Solvency II und Rückversicherung



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Transkript:

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Solvency II und Rückversicherung Solvency II und Rückversicherung Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. GDV

Solvency II und Rückversicherung Herausgeber: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Friedrichstraße 191, 10117 Berlin Telefon (030) 20 20-5000 Telefax (030) 20 20-6000 www.gdv.de GDV 2007

2 Impressum Impressum Herausgeber: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) Betriebswirtschaftliches Institut Friedrichstraße 191, 10117 Berlin www.gdv.de Telefon (030) 20 20-54 78 Telefax (030) 20 20-64 78 Ansprechpartner: Dr. Thomas Schubert Ulrich Stienen Mirko Kraft Februar 2007 2007

Inhaltsverzeichnis 3 Inhaltsverzeichnis Kernthesen... 5 1 Einleitung... 7 1.1 Ziele und Aufbau dieser Broschüre... 7 1.2 Bedeutung der Rückversicherung unter Solvency II... 9 2 Qualitative und quantitative Berücksichtung von Rückversicherungsstrategien in einem risikobasierten Aufsichtssystem... 15 2.1 Rückversicherungsstrategie... 15 2.2 Schwierigkeiten der quantitativen Abbildung der Rückversicherungsstrategie... 18 2.3 Zeit für einen Paradigmenwechsel... 20 3 Berücksichtigung von Rückversicherung im QIS2-Standardansatz... 25 3.1 Behandlung von Rückversicherung im QIS2-Standardansatz... 25 3.1.1 Schaden/Unfall... 26 3.1.2 Leben... 28 3.1.3 Rückversicherungsausfallrisiko... 29 3.2 Beurteilung des QIS2-Standardansatzes... 29 3.2.1 Schaden/Unfall... 29 3.2.2 Leben... 30 3.2.3 Rückversicherungsausfallrisiko/Rating... 31 4 Überlegungen und Ansätze zur Einbeziehung von Rückversicherung unter Solvency II... 33 4.1 Anmerkungen zur Einbeziehung von Rückversicherung im Solvency II-Standardansatz... 33 4.2 Ansätze zur Einbeziehung von Rückversicherung im Solvency II- Standardansatz... 35 4.2.1 Quantitative Berücksichtigung von Rückversicherungseffekten beim SCR und MCR... 35 4.2.2 Spitzenexposures... 37 4.2.3 Änderungen der Rückversicherungsstruktur... 37 4.2.4 Rückversicherungsausfallrisiko/regulatorisches Rating... 38 4.2.5 Behandlung von Rückversicherern aus Drittländern... 41

4 Inhaltsverzeichnis 4.3 Erweiterungen zur quantitativen Anerkennung der Rückversicherung... 43 4.3.1 Partialmodell -Ansatz... 43 4.3.2 Benchmark-Modell -Ansatz... 45 4.3.3 Quantitative Risikoanalyse -Ansatz... 46 5 Zusammenfassung und Ausblick... 49 Abkürzungsverzeichnis und Glossar... 51 Literaturhinweise... 53 Anhang... 55 Anhang A: Anrechenbarkeit von Rückversicherung unter Solvency I... 55 Anhang B: Reinsurance Credit Risk... 61

Kernthesen 5 Kernthesen Die Kernthesen dieser Broschüre lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1) Solvency II sollte Erstversicherern die Nutzung von Rückversicherung als integralem Bestandteil ihres Risikomanagements 1 ermöglichen. Dies erfordert, dass Rückversicherung bei der Ermittlung der Kapitalanforderungen eines Erstversicherers in Säule I eine ökonomisch angemessene Berücksichtigung erfährt ( economic recognition ). Diese Minderung der Kapitalanforderungen könnte beispielsweise mit Hilfe eines Partialmodell - Ansatzes, eines Benchmark-Modell -Ansatzes oder eines Quantitative Risikoanalyse -Ansatzes wie in Kapitel 4 vorgestellt berechnet werden. dass die Rückversicherung sowohl bei der Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (SCR) als auch der Mindestkapitalanforderung (MCR) Berücksichtigung finden muss. Die Begründung dafür ist, dass Rückversicherung eines der effektivsten Instrumente im vorgeschlagenen stufenweisen Eingreifen der Aufsicht ( ladder of supervisory intervention ) darstellt. Dies gilt insbesondere, wenn ein Versicherungsunternehmen kurz davor ist, das SCR zu unterschreiten oder das SCR bereits unterschritten hat. dass Versicherungsunternehmen in einem Risikobericht beschreiben, welche qualitative Rolle ihr Rückversicherungsprogramm im Rahmen ihres aktiven Risikomanagements spielt (Säule II). 2) Solvency II sollte willkürliche Beschränkungen der quantitativen Anerkennung von Rückversicherung weder in der Form (z. B. proportional oder nichtproportional) noch in der Höhe bei Kapitalanforderungen in Säule I vorsehen. So sollte es beispielsweise keine pauschalen Begrenzungen wie unter den jetzigen Solvenzregelungen (Solvency I) geben. Gleichzeitig sollte in einem neuen risikobasierten Aufsichtssystem von einer (rein) rechnungslegungsgeprägten Sichtweise von Rückversicherungsinstrumenten abgekehrt und zu einem stärker ökonomischen Ansatz übergegangen werden. 3) Die Bewertung des Kreditrisikos von Rückversicherungsinstrumenten sollte in einem ökonomischen Rahmen erfolgen, der folgende Kriterien erfüllt: Die Qualität eines Rückversicherungsprogramms sollte in ihrer Gesamtheit beurteilt werden, wobei die Zusammensetzung und die Kreditwürdigkeit der Rückversicherer angemessen zu berücksichtigen sind. 1 Unter Risikomanagement wird stets ein Risiko- und Kapitalmanagement ( risk and capital management ) verstanden.

6 Kernthesen Die Berechnung des Kreditrisikos im Zusammenhang mit Rückversicherung sollte sich an ähnlichen Prinzipien orientieren, wie sie in Basel II für Banken vorgeschrieben sind, und nicht auf Faustregeln oder willkürlichen Sicherheitsabschlägen ( Haircuts ) beruhen. Die Beurteilung des Rückversicherungsausfallrisikos könnte auf Basis eines veröffentlichten regulatorischen Ratings (wie in 4.2.4 dargestellt) erfolgen. Als primäre Kennzahl für die Finanzstärke sollte ein regulatorisches Rating andere Kenngrößen (wie beispielsweise Angaben von Ratingagenturen) ersetzen. 4) Die Operationalisierung der Empfehlungen unter 1) 3) muss auch insbesondere für kleine und mittelgroße Versicherer praktikabel sein. Insbesondere dürfen die Anforderungen Versicherungsunternehmen unter Berücksichtigung ihres Risikoprofils nicht unangemessen beanspruchen.

