle Wirklichkeitsbeobachtungen in berechenbare Einheiten und erzeugen die Wirklichkeitsbeschreibungen als computierbare, d.h. durch Berechnungen (mittels der Algorithmen der Programme) manipulierbare Konstruktionen, die nach Belieben gestaltet und verändert werden können.

1) Neue mediale Kommunikation Folie 7 Kennzeichen der neuen medialen Kommunikation ist also nicht mehr nur die Möglichkeit Gedanken präzise zu kommunizieren, wie etwa mit Sprache und (Hand )Schrift oder Wirklichkeitsbeobachtungen massenhaft und gleichförmig an viele Unbekannte zu kommunizieren, wie mit den Massenmedien. Mit den neuen Medien wird die kommunizierbare Wirklichkeit erkennbar zum Gestaltungsmaterial, die Sicht der Welt wird zu einer Frage des Designs.

1) Neue mediale Kommunikation Folie 8 Diese Erweiterung von Orientierungs und Handlungsmöglichkeiten ins Potenzielle, die wir selbst verändern können, wird auch als Virtualisierung oder Vermöglichung bezeichnet. Deshalb wollen wir als konkretes Problem dieser Einführung in die Mediensoziologie die Beobachtung der Virtualisierung infolge der Kommunikation mit neuen Medien zu Grunde legen.

2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 9 Irrtümer zur Virtualisierung und Virtualität: 1) Virtualität ist ein neues Phänomen. Das der Möglichkeit nach vorhandene, so dürfen wir annehmen, begleitet den Menschen zumindest, seit er bewusst sich selbst, seine sozialen Beziehungen und seine Umwelt unterscheiden kann. Über das gerade aktuell Gegebene hinaus, erscheint immer etwas, das auch möglich wäre, das man vielleicht haben möchte oder von dem man nicht will, dass es eintritt und was man mit anderen kommunizieren kann.

2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 10 Irrtümer zur Virtualisierung und Virtualität: 2) Virtualität wird durch Computer und Internet erzeugt Entfaltete Virtualität, z.b. das Imaginieren, Darstellen oder gar künstlerische Verfertigen und Aufbauen virtueller Welten, bleibt nicht der Computertechnik mit ihren Visualisierungen und Steuerungsmöglichkeiten vorbehalten. Virtuelle Welten begegnen uns bereits in Mythen und Erzählungen, aber auch in Werken der Kunst und der Architektur.

2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 11 Irrtümer zur Virtualisierung und Virtualität: 3) Virtualität ist die perfekte Simulation einer irrealen oder Pseudowirklichkeit Wäre es tatsächlich möglich, mit Virtualisierungstechniken eine künstliche Wirklichkeit als vollständige Simulation zu erzeugen, so wäre kein Unterschied zwischen einem Leben in dieser simulierten Wirklichkeit im Vergleich zu derjenigen festzustellen, in der wir alltäglich leben. Insofern wäre eine solche Wirklichkeitssimulation für uns, im Innern dieser Simulation Befindlichen, real und nicht irreal oder pseudoreal und somit ununterscheidbar.

2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 12 Wir halten also fest: Virtualisierung erzeugt eine eigene, entgrenzte Realitätserwartung. Das Gegenteil von virtuell ist daher nicht real, sondern aktuell gegeben oder kurz: aktuell.

2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 13 Medial an der Virtualisierung ist dabei zunächst die Vermittlung der Vermöglichung. Indem man z.b. gestikulieren, sprechen und schreiben kann, kann man aus sich heraustreten und seine Gedankenwelt den anderen als neue Möglichkeit der Weltsicht vermitteln.

2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 14 Bei massenmedialer Kommunikation wird noch weitergehend eine Weltsicht entfernter, vorher nicht zugänglicher Welten konstruiert und z.b. als Inszenierungen oder Imaginationen öffentlich gemacht.

2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 15 Mit den neuen Medien kann Virtualisierung jetzt zielgerichtet gesteuert werden, indem diese Medien ein Interface, eine Wirklichkeitsschnittstelle erzeugen, mit der alle Teilnehmer der medialen Kommunikation individuell interagieren können. Vermöglichung wird hier zum Alltagsphänomen bewusster Wirklichkeitsmanipulation und so zum gesellschaftlichen Thema.

3) Zusammenfassung Folie 16 Zusammenfassung - In den letzten Dekaden ist die Diskussion der medialen Kommunikation von Wirklichkeit zu einem gesellschaftlichen und damit zu einem alltäglichen Thema geworden. Unser Eindruck davon, was die Wirklichkeit sein soll, hängt offenkundig in hohem Maße von den Vermittlungsmöglichkeiten von Kommunikationsmedien ab. Besonders mit den computerbasierten neuen Medien wird die kommunizierbare Wirklichkeit erkennbar zum Gestaltungsmaterial; die Sicht der Welt wird zu einer Frage des Designs. Damit stellt sich das Problem der Virtualisierung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Virtualisierung meint einen Zustand von Erwartungen der Vermöglichung von Wirklichkeit. Hier werden Erwartungen möglich, dass die aktuell gegebenen Begrenzungen der Wirklichkeit durch eigene Eingriffe ins faktisch Mögliche entgrenzt werden Der Virtualisierung liegen dabei medial individuelle Gestaltungsmöglichkeiten von Wirklichkeitsbeschreibungen zu Grunde, deren Erzeugung und Kommunikation durch Computer und I Net begünstigt werden.