Fall 1: Wirksamwerden der Willenserklärung mit Abgabe und Zugang. Unter Abgabe versteht man das willentliche In-den-Verkehr-Bringen der Erklärung dergestalt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Zugang zu rechnen ist. Unter Zugang versteht man das Gelangen der Willenserklärung dergestalt in den Machtbereich des Empfängers, dass dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Genauer Zeitpunkt des Zugangs ist dann, wenn nach der Verkehrsauffassung mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist, nachdem die Willenserklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. a) I. Abgabe der Willenserklärung: Am 15.04. mit dem Aufgeben des Briefes bei der Post. II. Zugang 1. Gelangen der Erklärung in den Machtbereich des Empfängers: am 16.04. mit Einwurf in den Briefkasten des V. 2. Zugangszeitpunkt: bei privatem Briefkasten ist mit der Kenntnisnahme am Abend des gleichen Tages zu rechnen. D.h. Zugang am 16.04. abends. Irrelevant ist hingegen, wann tatsächlich von der WE Kenntnis genommen wird. Damit spielt es keine Rolle, dass der V erst am 20.04. den Brief wirklich liest. b) I. Abgabe: s.o. am 15.04. mit Aufgabe bei Post. II. Zugang 1. wie oben, 16.04. 2. Im Unterschied zum privaten Briefkasten kann man bei einem geschäftlichen davon ausgehen, dass innerhalb der Geschäftszeiten von der Erklärung auch tatsächlich Kenntnis genommen wird. Damit ist von einem Zugang am 16.04. vormittags auszugehen, da damit gerechnet werden kann, dass vor Öffnung des Ladens der Briefkasten geleert wird. Der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme ist demgegenüber wie oben irrelevant. c) I. s. a) I. II. Zugang 1. s. a) II 1. 2. Grundsätzlich auch wie a): es ist mit einer Kenntnisnahme am Abend des 16.04. zu rechnen. Nun aber erfolgte die tatsächliche Kenntnisnahme schon früher. In diesem Fall ist nicht mehr maßgeblich, wann nach der Verkehrsauffassung mit der Kenntnisnahme zu rechnen war, sondern die frühere tatsächliche Kenntnisnahme. Damit ging die Erklärung schon am 16.04. um 7:45 Uhr zu. Seite 1 von 10
Merke: Eine tatsächliche spätere Kenntnis ändert nichts am Zugangspunkt, eine tatsächliche frühere Kenntnisnahme hingegen schon. d) zu lösen wie a), sofern wie hier im Sachverhalt, der V seine E-Mailadresse als Kontaktmöglichkeit angegeben hat. Dann fragt sich auch hier wieder, wann nach der Verkehrsauffassung mit einer Kenntnisnahme der Erklärung zu rechnen ist, vorliegend am Abend des 16.04 (da private E-Mailadresse des V) e) I. Abgabe liegt vor mit dem Starten des Faxvorgangs (grüne Taste). II. Zugang: 1. Mit dem Ausdrucken ist das Fax in den Machtbereich des V gelangt (also am 15.04. um 11 Uhr). 2. Auf den nach dem Rechtsverkehr zu erwartenden Zeitpunkt der Kenntnisnahme kommt es vorliegend nicht an, da tatsächliche Kenntnisnahme um 11 Uhr vorliegt. Damit ist die Erklärung um 11 Uhr am 15.04. zugegangen. f) I. Abgabe wie e). II. Zugang: 1. Kein Gelangen in den Machtbereich des Empfängers am 15.04., da das Fax weder ausgedruckt noch zwischengespeichert worden ist. Aber am 20.04. gelangt das Fax laut Sachverhalt in den Machtbereich des V, weil es von dessen Gerät ausgedruckt wird. 2. Möglichkeit der Kenntnisnahme lag demnach je nachdem, ob es sich um ein geschäftliches oder privates Faxgerät handelt entweder noch innerhalb der Geschäftszeiten, jedenfalls aber am Abend des 20.04. vor. Damit ist grundsätzlich die Erklärung am Abend des 20.04. zugegangen, auf die tatsächliche Kenntnisnahme erst am 21.04. kommt es nicht an. Fraglich erscheint lediglich, ob der Zugang vorliegend vor zu verlagern ist auf den 15.04. abends, weil letztlich ein Empfangshindernis auf Seiten des Empfängers vorlag. Vorliegend musste der V durch seine Annonce mit dem Eintreffen rechtserheblicher Willenserklärungen (auch per Fax) rechnen und ihn traf deshalb die Obliegenheit, entsprechende Vorkehrungen bereit zu halten. Da er dieser Obliegenheit schuldhaft nicht in ausreichendem Umfang nachkam, wird vorliegend unter 242 BGB fingiert, dass der Zugang schon am Abend des ersten Faxversuchs erfolgt ist (str.). Seite 2 von 10
