Stellvertretung Sachverhalt Am fünften Geburtstag des G schenken ihm seine Eltern (H) eine Holzeisenbahn. Nachdem G mit 20 Jahren sein Jurastudium an der Universität Trier begonnen hat, überlegt er, ob er juristisch einen Anspruch gegen seine Eltern auf Herausgabe der Bahn gelten machen kann, die im elterlichen Keller steht. Erstellen Sie ein entsprechendes Gutachten. Einarbeiten, dass 181 nur zur schwebenden Unwirksamkeit führt, hier aber genehmigt wurde, so dass es auf die teleolog Reduktion nicht einmal ankäme. Lösungsskizze STELLVERTRETUNG I. ANSPRUCH DES G GEGEN DIE H AUF HERAUSGABE DER HOLZEISENBAHN 1. BESITZPOSITION DER H 2. EIGENTUMSPOSITION DES G A) ÜBERGABE B) DINGLICHE EINIGUNG ZWISCHEN H UND G SELBST C) DINGLICHE EINIGUNG ZWISCHEN H UND G, VERTRETEN DURCH H aa) Abgabe einer eigenen Willenserklärung im Namen des S mit Vertretungsmacht bb) Beschränkung der Vertretungsmacht bei Insichgeschäften, 181 BGB (i) Insichgeschäft (ii) Handeln in Erfüllung einer Verbindlichkeit cc) Teleologische Reduktion des 181 BGB (i) Unzulässigkeit der Reduktion (ii) Reduktion bei fehlendem Interessengegensatz 3. BESITZRECHT DER ELTERN GEM. 986 ABS. 1 BGB Fall und Lösung nach Jörg Fritzsche, Fälle zum BGB Allgemeiner Teil, 2004, Fall 39. 1
4. ERGEBNIS II. WEITERE ANSPRUCHSGRUNDLAGEN Falllösung I. Anspruch des G gegen die H auf Herausgabe der Holzeisenbahn G hat gegen H einen Anspruch auf Herausgabe der Holzeisenbahn gem. 985 BGB, wenn er Eigentümer der Bahn ist und die H nichtberechtigte ( 986 BGB) (Mit-)Besitzer sind. 1. Besitzposition der H Als Schuldner des Herausgabeanspruchs müsste H Besitzer der Holzeisenbahn sein. Besitz hat derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübt, 854 Abs. 1 BGB. Die Eisenbahn lagert im elterlichen Keller, wo die Eltern auf sie jederzeit zugreifen können. Sie haben somit (Mit-)Besitz. 2. Eigentumsposition des G Entscheidend ist, ob G auch Eigentümer der Eisenbahn ist. Ursprünglich stand die Bahn im Miteigentum der Eltern ( 1006, 1008 BGB). Möglicherweise haben sie aber das Eigentum durch dingliche Einigung und Übergabe gem. 929 S. 1 BGB an G verloren. a) Übergabe Der Tatbestand des 929 S. 1 BGB setzt zunächst eine Übergabe, d.h. die Besitzverschaffung an dem zu übereignendem Gegenstand voraus. Mit der Schenkung zu seinem Geburtstag ist anzunehmen, dass G den Zugriff an der Bahn zum Spielen erhalten hat. Dementsprechend ist das Übergabeerfordernis eingehalten. Das die Eltern auch weiterhin Zugriff auf die Bahn hatten ist in diesem Fall unschädlich. 2
b) Dingliche Einigung zwischen H und G selbst Zu prüfen ist weiter, ob eine wirksame Einigung zwischen G und H über den Eigentumsübergang vorliegt. Mit dem Schenkungsangebot haben die Eltern H zugleich auch das Einigungsangebot abgegeben. Fraglich ist, ob dieses dem G auch zugegangen ist. Nach 130 Abs. 1 BGB kommt es für den Zugang bei einem Geschäftsunfähigen darauf an, dass die Willenserklärung dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Der G ist fünf und daher nach 104 BGB geschäftsunfähig. Die Eltern H, als gesetzliche Vertreter nach 1629 Abs. 1 BGB des G, haben aber das Einigungsangebot selbst abgegeben. Sie haben es daher vernommen, so das es ihnen auch zugegangen ist. Das Einigungsangebot der Eltern H ist also wirksam. Zu prüfen ist aber, ob der G dieses Einigungsangebot auch angenommen hat. Der G ist als fünf-jähriger gem. 104 Nr. 1 BGB nicht geschäftsfähig und kann folglich gem. 105 Abs. 1 BGB keine wirksame Willenerklärung abgeben, so dass er keine Einigungsannahmeerklärung abgeben konnte. c) Dingliche Einigung zwischen H und G, vertreten durch H Zu erwägen bleibt, ob die Eltern als gesetzliche Vertreter den G bei der Annahme des Einigungsangebots gem. 1626 Abs. 1 S. 1, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam vertreten haben. aa) Abgabe einer eigenen Willenserklärung im Namen des S mit Vertretungsmacht Eine Stellvertretung setzt nach 164 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass H eine eigene Willenserklärung im Namen des G mit Vertretungsmacht abgegeben haben. Fraglich ist schon, ob in dem Schenkungsangebot der H auch eine eigene Willenserklärung im Sinne einer Annahme des Übereignungsangebots für G gesehen werden kann. Aus praktischen Erwägungen muss es möglich sein, dass Eltern ihren geschäftsunfähigen Kindern etwas schenken. Es ist somit davon auszugehen, dass diese bei einer Schenkung zugleich auch eine Annahmeerklärung für ihr Kind abgeben. Eine eigene Willenserklärung liegt mithin vor. 3
Aus den äußeren Umständen ( 164 Abs. S. 2 BGB) ergibt sich, dass sie dies auch in fremden Namen, im Namen des G getan haben. Als Eltern leitet sich ihre Vertretungsmacht für G aus 1629 Abs. 1 S. 1 BGB ab, die vorliegend auch nicht gem. 1629 Abs. 2, 1795 BGB oder 1643 Abs. 1 BGB beschränkt ist. bb) Beschränkung der Vertretungsmacht bei Insichgeschäften, 181 BGB Obwohl die allgemeinen Voraussetzungen einer Stellvertretung nach 164 Abs. 1 BGB erfüllt sind, könnte sich eine Unwirksamkeit der Stellvertretung aus dem Verbot der Selbstkontraktion aus 181 BGB ergeben. Eine alleinige Stellvertretung durch H wäre demnach gem. 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB unwirksam. (i) Insichgeschäft Dazu müsse ein Fall der Selbstkontraktion vorliegen, d.h. E müssten als Beteiligte auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts aufgetreten sein. H trat einerseits als Vertreter des Beschenkten G in dessen Namen auf, andererseits aber auch als Veräußerer in eigenem Namen. Sie wurden also auf beiden Vertragsseiten tätig. Dieses Selbstkontrahieren ist nach 181 BGB grundsätzlich verboten, soweit es nicht gestattet ist oder der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient. Ersteres scheidet evident aus. (ii) Handeln in Erfüllung einer Verbindlichkeit Die Vertretung wäre gem. 181 a. E. BGB wirksam, wenn die Übereignung der Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit gedient hätte. Als zu erfüllende Verbindlichkeit kommt hier ein Schenkungsvertrag gem. 516 Abs. 1 BGB in Betracht. Ein Schenkungsvertrag setzt zwei korrespondierende Willenserklärung, Angebot und Annahme voraus. Das Angebot haben die Eltern abgegeben. Fraglich ist, ob dieses dem G auch zugegangen ist. Nach 130 Abs. 1 BGB kommt es für den Zugang bei einem Geschäftsunfähigen darauf an, dass die Willenserklärung dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Der G ist fünf und daher nach 104 BGB geschäftsunfähig. Die Eltern H, als gesetzliche Vertreter nach 1629 Abs. 1 BGB des G, haben aber das 4
Schenkungsangebot selbst abgegeben. Sie haben es daher vernommen, so das es ihnen auch zugegangen ist. Das Schenkungsangebot der Eltern H ist also wirksam. Dieses müsste der G auch angenommen haben. Der G ist aber, wie oben bereits geprüft, als Geschäftsunfähiger nicht in der Lage eine Willenserklärung abzugeben ( 105 BGB). Jedoch könnte das Schenkungsannahmeerklärung von den Eltern, als gesetzliche Vertreter nach 1629 Abs. 1 BGB abgegeben worden sein, welches nach 164 Abs. 1 BGB für den G wirkt. Grundsätzlich sind die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung erfüllt. Jedoch könnte die Stellvertretung nach 181 Abs. 1 BGB unzulässig sein, so dass eine schuldrechtliche Verpflichtung gar nicht vorliegen würde. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Stellvertretung zulässig wäre oder an 181 BGB scheitern würde, könnte ein wirksamer Schenkungsvertrag sowieso nach 125 S. 1 BGB formnichtig sein. Nach 518 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf ein Schenkungsversprechen der notariellen Beurkundung. Die Eltern haben vorliegend jedoch das Schenkungsversprechen mündlich abgegeben, das Formerfordernis wurde folglich nicht eingehalten und ist somit nichtig, 518 Abs. 1 S. 1, 125 S.1 BGB. Dieser Formmangel könnte aber durch die Bewirkung der versprochenen Leistung, also durch Übergabe und (wirksamer) Übereignung der Holzeisenbahn geheilt worden sein, 518 Abs. 2 BGB. Wie bereits oben geprüft, ist die Übereignung wegen 181 BGB aber nur dann wirksam, wenn der Schenkungsvertrag wirksam ist. Nach ganz h.m. genügt es für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des 181 BGB Erfüllung einer Verbindlichkeit nicht, dass die Verbindlichkeit erst durch die Erfüllung wirksam wird oder wirksam werden könnte, denn das würde zur Gefahr einer Umgehung des 181 BGB führen. Damit erfolgte die Übereignung der Holzeisenbahn nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit. Nach dem Wortlaut des 181 BGB wäre damit eine wirksame Vertretung durch die H zu verneinen. cc) Teleologische Reduktion des 181 BGB In Betracht kommt jedoch, dass der Anwendungsbereich des 181 BGB im Wege einer teleologischen Reduktion ausgeschlossen sein 5
könnte und zwar sowohl bezüglich des dinglichen als auch des schuldrechtlichen Rechtsgeschäftes. Ausgangspunkt für eine teleologische Reduktion ist dabei, dass 181 BGB den Zweck verfolgt den Vertretenen vor dem Interessengegensatz zu schützen, der aus einer Personenidentität von Vertreter und Geschäftspartner resultiert. (i) Unzulässigkeit der Reduktion Nach früherer Rechtsprechung und einer vereinzelt in der Literatur vertretenen Ansicht, ist jedoch am Wortlaut des 181 BGB festzuhalten. Die Vorschrift beinhalte eine formale Ordnungsvorschrift, die aus Gründen der Rechtssicherheit keine Ausnahmen zulasse. Zwar sei der beschriebene Interessengegensatz das gesetzgeberische Motiv der Regelung in 181 BGB. Jedoch werde hier eine grundsätzliche gesetzliche Wertung vorgenommen, die nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht zur Disposition gestellt ist. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine Stellvertretung der Eltern an 181 BGB scheitert. (ii) Reduktion bei fehlendem Interessengegensatz Die Gegenansicht hält dem jedoch entgegen, dass dieses formale Festhalten am Wortlaut zu unbilligen Ergebnissen führe, da nicht jede Personenidentität gleichzeitig zu einem Interessenwiderstreit führen muss. Vielmehr komme es auf den Einzelfall an, bei dem das konkrete Vorliegen einer Interessenkollision gegeben sein müsse. Vorliegend ist ein solcher Gegensatz nicht ersichtlich, so dass 181 BGB nach dieser Auffassung nicht anzuwenden wäre. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit ist jedoch mit einer weiteren Ansicht, die auch von der heutigen Rechtsprechung vertreten wird, darauf abzustellen, ob ein Interessenkonflikt nach der Art des Rechtsgeschäfts vorliegt. D.h., dass nicht auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist, weil die hieraus resultierenden Konsequenzen nicht immer abzusehen sind. Der Aspekt der Rechtssicherheit, der von der ersten Ansicht vorgebracht wird, kann demnach am Besten durch einen objektivierten Maßstab anhand von abstrakt feststellbaren Fallgruppen erreicht werden. 6
