PD Dr. Klaus Detterbeck. Universität Magdeburg/ PH Schwäbisch Gmünd. Jahrestagung des AK Parteienforschung (DVPW), Düsseldorf, 25./26.

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Transkript:

PD Dr. Klaus Detterbeck Universität Magdeburg/ PH Schwäbisch Gmünd Jahrestagung des AK Parteienforschung (DVPW), Düsseldorf, 25./26. Oktober 2013

Aus einem Beschluss des Landesvorstandes der NRWSPD, 23.9.2013: [ ] 4. [ ] Die SPD ist nicht dafür angetreten, um als Mehrheitbeschafferin die CDU an der Regierung zu halten( ) 5. Die NRWSPD wird eine breite Beteiligung der Gremien und Mitglieder an möglichen Entscheidungsprozessen sicherstellen Bundesvorstand und Parteikonvent beschließen am 27.9. die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Union und einen Mitgliederentscheid über die Ergebnisse von Koalitionsverhandlungen

Manipulation durch Parteispitze Parteiführung will durch Umgehung der Aktivisten und Delegierten eine leichte Legitimation ihrer Entscheidung durch eine (nichtorganisierte, unkritische) Basis erreichen: Demokratisierung als Fassade Sorge der Landesparteien um die eigene Wettbewerbsarena (hier: anstehende Kommunalwahlen) Föderale Ordnung schafft einen Parteienwettbewerb mit mehreren Ebenen, die je eigener Logik unterliegen Vertikal integrierte Parteien müssen Balance zwischen innerer Einheit und regionaler Anpassung schaffen Verlust an Kohäsionskraft: Demokratisierung als Versuch neuen territorialen Zusammenhalt zu schaffen, über die Ebenen hinweg zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen Verlust an Kohäsionskraft: Demokratisierung als Machtmittel der Landesführungen um Basis gegen die Bundesspitze zu mobilisieren

Parteienwandel: Demokratisierung Mitglieder mehr Rechte als Individuen, Gremien verlieren an Bedeutung Welche neue Rolle hat party on the ground? Wer gewinnt durch innere Demokratisierung? Territorialisierung von Parteien Prozesse von staatlicher Dezentralisierung und Europäisierung machen innerparteiliche Kohäsion fragiler Mehr Asymmetrien zwischen den Ebenen des Wettbewerbs Stärkere Autonomie regionaler Parteieinheiten in Fragen von Organisation, Programmatik, Strategien, Koalitionen

Innerparteiliche Dynamiken sind unter Berücksichtigung der territorialen Dimension von Parteiorganisationen zu verstehen = Analyse der Machtbeziehungen und der Ressourcenverteilung zwischen zentraler und unteren Parteiebenen Fokus im internationalen Vergleich auf Fälle mit mehreren bedeutsamen territorialen Ebenen des Wettbewerbs (föderale/dezentralisierte Systeme)

Systemische Rolle von Parteien ( interpenetration of party and state ) Wettbewerb ( inter-party collusion ) Organisation ( cartel party type ) Hinwendung zur staatlichen Sphäre Erosion gesellschaftlicher Bindungen Kartellisierung von Privilegien (bei Versuch der Exklusion neuer Wettbewerber) = politische Klasse Depolitisierung und Begrenzung von Policy-Alternativen = politische Elite Vorherrschaft öffentlicher Mandatsträger Stratarchie zwischen nationaler und lokaler Parteiebene

Organisatorische Konvergenz der Parteien eines Landes Interessen der Berufspolitiker (party in public office) dominieren Parteien = Teilhabe am Kartell setzt voraus/begünstigt einen Handlungsfreiraum für Parteieliten Geringere Abhängigkeit von Ressourcen der Mitgliederorganisation (etwa: staatliche Finanzierung, Professionalisierung von Kampagnen) Direkte Demokratie zur Umgehung der organisierten Aktivisten Lockerung vertikaler Integration (Stratarchie)

Machtteilung in Parteien: Statt einem dominanten Zentrum verfügen einzelne Ebenen über gewisse Autonomie, bei gegenseitiger Interdependenz für Erfolg ( mutual autonomy ) Nationale Ebene bestimmt generelle Linien, lokale Verbände sorgen in Eigenregie - für Präsenz und Mobilisierung vor Ort, regionale/funktionale Einheiten sind für spezifische Aufgaben und den Ausgleich zwischen nationalen und lokalen Ansprüchen zuständig

Carty 2004: Variationen zwischen Parteien im Grad an Autonomie und zentraler Kontrolle. Some more centralized, others more decentralized, others federalized (p. 10) Bollyer 2009: Typologie von (neuen) Parteiorganisationen Hierarchien Stratarchien Föderationen Starke zentrale Kontrolle Funktionale Arbeitsteilung, gegenseitige Abhängigkeit Dominanz der Glieder über höhere Einheiten

Parteien finden unterschiedliche Antworten auf die wachsende Herausforderung territorialer Heterogenität (a) Neue Machtbalancen, die in unterschiedliche Richtungen gehen können: Zentralisierung versus Dezentralisierung = Grad subnationaler Autonomie (self-rule) (b) Formen der Verflechtung und Integration der Ebenen: Machtteilung bei gemeinsamer Kontroller einer Aufgabe (z.b. durch Repräsentation regionaler Eliten auf zentraler Ebene) = Grad subnationalen Einflusses auf Gesamtpartei (shared-rule)

Shared-Rule Low Shared-Rule High Self-Rule Low Centralist Partido Popular Unitarist SPÖ Self-Rule High Autonomist (= Stratarchy) Scottish Labour Party Federalist CDU

Fragen: Wer wird durch Öffnung von Entscheidungen gestärkt? Wie verändert sich Rolle der Mitglieder? Wie gehen Parteien mit Konflikten zwischen den Ebenen um? Allgemein: Befördert Demokratisierung die in der Kartellthese beschriebene Marginalisierung der mittleren Parteielite und befreit die zentrale Parteispitze from constraints from below (Katz/Mair 2009: 759)? Innerparteiliche Plebiszite entfalten ihre Wirkung abhängig von territorialen Machtbalancen: Regionale Autonomie und vertikale Integration

Dimension Partizipation Wettbewerb Repräsentation Responsivität Indikatoren Wahlbeteiligung unter den Mitgliedern, (regionale) Verteilung der Zustimmung, Verhältnis Aktivisten und einfache Mitglieder Anzahl der Kandidaten (Personal), Urheber der Anträge (Sachfragen), Knappheit/Offenheit der Ergebnisse Profile von Kandidaten, Ablauf des Prozesses, Mitwirkung verschiedener Parteisegmente Beziehungen zu Selektorat, Bindewirkung der Plebiszite, Rückwirkung auf innere Kohäsion

Kartellthese verweist auf paradoxe Rolle der Mitglieder beim organisatorischen Wandel: Individuelle Stärkung, kollektive Schwächung Aktuelles Beispiel der SPD zeigt, dass unterschiedliche Akteure in der Partei Nutzen aus direktdemokratischen Instrumenten ziehen können Analyse der Öffnung innerparteilicher Prozesse profitiert durch eine territoriale Perspektive: Machtstrukturen von Parteien in Mehrebenensystemen = Dimensionen der Autonomie und der Integration Vergleichende Betrachtung mittels der vorgestellten Indikatoren: Do (territorial) party structures matter?