Minkowski-Theorie & die Klassenzahl David Müßig Seminar zur Kommutativen Algebra Bemerkung 1. Wir betrachten im Folgenden stets endliche Körpererweiterungen K Q vom Grade n (K ist also ein algebraischer Zahlkörper). 1 Minkowski-Theorie 1.1 Definitionen / Wiederholung Je nach dem, welche der Begriffe im ersten Vortrag erläutert wurden, wird hier gekürzt. Einiges wird auch nur mündlich wiederholt. Definition 1 (Einbettung). Eine Q-Einbettung von K nach C ist ein Q-linearer Körperhomomorphismus : K C (= K). Wir setzen Hom Q (K, C) := { ist Q-Einbettung von K nach C}. Wir nennen reell, wenn (K) R und komplex (manchmal auch nicht-reell), wenn (K) C. Bemerkung. Es gilt [K : Q] = Hom Q (K, C). Definition. O K := {a K a ist ganz über Z} heißt der ganze Abschluss von Z in K. Bemerkung 3. Man kann sich den Körper K als eine Art Verallgemeinerung der rationalen Zahlen vorstellen. Der Ring O K nimmt hierbei die Rolle der ganzen Zahlen ein. Insgesamt kann man unser Setup im folgenden Diagramm darstellen: Z Q O K K 1
David Müßig 1 MINKOWSKI-THEORIE Bemerkung 4. Über O K können wir folgende Aussagen machen: 1. O K ist ein s.g. Dedekindring, d.h. O K ist noethersch, O K ist ein ganzabgeschlossener Integritätsbereich, jedes von Null verschiedene Primideal ist ein maximales Ideal.. Der Körper K ist der Quotientenkörper von O K. Definition 3 (Gebrochenes Ideal). Ein gebrochenes Ideal von K ist ein endlich erzeugter O K -Untermodul a 0 von K. Bemerkung 5. Die gebrochenen Ideale bilden eine abelsche Gruppe, die so genannte Idealgruppe J K von K. Das Einselement ist (1) = O K und das inverse zu einem Ideal a ist a 1 = {x K xa O K }. Zudem ist jedes gebrochene Ideal a eindeutig als Produkt von Primidealen a = p p νp mit ν p Z und ν p = 0 für fast alle p darstellbar. Das heißt: J K ist die von den Primidealen p 0 erzeugte freie abelsche Gruppe. Die gebrochenen Hauptideale (a) = ao K, a K bilden eine Untergruppe der Idealgruppe J K. Sie wird mit P K bezeichnet. Bemerkung 6. Jeder endlich erzeugte O K -Untermodul a von K ist gleichzeitig ein freier Z-Modul vom Rang [K : Q]. Definition 4 (Diskriminante eines Ideals). Sei a ein gebrochenes Ideal von K und sei α 1,..., α n eine Z-Basis von a. Wir definieren die Diskriminante d(α 1,..., α n ) der Basis α 1,..., α n wie folgt: Satz (.10) im Neukirch. mit i Hom Q (K, C), i = 1,..., n. d(α 1,..., α n ) := det( i (α j )), Bemerkung 7. Die Diskriminante d(α 1,..., α n ) ist unabhängig von der Wahl der Basis des Ideals a, daher können wir auch von der Diskriminante des Ideals sprechen. d(a) := d(α 1,..., α n ) Definition 5 (Ganzheitsbasis). Unter einer Ganzheitsbasis von O K über Z versteht man ein System von Elementen ω 1,..., ω n O K, derart, dass sich jedes b O K in eindeutiger Weise als Linearkombination mit Koeffizienten a i Z darstellen lässt. b = a 1 ω 1 + + a n ω n
