Die Kosten der Unterversorgung mit Arzneimitteln in Deutschland

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Transkript:

Die Kosten der Unterversorgung mit Arzneimitteln in Deutschland Prof. Dr. Dr. R. Rychlik 19. Februar 2008 Die teilweise oder gänzliche Verweigerung einer Versorgung trotz individuellen, professionell, wissenschaftlich und gesellschaftlich anerkannten Bedarfs, obwohl an sich Leistungen mit hinreichend gesichertem Netto-Nutzen und bei medizinisch gleichwertigen Leistungsalternativen in effizienter Form, also i.e.s. wirtschaftlich, zur Verfügung stehen, ist eine Unterversorgung Quelle: Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit - Band III: Über-, Unter- und Fehlversorgung. Jahresgutachten 2000/2001. Bonn 1

Demenz Depression Hepatitis C Hypertonie Migräne Osteoporose Schilddrüsenkarzinom Schizophrenie Tumorschmerz Rheumatoide Arthritis Die Arzneimittelabsatzzahlen wurden der NVI- (NationalenVerordnungsInformation)-Datenbank der INSIGHT Health GmbH (Waldems-Esch), im Folgenden als Insight-Datenbank bezeichnet, entnommen. Die Insight- Datenbank erfasst die über die Apothekenrechenzentren abgerechneten GKV-Verordnungen (Abdeckung 99,8 %) auf monatlicher Basis. Quelle: INSIGHT Health, Datenbank NVI (NationaleVerordnungsInformation), INSIGHT Health GmbH Co. KG, Waldems-Esch; URL: http://insight-health.de/de/public/pdfs/nvi.pdf 2

Darstellung der abschließenden Bewertung zur Versorgungslage ausgewählter Indikationen in Deutschland Indikation Bewertung der leitliniengerechten Versorgung Chronischer Tumorschmerz Demenz Depression Hepatitis C Hypertonie Migräne Osteoporose Rheumatoide Arthritis Schilddrüsenkarzinom Schizophrenie 21 % Unterversorgung 74 % Unterversorgung mit Antidementiva 46 % Unterversorgung 91 % Unterversorgung 11 % - 31 % Unterversorgung 38 % Unterversorgung mit Triptanen 51 % Unterversorgung bei manifester Osteoporose 69 % Unterversorgung 8 9 % Versorgung mit rh-tsh 16 % Unterversorgung mit atypischen Neuroleptika Erkrankungen werden nur unzureichend diagnostiziert, mangelnde Kenntnis der Ärzte von Leitlinien, Fachärztemangel bei spezifischen Erkrankungen (Rheumatologen), mangelnde Therapietreue der Patienten, Arzneimittelbudgets/-richtgrößen, Therapierichtlinien und Regresssituationen wirken sich restriktiv auf das Verschreibungs- bzw. Anwendungsverhalten aus. 3

Depression Hepatitis C Osteoporose Rheumatoide Arthritis Schizophrenie 1. Wie hoch sind die entstehenden Gesamtkosten der Unterversorgung in den ausgewählten Indikationen für Deutschland? 2. Welches sind die Hauptkostenfaktoren der Unterversorgung in der jeweiligen Indikation? 3. In welchen Sektoren bzw. bei welchen Kostenträgern entstehen diese Kosten? 4. In welcher Relation stehen die Kosten der Unterversorgung zu den Kosten der jeweiligen leitliniengerechten Arzneimitteltherapie? 4

Indikation Depression Kosten Direkte Kosten 6,2 Mrd. /Jahr Hepatitis C -- Osteoporose Rheumatoide Arthritis Schizophrenie 2,76 Mrd. / 10 Jahre 1,5 Mrd. /Jahr 149,2 Mio. /Jahr Indikation Depression Kosten Indirekte Kosten 11,7 Mrd. /Jahr Hepatitis C -- Osteoporose Rheumatoide Arthritis Schizophrenie 832,8 Mio. / 10 Jahre 5,2 Mrd. /Jahr 490,8 Mio /Jahr 5

Indikation Depression Hepatitis C Kosten Gesamtkosten 17,9 Mrd. /Jahr 21,77 Mrd. / 20 Jahre Osteoporose Rheumatoide Arthritis Schizophrenie 3,59 Mrd. / 10 Jahre 6,8 Mrd. /Jahr 640 Mio /Jahr Kosten Intangible Effekte Indikation (Lebensqualität) Depression *** Hepatitis C ** Osteoporose *** Rheumatoide Arthritis ** bis *** Schizophrenie * *** starke Beeinträchtigung der Lebensqualität ** mäßige Beeinträchtigung der Lebensqualität * geringe Beeinträchtigung der Lebensqualität 6

Depression Hauptkostenfaktoren Depression krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitstage Erwerbsunfähigkeit (Frühberentung) Suizidversuche Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen aufgrund somatischer Beschwerden und Komorbiditäten 7

Krankenkasse Rentenversicherung Arbeitgeber Hepatitis C 8

Hauptkostenfaktoren Hepatitis C Fortschreiten der Erkrankung Leberzirrhosen Lebertransplantationen Ösophagusvarizen Arbeitsunfähigkeit Erwerbsunfähigkeit Krankenkasse Rentenversicherung Arbeitgeber 9

Osteoporose Hauptkostenfaktoren Osteoporose osteoporosebedingte Frakturen und deren Folgen Aufenthalte im Krankhaus Rehabilitationseinrichtungen anschließende Einweisung in Pflegeheime 10

Kranken- und Pflegekassen Rheumatoide Arthritis 11

Hauptkostenfaktoren rheumatoide Arthritis rasch voranschreitende Einschränkung der Funktionsfähigkeit Kosten durch Arbeitsunfähigkeit Krankenkasse Arbeitgeber 12

Schizophrenie Hauptkostenfaktoren Schizophrenie Kosten durch Arbeitsunfähigkeit vorzeitige Berentung 13

Krankenkasse Rentenversicherung Arbeitgeber Kosten ( ) Unterversorgung Leitliniengerechte Versorgung Depression 17,9 Mrd. / Jahr? Hepatitis C 21,77 Mrd. / 20 Jahre 21,94-23,06 Mrd. / 20 Jahre Osteoporose 3,59 Mrd. / 10 Jahr 2,49 Mrd. / 10 Jahre Rheumatoide Arthritis 6,8 Mrd. / Jahr 5,9 Mrd. / Jahr Schizophrenie 640 Mio. / Jahr 562 580 Mio. / Jahr 14