50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Leipzig. Arbeitsgruppentitel: Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung:

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Transkript:

50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie 18.-22.09.2016 in Leipzig Arbeitsgruppentitel: Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung: Wissenschaftliche und praktische Erfahrungen in der Erfassung, Prävention und Intervention psychischer Belastung Sandra Wolf 1, Ina Zwingmann 2, & Jochen Prümper 3 1 Innsicht GbR, 2 Technische Universität Dresden 3 Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Im Oktober 2013 führte der Gesetzgeber mit der Erweiterung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG 5) die Beurteilung psychischer Belastung am Arbeitsplatz explizit ein. Die Veränderungen im Arbeitsschutzgesetz bilden den Grundstein für einen umfassenden betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz, der neue Möglichkeiten für die Gestaltung von humaner Arbeit insbesondere durch Psychologen*innen eröffnet. Aufgrund der Aktualität und Komplexität der Thematik existieren allerdings kaum Handlungshilfen, die Musterprozesse zur Erfassung, Beurteilung und Prävention psychosozialer Risiken in der Arbeitswelt skizzieren. Des Weiteren strömen aktuell viele Anbieter auf dieses Gebiet, die weder die nötigen Standards (z.b. Gütekriterien) und Methoden anwenden, noch die gesetzlichen Mindestanforderungen einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung berücksichtigen. Die Arbeitspsychologie über eine Vielzahl von fundierten Konzepten und Methoden zum Abbau und zur Prävention dysfunktionaler psychischer Belastung, wenngleich diese in der betrieblichen Praxis häufig zu wenig bekannt sind bzw. nicht genutzt werden. Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es, die gewonnenen wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnisse in der Erfassung, Prävention und Intervention psychischer Belastung zu elaborieren um einen umfassenden empirisch elaborierten Überblick über die Verfahren, Methoden und Interventionsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Beiträge unsere Arbeitsgruppe zeichnen sich durch eine hohe methodische Vielfalt sowie eine hohe Diversität von Experten*innen aus Wissenschaft, Forschungsinstituten und Praxis aus. Unsere Arbeitsgruppe liefert neuste Erkenntnisse bezogen auf das theoretische Feld der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung in Verbindung mit einer praktischen Darstellung von Handlungsanweisungen. Die Vortragsreihe endet mit einer kritischen Aufarbeitung und Zusammenführung der einzelnen Beiträge durch einen führenden Wissenschaftler in der Arbeitspsychologie, Prof. Dr. Prümper, sowie einer moderierten Podiumsdiskussion der renommierten Wissenschaftler*innen und Praktikern. 1

Beiträge der Arbeitsgruppe Erfassung von Qualitätsmerkmalen entwickelter Instrumente zur Erfassung psychischer Belastung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Dr. Ulrike Pietrzyk (ulrike.pietrzyk@tu-dresden.de; Technische Universität Dresden) & M.Sc. A. Gröper (Technische Universität Dresden) Ableitung und Umsetzung von Gestaltungsmaßnahmen in der Pflege im Krankenhaus Dr. Nicole Stab (Stab.Nicole@baua.bund.de; Bundesministerium für Arbeit und Gesundheit) & Prof. Dr. Winfried Hacker (Technische Universität Dresden) Daten für Taten in KMUs: Psychische Gefährdungsbeurteilung als Einstieg in ein Betriebliches Gesundheitsmanagement. Prof. Dr. Heinrich Geissler (office@bf-geissler.com; Universität Potsdam) Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung neue Entwicklungen in der betrieblichen Praxis und der Beratung und Überwachung Dipl. Psych. Roland Portuné (roland.portune@bgrci.de; Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie) Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung: Im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Anwendung Dr. Hiltraut Paridon (Hiltraut.Paridon@dguv.de; Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) Diskutant: Prof. Dr. Jochen Prümper (Hochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin) Moderierte Podiumsdiskussion: Prof. Dr. Eva Bamberg, Prof. Dr. Heinrich Geissler (Uni Potsdam), Dr. Hiltraut Paridon (DGUV), Dipl. Psych. Roland Portuné (BG RCI), Prof. Dr. Jochen Prümper (HTW Berlin), 2

