PRIMARSCHULE BRUNNADERN SG ATELIER WUNDERNASE Das Projekt der Primarschule Brunnadern hat 2005 einen LISSA-Preis gewonnen. Im Atelier Wundernase, für dessen Veranstaltungen sich alle SchülerInnen anmelden können, werden innerhalb eines vorgegebenen Rahmenthemas selbst gewählte Projekte realisiert. ECKDATEN SchülerInnen in der Primarschule und im Kindergarten: 145 Kinder Primarlehrpersonen, Kindergärtnerinnen, Schulische Heilpädagogin, Förderlehrkräfte und Leiterin Wundernase: 16 Personen Atelier Wundernase Richtet sich an alle SchülerInnen Anmeldung der Kinder erforderlich Drei Ateliers jährlich Dauer eines Ateliers: Unterstufe und 2. Kindergarten: 18 Lektionen (neun Wochen lang zweimal pro Woche); Mittelstufe: 24 Lektionen (12 mal 2) Ziel: Jedes Kind soll seine Begabungen durch intensive und individuelle Projektarbeit entdecken und entfalten können. Die Angebote decken Bereiche ab, die im Schulunterricht eher zu kurz kommen. Atelierleiterin: Hana Wildi-Stanek Kontakt: wundernase@schuleneckertal.ch ENTSTEHUNGSGESCHICHTE März 2001: Evaluation Integrative Schulungsform: Die Projektidee «Unterrichtsdifferenzierung > individuelles Lernen» sieht klassenübergreifende Themennachmittage in einem speziellen Förderraum vor. Schuljahr 2001 /02: In einer Klasse werden Kinder mit besonderen Begabungen durch die Lehrkraft und die Schulische Heilpädagogin gefördert. Schuljahr 2002 /03: Anlass Schulrat Lehrerschaft zum Thema Begabungsförderung: Eine Spur gruppe wird gebildet mit dem Auftrag, ein Projekt für Kinder mit besonderen Begabungen auszuarbeiten. Die Gruppe gelangt zur Überzeugung, dass das Projekt sich an alle Kinder im Schulhaus richten soll. Schuljahr 2003 / 04: Das Pilotprojekt Atelier Wundernase startet. Das definitive Konzept wird erstellt, eingereicht und verabschiedet. Schuljahr 2004 / 05 bis heute: Das Atelier Wundernase ist im Schulhaus fest installiert. Januar 2006: Die Kinder präsentieren ihre Projekte erstmals einem grösseren Publikum. Seither entsteht immer breiteres öffentliches Interesse an der Wundernase unter anderem wurde das Atelier von mehreren anderen Schulen besucht. Juni 2006: Eröffnung des Ressourcenzimmers Wunderplunder. Frühling 2007: Die Primarschule Hemberg-Bächli übernimmt das Konzept des Ateliers Wundernase unter dem Namen «Pfiffikus». KONKRETE UMSETZUNG In jedem Trimester wird im Atelier Wundernase ein Projektthema angeboten. Im Laufe des Jahres können sich alle Kinder mit besonderem Interesse am ausgeschriebenen Thema für das Atelier Wundernase anmelden. Nach einer Einführung geht es im Atelier darum, dass sich die Kinder innerhalb des Rahmenthemas allein oder in Kleingruppen für ein eigenes Projekt entscheiden. Dieses Thema wird dann möglichst selbstständig, unter Mithilfe der Atelierleitung, bearbeitet. In der Gruppe wird regelmässig über die einzelnen Projekte gesprochen und Feedback gegeben. Die Kinder erhalten Methodenkompetenz in der Projektplanung, der Informationsbeschaffung und dem Führen eines Lerntagebuches gemäss dem Schulischen Enrichment Modell nach Renzulli. Am Schluss werden die entstandenen Produkte veröffentlicht. B 51