Einleitung 7 1 Einleitung 1.1 Ziele und Aufbau dieser Broschüre Ziel der Broschüre ist es, offene Fragen, die sich aus den drei Anfragewellen (sog. Calls for Advice, Abk. CfA) der EU-Kommission zum Thema Solvabilität und Rückversicherung ergaben, aus der Sicht der deutschen Versicherungswirtschaft zu beantworten. Speziell zu nennen ist der CfA 12 ( Reinsurance and other risk mitigation techniques ) im zweiten Aufruf zur Stellungnahme und dessen Beantwortung durch CEIOPS, dem Zusammenschluss der europäischen Aufsichtsbehörden für Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds ( Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors ). 2 Die Ausführungen beziehen sich auf alle Formen des Risikotransfers (types of risk mitigation). Der Begriff Rückversicherung wird also in einem weiten Sinne gebraucht. 3 Zugrunde gelegt wird insbesondere keine Definition auf Basis von Rechnungslegungsnormen, sondern die Risikosicht des (Erst-)Versicherers. Charakteristikum für Rückversicherung in diesem Sinne ist also die Risikominderung (risk mitigation) beim Zedenten, dem Rückversicherungsschutz in Anspruch nehmenden Versicherer. Dies ist unabhängig von der rechtlichen Vertragsform und der Behandlung in der Rechnungslegung zu betrachten. 4 In der Broschüre werden Positionen der deutschen Versicherungswirtschaft hinsichtlich einer angemessenen Berücksichtigung von Rückversicherung im neuen, geplanten Aufsichtssystem für Versicherungsunternehmen nach Solvency II formuliert. Diese reflektieren den aktuellen europäischen Diskussionsprozess. Die Berücksichtigung von Rückversicherung unter Solvency II ist von großer Bedeutung, weil ein hoher Anteil der Rückversicherer ihren Sitz in der Europäischen Union hat und damit deren Beaufsichtigung für den weltweiten Rückversicherungsmarkt von hoher Relevanz ist. Solvency II ist somit insbesondere auch ein Vorgriff auf eine weltweite aufsichtsrechtliche Sichtweise auf Rückversicherung und könnte zum Leitmotiv für eine Konvergenz der Beaufsichtigung hinsichtlich Rückversicherung werden. Rückversicherung sollte vollumfänglich berücksichtigt werden, wenn der risikobasierte Kapitalbedarf ermittelt wird (Säule I von Solvency II). Voraussetzung für eine angemessene Berücksichtigung risikomindernder Maßnahmen ist eine in das Risikomanagementsystem adäquat quantitativ und qualitative eingebundene Rückversi- 2 Zum Konsultationsprozess im Rahmen des Solvency II-Projektes vgl. http://ec.europa.eu/internal_market/ insurance/solvency2/consultation_de.htm. 3 Zur Problematik der begrifflichen Abgrenzung verschiedener Rückversicherungsformen vgl. z. B. CfA 12.22. 4 Vgl. CfA 12.3. Irrelevant ist bei dieser Sichtweise auch, ob der Rückversicherungsanbieter aufsichtsrechtlich als Erst- oder Rückversicherer zu qualifizieren ist.

8 Einleitung cherungsstrategie (Säule II von Solvency II). Die Betrachtung von Rückversicherung ist ein Musterbeispiel für das Zusammenspiel von quantitativem und qualitativem Risikomanagement, von Säule I und von Säule II in Solvency II. 5 So ist die identifizierte Risikolage vor Rückversicherung Entscheidungsgrundlage für eine ihr angepasste Rückversicherungsstrategie. Die Risikolage nach Rückversicherung ist dann wiederum die Basis für die Berechnung risikobasierter Kapitalanforderungen, wobei das mit dem jeweiligen Rückversicherungsprogramm verbundene Kreditrisiko berücksichtigt wird. Darüber hinaus müssen Versicherer für Transparenz sorgen. Aus diesem Grunde beschäftigt sich Kapitel 2 mit der Formulierung und der Dokumentation der Rückversicherungsstrategie. Die Aussagen dieser Broschüre sind im Kontext anderer GDV- bzw. CEA-Veröffentlichungen zu sehen (vgl. auch die Literaturhinweise). Sie ist insofern vorläufig, da bisher nur Konturen der neuen, risikobasierten aufsichtsrechtlichen Regelungen zu erkennen sind. Dem Thema Rückversicherung inhärent ist, dass Entwicklungen in anderen Themenfeldern Rückwirkungen auf dieses Querschnittsthema haben können und dementsprechend einzubeziehen sind. Die wesentlichen Ziele dieser Broschüre sind, ein grundlegenden Verständnisses der Wichtigkeit der Rückversicherungspolitik im Rahmen des Risikomanagements von Versicherern (Rückversicherungsstrategie) zu schaffen, qualitative Anforderungen an Rückversicherungsstrategien als Grundlage der quantitativen Berücksichtigung der Rückversicherungswirkungen bei der Berechnung von Solvenzkapitalanforderungen zu formulieren, Fehlanreize aufzuzeigen, die von den bisherigen Solvency I-Regelungen zur Einbeziehung der Rückversicherung bei der Ermittlung der Solvabilitätsspanne ausgehen, die quantitative Berücksichtigung von Rückversicherung in dem durch CEI- OPS mit der zweiten quantitativen Auswirkungsstudie (Quantitative Impact Study No. 2, Abk. QIS2) getesteten Standardansatz darzustellen, adäquate Möglichkeiten vorzustellen, wie Rückversicherung im Standardansatz unter Säule I von Solvency II unter Berücksichtigung spezifischer Aspekte wie z. B. des Kreditrisikos einzubeziehen ist. 5 Vgl. dazu auch Schubert, T./Kraft, M. [2006], Challenging design - How to clearly distinguish between quantitative and qualitative requirements of Solvency II, S. 34 ff.

Einleitung 9 Behandelt wird in dieser Broschüre die passive Rückversicherung durch Erstversicherer und nicht die aktive Rückversicherung. Fragestellungen, inwieweit ein Standardansatz das Geschäft eines Rückversicherers abbilden kann, werden nicht angesprochen. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass spezifische Geschäftsmodelle von Rückversicherern mit den sich daraus ergebenden Risikoprofilen nur in speziell zugeschnittenen, internen Modellen adäquat abgebildet werden können und nur so realistische Kapitalanforderungen zu berechnen sind. Zielgruppe dieser Broschüre sind demnach primär die mit der Einbindung von Rückversicherungsfragen in das Risikomanagement und vor allem in Risikomodelle betrauten Personen bei Erstversicherern, aber auch die Rückversicherer, soweit sie mit der Bereitstellung von Rückversicherungsschutz für Erstversicherer befasst sind. Der Aufbau dieser Broschüre gestaltet sich den genannten Zielsetzungen entsprechend wie folgt: Nach diesem einleitenden Kapitel 1 werden Grundlagen der Rückversicherung als Teil des Risikomanagements von Versicherungsunternehmen behandelt (Kapitel 2). Im Kapitel 3 werden die Einbeziehung der Rückversicherung in den QIS2-Standardansatz sowie Unterschiede zum GDV/BaFin-Vorschlag dargestellt. Ansätze der prinzipiellen quantitativen Berücksichtigung von Rückversicherung im Standardansatz unter Solvency II behandelt Kapitel 4. Vorgestellt werden dort auch Erweiterungen der quantitativen Berücksichtigung der Rückversicherung unter Solvency II. Kapitel 5 schließt diese Broschüre mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick ab. 1.2 Bedeutung der Rückversicherung unter Solvency II Im Folgenden wird die Bedeutung von Rückversicherung unter Solvency II dargestellt. Dazu wird Solvency II als neues europäisches Aufsichtssystem in seinen Grundzügen kurz skizziert. Rückversicherung erleichtert die Trennung des Originalgeschäfts (Akquisition des Versicherungsgeschäfts) von der Portefeuillezusammensetzung. Sie stellt einen effizienten Kapitalersatz für wenig diversifizierte Erstversicherer dar: Anstatt dem Unternehmen Risikokapital zuzuführen wird das unternehmerische Risiko auf effiziente Weise teilweise außenstehendem Kapital (des Rückversicherers) zugewiesen. Rückversicherung ist auch ein Instrument zur Absorbierung von großen Einzelschäden und von marktweiten Kumulschäden wie sie bei Naturkatastrophen auftreten. Dank Rückversicherung (und natürlich anderen Mitteln) ist es Versicherern möglich, ihr Risiko- (Volatilitäts-) und Renditeprofil zu optimieren. Die stabilisierende Wirkung der Rückversicherung hilft, Geschäftspläne und Ergebnisprognosen zu erreichen. In Krisensituationen kann sich die Rückversicherung als äußerst effektives Instrument in Bezug auf das stufenweise Eingreifen der Aufsicht ( ladder of supervisory intervention ) erweisen ( anzapfbares Kapital ).