David Müßig 1 MINKOWSKI-THEORIE Definition 6 (Diskriminante eines Zahlkörpers). Es sei ω 1,..., ω n eine Ganzheitsbasis von O K über Z. Die Diskriminante des Zahlkörpers K definieren wir wie folgt: d K := d(o K ) = d(ω 1,..., ω n ). Definition 7 (Gitter, Grundmasche). Sei V ein n-dimensionaler R-Vektorraum. Ein Gitter in V ist eine Untergruppe von V der Form Γ = Zv 1 + + Zv m mit linear unabhängigen Vektoren v 1,..., v m V. Das m-tupel (v 1,..., v m ) heißt Basis von Γ und die Menge Φ = {x 1 v 1 + + x m v m x i R, 0 x i < 1} heißt Grundmasche des Gitters. Wir nennen das Gitter vollständig (oder auch eine Z-Struktur von V ), wenn m = n ist. Definition 8 (Volumen). Es seien v 1,..., v n V unabhängige Vektoren und Ψ = {x 1 v 1 + + x n v n x i R, 0 x i < 1} das von ihnen aufgespannte Parallelepiped. Wir definieren das Volumen von Ψ vol(ψ) := det A, wenn A = (a ik ) die Übergangsmatrix der Orthonormalbasis e 1,..., e n zu v 1,..., v n ist. Weiter definieren wir vol(γ) := vol(φ), wenn Φ eine Grundmasche von Γ ist. Bemerkung 8. Wegen und wegen ( v i, v j ) = k,l n v i = a ik e k k=1 a ik a jl e k, e l = ( ) a ik a jk = AA t k können wir auch schreiben. vol(φ) = det v i, v j 1 / 3
David Müßig 1 MINKOWSKI-THEORIE 1. Minkowski-Theorie Betrachte die Abbildung j : K K C a j(a) := (a) welche durch die n komplexen Einbettungen : K C gegeben wird und wobei K C := C ist. So entsteht der C-Vektorraum K C, welchen wir mit dem Hermiteschen Skalarprodukt x, y = x y ausstatten. Bemerkung 9. Für ein Hermitesches Skalarprodukt, muss gelten: 1. x 1 + x, y = x 1, y + x, y, cx, y = c x, y,. x, y 1 + y = x, y 1 + x, y, x, cy = c x, y, 3. x, y = y, x. Beweis nur auf Nachfrage: 1. &. klar. 3. x, y = x y = x y = y x = y, x Wir unterscheiden bei den Einbettungen nun zwischen komplexen und reellen: ϕ 1,..., ϕ r : K R σ 1, σ 1,..., σ s, σ s : K C Damit ist n = r + s. Es sei A R := {ϕ i i = 1,..., r} die Menge der reellen Einbettungen. Wir wählen nun aus jedem Paar komplexer Einbettungen eine aus und definieren A C := {σ j j = 1,..., s} als die Menge der ausgesuchten komplexen Einbettungen. Nun können wir den Minkowski-Raum definieren: Definition 9. K R = { (x ) K C x ϕi R, x σj = x σj } heißt Minkowski-Raum. Bemerkung 10. Das oben definierte Hermitesche Skalarprodukt, wird auf K R zu einem normalen Skalarprodukt, da in K R gilt: σ(α) := σ(α) d.h. σ j(x) = σ j(x) = σ j(x) x, y = y, x = y x = y x = y x = y, x. Der folgende Satz gibt uns eine Struktur auf dem Minkowski-Raum. 4
David Müßig 1 MINKOWSKI-THEORIE Satz 10. Durch f : K R R = R r+s (z ) (x ) erhlaten wir einen Isomorphismus, wobei x ϕ = z ϕ, x σ = Re(z σ ), x σ = Im(z σ ). Die kanonische Metrik, wird in das Skalarprodukt (x, y) = α x y überführt, wobei α = 1, falls reell und α =, falls komplex ist. Beweis. A. Zunächst zeigen wir die Isomorphie: Es seien z = (z ), z = (z ) K R und r R. Dann ist f(z + z ) = f(z) + f(z ) sowie f(r z) = r f(z) nach Definition von f, welches somit R-linear ist. Es sei nun f(z) = (x ) = 0 R r+s. Dann ist z ϕ = x ϕ = 0 für alle reellen ϕ und } Re(z σ ) = Re(z σ ) = x σ = 0 Im(z σ ) = Im(z σ ) = x σ = 0 für alle σ, σ Damit ist (z ) = 0 K R für alle und f somit injektiv. Sei nun (x ) R r+s. Dann ist für (z ) K R mit z ϕ = x ϕ für alle ϕ A R und z σ = x σ + ix σ bzw. z σ = x σ ix σ für alle σ A C f ((z )) = (x ) und somit ist f auch surjektiv. B. Wir zeigen nun die Behauptung über das Skalarprodukt: Es seien nun z = (z ) = (x + iy ), z = (z ) = (x + iy ) K R. Wir betrachten nun das Skalarprodukt z, z = z z von z und z. Es ist z ϕ z ϕ = x ϕ x ϕ = x ϕ x ϕ 5