Primarschule Brunnadern SG Die einzelnen Elemente im Detail Atelierleitung Die Atelierleitung ist mehr Begleiterin als Stoffvermittlerin. Sie bildet sich laufend zum Thema Begabungsförderung weiter und verfügt über Wissen im Bereich der Methodenkompetenz. Sie pflegt den Kontakt zu Schulbehörde, Eltern und Team, organisiert das Anmelde- und Auswahlverfahren für die teilnehmenden Kinder, setzt Atelierthemen aus den Interessengebieten der Kinder fest und begleitet und unterstützt die SchülerInnen während der Dauer der individuellen Projektarbeit. Sie organisiert die abschliessende Präsentation der Projekte im Schulhaus. Gruppengrösse Unterstufe und 2. Kindergarten: sechs Kinder; Mittelstufe: acht Kinder Raum Wichtig ist neben einer Anzahl geeigneter Arbeitsplätze der Zugang zu Wasser, Computern, Küche, Bibliothek und Kopierer. Je nach Projekt kann es jedoch sein, dass andere Räume zum Beispiel der Werkraum, das Musikzimmer oder die Turnhalle benötigt werden. Die Atelierleitung und die Kinder organisieren sich in Absprache mit den betreffenden Lehrkräften. Aufgabenverteilung Die Gesamtlehrerschaft trägt das Atelier Wundernase und gibt Inputs. Die Atelierleitung erstattet dem Team dreimal jährlich Bericht. Die Schulleitung organisiert alle zwei Jahre eine Weiterbildung im Sinne einer Reflexion. Die übergeordnete Kommission für fördernde Massnahmen überwacht die Umsetzung der Begabungsförderung. Integration in Stundenplan und Unterricht Das Team der Lehrpersonen entscheidet über die Platzierung des Ateliers Wundernase im Stundenplan. Seit dem Schuljahr 2008 / 09 findet die Wundernase jeweils am Dienstagmorgen von acht bis zehn Uhr (zwei Lektionen) statt, anstatt wie in den ersten Jahren an einem Nachmittag während dreier Lektionen. Diese Änderung beruht auf Anpassungen im Pensenpool. Eine erste Zwischenbilanz zeigt: Die Kinder haben gegenüber früher weniger Zeit, sich kreativ auf die Projektarbeit einzulassen. Zwölf mal zwei Stunden machen nicht dasselbe möglich wie zehn mal drei Stunden. Das Atelier Wundernase ist eine Ergänzung zum Regelunterricht und wird als gleichwertig angesehen und behandelt. Die Klassenlehrpersonen achten darauf, während der Atelierzeiten ihren Unterricht so zu gestalten, dass die Kinder nach dem Besuch des Ateliers den Anschluss leicht wiederfinden können. Finanzielles / Budget Anfangsinvestitionen Für die Lancierung des Ateliers Wundernase konnte auf im Schulhaus bereits vorhandene Materialien zurückgegriffen werden; es waren keine Anfangsinvestitionen nötig. Jahresbudget Atelierleitung: zwei Wochenlektionen (zum üblichen Lohnansatz); Verbrauchsmaterial: CHF 300. /Jahr; Fachpersonen: CHF 1000. /Jahr Wahl der Atelierthemen Die Kinder machen in der schriftlichen Feedbackrunde am Schluss des Ateliers, das sie gerade besucht haben, jeweils Themenvorschläge für zukünftige Ateliers, sie erhalten dafür einen entsprechenden Fragebogen. Die Atelierleitung orientiert sich bei der Themenwahl aber auch an aktuellen Ereignissen /Entwicklungen in Dorf und Region (Beispiel 1: Die kürzliche Fusion der Gemeinden Brunnadern, Mogelsberg, St. Peterzell; Beispiel 2: Die Islandpferde-Weltmeisterschaft 2009), um B 52