10 Einleitung Die Rückversicherungsstrategie ist ein wesentlicher Teil der Geschäfts- und Risikopolitik und damit ein entscheidendes Element im Risikomanagement von Versicherern. Rückversicherung ist, wie vorstehend ausgeführt, ein Hauptinstrument des Risikotransfers von Versicherern. Daher ist die adäquate und möglichst vollständige Berücksichtigung der Transferwirkung von Rückversicherung in einem risikobasierten Aufsichtssystem von großer Bedeutung. Die folgenden wenigen Fakten (Zahlen von 2004) zeigen die quantitative Bedeutung der Rückversicherung und das Beeinflussungspotenzial eines europäischen Aufsichtssystems: 6 Weltweit sind ca. 150 Rückversicherer mit einem Prämienvolumen von ca. 170 Mrd. $ aktiv. Die Prämien im Bereich Nicht-Leben machen ca. 80 % davon aus; der Rest von ca. 20 % entfällt auf den Bereich Leben. US-amerikanische Rückversicherer haben einen weltweiten Marktanteil von ca. 51 %, westeuropäische Rückversicherer von ca. 31 %. 7 Deutschland ist der bedeutendste europäische Standort mit einem Weltmarktanteil von 21 %. Exporteure von Rückversicherung sind vor allem Bermuda, Deutschland und die Schweiz. Solvency II ist das derzeit wichtigste Gesetzgebungsprojekt der Europäischen Union für die Versicherungswirtschaft und wird zu einer grundlegenden Reform der Versicherungsaufsicht in Europa führen. Solvency II ist zwar ein europäisches Projekt, das von der EU-Kommission initiiert wurde, dessen Wirkungen sind jedoch auch vor dem Hintergrund des globalen Rückversicherungsmarktes zu sehen. Das derzeitige europäische Solvenzsystem (Solvency I) basiert auf einer relativ einfachen formelhaften Berechnung der Kapitalanforderungen (capital requirements) in Abhängigkeit von Beiträgen und/oder historischen Schadenaufwendungen. Das tatsächliche Risikoprofil eines Versicherers kann damit aber möglicherweise nicht adäquat abgebildet werden. 8 Der Ansatz von Solvency II ist demgegenüber risikoorientiert: Je höher das Risiko ist, dem ein Versicherungsunternehmen ausgesetzt ist, desto mehr Eigenmittel zur Bedeckung der sich daraus ergebenden Kapitalanforderungen wird es vorhalten müssen. 6 Vgl. G30-Group [2006], A Study Group Report: Reinsurance and International Financial Markets. 7 Durch den 2006 erfolgten Verkauf der Rückversicherungsaktivitäten von General Electric (GE Insurance Solutions) an Swiss Re hat sich der europäische Anteil deutlich erhöht. 8 Zu Beispielen für eine evtl. nicht adäquate Abbildung der Risikostruktur (nach Rückversicherung) vgl. Kapitel 2.3.

Einleitung 11 Ziel ist somit ein Wandel von einer quantitativen zu einer umfassenderen qualitativen Aufsicht. Durch eine risikoadäquate Erfassung der Geschäftstätigkeit (Aktivund Passivseite) der Versicherer werden Kapitalanforderungen stärker risikobasiert ermittelt. Für das neue Aufsichtssystem für Versicherungsunternehmen wird eine Drei-Säulen-Struktur ähnlich zu Basel II für Banken angestrebt. 9 Um das Ziel einer qualitativen Aufsicht zu erreichen, werden zukünftig weitere aufsichtsrechtliche Instrumente neben die quantitativen Kapitalanforderungen in Säule I treten. Dies sind aufsichtsrechtliche Überprüfungsverfahren (supervisory review processes) für qualitative Aspekte des Risikomanagements in Säule II und Anforderungen der Marktdisziplin (market discipline requirements) über Transparenz durch verstärkte Veröffentlichungsanforderungen (public disclosure) in Säule III. 10 Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue, grundlegend reformierte Solvenzaufsicht im Versicherungsbereich ist für Sommer 2007 vorgesehen (Entwurf der Rahmenrichtlinie). Die aktuellen Arbeiten daran werden durch quantitative Auswirkungsstudien (Quantitative Impact Studies, Abk. QIS) ergänzt. Diese werden von CEIOPS, einem Zusammenschluss der europäischen Aufsichtsbehörden für Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds, derzeit mit den Marktteilnehmern durchführt. 11 Im Laufe des Jahres 2008 soll die Richtlinie durch Rat und EU- Parlament verabschiedet werden. Daran wird sich eine Phase anschließen, in der sowohl von Seiten der EU-Kommission aufgrund von Ermächtigungsklauseln in der Rahmenrichtlinie weitere Ausführungsbestimmungen erlassen als auch die Vorschriften in nationales Recht umgesetzt werden. Es ist trotz des engen Zeitplans nach wie vor davon auszugehen, dass die neuen Bestimmungen ab 2010 für die Unternehmen gelten werden. Spätestens dann wird ein effektives Risikomanagementsystem auch ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein. Nach dem geplanten Aufsichtssystem Solvency II werden Versicherungsunternehmen entweder mit Hilfe einer von der Aufsicht vorgegebenen Standardformel oder mit einem internen Modell, das von der Aufsichtsbehörde geprüft und genehmigt werden muss (Zertifizierung), ihre Kapitalanforderungen berechnen können. Bei den beiden alternativen Verfahren stellt sich grundsätzlich die Frage, wie die risikomindernde Wirkung von Rückversicherung berücksichtigt wird. Der Begriff "Standardformel" wird für eine Berechnung von Eigenmittelanforderungen gebraucht, die auf pauschalen Parametern ( Standardwerten ) basiert und grundsätzlich von jedem Versicherungsunternehmen angewendet werden darf. "In- 9 Zum Vorschlag einer Drei-Säulen-Struktur vgl. KPMG [2002], Study into the methodologies to assess the overall financial position of an insurance undertaking from the perspective of prudential supervision, S. 18. 10 Zu den einzelnen Säulen vgl. vertiefend GDV [2004], Risikosteuerung im Versicherungsunternehmen Risikoidentifizierung als Voraussetzung für ein integriertes Risikomanagementsystem, S. 41 ff. 11 Zu den (deutschen) Ergebnissen der Qualitative Impact Study 2 (QIS2) vgl. GDV [2006], QIS2 Ergebnisse der zweiten quantitativen Auswirkungsstudie zu Solvency II. Für April bis Juni 2007 ist eine weitere Auswirkungsstudie (QIS3) angekündigt.