g) Hier fallen Abgabe und Zugang zusammen: Mit dem aus der Hand Geben einerseits und dem in die Hand Geben des V andererseits wurde die Erklärung sowohl abgegeben, als dass sie auch schon in diesem Moment zugegangen ist. Denn die Erklärung gelangte unmittelbar in dem Zeitpunkt in den Machtbereich des V, in dem der V den Brief in die Hand gedrückt bekam, ebenfalls hatte er ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit von dem Inhalt des Briefes Kenntnis zu nehmen. Fall 2: Anspruch A T auf Abnahme des Smartphones und Zahlung von 650 Euro gem. 433 II BGB I. Kaufvertragsschluss Voraussetzung: Zwei übereinstimmende WE von K und V, vgl. 145 ff. BGB. 1. Angebot der A durch Internetpräsenz bzw. ausgestellte Artikel im Internet? In dem Internetangebot der A könnte bereits ein rechtsverbindliches Angebot isd 145 BGB zu sehen sein. Hierfür wäre aber erforderlich, dass in Abgrenzung zur invitatio ad offerendum, die A mit der Internetpräsenz und dem dortigen Ausstellen einzelner Artikel bereits eine verbindliche Willenserklärung abgeben wollte. Dies erfordert, dass die A diesbezüglich mit Rechtsbindungswillen gehandelt hat. Insofern ähnelt aber das virtuelle Anbieten von Artikeln dem in Katalogen bzw. Schaufenstern. Auch beim Internetangebot ist daher regelmäßig von keinem Rechtsbindungswillen auszugehen, da auch hier die Gefahr besteht, sich in größerem Umfang schadensersatzpflichtig zu machen, wenn nicht alle Interessenten beliefert werden können. Ein Angebot der A liegt damit nicht vor. 2. Angebot des T durch elektronisch durchgeführten Bestellvorgang? Durch das Abschicken der Bestellung auf der Website der A könnte aber eine wirksame Angebotserklärung seitens des T vorliegen. a) Eine tatbestandliche Willenserklärung liegt vor. Diese stellt auch inhaltlich die Abgabe eines Angebots dar und enthält vorliegend alle essentialia negotii. b) Allerdings müsste die Erklärung auch wirksam geworden sein. Nach 130 I 1 BGB bedarf es hierzu der Abgabe und des Zugangs der Erklärung. aa) Vorliegend könnte es aber bereits an einer wirksamen Abgabe seitens des T fehlen: Zwar ist die Willenserklärung letztlich so in den Verkehr gelangt, dass mit ihrem Zugehen unter gewöhnlichen Umständen zu rechnen war. Allerdings hat nicht der T die Erklärung auf den Weg gebracht, sondern die Freundin F des T. Um zu beurteilen, ob dies für eine Abgabe genügt, ist nötig sich die Bestandteile einer Abgabe vor Augen zu führen. Erforderlich ist zum einen die Abgabehandlung, diese muss weiterhin von einem Abgabewillen getragen sein. Die Abgabehandlung ist dann vorgenommen, wenn der Erklärende an Handlungen alle diejenigen vorgenommen hat, die nötig sind. damit die Erklärung so in den Rechtsverkehr Seite 3 von 10
gelangt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Zugang zu rechnen ist. Ob die Voraussetzungen bei einem zugeklappten Notebook mit noch geöffneter Bestellseite der Fall ist, darf stark bezweifelt werden. Die besseren Gründe sprechen gegen das Vorliegen einer Abgabehandlung: der Bestellbutton wurde noch nicht geklickt und dies ist erforderlich, damit nach normalem Lauf der Dinge die Erklärung dem Empfänger zugeht (a.a. bei guter Begründung wohl vertretbar). Jedenfalls aber fehlte dem T der Abgabewille, da er sich den Kauf noch einmal durch den Kopf gehen lassen