BEDÜRFNIS- UND MOTIVATIONSTHEORIEN

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Tutor: Liz Leutner 1 Termin: 26.10.2016 BEDÜRFNIS- UND MOTIVATIONSTHEORIEN Tutorium Persönlichkeitspsychologie I

2 Übersicht Bedürfnis- und Motivationstheorien Murray: needs und presses Maslow: Mangel- und Wachstumsbedürfnisse Rogers: Aktualisierungstendenz

Murray Bedürfnistheorie I 3 1. Zur Person: Henry Murray (*1893 in New York City; 1988 in Cambridge) Lehrte über 30 Jahre lang an der Havard University Die Veröffentlichung seiner Persönlichkeitstheorie war der Beginn der Erforschung der Leistungsmotivation Entwickelte den TAT (Thematischer Apperzeptionstest)

Murray Bedürfnistheorie I 4 2. Ausgangspunkt Murray orientierte sich am Grundgedanken der psychoanalytischen Theorie Freuds, entwickelte diese aber weiter Es Ich Über-Ich Ich-Ideal Sitz der Antriebe (Sexualität und Aggression aus der Theorie Freuds, sowie viele weitere) Zuständig für Planung und Durchführung von konkretem Verhalten (aktivere Rolle als bei Freud) Gesellschaftliche Werte und Normen (durch Eltern,Peer- Group, kulturelle Einflüsse, Literatur, ) Idealisiertes Bild der Persönlichkeit, enthält wichtige Ziele und ist Basis für langfristige Handlungspläne

Murray Bedürfnistheorie I 5 3. Bedürfnisse (needs) Organisch verankert ( regierende Kräfte ) Steuern Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und Verhaltensplanung mit dem Ziel, Bedürfnisspannungen zu reduzieren und angestrebte Ziele zu erreichen Viszerogene Bedürfnisse Sind angeboren und ermöglichen Verhaltensweisen, die für das Überleben und die Fortpflanzung unabdingbar sind (z.b. Sexualtrieb, Nahrungsaufnahme, Schlaf,..) Psychogene Bedürfnisse Entwickeln sich im Verlauf der Sozialisation (z.b. Bedürfnis nach Selbstdarstellung und Sinnhaftigkeit)

Murray Bedürfnistheorie I 6 3. Bedürfnisse (needs) Beispiele für Bedürfnisse: Bezeichnung Achievement (Leistung) Affiliation (sozialer Anschluss) Harmavoidance (Leidvermeidung) Dominance (Machtausübung) Order (Ordnung) Autonomy (Unabhängigkeit) Understanding (Einsicht) Verhaltensweisen und Eigenschaften ehrgeizig, fleißig, konkurrierend freundlich, gesellig, aufgeschlossen ängstlich, vorsichtig, zurückhaltend kraftvoll, durchsetzungsfähig, entschieden oganisiert, gründlich, reinlich unbeugsam, kompromisslos neugierig, intellektuell, logisch

Murray Bedürfnistheorie I 7 4. Verhaltesdruck (press) Einfluss der Situation, in der sich Person befindet Alle Einflüsse, die die Erfüllung von Bedürfnissen erleichtern oder erschweren Es besteht eine Interaktion zwischen need und press alpha-press beta-press Objektive Merkmale einer Situation, die die Bedürfnisbefriedigung ermöglichen oder verhindern Subjektive Wahrnehmung und Interpretation einer Situation durch die Person

Murray Bedürfnistheorie I 8 5. Ebenen der Interaktion von needs und presses Ebene des Themas Ebene des Serienthemas Ebene des Einheitsthemas Kurzfristige Subjekt-Objekt-Interaktionen Z.B.: Baulärm (press) verhindert, dass man gut lernen, wodurch sich das Leistungsmotiv nicht voll entfalten kann und das Prüfungsergebnis schlechter ausfällt Länger andauernde Subjekt-Objekt-Interaktionen Wiederkehrendes Thema, z.b.: Student lässt sich generell leicht durch Umweltreize ablenken und kann daher Leistungsmotiv nicht adäquat befriedigen Individuell charakteristische, die Lebensspanne überdauernde Subjekt-Objekt-Interaktionen Z.B.: Jemand ist seit seiner Kindheit leicht ablenkbar, Leistung ist das Leben lang schwer abrufbar

Murray Bedürfnistheorie I 9 6. Erfassung von needs und presses TAT (Thematischer Apperzeptionstest) Grundidee: Testperson projiziert eigene Persönlichkeit (Ansichten, Probleme, Stimmungen,..) in die Außenwelt bzw. in Testmaterial (= projektives Verfahren) Darbietung mehrdeutiger Bilder Person wird gefragt: Wie kam es zu der Szene? Was passiert im Moment? Wie geht es weiter? Was denken und fühlen die Akteure? Antworten werden durch den Testleiter interpretiert