12 Einleitung terne Modelle" werden dagegen unternehmensindividuell entwickelt und beruhen auf spezifischen, internen Parametern, welche die real vorliegenden Verhältnisse (im Unternehmen) abbilden. Interne Risikomodelle sollen es zum einen den Versicherern erlauben, die Solvenzanforderungen auf eine Weise zu berechnen, die ihr tatsächliches Risikoprofil widerspiegelt, und zum anderen aber auch zur Risikosteuerung geeignet sein (z. B. durch Szenarioanalysen). Sowohl bei internen Modellen als auch beim Standardansatz handelt sich um Verfahren zur ganzheitlichen Messung des Risikos eines Versicherungsunternehmens, mit denen insbesondere die Ermittlung einer Solvenzkapitalanforderung (Solvency Capital Requirement, Abk. SCR) angestrebt wird. Diese wird als eine ökonomische Zielgröße angesehen und soll das Gesamtrisiko des Unternehmens abbilden. Zugrunde liegt den Ansätzen jeweils ein Signifikanzniveau, das ausdrückt mit welcher Sicherheit das ermittelte Risikokapital ausreichen wird, evtl. eintretende Risiken abzudecken. Unter Solvency II ist die Anwendung eines Value-at-Risk-Maßes (VaR), kalibriert auf ein Signifikanzniveau von 99,5 %, was einem 1 in 200 Jahren Ruinereignis entspricht, geplant. 12 Es wird zu ermitteln sein, ob die vorhandenen Eigenmittel (Available Solvency Margin, Abk. ASM) die berechnete Solvenzkapitalanforderung (SCR) übersteigen und wenn nicht, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Des Weiteren wird es eine (geringere) Mindestkapitalanforderung (MCR) geben, deren Unterschreiten die Einstellung des Versicherungsgeschäfts zur Folge haben würde. Für den Fall, dass die vorhandenen Eigenmittel (ASM) zwar unter der Solvenzkapitalanforderung (SCR) fallen aber noch oberhalb der Mindestkapitalanforderung (MCR) liegen, wurden verschiedene stufenweise Eingriffsmöglichkeiten der Aufsicht ( ladder of supervisory intervention ) vorgeschlagen. Beim Standardansatz werden die einzelnen Risiken mittels einer pauschalen Formel (der Standardformel ) zu einem Gesamtrisiko aggregiert, wobei die Formel in gewisser Weise Diversifikationseffekte zwischen den Risikokategorien beachtet (z. B. durch feste Korrelationsmatrizen). Demgegenüber erfolgt bei internen Modellen eine detailliertere Modellierung der Verteilung des Gesamtrisikos, bei der explizit und unternehmensindividuell Abhängigkeitsstrukturen zwischen den Risiken berücksichtigt werden (z. B. Besonderheiten des Bestandsmixes, der Asset-Allokation oder der Rückversicherungsstruktur). Aufgrund der konservativen Annahmen und der in den Parametern enthaltenen Sicherheitszuschläge sollte eine mit einer zukünftigen Standardformel berechnete Kapitalanforderung in der Regel das Risikokapital übersteigen, das mit Hilfe eines zertifizierten internen Risikomodells ermittelt wird. Für Unternehmen besteht so der Anreiz, ihre Eigenmittelanforderungen auf Basis interner Modelle zu berechnen, weil so 12 In der Diskussion steht auch als Risikomaß der TailVaR. Einem VaR von 99,5 % würde approximativ einem TailVaR von 99,0 % entsprechen. Die europäische Versicherungswirtschaft spricht sich für den VaR als Risikomaß aus. Vgl. CEA [2006], CEA Working Paper on the risk measures VaR and TailVaR.

Einleitung 13 der höhere Aufwand bei der Implementierung und Unterhaltung eines internen Modells gegenüber einer Standardformel kompensiert werden kann. Eine Standardformel sollte nicht für die interne Steuerung genutzt werden, weil sie ausschließlich für die Berechnung der Kapitalanforderungen und nicht zur Risikosteuerung (z. B. der Rückversicherungspolitik) oder für eine (unternehmensindividuelle) Risiko-Rendite-Optimierung konzipiert ist. 13 Interne (und Partial-)Modelle können hingegen in vielfältiger Weise für das Risikomanagement und das Controlling eingesetzt werden. Die Modellierung von proportionaler und nicht-proportionaler Rückversicherung stellt im Hinblick auf die Berechnung von Kapitalanforderungen sowohl in internen Modellen als auch im Standardansatz eine Herausforderung dar. Schwierigkeiten bereiten zum einen die Vielfalt der tatsächlich genutzten Rückversicherungsverträge und zum anderen auch die Anforderung der Datenverfügbarkeit, die mit der Realität oftmals kollidiert. Für die deutsche Versicherungswirtschaft, Erst- und Rückversicherer, ist eine angemessene und praktikable Einbeziehung von Rückversicherung bereits im Standardansatz von hohem Interesse. Die bisher diskutierten Überlegungen zu Standardformeln für ein neues risikobasierten Aufsichtssystems (u. a. GDV/BaFin- Vorschlag und QIS2) zeigen, dass bereits Modellierungsansätze vorliegen, jedoch noch weiterer Klärungsbedarf für sachgerechte Lösungen hinsichtlich der Einbeziehung von Rückversicherungseffekten unter Solvency II besteht. Es liegt in der Natur der Sache, dass Lösungsansätze für die Einbeziehung von Rückversicherung im Standardansatz nur Teilaspekte abbilden können und hinter der präzisen Abbildung in internen Modellen zurückbleiben müssen. Für wesentliche Aspekte ist jedoch die in gewisser Weise heuristische Abbildung bereits zielführender als eine Vernachlässigung, um Fehlanreize im Risikomanagement zu vermeiden, wie sie z. T. unter Solvency I gegeben sind (vgl. Unterkapitel 2.3). 14 Sofern die Abbildung in einer Standardformel nicht gelingt und die Entwicklung eines internen Modells ausscheidet, könnten Partialmodelle eine Alternative darstellen. Dies unterstellt, dass keine unangemessenen Restriktionen für Partialmodelle zur Anwendung kommen. Da unter Solvency II ein ökonomischer, risikobasierter Ansatz verwirklicht werden soll, ist das Delkredere-Risiko aus dem Risikotransfer vom Erstversicherer an den Rückversicherer (= Rückversicherungs(forderungs)ausfallrisiko, reinsurance credit risk) in geeigneter Weise abzubilden. Das Ausfallrisiko eines Rückversicherungsprogramms ist eng mit der Qualität und der Anzahl der Rückversicherer, mit denen Rückversicherungsverträge abgeschlossen werden, verknüpft, sodass Überlegun- 13 So ist beispielsweise auch die QIS2-Standardformel als aufsichtsrechtliches Instrument und nicht als Risikomanagementinstrument konzipiert. 14 Zur Anrechenbarkeit von Rückversicherung unter Solvency I (Richtlinien 2002/83/EC für Lebensversicherungsunternehmen und 2002/13/EC für Schaden- und Unfall-Versicherungsunternehmen) vgl. Anhang A.