das Atelier Wundernase mit der Umgebung zu vernetzen und so auch lokale Expertinnen und Experten, zum Beispiel Handwerker oder Künstlerinnen, einbeziehen zu können. Zudem müssen mit dem Thema des Ateliers sämtliche Intelligenzen nach Howard Gardner abgedeckt werden können. Bisherige Themen: Schuljahr 2008 /09 1. Trimester: Der Mensch (Mittelstufe); 2. Trimester: Menschen 3. Trimester: Weltmeisterinnen (Mittelstufe). Schuljahr 2007/08 1. Quartal: Mein Wunschprojekt (Mittelstufe); 2. Quartal: Mein Wunschthema 3. Quartal: Brunnadern (Mittelstufe); 4. Quartal: Brunnadern Schuljahr 2006/07 1. Quartal: Technik (Mittelstufe); 2. Quartal: Technik 3. Quartal: Mein Wunschprojekt (Mittelstufe); 4. Quartal: Mein Wunschthema Schuljahr 2005/06 1. Quartal: Genies (Mittelstufe); 2. Quartal: Starke Ideen 3. Quartal: Spiele (Mittelstufe); 4. Quartal: Spielen Schuljahr 2004/05 1. Quartal: Der Mensch (Mittelstufe); 2. Quartal: Menschen 3. Quartal: Die Natur (Mittelstufe); 4. Quartal: Pflanzen Schuljahr 2003 /04 2. Quartal: Schall und Klang (Mittelstufe); 3. Quartal: Tiere 4. Quartal: Fremde Länder (Mittelstufe). Anmeldung Das Thema des nächsten Ateliers wird von der Atelierleitung in den Klassen präsentiert. Die Kinder bewerben sich selbstständig für die Teilnahme. Sie erhalten dafür von der Atelierleiterin ein vorbereitetes Blatt, das sie ausfüllen und mit einem zusätzlichen Interessenachweis und/oder einem Portfolio ergänzen müssen. Die Anmeldefrist beträgt rund eine Woche. Anschliessend werden die Eltern von der Atelierleitung informiert und um ihr schriftliches Einverständnis gebeten. Je nach Thema melden sich bis zu 25 Kinder (bei einer maximalen Gruppengrösse von acht Kindern). Bei zu vielen Anmeldungen entscheiden Atelierleitung, die Schulische Heilpädagogin und die Lehrpersonen der Kinder gemeinsam, wobei auf folgende Punkte geachtet wird: Selbstständige, eigenhändige Bewerbung Zusätzlicher Interessenachweis und/oder Portfolio Kinder, die noch nie in einer Projektgruppe waren Gruppenzusammensetzung: möglichst gleich viele Knaben und Mädchen, möglichst gleich viele Kinder aus den verschiedenen Klassen Rücksprache mit dem Kind Rücksprache mit der Klassenlehrperson Evtl. Rücksprache mit den Eltern Wenn Absagen erteilt werden müssen, wird das immer mit einer Hilfestellung für das nächste Mal verbunden: Was kannst du anders machen, noch besser, noch anschaulicher? Die Kinder sollen damit motiviert werden, B 53
Primarschule Brunnadern SG einen erneuten Anlauf zu nehmen. Mit Erfolg, denn die Kinder bewerben sich zum Teil zwei- oder dreimal, bis es schliesslich klappt. Die Atelierleitung führt eine Liste über die Anmeldungen der einzelnen SchülerInnen. Ablauf eines Ateliers Folgende Arbeitsschritte werden in jedem Atelier gemacht, verteilt auf die zurzeit zwölf mal zwei Lektionen: Einführung der Kinder ins Lerntagebuch Die Kinder finden ihr Thema (Anregungen finden sie bereits im Ausschreibungsformular) Abschluss eines Lernvertrages Bekanntgabe aller Themen der gewählten Projekte im Schulhaus Einführung der Kinder in den Zeitplan (was muss wann gemacht werden) Arbeit am Projekt Vorbereitung der Präsentation Präsentation an den gewählten Orten (z. B. in der Klasse, an einem Stand am Weihnachtsmarkt, im Altersheim) Evaluation durch die Kinder Zu Beginn jedes Ateliermorgens oder -nachmittags findet wenn möglich ein methodischer Input durch die Leiterin statt. Zentral ist die Unterstützung bei der zeitlichen Strukturierung der einzelnen Arbeitseinheiten und des gesamten Ateliers. Lerntagebücher, Lernverträge und Zeitpläne sind deshalb wichtige Instrumente. Von den Kindern gewählte Projekte Atelier «Der Mensch» (1. Quartal 2008 /09) Knochen und Skelette Die Römer Jäger und Waldtiere Ashley Tisdale No Angels