Suizidale Krisen in der Beratung pathologischer Glücksspieler 15. Mai 2012 BAS-Aufbauschulung Rita Wüst, M.A. Münchner Bündnis gegen Depression e.v. www.buendnis-depression.de/muenchen Email: muenchen@buendnis-depression.de Geschäftsstelle: Landshuter Allee 11, 80637 München Tel./Fax: 089 / 54 04 51-20 / -22
Kleopatra VII. (69 v. Chr. - 30 v. Chr.) ; Seneca (1-65); Nero (37-68) Heinrich von Kleist (1777-1811); Vincent van Gogh (1853-1890); Virginia Woolf (1881-1941); Rudolf Diesel (1858-1913); Adolf Hitler (1889-1945); Ernest Hemingway (1899-1961); Paul Celan (1920-1970); Marilyn Monroe (1926-1962); Ulrike Meinhof (1934-1976); Uwe Barschel (1944-1987); Kurt Kobain (1967-1994); Hannibal (246-183 v. Chr.); Stefan Zweig (1881-1942); Jack London (1876-1916); Rex Gildo (1936-1999); Nick Drake (1948-1974); Sid Vicious (1957-1979); Michael Hutchence (1960-1997); Ian Curtis (1956-1980); Kronprinz Rudolf (1858-1889); Gert Bastian (1923-1992); Hannelore Kohl 1933-2001);
Inhalte im Überblick I. Suizidalität: Definition II. Epidemiologische Daten III. Motive, Ursachen, Risikofaktoren IV. Suizidale Krisenentwicklung V. Exploration des Suizidrisikos & Umgang mit Betroffenen VI. Hilfen / Nach einem Suizid
Suizidalität: Definition Unter Suizidalität verstehen wir das Potential aller seelischen Kräfte und Funktionen, das auf Selbstvernichtung tendiert. (Haenel u. Pöldinger 1986) Suizidalität ist die Summe aller Denk- und Verhaltensweisen von Menschen oder Gruppen von Menschen, die in Gedanken durch aktives Handeln, Handeln lassen oder passives Unterlassen den eigenen Tod anstreben bzw. als mögliches Ergebnis einer Handlung in Kauf nehmen. (Wolfersdorf, 2000)
Todesursachen im Vergleich: D 2010 Suizid 10.021 Drogen 774 Verkehr 3.942 Mord / Totschlag 478 Aids 455 (Quelle: Bundesamtes für Statistik/Gesundheitsberichterstattung des Bundes; 2011)
90 Jahre+ Suizidzahlen: D 2010 800 700 600 Männlich Weiblich 500 400 300 Anzahl der Suizide 200 100 0 < 1 Jahr 1-5 Jahre 5-10 Jahre 10-15 Jahre 15-20 Jahre 20-25 Jahre 25-30 Jahre 30-35 Jahre 35-40 Jahre 40-45 Jahre 45-50 Jahre 50-55 Jahre 55-60 Jahre 60-65 Jahre 65-70 Jahre 70-75 Jahre 75-80 Jahre 80-85 Jahre 85-90 Jahre (Quelle: Bundesamtes für Statistik/Gesundheitsberichterstattung des Bundes; 2011)
Suizidraten: D 2010 80 Anzahl der Suizide pro 100.000 70 60 50 40 30 20 Männlich Weiblich 10 0 (Quelle: Bundesamtes für Statistik/Gesundheitsberichterstattung des Bundes; 2011)
Relation von Suiziden zu Suizidversuchen bei Mädchen unter 20 J. führt nur jede 50. suizidale Handlung zum Tod bei Männern über 80 J. enden 7 von 10 Suizidversuche tödlich 700 600 500 47 Suizidversuche Suizide Fallzahl 400 300 200 100 0 54 527 298 74 117 <39 Jahre 40-59 Jahre >60 Jahre Quelle: Nürnberger Bündnis gegen Depression 2000 & 2001
Motive suizidaler Handlungen Nur ein Teil der Menschen, die suizidale Handlungen durchführen, suchen primär den Tod. Es können bei suizidalen Handlungen unterschiedliche psychologische Motive vorliegen. Einteilung nach Feuerlein (1971): suizidale Pause: Unterbrechung einer unerträglichen Situation suizidale Geste: Wirkung auf andere Menschen im Vordergrund, appellativer Aspekt suizidale Handlungen im engeren Sinn: Todeswunsch vorherrschend Eine eindeutige Unterscheidung nicht immer möglich im Einzelfall können verschiedene Intentionen gleichzeitig bestehen, wobei meist eines dominant ist
Ursachen von Suizidalität soziale und biologische Ursachen: Transgenerationale familiäre Häufung Genetische Disposition Veränderungen der Impulskontrolle / neuronale Veränderungen? psychische Erkrankungen kulturelle und religiöse Einflüsse Auslösesituationen Krisensituationen (Zuspitzung durch Situationen, für deren Bewältigung nicht ausreichend Ressourcen zu Verfügung stehen)