14 Einleitung gen zu einer qualitativen und quantitativen Bewertung des Rückversicherungsschutzes angestellt werden müssen.

Rückversicherungsstrategie 15 2 Qualitative und quantitative Berücksichtung von Rückversicherungsstrategien in einem risikobasierten Aufsichtssystem 2.1 Rückversicherungsstrategie In diesem Abschnitt sollen die begrifflichen Grundlagen für Rückversicherung im Rahmen des Risikomanagements von Versicherungsunternehmen gelegt werden. Dazu werden qualitative Anforderungen an Rückversicherungsstrategien sowie deren Einbindung in das (Risiko-)Management eines Versicherungsunternehmens formuliert. 15 Die Erfüllung qualitativer Anforderungen ist darüber hinaus wesentlich für die quantitative Berücksichtigung von Rückversicherung in einem Solvenzsystem. In Bezug auf Solvency II bedeutet dies, dass Säule I und Säule II im Zusammenhang zu sehen sind: Der Einsatz von Rückversicherung erfordert eine entsprechende Risikoidentifikation vor und nach Rückversicherung in Säule II. Die Bestimmung der risikomindernden Wirkung von Rückversicherung als umgesetzter Teil des unternehmensindividuellen Risikomanagementprozesses ist dabei Voraussetzung für die Berechnung risikobasierter Kapitalanforderungen in Säule I. Es ist darüber hinaus anzuerkennen, dass das einzusetzende interne Risikomanagementsystems von der Komplexität des Risikoprofils unter Beachtung des verwendeten Rückversicherungsinstrumentariums abhängt. Dies bedeutet z. B., dass eine Senkung der Kapitalanforderungen durch Rückversicherung (capital relief) auch einer systematischen Überwachung und regelmäßigen Überprüfung der Rückversicherungsbeziehungen als Teil der Risikokontrolle im Risikomanagementprozess bedarf. Für kleinere und mittlere Versicherer kann dies weiterhin in unterschiedlicher Weise erforderlich sein als für große Versicherer. Allerdings sollten die Anforderungen nichtsdestoweniger im Verhältnis zum Risikoprofil eines Versicherers unabhängig von dessen Größe stehen. Weitere Aspekte werden im Folgenden unter diesem Blickwinkel betrachtet. Definition Rückversicherungsstrategie Eine Rückversicherungsstrategie ist Teil einer umfassenden Risiko- und Kapital- Management-Strategie. Sie besteht aus einer Zielsetzung und dem Einsatz von Instrumenten. 15 Vgl. ähnliche Anforderungen in IAIS [2002], Supervisory standard on the evaluation of the reinsurance cover of primary insurers and the security of their reinsurers, Supervisory Standard No. 7, S. 5 ff.

16 Rückversicherungsstrategie Rückversicherung ist ein wesentliches Instrument des Risikomanagements von Versicherern und wird hauptsächlich dazu benutzt, um das Versicherungsgeschäft gegen schwankende Ergebnisse zu schützen. Eine weitere wichtige Funktion der Rückversicherung ist ihre Wirkung als Kapitalersatz. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht ist es das Ziel einer angemessenen Rückversicherungsstrategie, die jederzeitige Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen sicherzustellen. Konstituierendes Merkmal der Rückversicherung ist der Risikotransfer, d. h. die Entlastung des Versicherungsunternehmens von Risiken. Die Gestaltungsmöglichkeiten hierzu sind vielfältig und abhängig von der individuellen Unternehmenssituation, der Risikocharakteristik und dem jeweiligen Risikotransferbedarf. Ziele einer Rückversicherungsstrategie Eine Rückversicherungsstrategie ist die Gesamtheit von Rückversicherungsmaßnahmen, die dazu dienen sollen, ein gegebenes Risikoprofil eines Versicherungsportfolios so zu verändern, dass es sich an ein gewünschtes Risikoprofil bestmöglich anpasst. Die Risikomanagementstrategie soll aufzeigen, welche Risiken existieren und wie das Unternehmen mit Risiken umgehen will. Die Strategie kann in quantitativen 16 und qualitativen Parametern ausgedrückt werden. Wesentliche Parameter im Rahmen der Rückversicherungsstrategie Die vom Gesamtvorstand zu verabschiedende Rückversicherungsstrategie sollte die wesentlichen Kriterien der Rückversicherungsgestaltung festlegen, z. B.: die grundlegenden Ziele des Rückversicherungsprogramms, den (maximalen) Selbstbehalt in einzelnen Versicherungszweigen, das für die Zielereichung erforderliche Rückversicherungsprogramm, das Budget für das Rückversicherungsprogramm (Kosten-Nutzen-Überlegungen), gewünschte/erforderliche Vertragsklauseln, Regularien für die Einhaltung und die Überwachung des Zahlungsverkehrs. 16 Beispielsweise unter Verwendung von Ruinwahrscheinlichkeiten ( im Risiko stehendes Kapital ) oder Szenarien, die den im Risiko stehenden Ertrag abbilden.

Rückversicherungsstrategie 17 Dokumentation der Rückversicherungsstrategie Rückversicherungsverträge werden bereits jetzt in vielfältiger Weise dokumentiert. Der Umfang einer Dokumentation kann nicht im Detail bestimmt werden; er hängt im Einzelfall von der Größe und der Risikosituation des Unternehmens sowie von der Komplexität des Rückversicherungssystems ab. Zweckmäßig ist künftig vor allem aber ein vollständiges Rückversicherungsvertragsregister als wesentlicher Teil der Dokumentation der Rückversicherungsstrategie. Die Formulierung der Rückversicherungsstrategie kann anhand der Vertragsdokumentation explizit nachvollzogen werden. In Abhängigkeit von der Komplexität des jeweiligen Geschäftsmodells würden sich somit ggf. auch weitere Zusatzdokumentationen erübrigen. Die Dokumentation könnte beispielsweise eine Zusammenfassung mit Angabe aller Rückversicherungsverträge enthalten. Instrumente einer Rückversicherungsstrategie Rückversicherungsinstrumente können obligatorischer oder fakultativer Natur sein und unterschiedliche Deckungsarten auf proportionaler oder nicht-proportionaler Basis enthalten. Sie sind auf ihre Eignung zu untersuchen und unter Kosten-/ Nutzen-Aspekten zu bewerten. Hierbei sind die Wirkungen auf die Kapitalanforderungen zu berücksichtigen. Rückversicherungsanbieter Geeignete Rückversicherer sind unter dem Gesichtspunkt der Streuung und Sicherheit (z. B. financial strength rating) auszuwählen. Die Anzahl der gewählten Rückversicherer und deren Finanzstärke stellen in gewisser Weise ergänzende Faktoren bei der Beurteilung der Qualität des Rückversicherungsschutzes dar. Eine Diversifizierung des Portfolios der am Rückversicherungsprogramm beteiligten Rückversicherer kann im Rahmen des Risikomanagements grundsätzlich dazu beitragen, ein Unternehmen unabhängiger gegen Verluste aus einem Rückversicherungsforderungsausfall (Kreditrisiko) zu machen. Es kann aber nicht generell behauptet werden, dass sich das Risiko bei einer Konzentration der Rückversicherung auf einen einzigen Rückversicherer mit gutem Rating gegenüber der Verteilung auf mehrere niedriger geratete Rückversicherer erhöht. Eine Diversifizierung beim Einkauf von Rückversicherungsschutz (im Sinne der Streuung des Risikos auf eine vorgegebene Mindestanzahl von Rückversicherern) zwingend vorzuschreiben ist daher nicht sinnvoll. (Eine stringente quantitative Analyse dieses Punkts enthält Unterkapitel 4.2.4 und Anlage B.)