Atelier «Brunnadern» (4. Quartal 2007/08) Mein neues Haus Der Reithof Bilder über Brunnadern Zahlen über Brunnadern Metzgerei Götzl Neubau der Brücke Veröffentlichung der fertigen Projekte Die von den Kindern im Atelier Wundernase erarbeiteten Projekte und die darin gewonnenen Erkenntnisse fliessen in die Klassen und damit in den Regelunterricht ein, indem sie am Schluss von den Kindern öffentlich präsentiert werden zum Beispiel mit einem Vortrag oder einer PowerPoint-Präsentation. Wer ein Buch zusammengestellt hat, kann es auch im Schulhaus auflegen oder etwa eine Lesung veranstalten. Das «Öffentlichmachen» beschränkt sich bis jetzt mehrheitlich auf den Rahmen des Schulhauses. Evaluation Die Kinder evaluieren am Ende jedes Ateliers das Angebot anhand gemeinsam festgelegter Kriterien. Drei- bis viermal jährlich gibt die Atelierleitung Rückmeldungen ans Team. Alle zwei Jahre führt die Schulleitung anhand eines von ihr erarbeiteten Evaluationsbogens zusammen mit dem Team eine Auswertung durch. Elternkontakt / Öffentlichkeitsarbeit Die Eltern geben ihre schriftliche Zustimmung zur Teilnahme ihres Kindes an einem Angebot des Ateliers Wundernase. Zu den Schlussveranstaltungen (Präsentationen) werden die Mütter und Väter jeweils eingeladen. Während der Arbeit im Atelier können Eltern als ExpertInnen beigezogen werden. Auf der Website des Schulhauses finden sich detaillierte Informationen zur Wundernase. B 54
Kommentar der LISSA-Jury Das Atelier Wundernase ist sehr gut in den Schulalltag ein - gebettet und wird vom gesamten Schulteam getragen. Die schriftliche Evaluation durch die Kinder nach jedem Atelier ist ein wichtiger Faktor für die weitere Planung. Zwei Beispiele aus der Wundernase-Praxis Pascal (6. Klasse) und Vivien (5. Klasse) interessieren sich brennend für John-Deere-Landmaschinen. Die beiden melden sich mit vielen Traktormodellen und Bildern für ein Wundernase-Atelier mit dem Thema «Mein Wunschprojekt» an. Sie setzen sich das Ziel, ihren MitschülerInnen ein Plakat zu John-Deere-Traktoren zu präsentieren. Der Vater von Pascal ist Bauer, und nun wollen Pascal und Vivien unbedingt, dass er mit seinem John-Deere-Traktor in die Schule kommt, damit die Kinder das Fahrzeug «live» besichtigen können. Als dann am Tag der Projektpräsentation wirklich ein waschechter Traktor auf dem Pausenplatz vorfährt und Vivien und Pascal allen interessierten Kindern und Lehrpersonen erklären, wie er funktioniert, ist das nicht nur für die beiden, sondern auch für die Atelierleiterin ein Highlight. Pascal und Samuel, zwei Sechstklässler, bewerben sich für ein Atelier mit dem Titel «Genies». Beide entscheiden sich für musikalische Projekte. Vor allem Pascal möchte auch selber komponieren. Mehrere Nachmittage verbringt er mit seiner Gitarre vor einem Blatt mit Notenlinien. Der Start verläuft harzig, das Blatt will und will sich nicht füllen, Pascal ist frustriert. Ein Gitarrenlehrer wird zugeschaltet, Pascal erhält fachmännische Ratschläge. Am Ende der Projektphase präsentiert Pascal unter anderem drei verschiedene Kompositionen. Das Publikum ist begeistert. Vier Jahre später: Konfirmation des Jahrgangs von Pascal und Samuel. Beide begleiten den Gottesdienst mit eigenen Kompositionen. Die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher applaudieren spontan. Pascal und Samuel sind drangeblieben! B 55