wollte und deshalb von der Bestellabsendung abgesehen hat. Damit liegt vorliegend ein Fall der sog. abhandengekommenen Willenserklärung vor. bb) Wie eine abhandengekommene WE rechtlich zu behandeln ist, ist umstritten. Nach Auffassung des BGH liegt in diesem Fall keine Abgabe vor (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 3784). Folgt man dieser Auffassung, so ist die WE des T mangels Abgabe nicht wirksam geworden. Nach anderer Auffassung kommt es hingegen darauf an, ob der Erklärende bei Anwendung ausreichender Sorgfalt hätte erkennen können, dass seine WE ohne seinen Willen in den Verkehr gelangen kann, wenn er sie so behandelt, wie er das gerade getan hat (sog. Erklärungsfahrlässigkeit parallel zur Behandlung des fehlenden Erklärungsbewusstseins). Vorliegend kommt es also darauf an, ob für den T erkennbar war, dass die F die Bestellung abschicken würde, wenn er die Bestellseite offenlässt und das Notebook einfach nur zuklappt. Daran fehlt es aber hier: Zum einen loggen viele Internetseiten nach wenigen Minuten den Bestellvorgang aus, wenn dieser nicht zeitnah abgeschlossen wird. Zum anderen ist von einer derartigen Eigenmächtigkeit in der Regel nicht auszugehen, sondern eine kurze Nachfrage zu erwarten. Auch schweigt der Sachverhalt dazu, ob der T überhaupt davon ausgehen musste, dass die F sein Notebook verwenden würde. Nach der hier vertretenen Auffassung (a.m. mit Sicherheit vertretbar) liegt folglich auch nach dieser Meinung keine Abgabe vor, weshalb ein Streitentscheid entbehrlich ist. Hinweis: Wer Meinung 2 folgt und die Fahrlässigkeit (und damit die Abgabe) bejaht, muss im Folgenden eine Anfechtung analog 119 Abs. 1 Var. 2 BGB prüfen. 3. Zwischenergebnis: Ein Kaufvertrag wurde nicht geschlossen. II. Ergebnis: A hat keinen Anspruch gegen T auf Abnahme und Bezahlung des Smartphones. Zusatzfrage: Kostenersatz Anspruch A T auf Ersatz der entstandenen Kosten ihv insg. 475 Euro gem. 122 I BGB analog I. Anwendbarkeit 1. Tatbestandlich verlangt 122 I BGB das Vorliegen von entweder einer nach 118 BGB nichtigen Erklärung oder einer nach 119 f. BGB angefochtenen. Beides ist vorliegend Seite 4 von 10
nicht der Fall: Die WE des T ist mangels Abgabe nicht wirksam geworden, alle drei von 122 I BGB genannten setzen aber eine zunächst wirksam gewordene WE voraus. 2. Damit stellt sich die Frage, ob die Norm analog angewendet werden kann. Dies setzt eine planwidrige Regelungslücke seitens des Gesetzgebers voraus, sowie eine vergleichbare Interessenlage. a) Eine planwidrige Regelungslücke liegt dann vor, wenn der Gesetzgeber einen Sachverhalt nicht geregelt hat, die Nichtregelung aber nicht bewusst von ihm erfolgte, sondern er schlicht diesen nicht bedacht hat. Vorliegend hat der Gesetzgeber den Fall einer abhanden gekommenen WE hinsichtlich möglicher Rechtsfolgen (Schadensersatz des Vertragsgegners) nicht geregelt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er diesen Umstand generell nicht regeln wollte. Eine planwidrige Lücke ist daher zu bejahen. b) Zudem müsste die Interessenlage vergleichbar sein. 122 I BGB dient dem Zweck das Vertrauen des Vertragspartners auf die Wirksamkeit, der ihm gegenüber abgegebenen WE zu schützen: derjenige, der nach Außen den Rechtsschein gesetzt hat, dass eine entsprechende WE abgegeben wurde, ist einem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser erleidet, weil er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hat. Damit fragt sich, ob im Fall der abhanden gekommenen WE sich das Schutzbedürfnis in gleicher Weise stellt, wie nach einer Anfechtung einer WE oder einer nichtigen WE aufgrund eines guten Scherzes ( 118 BGB). Dies ist zu bejahen. Denn der Vertragspartner hat regelmäßig keine Einsicht in die konkreten Umständen, die zur Abgabe der WE führten. Damit ist aber auch sein Vertrauen schutzwürdig, dass die WE normal abgegeben wurde und damit auch wirksam ist. Damit ist es interessensgerecht 122 I BGB auch auf den Fall einer abhanden gekommenen WE anzuwenden. II. Analoge Anwendung: 1. Tatbestand: a) Die positiven Voraussetzungen des 122 I BGB sind demnach (analog) erfüllt. b) Dafür, dass ein Haftungsausschluss nach 122 II BGB vorliegend eingreifen könnte, fehlen Anhaltspunkte im Sachverhalt. 