Erfassung von Qualitätsmerkmalen entwickelter Instrumente zur Erfassung psychischer Belastung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Dr. Ulrike Pietrzyk & M.Sc. A. Gröper (Technische Universität Dresden) Vor dem Hintergrund der Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes, das die Erfassung psychischer Belastung in der Gefährdungsbeurteilung vorsieht, wurden im Rahmen der INQA- Initiative und dem Projekt ZusammenWachsen-ArbeitGestalten in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik drei Instrumente mit dem Schwerpunkt der Ermittlung psychischer Belastungen entwickelt und evaluiert. Mit dem Einsatz der Verfahren erfolgt eine bedingungsbezogene Analyse und Bewertung der Arbeitstätigkeitsmerkmale. Sie sind in Anlehnung an die GDA-Leitlinie entwickelt, normativ verankert (DIN EN 10075 1-3, DIN EN ISO 6385, DIN EN ISO 9241-2), gestaltungsbezogen konzipiert und ermöglichen ein erfahrungsgeleitetes und partizipatives Vorgehen. Im Beitrag werden die drei miteinander kombinierbaren Instrumente mit unterschiedlichen methodischen Zugängen vorgestellt. An der schrittweisen Konstruktion der Instrumente nahmen insgesamt 15 Filialen eines Handelsunternehmens teil. Die Datenbasis für die Entwicklung des Begehungsinstrumentes liefern 134 verschiedene Arbeitsplätze. Im Rahmen der Entwicklung des Befragungsinstrumentes nahmen 831 Beschäftigte teil. Zur Konzipierung des partizipativen Ansatzes, auf Basis eines im Vorfeld eingesetzten Kurzfragebogens (Anforderungsbarometers), wurden 34 Gesundheits- und Ideenzirkel durchgeführt. Die Qualität des Verfahrens kann bisher anhand ausgewählter Kriterien beschrieben werden. Aspekte der Verfahrensobjektivität sind beim Einsatz der Verfahren dadurch gesichert, dass die Erfassung und Auswertung der Untersuchungsdaten standardisiert und urteilerunabhängig erfolgt. Aussagen zur Reliabilität sind bislang bezogen auf Berechnungen der internen Konsistenz und der Inter-Rater-Reliabilität möglich. Kennwerte zur Validität wurden mittels Extremgruppenvergleiche sowie Korrelationsanalysen von Arbeitstätigkeitsmerkmalen und Gesundheitsvariablen bestimmt. Expertenurteile bezüglich der Vollständigkeit, Redundanz und Verständlichkeit der Items gestatten Aussagen zur Inhaltsvalidität. 3

Ableitung und Umsetzung von Gestaltungsmaßnahmen in der Pflege im Krankenhaus Dr. Nicole Stab 1 & Prof. Dr. Winfried Hacker 2 ( 1 Bundesministerium für Arbeit und Gesundheit, 2 Technische Universität Dresden) Dem seit Jahren bestehenden kontinuierlichen Abbau zahlreicher Pflegestellen in deutschen Krankenhäusern steht ein ständig steigender Pflege- und Betreuungsbedarf der heutigen Gesellschaft gegenüber. Die Folge ist eine steigende Arbeitsbelastung für das Pflegepersonal. Zahlreiche Befunde in der Literatur weisen darauf hin, dass Fehlbeanspruchungsfolgen der Pflegenden vor allem auf arbeitsorganisatorische Aspekte zurückzuführen sind. Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit ist die Ermittlung arbeitsorganisatorischer und -inhaltsbezogener Merkmale, die Fehlbeanspruchungen Pflegender maßgeblich beeinflussen sowie die Ableitung von Gestaltungsmaßnahmen und deren Umsetzung. 45 Pflegestationen und zwei OP-Bereiche sowie ein Anästhesie-Bereich mit insgesamt 1.317 Mitarbeitern eines Klinikums wurden begleitet, um nach der Rückmeldung der Ergebnisse der Analysen erste Veränderungsmöglichkeiten ableiten und einführen zu können. Das einbezogene Klinikum ist ein Krankenhaus der Maximalversorgung mit 1.457 Betten. Die Befähigung zur selbstständigen Weiterbearbeitung der organisatorischen Prozesse auf den Stationen war in Abhängigkeit von der Schwere der Maßnahmen in unterschiedlichem Tempo möglich. 23 Stationen arbeiteten eigenständig an der Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen. Bei 22 Stationen und zwei OP- sowie einem Anästhesie-Bereich war eine Begleitung über eine erste Maßnahmenableitung hinaus erforderlich, um den Prozess der Umsetzung der Veränderungsmaßnahmen intensiver unterstützen zu können. Im Mittel leitete jeder Pflegebereich vier Maßnahmen bzw. Maßnahmenpakete ab, an dessen Umsetzung gearbeitet wurde. Von den insgesamt 99 abgeleiteten Maßnahmen waren 11 Maßnahmen nicht vom Stationsteam allein bearbeitbar. Diese wurden in Zusammenarbeit mit der Pflegedirektion und der jeweiligen Berufsgruppe weiterbearbeitet. Insgesamt konnten 54 Maßnahmen vollständig umgesetzt werden, 41 Maßnahmen sind noch in Bearbeitung, vier Maßnahmen sind gescheitert und wurden nicht weiter bearbeitet. 4