18 Rückversicherungsstrategie Je Rückversicherer sind unter Berücksichtigung der jeweiligen Kapitalstärke intern Obergrenzen eines Kreditrisikos festzulegen. Hierbei sind bestehende Risiken aus vergangenen und mögliche Kreditrisiken aus gegenwärtigen Rückversicherungsverträgen gemeinsam zu bewerten. Governance sowie Aufgaben und Verantwortlichkeiten Der Vorstand sollte die Rückversicherungspolitik formulieren und die organisatorischen Maßnahmen festlegen, die zur Umsetzung der Rückversicherungsstrategie erforderlich sind. Da die Rückversicherungsstrategie ein Element des Risikomanagements eines Versicherungsunternehmens darstellt, ist die Festlegung der Rückversicherungsstrategie eine Aufgabe des Gesamtvorstands. Neben der Entwicklung der Rückversicherungsstrategie in Abstimmung mit dem Vorstand muss auf der operativen Ebene gewährleistet sein, dass die Versicherungsverträge, aus denen die Rückversicherungsverträge alimentiert werden, identifiziert werden können und eine sachgerechte Verknüpfung mit dem Rückversicherungsvertrag hergestellt wird. Weiterhin ist sicherzustellen, dass alle Rückversicherungsvertragsinhalte vollständig und termingerecht umgesetzt werden. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass alle vorgenannten Anforderungen auch für kleine und mittlere Versicherer praktikabel umsetzbar sein müssen. In Abhängigkeit von dem Risikoprofil des Versicherers könnte demzufolge beispielsweise eine vereinfachte Dokumentation ausreichend sein. 2.2 Schwierigkeiten der quantitativen Abbildung der Rückversicherungsstrategie Rückversicherung ist ein mächtiges Konzept, um die mögliche Volatilität versicherungstechnischer Ergebnisse zu begrenzen. Damit ist Rückversicherung in der Lage, Kapitalanforderungen signifikant zu senken. Dazu ist es zwingend, die Auswirkungen der Rückversicherung auch im Standardansatz unter Solvency II für Zwecke der Berechnung der Mindestkapitalanforderung (MCR) bzw. der Solvenzkapitalanforderung (SCR) adäquat zu berücksichtigen. Die Berechnung der die Volatilität senkenden Auswirkungen von (proportionaler oder nicht-proportionaler) Rückversicherung erfordert ein gewisses Komplexitätsniveau beim Standardansatz. Speziell die Bewertung des Effekts der Volatilitätsreduzierung von nicht-proportionalen Rückversicherungsformen (wie z. B. excess of loss oder stop loss) kann nicht linear aufgrund der Verteilung der historischen Schadenquoten des zugrundeliegenden Portfolios bestimmt werden.

Rückversicherungsstrategie 19 Die Schadenexzedenten-Rückversicherung beispielsweise ist auf Einzel- und/oder Kumulschadenbasis definiert. Ihre Auswirkung auf das Volatilitätsmuster, d. h. die Auswirkung auf die Form der Verteilungsfunktion der versicherungstechnischen Ergebnisse (Gewinne/Verluste) des unterliegenden Versicherungsvertragsbestandes hängt von spezifischen Parametern wie z. B. Priorität, Limiten, Anzahl der Wiederauffüllungen, Risiko- bzw. (Schaden-)Ereignisdefinition, Größe des Rückversicherungsportfolios, etc. ab. Da stop loss (Jahresschadenexzedenten)-Rückversicherungen eine direkte Reduzierung der Volatilität der Schadenquoten des unterliegenden Vertragsportfolios bewirken, ist die Modellierung dieses Typs nicht-proportionaler Rückversicherung leichter zu behandeln. Im Gegensatz zu solchen nicht-proportionalen Rückversicherungsformen, hat die proportionale Rückversicherung (Quote und Summenexzedent) einen Effekt auf die Größe des zugrunde liegenden Portfolios, nicht jedoch einen signifikanten Einfluss auf die Verteilung der Schadenquoten. Quotenteilungsverträge transferieren einfach nur eine bestimmte Quote des existierenden Bestandes in die Bücher des Rückversicherers. Ihre Berücksichtigung in einem Solvenzsystem bedeutet nicht anderes als die Senkung der Kapitalanforderungen eines Versicherers auf die Nettoposition (den Eigenanteil/Selbstbehalt) des betreffenden Bestandes. Summenexzedenten-Rückversicherung kann durch Prozentanteile approximiert werden analog zu Quotenteilungsverträgen. Dies ist jedoch eher für Gruppen mit ähnlichen Risiken als für ganze Bestände angebracht. Eine ganz spezifische Herausforderung resultiert aus der Tatsache, dass sowohl proportionale als auch nicht-proportionale Rückversicherung auf Teilbeständen agieren. Dies bedeutet, dass die Bestimmung des vollständigen Risikominderungseffekts der Rückversicherung wesentlich ist. Der Hauptzweck nicht-proportionaler Rückversicherung ist die Reduzierung der Größe des Verlustes/des Schadens, sei es bezogen auf ein einzelnes Risiko (fakultative nicht-proportionale Rückversicherung), bezogen auf die Anzahl der Risiken in einem Bestand (per risk excess), auf die Verlusthöhe eines Kumulereignisses für einen Bestand (catastrophe excess of loss) oder abhängig von der Performance des Bestandes in einer bestimmten Zeitperiode (stop loss). Die Bestimmung des aggregierten Effekts auf ein gesamtes Portfolio, der aus diesen verschiedenen Rückversicherungsvertragsformen und -strukturen resultiert, verlangt einen gewissen Komplexitätsgrad bereits für die Zwecke der MCR-/SCR-Berechnung. Da der Bestandseffekt, der aus der Rückversicherungsnahme hervorgerufen wird, hochgradig nicht-linear ist, können individuelle Effekte nicht durch ein einfaches Hinzuaddieren abgebildet werden. Es sei darauf hingewiesen, dass hier jeweils auf die proportionale bzw. nichtproportionale Wirkung von Rückversicherungsverträgen abgestellt wird. Auch proportionale Rückversicherungsverträge können Regelungen enthalten, die eine Herausforderung bei der Modellierung darstellen (beispielsweise ergebnisabhängige