Eine solche Fallgruppe, bei der typischerweise kein Interessenkonflikt besteht, lässt sich anhand des Gedankens aus 107 BGB gewinnen. Demnach sind Rechtsgeschäfte, die lediglich einen rechtlichen Vorteil für Minderjährige begründen, auch ohne Beteiligung ihrer Eltern wirksam. Eine vergleichbare Interessenlage findet sich bei 181 BGB. Diese Vorschrift bezweckt den Schutz des Vertretenen vor Willenserklärungen des Vertreters, dessen Beteiligung am Rechtsgeschäft beeinträchtigt ist. Auch der Vertretene bedarf keines Schutzes, wenn er durch das Geschäft ausschließlich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Um festzustellen, ob lediglich ein rechtlicher Vorteil vorliegt, kann dabei relativ einfach nach dem Maßstab des 107 BGB festgestellt werden. Auch der Aspekt der Rechtssicherheit kann auf diesem Wege gewährleistet werden. Der Anwendungsbereich des 181 BGB ist demnach analog 107 BGB teleologisch zu reduzieren. Entscheidend für den vorliegenden Fall ist also, ob die vorliegende Schenkung und Übereignung der Eisenbahn dem S bzw. allgemein die Schenkung von Spielzeug einem Kleinkind lediglich einen rechtlichen Vorteil verschafft. Ein solches Geschäft führt tatsächlich aber nur zum Eigentumserwerb des Kindes, also zu einer Verbesserung der Vermögenslage des Kindes, ohne zugleich eine rechtliche Verpflichtung für ihn zu begründen. Es fehlt mithin an der Gefahr vor der ein Kind, hier S, durch 181 BGB geschützt werden müsste. Eine teleologische Reduktion des 181 BGB ist vorliegend geboten und zwar sowohl für das schuldrechtliche als auch das dingliche Rechtsgeschäft. Im Ergebnis kann also festgestellt werden, dass das Übereignungsangebot der Eltern zugleich von ihnen wirksam im Namen des S angenommen werden konnte. Die erforderliche Willenserklärung liegt somit vor, so dass S Eigentum an der Holzeisenbahn erwerben konnte. 3. Besitzrecht der Eltern gem. 986 Abs. 1 BGB Letztlich dürften die Eltern auch kein Besitzrecht im Sinne des 986 Abs. 1 BGB an der Eisenbahn haben. Ein solches Recht könnte sich aus dem Grundsatz der elterlichen Sorge ( 1626 Abs. 1 BGB) ergeben, der die Eltern auch zur Verwahrung der dem G gehörenden Gegenstände 7
verpflichtet. Wie sich mittelbar aus 1698 BGB ergibt endet diese Pflicht jedoch mit dem Eintritt der Volljährigkeit des G. Ein Besitzrecht lässt sich hieraus mithin nicht (mehr) herleiten. Da die Bahn mittlerweile im elterlichen Keller eingelagert ist, wäre noch an ein Besitzrecht aus einem Verwahrungsvertrag zu denken, 688 BGB. Das Vorliegen eines Verwahrungsvertrages ist von einem einfachen, äußerlich gleichen Gefälligkeitsverhältnis abzugrenzen, das selbst kein Besitzrecht für die Eltern begründet. Im Hinblick darauf, dass die Eltern mit der Einlagerung der Bahn mutmaßlich dem G lediglich einen Gefallen um Rahmen ihrer Verwandtschaftsbeziehung tun wollten, ohne zugleich für den Erhalt der Bahn aus 690 BGB zu haften, spricht der äußere Anschein für das Vorliegen eines einfachen Gefälligkeitsverhältnisses. Hinzu kommt, dass der geringe Wert der Bahn, sowie der Umstand, dass sich die Parteien am 18. Geburtstag des G vermutlich keine (rechtsgeschäftlichen) Gedanken über die Eisenbahn gemacht haben. Letztlich kann die rechtliche Einordnung dahingestellt bleiben, da auch ein Verwahrungsvertrag gem. 688 BGB ein Besitzrecht nur bis zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens durch G begründen kann, da der Hinterleger zu jeder Zeit die Sache herausverlangen kann, 695 BGB. Dem Herausgabeverlangen des G steht somit auch kein Besitzrecht der Eltern entgegen. 4. Ergebnis G kann die Herausgabe der Bahn gem. 985 BGB von den H verlangen. II. Weitere Anspruchsgrundlagen Als weitere Anspruchsgrundlage kommt ein Anspruch aus 695 BGB in Betracht, der jedoch nach den bereits angestellten Erwägungen am Fehlen eines Verwahrungsvertrages scheitert. Zum anderen wäre auch an einen Herausgabeanspruch aus 812 Abs. 1 S. 1 BGB zudenken, da H durch den Besitz an der Holzeisenbahn bereichert sind und ein Rechtsgrund für den Besitz nicht erkennbar ist. Ob es sich vorliegend um 8
einen Fall der Leistungskondiktion (Var. 1) oder einer Kondiktion in sonstiger Weise (Var. 2) handelt, hängt von den Umständen ab, wie H den Besitz erlangt haben. 9