Risikogruppen für Suizidalität für Suizid: ältere Männer für Suizidversuch: junge Frauen (14-24 Jahre) Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen (Depression, Sucht, Psychosen) akute krisenhafte Ereignisse (z.b. Arbeitslosigkeit, Schulden, Scheidung, Inhaftierung, Verlusterlebnisse, Traumatisierung) Mangelnde Unterstützung durch Angehörige oder Freunde. Keine Einbindung in feste Strukturen, soziale Isolierung Zeit nach der Entlassung aus stationär psychiatrischer Behandlung Chronische körperliche Erkrankungen Suizidversuche in der Vorgeschichte oder in der Familiengeschichte Hohe narzisstische Kränkbarkeit starke Verleugnungstendenz, mangelndes Hilfesuchverhalten ( mir geht es gut; ich brauche keine Hilfe )
Risikogruppe pathologischer Spieler http://www.spielsucht.net/vforum Fachstelle Glücksspielsucht des Caritasverbandes für das Stadtdekanat Neuss e.v. Hallo! Ich bin extrem spielsüchtig, tue mir sehr schwer auf die strasse mit geld zu gehen, habe sehr, sehr viel bisher verspielt. Ich habe gute Vorsätze, sage, nie wieder, irgendwie ohne zu denken, lande ich irgendwie bei einem automaten, wache erst wieder auf wenn alles weg ist...jetzt habe ich auch noch das rettende Geld zur Erhaltung der Wohnung meines Bruder,ca.2000,- verspielt, habe mir jetzt eine Ratenvereinbarung ausgemacht, habe aber auch diesen Betrag, wieder verspielt, weiß echt nimmer was ich tun soll, mein Strom ist nicht bezahlt, habe mein Wechselgeld verspielt, habe meine Familie und Freunde belogen, obwohl ich es nicht wollte oder will. Ich will ein normales Leben führen. Jetzt weiß ich nicht mehr was ich tun soll. Ich möchte sterben, damit das ein Ende hat. Ich will meiner Familie auch nicht weh tun, kann es ja auch niemandem sagen, es kann mir keiner mehr helfen. Ich weiß echt nicht mehr weiter, und Weihnachten kommt ja auch noch...
Ist Suizidalität immer krank? Suizidalität per se ist keine Krankheit. Viele Menschen erleben im Laufe des Lebens Situationen, in denen sie sich mit der Möglichkeit des eigenen Todes beschäftigen und den eigenen Tod als Möglichkeit bedenken. Ein großer Teil berichtet in diesem Zusammenhang über passive Todeswünsche und Suizidgedanken. Diese Auseinandersetzung kann Teil eines Trauerprozesses sein und ist oft ein vorübergehender Zustand. Meist geht davon keine akute Gefahr eines Suizids aus. Risiko steigt erheblich, wenn Vorstellungen sehr drängend werden und konkrete Pläne gemacht werden. Aber: bei Verdacht sollte Suizidalität immer genau exploriert werden!
Thematisierung von Suizidalität Die Thematisierung von Suizidalität ist für Betroffene meist eine Entlastung, wenn: - das Gegenüber ganz auf den Einzelnen eingehen kann. - ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen stattfindet. - das Gegenüber keine Angst vor dem Thema hat. - der Klient seine Gefühle zeigen darf. - bei Bedarf konkrete Hilfe vermittelt wird. Exploration von Suizidalität immer vom Allgemeinen zum Konkreten!
Verschiedene Stadien von Suizidalität Mäßige Suizidgefahr Hohe Suizidgefahr Anzahl betroffener Menschen Passive Todeswünsche Suizidgedanken Suizidideen Suizidpläne Vorbereitungen Suizidale Handlungen Erwägung Ambivalenz Entschluss
Das Präsuizidale Syndrom Nach Ringel (1953) beinhaltet das Präsuizidale Syndrom als zentrales Merkmal die Einengung der Person. Vereinfachend: Der Betroffene sieht seine Situation hoffnungslos; er erkennt keinerlei Wahlmöglichkeiten oder Alternativen. Seine Gefühle reduzieren sich auf Depression und Angst Sein Blick ist zunehmend tunnelartig auf den Suizid als einzigen Ausweg fokussiert.