20 Rückversicherungsstrategie Provisionen oder Mehrjahresstrukturen). Entscheidend ist jeweils die ökonomische Wirkungsweise des Risikotransfers. Des Weiteren sollte das Risiko eines möglichen Ausfalls eines Rückversicherers angemessen berücksichtigt werden (vgl. vertiefend 4.2.4). 2.3 Zeit für einen Paradigmenwechsel Die in Unterkapitel 2.1 skizzierten qualitativen Anforderungen an eine Rückversicherungsstrategie werden in einem neuen, risikobasierten Aufsichtssystem verstärkt durch die Aufsichtsbehörden überprüft. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die quantitativen Effekte der Rückversicherung in einem zukünftigen Aufsichtssystem weitaus stärker berücksichtigt werden müssen als im jetzigen trotz der genannten Schwierigkeiten (vgl. 2.2). Es stellt sich daher die Frage, inwieweit auf die bisherigen Prinzipien zur Einbeziehung der Rückversicherung bei den zukünftigen Kapitalanforderungen zurückgegriffen werden kann. Wie im Folgenden dargelegt wird, liefern die jetzigen Regelungen keinen dafür geeigneten Rahmen, sodass es Zeit für einen Paradigmenwechsel in der quantitativen Berücksichtigung von Rückversicherung bei der Berechnung der Solvabilität ist. Die bestehenden Solvency I-Regelungen sind dadurch gekennzeichnet, dass Rückversicherung nur sehr pauschal Solvenzkapital mindernd wirkt. Des Weiteren wird die Wirkung von Rückversicherung unabhängig von der Qualität des Rückversicherungsanbieters voll bzw. nach oben beschränkt anerkannt. Ohne auf die Berechnung der Solvabilitätsanforderungen nach Solvency I im Detail einzugehen, werden im Folgenden die gerade genannten wesentliche Kritikpunkte am bestehenden Solvenzsystem im Hinblick auf die Berücksichtigung von Rückversicherung beispielhaft in ihren Fehlanreizen illustriert. Im Anhang A werden die gegenwärtig gültigen Regeln zur Anrechenbarkeit von Rückversicherung auf die Solvenzspanne in der Lebens- und Nichtlebensversicherung wiedergegeben. 1. Kritikpunkt: Pauschalität der Berücksichtigung der risikomindernden Wirkung von Rückversicherung auf die Eigenmittelanforderungen In der Lebensversicherung wie auch in der Schaden-/Unfallversicherung wird die Wirkung von Rückversicherung über einen Faktor (der Eigenbehaltsquote), also in linearer Weise, modelliert. Damit kann der Vielfalt der Rückversicherungsformen, insbesondere der nicht-proportionalen Rückversicherung in keinster Weise Rechnung getragen werden. Das folgende Beispiel möge dies veranschaulichen (Schadenversicherung unterstellt):

Rückversicherungsstrategie 21 Unternehmen A Unternehmen B Eigenbehaltsquote: 90 % proportionale Rückversicherung Eigenbehaltsquote: 90 % nicht-proportionale Rückversicherung (Stopp loss) identische geforderte Solvenzspanne, obwohl hohe Volatilität der versicherungstechnischen Ergebnisse Ruinwahrscheinlichkeit > 0 % gekappte Volatilität der versicherungstechnischen Ergebnisse Ruinwahrscheinlichkeit nahe 0 % Abb. 1: Beispiel zur pauschalen Berücksichtigung von Rückversicherung unter Solvency I 2. Kritikpunkt: Anwendung willkürlicher Grenzen auf die zu Solvenzzwecken angerechnete Rückversicherung Die eigenmittelerleichternde Wirkung von Rückversicherung ist durch willkürliche Limite von 50 % (bzw. 15 %) eingeschränkt (vgl. Anhang A). Es besteht also kein Anreiz, über die festgelegten Grenzen Rückversicherungsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. das folgende einfache Beispiel in Abb. 2, wiederum Schadenversicherung), selbst wenn dies aus risikotheoretischer Sicht notwendig bzw. ökonomisch sinnvoll wäre. Im Krisenfall bedeutet die beschränkte Berücksichtigung der Rückversicherungseffekte evtl. eine weitere Verschärfung, weil angemessene Rückversicherungslösungen nur begrenzt aufsichtsrechtlich Anerkennung finden.

22 Rückversicherungsstrategie Unternehmen A Unternehmen B Eigenbehaltsquote: 50 % proportionale Rückversicherung Eigenbehaltsquote: 30 % (aufsichtsrechtlicher Mindestansatz 50 %) auch nicht-proportionale Rückversicherung identische geforderte Solvenzspanne, obwohl Volatilität höher Volatilität geringer jedoch höheres Kreditrisiko Abb. 2: Beispiel zur beschränkten Wirkung von Rückversicherung unter Solvency I 3. Kritikpunkt (Volle) Anerkennung des Rückversicherungsschutzes unabhängig von der Bonität der Rückversicherungsanbieter Das Ausfallrisiko gegenüber dem Rückversicherer wird bis zur Höchstgrenze der Anerkennung der Rückversicherung nicht berücksichtigt. Über die Höchstgrenze hinaus wird implizit der Ausfall immer angenommen. Es besteht also bzgl. der Kapitalanforderungen kein Anreiz, die Qualität der Rückversicherer zu berücksichtigen (vgl. das nachfolgende Beispiel). Unternehmen A Eigenbehaltsquote: 50 % proportionale Rückversicherung Rating des Rückversicherers BBB+ Unternehmen B Eigenbehaltsquote: 50 % proportionale Rückversicherung Rating des Rückversicherers AA- identische geforderte Solvenzspanne, obwohl Forderungsausfallrisiko gegenüber Rückversicherer höher Forderungsausfallrisiko gegenüber Rückversicherer niedriger und ratingbedingt höhere Rückversicherungskosten und keine Entlastung bei Kapitalkosten Abb. 3: Beispiel zur Nicht-Berücksichtigung der Bonität des Rückversicherungsschutzes unter Solvency I

Rückversicherungsstrategie 23 Weitere Kritikpunkte Kritisch ist auch, dass relevante Veränderungen des Rückversicherungsprogramms evtl. nur verzögert Veränderungen der Eigenmittelanforderungen bewirken. (Dem lässt sich am besten durch einen robusten Beaufsichtigungsrahmen nach Säule II begegnen vgl. hierzu Unterkapitel 4.1) Ohne ein konkretes Zahlenbeispiel soll an dieser Stelle ein weiterer Kritikpunkt bzgl. der bisherigen Regelungen genannt werden: In der Schadenversicherung wird die Solvenzspanne als Maximum eines Prämien- und eines Schadenindexes berechnet (vgl. Anhang A), sodass es unter bestimmten Konstellationen dazu kommen kann, dass die signifikante Senkung der potenziellen Schadenbelastung durch Rückversicherung sich nur gering niederschlägt, da sie durch die Prämienbetrachtung begrenzt wird. 17 Letztlich findet somit Rückversicherung in ihrer risikomindernden Wirkung teilweise keine angemessene Berücksichtigung. Schlussfolgerung Insgesamt kann also festgehalten werden, dass das jetzige Solvabilitätssystem in unzureichender Weise die Wirkung des Rückversicherungsschutzes (z. B. auch Diversifikationseffekte) auf Risiko und Kapital abbildet. Bei der Gestaltung eines neuen Aufsichtssystems sollte also bei der Behandlung der Rückversicherung keinesfalls auf die bisherigen Modellierungsansätze zurückgegriffen werden. Es ist Zeit für einen grundlegenden Paradigmenwechsel. 17 Aber auch bei einer Schadenbetrachtung wird der ökonomische Nutzen des bestehenden Rückversicherungsprogramms ggf. nach wie vor nicht ausreichend berücksichtigt, wenn die aus dem Rückversicherungsprogramm erzielten Rückvergütungen in den letzten Jahren begrenzt ausfielen vgl. Anhang A.