David Müßig 1 MINKOWSKI-THEORIE und wegen y σ = x σ bzw. y σ = x σ gilt außerdem z σ z σ + z σ z σ = z σ z σ + z σ z σ = Re (z σ z σ) = (x σ x σ + x σ x σ). Damit ist z, z = z z = z ϕ z ϕ + (z σ z σ + z σ z σ) ϕ A R σ A C = x ϕ x ϕ + (x σ x σ + x σ x σ) ϕ A R σ A C Beweis durch nachrechnen. = α x x wie gewünscht. Durch die Abbildung j : K K R entstehen die folgenden Gitter in K R : Satz 11. Ist a 0 ein Ideal von O K, so ist Γ = j(a) ein vollständiges Gitter in K R mit dem Grundmaschenvolumen vol(γ) = d k (O K : a). Bevor wir diesen Satz beweisen können, benötigen wir noch folgendes Lemma 1. Sind a a zwei von Null verschiedene, endlich erzeugte O K -Untermoduln von K, so ist der Index (a : a) endlich und es gilt d(a) = (a : a) d(a ). Beweis des Satzes. Sei α 1,..., α n eine Z-Basis von a (existiert nach Bemerkung 6), so dass Γ = Zj(α 1 ) + + Zj(α n ) ist. Wir nummerieren die Einbettungen : K C, 1,..., n und bilden die Matrix A = ( l (α i )) l,i. Dann gilt Außerdem gilt d(a) = d(α 1,..., α n ) = (det (A)) = (O K : a) d(o K ) = (O K : a) d K. ( n ) ( j(α i ), j(α k ) ) i,k = l (α i ) l (α k ) l=1 i,k = AA t. Damit folgt nun (unter Benutzung von Bem. 8) ( vol(γ) = det ( j(α i ), j(α k ) ) 1 / = det AA t) 1/ = det (A) = dk (O K : a). Die Vollständigkeit des Gitters folgt aus der Dimension der Z-Basis von a. 6
David Müßig DIE KLASSENZAHL Der nun folgende Satz wird uns im nächsten Abschnitt über die Klassenzahl sehr hilfreich sein, sein Beweis benutzt allerdings mehrere Ergebnisse aus vorhergehenden Kapiteln des Buches (unter anderem den s.g. Minkowskischen Gitterpunktsatz), daher zitieren wir ihn an dieser Stelle lediglich beweislos. Satz 13. Sei a 0 ein Ideal von O K und seien c > 0 ( Hom(K, C)) reelle Zahlen mit c = c und c > A(O K : a), wobei A = ( ) s dk. Dann gibt es ein a a, a 0, mit (a) < c für alle Hom(K, C). Ohne Beweis. Bemerkung 11. Es existiert auch eine multiplikative Version der Minkowski-Theorie. Hierbei wird von der multiplikativen Gruppe K des Körpers K ausgegangen und der Übergang zu den Gittern wird mit Hilfe der Logarithmusfunktion geschaffen. Uns genügt an dieser Stelle allerdings die additive Variante. Die Klassenzahl Definition 14. Es sei a 0 ein Ideal von O K. Wir definieren die Absolutnorm von a wie folgt: N(a) := (O K : a). Bemerkung 1. Für den Spezialfall, dass a = (α) ein Hauptideal ist, stimmt diese Definition der Absolutnorm eines Ideals mit dem Betrag der Norm seines erzeugenden Elements α K überein. Es ist wobei Nun ist Satz 15. Ist a = p ν1 1 pνr r N K Q (α) := det (T α ) T α : K K, T α (x) = α x. det (T α ) = (O K : (α)) = N((α)). die Primzerlegung eines Ideals a 0 von O K, so gilt N(a) = N(p 1 ) ν1 N(p r ) νr. Beweis. Nach dem Chinesischen Restsatz gilt O K /a = O K /p ν1 1 O K/p νr r, daher können wir annehmen, dass das Ideal a = p ν eine Primidealpotenz ist. Betrachte die Kette p p p ν. 7
David Müßig DIE KLASSENZAHL Wegen der Eindeutigkeit der Primzerlegung (O K ist Dedekindring) gilt p i p i+1 und der Quotient p i /p i+1 ist ein O K /p-vektorraum der Dimension 1 für alle i: Ist a p i \ p i+1 und b := (a) + p i+1, so gilt p i b = p i+1 und somit p i = b, da sonst b := bp i ein echter Teiler von p = p i+1 p i wäre. p 1 := {x Damit bildet a a (mod p i+1 ) eine Basis des O K /p-vektorraums p i /p i+1. Damit ist K xp O K } und folglich p i /p i+1 = OK /p N(p ν ) = (O K : p ν ) = (O K : p) ( p : p ) (p ν 1 : p ν) = N(p) ν Aus diesem Satz können wir nun die