ausgezeichnet mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz Februar 2014 Ein Beitrag der BÜRGER FÜR HEIDELBERG zur notwendigen Debatte Heidelberg ist eine Stadt mit hoher Lebensqualität, sehr hohen Mieten und bei Wohnraum einem starken Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in allen Preisklassen und für alle gesellschaftlichen Gruppen. Heidelberg ist auch eine Stadt der kurzen Wege zwischen Wohnung und Arbeit - allerdings nur für diejenigen, die in der Stadt wohnen und ihren Arbeitsplatz hier haben. Durch die Freigabe der bisherigen Kasernen und Gelände, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges von den US-Streitkräften genutzt und teilweise bebaut wurden, hat die Stadt die Jahrhundert-Chance, ihre hohe Lebensqualität weiter zu steigern, indem auf der Angebotsseite für Wohnraum erhebliche Verbesserungen verwirklicht werden. Bisher war die Heidelberger Kommunalpolitik geprägt von einem Mangel an Bauflächen und großzügigen Gebäuden und einer besonderen geographischen Enge durch die Begrenzungen von Fluss und Berge für die Stadtentwicklung. Historisch Gewachsenes und bestehende Freiflächen in den Stadtteilen gilt es zu bewahren. Eine Modernisierung der Stadt war unter diesen Bedingungen besonders schwierig, und die enorme Nachfrage nach Flächen für Wohnbebauung und Firmenansiedlungen war daher nie ausreichend zu befriedigen. Das Besondere an der Übernahme der bisherigen US-Flächen ist, dass Modernisierung, qualitätvolle moderne Architektur und neue Flächen für Wohnen und Arbeiten hier nicht in Konkurrenz zur Wahrung der Schönheit und der Historie Heidelbergs stehen. Selbstverständlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, die neuen Flächen für eine Wohnbebauung zu nutzen. Als BÜRGER FÜR HEIDELBERG haben wir uns für den Weg der urbanen Stadtentwicklung auf den US-Flächen entschieden, weil wir davon überzeugt sind, dass so eine soziale und ökologisch sinnvolle Politik zu verwirklichen ist. Urbane Stadtentwicklung soll nachhaltige Stadtentwicklung sein - ohne soziale Verwerfungen und gesellschaftlich bevorzugte bzw. benachteiligte Wohngebiete. Die BÜRGER FÜR HEIDELBERG stellen daher folgende 11 Punkte zur Diskussion: 1. Oberste Priorität der Kommunalpolitik ist die Erweiterung des Wohnungs-Angebots durch zusätzliche Bebauung der US-Flächen. Dabei ist besonders der bezahlbare - also der einkommensbezogene preisgünstige Wohnraum - planerisch und finanziell zu fördern. 1
Mindestens ein Drittel der Wohnungen (Bestand und Neubau zusammen) sollen bezahlbaren Wohnraum ergeben. Dabei sind Gruppen unterhalb des Durchschnittseinkommens zu beachten. Das gilt nicht nur für die Gesamtfläche, sondern ausdrücklich auch für die Gelände Mark-Twain-Village und Hospital als finanzielle Filetstücke, wo ein Anteil bezahlbarer Wohnraum von bis zu 40 % der Wohnungen (Bestand und Neubau) anzustreben ist. Die Aufteilung der bisherigen US-Flächen im Grundbuch soll kleinteilig erfolgen. Beim Verkauf der großen Wohngebäude, die nicht an gemeinnützige Wohnungsgesellschaften/Genossenschaften verkauft werden, soll vorrangig der Verkauf von einzelnen Wohnungen erfolgen - mit dem Ziel, neben den etablierten Heidelberger Baugenossenschaften und der GGH vor allem Familien, soziale Wohnprojekte, kleinere Baugruppen und Baugenossenschaften zu fördern. Damit soll die Abwanderung von Familien ins Umland gebremst werden, wie in der Wohnraumbedarfsanalyse Heidelberg 2030 dargelegt. Die beste Familienpolitik für Heidelberg ist die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. 2. Die Wohnraumbedarfsanalyse Heidelberg 2030 bildet die Grundlage für Art, Umfang und Nutzung der unbebauten Teile der ehemaligen US-Gebiete. Die Wohnraumbedarfsanalyse Heidelberg 2030 erfordert zusätzlich zu bauende 6.200 Wohnungen bis 2020 und zwar über den aktuellen Wohnungsbestand der US-Flächen und den geplanten Wohnungsbestand der Bahnstadt hinaus! Diese 6.200 nötigen Wohnungen zu bauen ist eine gewaltige Herausforderung für die Kommunalpolitik. Die zusätzlichen Flächen für 6.200 Wohnungen werden hauptsächlich auf den ehemaligen US-Flächen zu finden sein. 3. Nur mit einer breiten Bürgerbeteiligung lässt sich das Urbane Wohnen und Arbeiten auf den bisherigen US-Flächen realisieren. Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit werden sich wegen der Bebauung der Flächen, deren Planung und Finanzierung zusammensetzen bzw. auseinandersetzen und sich gegenseitig mit Verständnis und Engagement unterstützen müssen. Eine offene und kontroverse Debatte erhöht das Verantwortungsbewusstsein der Bürger für ihre Stadt und stärkt die Stadt bei den Verhandlungen mit Bund, BimA und Land. 4. Urbanes Wohnen bedeutet, Flächen effektiv nutzen. Gerade die dicht bebauten Stadtteile Neuenheim und Weststadt sind besonders beliebt. o Fast auf allen ehemaligen US-Flächen wurden weite Flächen für Parkplätze und ökologisch toten Rasen verschwendet: auf dem Hospital-Gelände, im Gebiet Campbell-Barracks und Mark-Twain- Village als auch im etwas außerhalb gelegenen Patrick- Henry-Village. o Bei den Campbell-Barracks können die Zweckbauten auf der Seite zur Wohnbebauung Holbeinring Platz für Neubauten machen. Im Patrick-Henry-Village gibt es zudem ein Überangebot an riesigen Sportplätzen speziell für US-Sportarten - und Parkplatz-Flächen. Diese Freiflächen sollten zu etwa Zweidrittel mit Wohnraum bebaut werden. o Im Mark-Twain-Village sollten die großen Parkplatz-Flächen beim Seitentor für Wohnbebauung freigegeben werden. Der Park bei der Generalsvilla ist natürlich beizubehalten. Und auch entlang der Römerstraße ist eine zusätzliche Wohnbebauung sinnvoll, um die Hufeisen der Wohngebäude, die ausgerechnet zur lauten Römerstraße hin offen sind, als Quadrate/Höfe abzuschließen (etwa nach dem Vorbild Atzelhof in Handschuhsheim). 2
5. Eine soziale Wohnraum-Politik ist nicht ohne diese Nutzung der Freiflächen möglich. Freiflächen, die nicht überbaut werden, sind ökologisch sinnvoll zu nutzen. Daher ist Kurzrasen soweit wie möglich in Gärten und Baumbepflanzung umzuwandeln. Sowohl auf dem Hospital-Gelände, im Mark-Twain-Village als auch im Patrick-Henry-Village sind Flächen für Kleingärten auszuweisen, und die Eigentümer sind in städtebaulichen Verträgen zur Gartenpflege zu verpflichten. Die ausgewiesenen Baum- und Gartenflächen sind für alle ehemaligen US-Flächen durch einen Bebauungsplan für die Zukunft zu schützen. 6. Patrick-Henry-Village als Gartenstadt ist für familiengerechtes Wohnen mit wohnverträglichem Handel und Gewerbe im Bereich des bestehenden Commissary-Gebäudes am Autobahneingang zu entwickeln. Zu fördern sind vor allem Mehrgenerationen-Häuser. Die Wohnraumbedarfsanalyse Heidelberg 2030 hat ergeben, dass es vor allem bei zwei Gesellschaftsgruppen einen verstärkten Wohnbedarf geben wird: bei Senioren und bei Menschen, die in den ersten Berufsjahren eine Familie gründen wollen und daher einen größeren Wohnbedarf haben. Gerade die letztgenannte Gruppe, die jungen Familien, ist bisher aus Heidelberg abgewandert. Daran ist vor allem das mangelnde Angebot an familiengerechtem Wohnraum schuld. Patrick-Henry-Village ist fast so groß wie die Altstadt und weist 1.517 Wohnungen auf (darunter ca. 60 Einzel- und Doppelhäuser für hohe US-Offiziere). In den bestehenden Wohnhäusern haben bis zu 8.000 Bewohner gelebt. Patrick-Henry-Village bietet durch seine weitläufigen unbebauten Flächen die größten Entwicklungschancen für zusätzlichen Wohnraum. Auf etwa Zweidritteln der Freiflächen ließe sich Wohnbebauung verwirklichen, womit der neue Stadtteil eine höhere Bewohnerzahl haben könnte als die Altstadt. Durch den geförderten Bau von Mehrgenerationen-Häusern könnte Heidelberg beispielhaft in Deutschland werden für eine vorausschauende Familienpolitik. Im Patrick-Henry-Village bieten die bestehenden Schul-, Einkaufs- und Freizeitgebäude, darunter ein kleines Konferenzzentrum, viele Anreize für weitere Infrastrukturmaßnahmen wie Kita, Grundschule, ein Stadtteilzentrum und weitere Einkaufsmöglichkeiten. Es ist zu prüfen, welche der derzeitigen Zweckbauten für die Infrastruktur nicht gebraucht werden und einer Wohnbebauung Platz machen könnten. Außerdem ist zu überlegen, ob das bestehende Konferenzzentrum in Patrick-Henry-Village für eine Bildungsfreizeit für Kinder, Jugendliche und Senioren genutzt werden könnte. Ein Drittel der derzeitig unbebauten