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Rückversicherung in QIS2 25 3 Berücksichtigung von Rückversicherung im QIS2-Standardansatz Ziel eines Standardansatzes ist es, dass für einen Großteil der Unternehmen die Solvenzanforderungen mittels eines Standardverfahrens berechnet werden können. Ein Standardansatz soll hinreichend risikosensitiv sein, um der Risikosituation eines Großteiles der Unternehmen gerecht zu werden. Dort, wo er zu grob ist, sollte der Standardansatz eine konservative Abschätzung des Risikos darstellen. Im Rahmen der Beaufsichtigung nach Säule II wird die Aufsichtsbehörde für jedes Unternehmen, das einen solchen Standardansatz benutzt, zu entscheiden haben, ob der Einsatz im vorgenannten Sinne gerechtfertigt ist. Entlastung durch Rückversicherung ist wesentlicher Teil der Risikopolitik eines Unternehmens und muss daher in angemessener Form in die Berechnung des SCR einfließen. 18 Des Weiteren geht ein Standardansatz i. A. davon aus, dass der bestehende Rückversicherungsschutz im Betrachtungszeitraum fortgeführt wird (beispielsweise durch eine Erneuerung der Verträge). 3.1 Behandlung von Rückversicherung im QIS2-Standardansatz Im Folgenden soll die Berücksichtigung von Rückversicherung im Solvency II-kompatiblen Standardansatz der QIS2 (Quantitative Impact Study 2) diskutiert werden. 19 Bereits vor der Durchführung von QIS2 hatte der GDV in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und in Diskussion mit der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) im Dezember 2005 einen deutschen Vorschlag unterbreitet, wie die Solvenzanforderungen in Säule I des Solvency II-Projektes bestimmt werden könnten. 20 Der QIS2-Vorschlag für eine Standardformel (kurz: QIS2-Standardansatz) zur Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen (Solvency Capital Requirements, Abk. SCR) ist wie auch der GDV/BaFin-Ansatz eine Multi-Faktorformel. Sie soll auf Grundlage sowohl unternehmensindividueller nur GDV/BaFin-Ansatz als auch markteinheitlicher Informationen ein möglichst genaues Bild der Risikolage eines 18 Gleiches gilt für das MCR (Minimum Capital Requirement). Vgl. 4.2.1. Zu einer ebensolchen Forderung vgl. CRO Forum [2006], Financial risk mitigation in insurance Time for change, Discussion Paper (04/2006), S. 21 (Principle 4). 19 Dokumente und Dateien zu QIS2 stehen unter http://www.bafin.de/cgi-bin/bafin.pl?verz= 0801020300&sprache=0&filter=&ntick=0 zum Download. 20 Die Dokumentation und die Dateien zum deutschen Standardansatz sind unter http:// www. gdv.de/themen/rechnungslegung_und_projekt_solvency_ii/rechnungslegung_und_solvency_ii_hintergrundinformationen/inhaltsseite756.html zu finden.

26 Rückversicherung in QIS2 Versicherungsunternehmens zeichnen und die Basis für die Berechnung des SCR bilden. In einer Faktorformel kann Rückversicherung nur in begrenzter Weise in die Berechnung einbezogen werden. Diese Grenzen sollen in diesem Abschnitt ausgehend vom QIS2-Ansatz, der bei den Bewertungsprinzipien mit großen Teilen des GDV/ BaFin-Ansatzes übereinstimmt, aufgezeigt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch der Detaillierungsgrad der QIS2-Anforderungen an die einfließenden Daten noch lange nicht so konkret wie beim GDV/BaFin-Vorschlag, so dass sich nachfolgende Überlegungen auch zum Teil auf Konkretisierungen der QIS2-Anleitung durch die deutsche Versicherungsaufsicht beziehen. 21 Die Darstellung differenziert im Folgenden zwischen der Modellierung in den Schaden-/Unfall-Sparten (3.1) und im Leben- und Kranken-Bereich (3.2). Danach werden die Schwachpunkte der Rückversicherungsmodellierung im Rahmen von QIS2 diskutiert (3.3). 3.1.1 Schaden/Unfall Zur Berechnung des versicherungstechnischen Risikos auf Ebene der Geschäftsfelder/Geschäftssegmente sog. Lines of Business (LoB) konnten im QIS2-Ansatz analog zum GDV-Standardansatz auch VU-individuelle, historische Netto-Combined Ratios nach Abwicklung über einen Zeitraum von 15 Jahren herangezogen werden. Dies war aber nur als Alternativansatz vorgesehen. Zu verwenden waren regulär 22 einheitliche Marktdaten (durchschnittliche Markt-Variabilität). Grundsätzlich ist das versicherungstechnische Risiko im QIS2-Standardansatz in ein Prämien- und ein Reserverisiko getrennt. Da dieser Placeholder-Ansatz keine VU-individuellen Daten nutzt, schlägt sich Rückversicherung und insbesondere die Wirkung von nicht-proportionaler oder strukturierter Rückversicherung nur indirekt über das Prämienvolumen im Vergleich zur Bruttoprämie nieder. Ein solches Vorgehen bildet in der Regel das VU-individuelle Risiko und den gewählten Rückversicherungsschutz nicht angemessen ab. 21 Vgl. BaFin [2006], Zweite Untersuchung zu den quantitativen Auswirkungen von Solvabilität II (Quantitative Impact Study 2 QIS 2) Anleitung für die deutschen Teilnehmer. 22 Regulär meint an dieser Stelle, dass es sich um den sog. Placeholder-Ansatz handelte. Für einzelne Teilrisiken wurden in QIS2 mehrere mögliche Risikomodellierungen parallel getestet. Dadurch ergaben sich bei der Berechnung des SCR verschiedene Kombinationsmöglichkeiten für die Zusammenfassung der Teil- Risikokapitalien zu einem Gesamt-SCR. Um dennoch für Vergleichszwecke ein Gesamt-SCR angeben zu können, wurde überall da, wo mehrere Varianten getestet wurden, eine dieser Varianten als Hauptvariante ( Placeholder ) ausgezeichnet. Auf diese Weise war es in QIS2 möglich, ein Placeholder-SCR als Kombination der Risikokapitalien für die Placeholder-Varianten zu ermitteln. Vgl. CEIOPS [2006], Quantitative Impact Study 2 Technical Specification, CEIOPS-PI-08/06.