Multiplikativität der Absolutnorm N(ab) = N(a)N(b) folgern. Damit können wir nun einen Homomorphismus auf den gebrochenen Idealen a = p pνp, ν p Z definieren: N : J K R + Lemma 16. In jedem Ideal a 0 von O K gibt es ein a a, a 0, mit NK Q (a) ( ) s dk N(a). Beweis. Zu gegebenem ε > 0 wählen wir positive reelle Zahlen c, Hom Q (K, C), mit c = c und ( ) s c = dk N(a) + ε. Nach Satz 13 finden wir nun ein Element a a, a 0, mit (a) < c für alle Hom(K, C) und somit NK Q (a) = (a) < ( ) s c = dk N(a) + ε. Da diese Ungleichung für alle ε > 0 gilt und da NK Q N, muss auch ein a a existieren, so dass NK Q (a) ( ) dk N(a). Satz 17. Die Idealklassengruppe Cl K = J K /P K ist endlich. 8
David Müßig DIE KLASSENZAHL Beweis. Behauptung (1). N(a) a für jedes Ideal a 0 von O K. Da N(a) = (O K : a) = OK /a, gilt für das 1-Element, dass N(a) 1 = 0 in OK /a, d.h. N(a) a. Behauptung (). Jede natürliche Zahl m ist nur in endlich vielen Idealen enthalten. Sei a ein Ideal und m a, d.h. a (m). Schreibe das Hauptideal (m) als endliches Produkt von Primidealen. Da a ein Teiler von (m) ist, ist a ein Produkt aus einer Teilmenge dieser Primideale. Behauptung (3). Es existieren nur endlich viele Ideale a, mit N(a) N für jedes vorgegebene N. Wegen Behauptung gilt N(a) a. Setze nun m = N(a) und folgere mit Behauptung. Es bleibt also zu zeigen, dass jede Klasse [a] Cl K ein ganzes Ideal a 1 enthält, für welches gilt ( ) s N(a 1 ) M = dk. Dazu wählen wir einen beliebigen Repräsentanten a der Klasse und ein γ O K, γ 0, mit b := γa 1 O K. Nach Lemma 16 existiert nun ein α b, α 0, mit NK Q (α) N(b) 1 = N((α)b 1 ) = N(αb 1 ) M. Das Ideal a 1 := αb 1 = αγ 1 a [a] hat demnach die gewünschte Eigenschaft. Definition 18. Die Ordnung der Idealklassengruppe h K = (J K : P K ) heißt Klassenzahl von K. Die Endlichkeit der Klassenzahl deutet darauf hin, dass der Übergang von den Zahlen zu den Idealen nicht unkontrolliert verläuft. Besonders interessant scheinen die Fälle zu sein, in denen h K = 1 gilt, da in hier O K ein Hauptidealring ist und somit der Satz der eindeutigen Primzerlegung gilt. Wie zu erwarten gilt jedoch meistens h K > 1. Für die immaginär-quadratischen Zahlkörper der Form Q( d), d quadratfrei und kleiner Null, ist bekannt, dass nur für die folgenden Werte von d h K = 1 gilt: d = 1,, 3, 7, 11, 19, 43, 67, 163. Für d > 0 wird vermutet, dass unendlich viele der Q( d) h K = 1 erfüllen. Bewiesen ist die aber noch nicht. 9
David Müßig 3 BEGLEITENDE BEISPIELE 3 Begleitende Beispiele 3.1 Q(i) Q Welche Einbettungen haben wir? σ : Q(i) C 1 1 i ± i Damit haben wir komplexe und keine reelle Einbettung, da in jedem Fall σ(q(i)) = C gilt. Es ist: A R =, r = 0 A C = {id}, s = 1 Q(i) C = C, mit j : Q(i) C, a + bi (a + bi, a bi). Für den Minkowski-Raum ergibt sich: Mit der Abbildung Q(i) R = { z = (z 1, z ) C z = z 1 } = C = R und dem Skalarprodukt Q(i) R R (z 1, z 1 ) (Re(z 1 ), Im(z 1 )) 3. Q( ) Q Die Einbettungen sehen wie folgt aus: (x, y) = x 1 y 1 + x y σ : Q( ) C 1 1 ± Wir haben also reelle und keine komplexe Einbettung. Folglich ist A C =, s = 0 A R = {σ 1, σ }, r = j : Q( ) C, mit a + b ( a + b, a b ) 10
David Müßig 3 BEGLEITENDE BEISPIELE Damit ist und Q( ) R = { x = (x 1, x ) C x1, x R } = R mit dem Skalarprodukt Q( ) R R (x 1, x ) (x 1,x ) (x, y) = x 1 y 1 + x y. 11