2. Rechtsfolge: Als Rechtsfolge sieht 122 I BGB den Ersatz des negativen Interesses (auch Vertrauensschaden genannt) voraus. Dieser umfasst alle Schäden, die entstanden sind, weil der Vertragsgegner sich auf die Wirksamkeit der WE verlassen hat. Vorliegend ist zu differenzieren: Die Lagerkosten wären auch bei Gültigkeit der Erklärung angefallen, ebenso wie die allgemeinen (anteiligen) Mitarbeiterkosten. Auch der Einkaufswert des Gerätes ist kein Schaden, der nur im Vertrauen auf die von T abgegebene WE entstanden ist. Damit kann die A nur Ersatz der Portokosten ihv 5 Euro verlangen. Begrenzt wird der Anspruch der Höhe nach schließlich noch durch 122 I BGB a.e.: es wird kein Betrag über den Wert des positiven Interesses ersetzt. Das positive Interesse bezeichnet die Situation, wie der andere bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung stünde. Dann aber hätte die A von T 650 Euro erhalten. Damit ist das positive Interesse deutlich höher als der Betrag des Vertrauensschadens, sodass dieser der Höhe nach nicht durch 122 I a.e. BGB begrenzt wird. Seite 5 von 10
III. Ergebnis: Die A hat einen Anspruch auf 5 Euro gegen T gem. 122 I BGB analog. Fall 3: Wirksamkeit der Kündigung: Eine Kündigungserklärung ist eine einseitige, empfangsbedürftige WE, die für ihr Wirksamwerden ebenfalls nach 130 I 1 BGB Abgabe und Zugang voraussetzt. I. Abgabe einer entsprechenden WE: Mit dem Überreichen des Briefes ist die WE abgegeben. II. Zugang: Vorliegend ist entscheidend, wann die WE bei dem B zugeht, da die WE an ihn als Arbeitnehmer des A gerichtet ist. Der A hat im Fall aber nicht dem B in die Hand gegeben, sondern der F. Damit fragt sich, wann eine WE zugeht, wenn noch dritte Personen in den Vorgang eingeschalten sind. Insofern ist zu differenzieren, zwischen Empfangsvertretern, -Boten und Erklärungsboten. 1. Eine Empfangsvertretung setzt voraus, dass die eingeschaltete Person zur Entgegennahme von WE vom eigentlichen Adressaten bevollmächtigt wurde. Wird die Erklärung einem Empfangsvertreter überreicht, so gilt sie als unmittelbar in diesem Moment dem wirklichen Empfänger zugegangen. Vorliegend wurde die F aber nicht von B bevollmächtigt, zumindest finden sich keinerlei Angaben hierfür im Sachverhalt. Damit ist die F nicht als Empfangsvertreterin einzustufen. 2. Ein Empfangsbote ist jede Person, die nach der Verkehrsauffassung als zum Empfang und zur Weiterleitung von WE geeignet und befugt erscheint. Sie wird behandelt wie ein menschlicher Briefkasten, d.h. auch bei ist danach zu fragen, wann nach der Verkehrsauffassung üblicherweise mit der Weiterleitung an den eigentlichen Empfänger und damit mit dessen Kenntnisnahme zu rechnen ist. Da es sich vorliegend um die Ehefrau des B handelte und beide in einem gemeinsamen Haushalt lebten, ist dies vorliegend erfüllt. Damit war die F Empfangsbotin und die Erklärung geht in dem Moment zu, in welchem üblicherweise mit der Weiterleitung an B zu rechnen ist. Dies wird in der Regel der Abend desselben Tages sein. Damit gilt die Erklärung als am Abend des 14.4. zugegangen. Dass der B tatsächlich sie niemals enthielt, spielt demgegenüber keine Rolle. Insofern trägt das Verspätungs- wie auch Verlustrisiko der Empfänger. III. Ergebnis: Die Kündigung wurde wirksam. Abwandlung: Wieder: Wirksamwerden abhängig von Abgabe und Zugang der Erklärung. I. Abgabe s.o. Seite 6 von 10