Murray Bedürfnistheorie I 10 6. Erfassung von needs und presses Beispiele von Bildtafeln: Annahme: Beeinflussung der Bild-Interpretation durch die eigenen needs und presses

Murray Bedürfnistheorie I 11 6. Erfassung von needs und presses Kritik am TAT: Mangelnde Ökonomie Mangelnde Objektivität Mangelnde Reliabilität Mangelnde Validität Optimierung: McClelland et al (1953) erweiterten TAT um einen standardisierten Auswertungsschlüssel Semi-projektive Verfahren (Leistungs-Motiv-Gitter, Schmalt et al., 2000; Multi-Motiv-Gitter, Sokolowski et al., 2000)

Murray Bedürfnistheorie I 12 6. Erfassung von needs und presses Beispielaufgabe vom Multi-Motiv-Gitter: McClelland et al (1953) erweiterten TAT um einen standardisierten Auswertungsschlüssel Semi-projektive Verfahren (

Maslow Bedürfnistheorie II 13 1. Zur Person: Abraham Maslow (*1908 in New York City; 1970 in Kalifornien) Ablehnung psychodynamischer und lerntheoretischer Erklärungen vor Verhalten und Erleben Gründervater der Humanistischen Psychologie optimistisches Menschenbild Streben nach Sinnfindung und Selbstverwirklichung Selbstwirksamkeit/Selbststeuerung steht im Vordergrund, nicht unbewusste Triebsteuerung

Maslow Bedürfnistheorie II 14 2. Bedürfnispyramide: Hierarchische Ordnung von Bedürfnissen Bedürfnisse niedrigerer Stufen müssen erfüllt sein, damit höhere an Geltung gewinnen homöostatische Mangelbedürfnisse Heterostatisches Bedürfnis nach Selbstverwirklichung Individualbedürfnisse Selbstverwirklichung Soziale Bedürfnisse Sicherheitsbedürfnisse Physiologische Bedürfnisse

Maslow Bedürfnistheorie II 15 2. Bedürfnispyramide:

Maslow Bedürfnistheorie II 16 Kritik: 2. Bedürfnispyramide: Erst wenn untere Stufen erfüllt sind, kann man sich höherer zuwenden zu strenge Abfolge Aber: Anschauliches Modell, dass häufig in der (populären) Literatur genutzt wird

Rogers Bedürfnistheorie III 17 1. Zur Person: Carl Rogers (*1902 in Illinois; 1987 in Kalifornien) Psychologe und Psychotherapeut Vertreter der Humanistischen Psychologie Selbstverwirklichung als Leitmotiv Wichtige Leistung: Entwicklung der klientzentrierten Gesprächstherapie

Rogers Bedürfnistheorie III 18 Aktualisierungstendenz 2. Theorie: Individuelles Streben des Menschen nach Erhaltung und Weiterentwicklung seiner selbst ( Aktualisierung) Erhaltung = Befriedigung der Bedürfnisse Weiterentwicklung = Wachstum, Entfaltung der Fähigkeiten Aktualisierungstendenz befähigt zur Selbstverwirklichung Bildet das Motivationssystem

Rogers Bedürfnistheorie III 19 Regulationssystem 2. Theorie: Bewertung von Erfahrungen und Verhalten durch Gefühle Bei Erhaltung oder Weiterentwicklung positive Gefühle bei Verhinderung oder Gefährdung der Aktualisierung negative Gefühle Bestimmt, welche Erfahrungen gesucht und welche vermieden werden

Rogers Bedürfnistheorie III 20 Selbstkonzept 2. Theorie: Erfahrungen, die sich auf die eigene Person beziehen Subjektive Wahrnehmung der Person Bewertung durch andere Aktualisierung des Selbstkonzepts = Selbstaktualisierung Belohnungssysteme Positive Beachtung: basiert auf Erfahrung mit externen Belohnungsquellen (Bsp.:Lob, ) Positive Selbstachtung: basiert auf Erfahrungen mit verinnerlichten Belohnungsquellen (Bsp.: Freude, )

Rogers Bedürfnistheorie III 21 Verhaltensstörungen 2. Theorie: Inkongruenz/Diskrepanz zwischen den Bewertungssystemen des Selbstkonzeptes und übernommenen Wertungen Subzeption Diskrepanz zwischen Selbst und Erfahrung wird nur eingeschränkt wahrgenommen, so dass nur ins Bewusstsein gelangt, was vereinbar mit dem Selbstkonzept ist Ergebnis: Fehlangepasstes Verhalten, Angst

22 Rogers Bedürfnistheorie III

23 Bedürfnistheorien - Zusammenfassung Verhalten dient der Zielerreichung, die durch Art und Stärke zugrunde liegender Bedürfnisse bestimmt sind Murray: needs und presses Maslow: Mangel- und Wachstumsbedürfnisse Rogers: Aktualisierungstendenz Betonung subjektiver Erfahrung und situativer Bedingungen als wichtige Anregungen für spätere Theorien (z.b. Kognitive und Interaktions-Theorien)