Freiflächen (Parkplätze, Rasen und überschüssige Sportflächen) sollte durch Baumbepflanzung und Gärten für Bewohner ökologisch sinnvoll genutzt werden. Durch Bus-Anbindung (und später Straßenbahn) würde der Einzelhandel in Kirchheim profitieren. Die Anbindung an die Straßenbahnen in Kirchheim und Eppelheim ist das verkehrspolitische Ziel. Mit der Verkehrsplanung sollte bereits in diesem Jahr angefangen werden, denn ein familienfreundliches Angebot belebt hier die Nachfrage. Patrick-Henry kann als Gartenstadt mit Mehrgenerationen-Häusern ein attraktiver Stadtteil werden und viele Familien dazu bewegen, in Heidelberg zu bleiben. 7. Die BÜRGER FÜR HEIDELBERG schlagen Kleingärten und Urban Gardening auf den Freiflächen aller ehemaligen US-Gelände vor - auch im gewerblichen Bereich (Patton und Campbell) - wie es schon in vielen Städten existiert. Dazu regen sie ein Projekt Gartenwissen und Urbanes Wohnen an, bei dem es um dauerhafte Zusammenarbeit von Universität, städtischem Gartenamt, der staatlichen Lehranstalt für Gartenbau, Architekten, Gartenbau- 3
firmen der Region und den neuen Bewohnern auf den ehemaligen US-Flächen geht. 8. Eine Förderung von sozialen Wohngruppen, Baugruppen und Baugenossenschaften von Bürgern ist notwendig um nötigen bezahlbarem Wohnraum durch den Kauf bestehender Wohnungen und den Bau neuer Wohngebäude zu erreichen. Mit gezielter Förderung können sich einzelne interessierte Bürger zusammenschließen und preislich beim Verkauf von bestehenden Wohngebäuden und freien Grundstücken aussichtsreich mitbieten. 9. Arbeitsplätze in der Nähe des Wohnens zu schaffen bedeutet ebenfalls Urbanes Wohnen. Als Areale für Arbeitsstätten eignen sich die Verwaltungsgebäude auf Campbell (ehemaliges Hauptquartier), die Verwaltungsgebäude an der Römerstraße (Ecke Saarstrasse) und am ehemaligen Seitentor zu Campbell in Mark-Twain-Village (ehem. Referance Library) sowie die Gelände von Patton-Barracks und im Eingangsbereich von Patrick-Henry- Village. Die Gebäude und Flächen dürfen dabei nicht als Ganzes an einen Investor verkauft werden. Die Stadt muss die Gebäude und Flächen als Reserve für die Zukunft behalten. Heidelberg kann mit diesen Flächen und Gebäuden eine gezielte Politik der Firmenanwerbung betreiben. Zum Gelände Patton-Barracks haben die BÜRGER FÜR HEIDELBERG im Jahr 2011 eine konzeptionelle Nutzung als Kulturkaserne öffentlich vorgestellt und für bestimmte Gebäude (Unteroffiziersklub, Theater, Kino, Kirche) eine kulturelle Nutzung vorgeschlagen - sowie für die Mehrzahl der Gebäude und Flächen eine gewerbliche Nutzung. Heidelberg kann hier für Start-ups, Handwerk und Mittelstand günstige Räume und Flächen vorhalten. Im ehemaligen Wohnhaus der Militärpolizei am alten Haupttor des ehemaligen Headquarters könnte ein Hotel oder studentisches Wohnen entstehen. 10. Auf den ehemaligen US-Flächen gibt es Platz und Bedarf für gute moderne Architektur. Die BÜRGER FÜR HEIDELBERG regen an, dass die Stadt einen Architektur-Preis für Um- und Neubauten auf Flächen ausrichtet. 11. Neue Instrumente der sozialen Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik sind für diese Ziele zu prüfen und umzusetzen: Erbpacht statt Verkauf o Damit könnten im Patrick-Henry-Village der Bestand und der Bau von großen Wohngebäuden gesichert, die Preise niedrig gehalten und der Wohncharakter über Jahrzehnte gesichert werden. Auch bei der Nutzung von Gelände für Wohnungsbau im Gebiet Hospital, sollte Erbpacht dem Verkauf vorgezogen werden. Einrichtung eines städtischen Wohnbaufonds o Um einer möglichst großen Anzahl von Bürgern den Kauf bzw. die Erbpacht von Wohnungen und größerer Gebäude (als Baugenossenschaft oder Baugruppe von Bürgern) finanziell zu ermöglichen, sollte die Einrichtung eines städtischen 4
Wohnbaufonds wie in Salzburg professionell geprüft und mit der Realisierung dieses Jahr begonnen werden. Die BÜRGER FÜR HEIDELBERG rufen dazu auf, das Ziel bezahlbarer Wohnraum und den zusätzlichen Bau von 6.200 Wohnungen bis 2020 finanzierbar zu machen und dabei insbesondere das Entwicklungspotential von Patrick-Henry-Village zeitnah zu verwirklichen. Eine solche Jahrhundert-Chance bekommt Heidelberg nie wieder. 5