II. Zugang: 1. Die T ist jedenfalls nicht als Empfangsvertreterin eingesetzt worden. 2. Sie könnte aber ebenfalls wieder als Empfangsbotin zu werten sein. Dies hätte zur Konsequenz, dass das Verlustrisiko der B zu tragen hätte. Umgekehrt könnte sie aber auch Erklärungsbotin sein, nämlich dann, wenn nach dem Rechtsverkehr eben nicht von ihrer Eigenschaft als Empfangsbotin ausgegangen werden kann. Dann würde der Erklärende das Risiko der nicht erfolgten bzw. verspäteten Weiterleitung an den B tragen. Damit fragt sich, wie die T vorliegend einzustufen ist. Grundsätzlich würde die Verkehrsanschauung ein kleines Kind mit 3 Jahren nicht als Empfangsbotin ansehen, weil man ihr die Eignung zur Weiterleitung von wichtigen Erklärungen absprechen würde. Fraglich erscheint nur, ob vorliegend etwas anderes gilt, weil die T für ihr Alter deutlich älter wirkte. Dies kann vorliegend unbeantwortet bleiben, da man auch einer 6-jährigen die Eignung zur Weiterleitung von WE absprechen würde. 3. Damit ist die T als Erklärungsbotin einzustufen. Für die Frage des Zugangs hat dies zur Konsequenz, dass die Erklärung wegen der nichterfolgten Weiterleitung nicht zugegangen ist. Das Risiko hat insofern der A als Erklärender zu tragen. III. Ergebnis: Die Kündigungserklärung ist nicht wirksam geworden. Fall 4: Anspruch V A auf Abnahme des Fahrrads und Zahlung von 800 Euro gem. 433 II BGB I. Kaufvertragsschluss Voraussetzung: Zwei übereinstimmende WE von K und V, vgl. 145 ff. BGB. 1. Angebot des V durch Katalog? (-), bloße invitatio ad offerendum, s. vorherige Fälle. 2. Angebot durch A durch Bestellfax? a) Ein Bestellfax stellt grundsätzlich eine WE dar, die alle Anforderungen, die an eine Angebotserklärung zu stellen sind, erfüllt. b) Allerdings müsste die WE des A auch wirksam geworden sein. Nach 130 I 1 BGB bedarf es hierzu der Abgabe und des Zugangs der Erklärung. aa) Durch das Absenden des Faxes hat der A die Erklärung abgegeben. bb) Sie wurde auch vom Empfängergerät ausgedruckt. Mit dem Ausdruck ist sie (spätestens, Einzelheiten str.) in den Machtbereich des V gelangt. Allerdings geschah dies außerhalb der Geschäftszeiten, sodass nach der Verkehrsanschauung mit einer Kenntnisnahme durch V nicht mehr am gleichen Abend gerechnet werden kann. Damit geht die Erklärung erst zu Geschäftsbeginn am darauffolgenden Tag (16.04.) zu. Seite 7 von 10
cc) Allerdings könnte sie doch nicht wirksam geworden sein, wenn ein wirksamer Widerruf nach 130 I 2 BGB vorliegt. Hierzu wäre erforderlich, dass die zweite WE dem Vertragspartner vorher oder gleichzeitig zugeht. Dies erfordert eine genaue Bestimmung des Zugangszeitpunktes der Widerrufserklärung. Auch die Widerrufserklärung wurde per Fax am späten Abend des 15.04. abgegeben und ging folglich erst am nächsten Morgen dem V zu. Damit gingen beide Erklärungen dem V am Morgen des 16.04. zu Geschäftsbeginn zu, sodass von einem gleichzeitigen Zugang im Sinne des 130 I 2 BGB ausgegangen werden kann. 3. Zwischenergebnis: Ein annahmefähiges Angebot seitens des A lag nach dem Widerruf nicht mehr vor. II. Ergebnis: Damit fehlt es auch an einem wirksamen Kaufvertrag und einem Anspruch des V gegen A auf Zahlung und Abnahme. Hinweis: Bezüglich der Gleichzeitigkeit kommt es weder darauf an, welche Erklärung zeitlich früher in den Machtbereich gelangt ist, noch von welcher rein tatsächlich früher Kenntnis genommen wird. Nachzulesen bei BeckOK-Wendtland, 130 BGB, Rn. 30. Fall 5: Anspruch A O auf Abnahme von 500 kg Äpfel und Zahlung von 1000 Euro gem. 433 II BGB I. Kaufvertragsschluss 1. Angebot des A in der Zeitung? A hat durch die Annonce noch kein Angebot abgegeben, sondern nur eine invitatio ad offerendum. 