Indikatoren für erhöhte Gefahr Drängende Suizidgedanken Große Hoffnungslosigkeit und starke Schuldgefühle Starker Handlungsdruck ( ich halte das nicht länger aus! ) Massive narzistische Kränkung starke Impulsivität (erhöhte Gefahr bei Drogen- oder Alkoholkonsum) Zunehmender sozialer Rückzug Verabschiedung von Menschen, Verschenken von Wertgegenständen Regelung letzter Dinge (Testament, Versicherungen, Papiere) Offene und verdeckte Ankündigung von Suizid ( es wird aufhören, so oder so... ) Patient reagiert gereizt, aggressiv oder ist agitiert Konkrete Suizidpläne oder Vorbereitung suizidaler Handlungen
Umgang mit Suizidalität Viel Zeit nehmen (eventuell Folgetermine absagen) Geduldiges Zuhören und Erfassung der Auslöser Keine vorschnellen Beschwichtigungen! Akzeptieren der Suizidalität als Ausdruck einer Krise Ermutigung zum Ausdruck eigener Gefühle Ausdruck stellvertretender Hoffnung Erfassung vorhandener Ressourcen, evtl. Angehörige einbeziehen evtl. Antisuizidpakt schließen, Krisenplan besprechen Bei Agitation und Angst: evtl. kurzfristig medikamentöse Sedierung Kurzfristige Wiedereinbestellung, konkrete Absprachen Bei Bedarf: (Fach)ärztliche Behandlung o. stationäre Einweisung
Vorgehen bei akuter Suizidalität 1. Zeitgewinn. Suizidalität in der Regel kein Dauerzustand. Akute suizidale Krise kann in relativ kurzer Zeit wieder abklingen. Kann eine suizidale Handlung verzögert werden, so erhöhen sich deutlich die Chancen, dass der Mensch überlebt. 1. Einfühlsam Zuhören. (keine Lösungsvorschläge unterbreiten, geduldiges und verständnisvolles Zuhören reicht) 2. zusätzlich Hilfe hinzuzuziehen. Gibt es (oder gab es) einen behandelnden Psychiater. Besteht ein Vertrauensverhältnis zum Hausarzt? Welche Beratungsstellen gibt es vor Ort? Wo ist die nächste psychiatrische Klinik oder Notfallambulanz? Gegebenenfalls zu Arzt oder in Notfallambulanz begleiten
Hilfen und protektive Faktoren Familiäres / Soziales Umfeld: Familie, Partner, Freunde,Tiere Medizinische / psychologische Versorgung: Arbeit & finanzielle Absicherung Tagesstruktur, Verbindlichkeiten Hilfsangebot vor Ort / Krisendienst etc.
Die Situation der Helfer Für professionelle Helfer ist es wichtig, sich klar zu machen, dass: die Arbeit mit depressiven und suizidalen Menschen immer das Risiko mit einschließt, dass es zum Suizid kommt es unmöglich ist, akute Suizidalität immer rechtzeitig zu erkennen; vor allem wenn der Betroffene sie vertuscht; es unter den Klienten/Patienten immer wieder Menschen geben kann, die sich gegen das Leben entscheiden, ohne dass dies verhindert werden kann.
Glück ist, wenn der Regen fällt und Du trotzdem was entdeckst, das Dich am Leben hält! (Die Firma)
Literatur Wolfersdorf, M. (2000) Der suizidale Patient in Klinik und Praxis. Suizidalität und Suizidprävention. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart Dorrmann, W: Suizid. Therapeutische Interventionen bei Selbsttötungsabsichten (3. korr. Auflage). München: Pfeiffer Verlag 1998 Bronisch, Götze, Schmidtke, Wolfersdorf (2002) Suizidalität: Ursachen, Warnsignale, therapeutische Ansätze. Schattauer Verlag Stuttgart Améry, J. (1976) Hand an sich legen. Ein Diskurs über den Freitod. Klett Cotta Mischler, G. (2000) Von der Freiheit, das Leben zu lassen Kulturgeschichte des Suizids. Europa Verlag, Hamburg
Vielen Dank! David Althaus Verhaltenstherapeut Dachau