Daten für Taten in KMUs: Psychische Gefährdungsbeurteilung als Einstieg in ein Betriebliches Gesundheitsmanagement. Prof. Dr. Heinrich Geissler (Universität Potsdam) In einem Dienstleistungsunternehmen mit 60 Mitarbeiter*innen soll ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) aufgebaut werden. Als Einstieg und eine Grundlage für das BGM wurde eine psychische Gefährdungsbeurteilung im Rahmen eines Arbeitsbewältigungs-Coachings durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurden die psychischen Belastungen bzw. Ressourcen mit dem Kurzfragebogen zur Arbeitsanalyse (KFZA) in der Impulsfassung und des Arbeitsbewältigungs-Index (ABI) im Rahmen eines Arbeitsbewältigungs-Coachings erhoben. Der KFZA sowie der durchschnittliche Arbeitsbewältigungsindex wurden auf Abteilungsebene für die Mitarbeiter*innen und auf Unternehmensebene für die Führungskräfte ausgewertet. Daraufhin wurden die Ergebnisse anhand qualitativer Gesprächsergebnisse in Abteilungsworkshops auf Mitarbeiter*innen-Ebene und in einem Workshop der Führungskräfte erweitert. Die Erhebungsphase dauerte von Anfang Dezember 2015 bis Anfang Februar 2016. Die statistische Auswertung, die Workshops und die Rückmeldung an die Geschäftsführung finden im Februar 2016 und werden in dem Beitrag gemeinsam diskutiert. 5

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung- Anforderungen und neue Entwicklungen Dipl. Psych. Roland Portuné (roland.portune@bgrci.de; Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie) Im Themenfeld der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung besteht ein deutliches Spannungsfeld zwischen Forschung und Praxis. Von neuen Entwicklungen in der Forschung spricht man eher, wenn die Erkenntnisbasis verfeinert und stärker differenziert wird, was in der Regel mit Komplexitätserhöhung verbunden ist. Dagegen spricht man in der Praxis eher von einem Neuwert, wenn es gelungen ist, komplexe psychologische Expertise zu reduzieren und mit niedrigschwelligen Verfahren in der Praxis zu etablieren. Psychologische Erkenntnisse müssen sich hier stets messen lassen an der Frage, inwieweit diese motivations- und problemlöseorientiert einsetzbar sind und die Organisationsentwicklung konstruktiv unterstützen können. Dieser Herausforderung stellen sich Psychologinnen und Psychologen, die die Vorgaben für die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung erarbeiten (in der GDA und in den psychologischen Fachabteilungen der Unfallversicherungsträger). Im Bereich der Beratung und Überwachung tragen nichtpsychologische Aufsichtspersonen mit technischem bzw. naturwissenschaftlichem Hintergrund die Hauptlast. Dadurch hat die Qualifizierung dieser Personengruppe durch Psychologinnen und Psychologen eine besondere Bedeutung gewonnen. In diesem Beitrag soll eine Übersicht gegeben werden: Welche Vorgaben an Verfahren und Vorgehensweisen im Rahmen der GDA Psyche entwickelt wurden und welche Verfahren diesen entsprechen, also GDA-spezifisch angepasst und eingesetzt werden. Welche Erfahrungen damit gemacht, welche Verbesserungspotentiale erkannt wurden (Beurteilung der Gefährdung, Ableitung von Maßnahmen, Methodik der Wirksamkeitskontrolle, Mindestanforderungen an die Akteure und erforderliche Prozessqualität im Gesamtzyklus der Gefährdungsbeurteilung). Welche curricularen und didaktischen Konzepte für die Qualifizierung der Aufsichtspersonen entwickelt und welche Erfahrungen dabei gewonnen wurden. 6

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung: Im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Anwendung Dr. Hiltraut Paridon (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) In den letzten Jahren wurden zahlreiche Verfahren für die Erfassung der psychischen Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung entwickelt. Hochschulen, Unfallversicherungsträger und weitere Institutionen haben hierzu beigetragen. So ist ein großes Angebot entstanden, dass jedoch für Unternehmen oft unübersichtlich ist, so dass die Entscheidung für ein Verfahren schwer fällt. Betrachtet man die Verfahren von stärker wissenschaftlich tätigen Personengruppen mit denjenigen eher in den Unternehmen tätigen Personen, so fällt auf, dass sie sich vor allem in zwei Qualitätskriterien zu unterscheiden scheinen: zum einen die Analysetiefe und zum anderen die Hauptgütekriterien bzw. deren Überprüfung. Während an Hochschulen eher Expertenverfahren entwickelt werden, entwickeln praktisch tätige Arbeitsschützer und Arbeitsschützerinnen eher orientierende Verfahren sowie qualitative Vorgehensweisen (Workshops). Die orientierenden und qualitativen Verfahren werden von den Unternehmen vor allem KMU häufig als praktikabler angesehen. Allerdings sind diese von Praktikern entwickelten Verfahren häufig nicht auf ihre Gütekriterien hin geprüft bzw. ist eine entsprechende Überprüfung bei qualitativen Verfahren nicht möglich. So entsteht das Dilemma, dass es auf der einen Seite wissenschaftlich geprüfte, jedoch eher zu aufwändige Verfahren gibt und auf der anderen Seite praktikable, aber nicht wissenschaftlich geprüfte Verfahren. Dieses Spannungsfeld soll dargestellt und mögliche Lösungsansätze diskutiert werden. 7