2. Angebot durch die O am Telefon? a) Abgabe einer Angebotserklärung? Allerdings könnte die O am Telefon ein Angebot abgegeben haben. Hierzu ist erforderlich, dass sie am Telefon überhaupt eine WE abgegeben hat, sowie, dass dieses auch die inhaltlichen Anforderungen an ein Angebot erfüllt. aa) Die O hat eine Erklärung abgegeben, die sowohl den objektiven, wie auch den subjektiven Tatbestand einer WE voll erfüllt. Seite 8 von 10
bb) Die Erklärung der O müsste weiterhin so bestimmt gewesen sein in inhaltlicher Hinsicht, dass bereits alle essentialia negotii in ihr enthalten gewesen sind und ein einfaches Ja von Seiten des A genügt, um den Vertrag zustande zu bringen. Auch dies ist erfüllt. Zwar hat sie nur die Menge von 10 kg genannt und keinen Preis. Sie hat sich aber insofern explizit auf das Angebot in der Zeitung bezogen, wo ein Preis pro kg angegeben war. Damit liegt ein Angebot der O grundsätzlich vor. b) Wirksamwerden und Inhalt der Angebotserklärung Fraglich erscheint allerdings, wann und mit welchem Inhalt die WE wirksam wurde. Denn auch eine WE, die unter Anwesenden abgegeben wird, muss wirksam werden, auch wenn auf diese 130 I 1 BGB keine Anwendung findet. Eine WE unter Anwesenden wird jedenfalls in dem Zeitpunkt wirksam, wenn diese vom Empfänger vollständig und richtig verstanden wurde. Zweifel ergeben sich aber, wenn wie im vorliegenden Fall die WE vom Empfänger anders verstanden wurde, als sie vom Erklärenden geäußert wurde. Dass eine WE am Telefon als WE unter Anwesenden behandelt wird, ergibt sich aus 147 I 2 BGB. aa) Eine Auffassung geht in diesem Fall davon aus, dass die WE nicht wirksam wird (sog. strenge Vernehmungstheorie). Ein akustisch richtiges Verstehen der Erklärung sei demnach Wirksamkeitsvoraussetzung. Demnach wäre O s WE nicht wirksam geworden, da der A sie falsch verstanden hat. bb) Nach anderer Auffassung genügt bereits, dass der Erklärende davon ausgehen durfte, dass der Empfänger ihn richtig verstanden hat. Dies setzt eine sorgfältig abgegebene Erklärung seitens des Erklärenden voraus und dass ihm keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Empfänger ihn nicht richtig verstanden haben könnte. Demnach wäre die Erklärung der O wirksam geworden, denn für sie war nicht erkennbar, dass aufgrund von lauten Geräuschen der A ihre Erklärung nicht richtig verstehen konnte. cc) Damit muss entschieden werden, welcher Meinung der Vorzug zu geben ist. Für die letztgenannte Meinung spricht, dass sonst der Erklärende zu sehr mit Risiken beladen ist, die er weder beurteilen kann, noch die in seiner Sphäre liegen. So hat der Empfänger zumindest die Möglichkeit noch einmal nachzufragen, der Erklärende wird sich in der Regel nicht rückversichern, weil ja für ihn keine Anhaltspunkte erkennbar waren, dass der andere ihn falsch verstanden haben könnte. Damit wurde die WE der O wirksam. c) Inhalt der Angebotserklärung der O: Die WE der O ist auch mit dem von ihr erklärten Inhalt nämlich Erwerb von nur 10 kg Äpfel wirksam geworden. 3. Annahme durch A? A hat der O gegenüber sein Einverständnis erklärt. Legt man diese Erklärung nach dem obj. Empfängerhorizont aus, so durfte die O die Erklärung so verstehen, dass er mit der Lieferung von 10 kg Äpfel zu den genannten Konditionen einverstanden ist. 4. Zwischenergebnis: Seite 9 von 10
Zwischen O und A wurde ein wirksamer KV geschlossen. Allerdings nicht mit dem Inhalt, dass 50 Zentner Äpfel verkauft wurden, sondern nur über 10 kg. II. Ergebnis: A hat nicht den geltend gemachten Anspruch. Seite 10 von 10