Gehirntraining durch Bewegung - Bewegung für Menschen mit Demenz Vortrag am 20.06.2013 in Ingelheim Petra Regelin Vizepräsidentin des Rheinhessischen Turnerbundes
Was erwartet Sie? 1) Im Gehirn bewegt sich was 2) Wirkungen von Bewegung auf das gesunde Gehirn 3) Welche Bewegung wirkt auf das Gehirn? 4) Wirkungen von Bewegung auf Menschen mit Demenz 5) Zur Umsetzung von Bewegungsangeboten für Menschen mit Demenz und für Angehörige Seite 2
1. Im Gehirn bewegt sich was... Neue Technik - Gehirn beim Arbeiten zusehen: Was passiert im Gehirn aktuell während Bewegung? Bei regelmäßiger Bewegung? Vor 20 Jahren Kindheit: Gehirn aufgebaut und ausdifferenziert. Erwachsen: Gehirnstrukturen verändern sich nicht. Im Alter: unaufhaltsamer Abbau von Gehirnzellen. Heute permanenter Auf- und Umbau, Ausdifferenzierung. Nie Stillstand! Jede Aktivität, Erfahrung, Bewegung verändert die Gehirnstrukturen. Neue Synapsen bilden sich bei Reizen. Permanentes Benutzen hinterlässt tiefe Spuren, bildet feste, dauerhafte Verknüpfungen. 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) bilden ein riesiges Informationsnetz. Bei Reizen wachsen Dendriten (Nervenfortsätze) auf andere Zellen gezielt zu, nehmen Kontakt auf, neue Synapsen Gigantische Nervenzellnetzwerke 1 Zelle mit 10.000 verbunden je komplexer, umso besser funktioniert das Denken. Seite 3
2. Wirkungen von Bewegung auf das Gehirn a. Sauerstoff-Kick im Gehirn für mehr geistige Frische Sanfter Ausdauersport (Spazieren) fördert die Gehirndurchblutung um 20 %, intensiver Ausdauersport um 30 %. Während der Bewegung kurzfristig mehr O2 und Nährstoffe im Gehirn - Energieschub für das Denken Empfehlung: Spaziergang vor anstrengender geistiger Aufgabe. b. Neue Blutgefäße fürs Gehirn Langfristige Wirkung: Neubildung kleiner Blutgefäße im Gehirn Bessere Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen während Bewegung und in Ruhe bessere physiologische Voraussetzungen für Versorgung des Gehirns. Seite 4
2. Wirkungen von Bewegung auf das Gehirn c. Neuronale Netzwerke im Gehirn wachsen Bewegung stimuliert die Produktion von Proteinen, die Nervenwachstum im Gehirn fördern Dendriten wachsen, neue Synapsen, neuronale Netzwerke werden komplexer. Folge: Mit Bewegung kann man sich schneller, leichter und besser auf geistige Anforderungen einstellen, nötige geistige Fähigkeiten entwickeln. d. Neue Gehirnzellen im Hippocampus (Adulte Neurogenese) Tierversuche: Bildung neuer Gehirnzellen im Hippocampus Hippocampus: Lernzentrum, Tor zum Gedächtnis Bewegung löst die Neubildung der Zellen aus. Vermutung: Bewegung regt Bildung von unreifen Vorläuferzellen der Neurone an Überschuss wird produziert. Durch geistige Aktivität werden Vorläuferzellen in neuronale Netzwerke eingebunden bleiben nur dann dauerhaft erhalten. Seite 5
2. Wirkungen von Bewegung auf das Gehirn e. Bewegung hält das Gehirn jung Typischer Abbau von Dendriten und Synapsen im hohen Alter wird durch Bewegung verlangsamt durch Bildung neuer Blutgefäße und Nervenzellnetzwerke verbessert Aufmerksamkeit, Denkvermögen, Gedächtnisleistung. Bewegung gleicht aus: Ältere brauchen für geistige Aufgaben größere Gehirnareale als Jüngere mehr kognitive Ressourcen für gleiche Leistung. Bei Ausdauersportlern keine Unterschiede im Gehirn im Vergleich zu jungen Sportlern. f. Bewegung senkt das Demenzrisiko Demenzrisiko um 30 bis 50 % reduziert Vermutung: Durch Bewegung entwickelt Gehirn Schutzfaktoren, die es besser schützen und länger bewahren vor dem Ausbruch einer Demenz. Bewegung in Lebensmitte besser Schutz im höchsten Alter. Seite 6
3. Welche Bewegung wirkt auf das Gehirn? Jacobs University Bremen: 3 Trainingsgruppen 3 mal pro Woche, 1 Jahr lang (Nordic Walking, Koordination, Stretching). Ausdauer: fördert die gezielte Steuerung der Aufmerksamkeit (wichtige und unwichtigen Infos unterscheiden), macht das Denken schneller und effektiver (Exekutivfunktionen). Koordination: Bessere räumliche Wahrnehmung, verbessert das Denken qualitativ, macht es genauer. (Gleichgewicht, Reaktion, Differenzieren) Stretching: Keine Verbesserung der geistigen Leistungen. Etwas Anstrengung muss sein, damit Bewegung positive Auswirkungen auf das Gehirn hat. Seite 7
4. Wirkungen von Bewegung auf Menschen mit Demenz Seite 8
Lassen sich Menschen mit Demenz überhaupt trainieren? Ältere mit kognitiven Einschränkungen häufig von körperlicher Rehabilitation ausgeschlossen. Metaanlayse von Heym et al., 2008: 21 Studien mit kognitiv Eingeschränkten (n = 1411) und 20 Studien mit Intakten (n=1510) Beide Gruppen erzielten vergleichbare moderate bis starke Gewinne durch Kraft- und Ausdauertraining bzw. der Kombination aus beiden. Kein Unterschied in den Effektstärken. Kognitiv eingeschränkte Ältere dürfen nicht von körperlichen Rehabilitationsprogrammen ausgeschlossen werden. Seite 9
Heidelberger Studie (Hauer/Schwenk) Auswirkungen auf die Motorik Seite 10
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4. Wirkungen von Bewegung auf Menschen mit Demenz Bewegung kann eine Demenz nicht stoppen, aber die körperlichen Alltagsfunktionen bleiben länger erhalten: Gehen, Treppe steigen, Aufstehen, Hinsetzen, heben, sich waschen, Gleichgewicht Selbstständigkeit bleibt länger erhalten. Demenz wirkt sich auf Motorik aus: Gehen unsicher, kleine Schritte, Füße lange am Boden, Gang unharmonisch Sturzrisiko 3-4-fach erhöht. Probleme mit Doppelanforderungen Aufmerksamkeit reicht nicht Unsicherheit bei Bewegung erhöhtes Sturzrisiko. Studie Uni Heidelberg: Ein gezieltes Funktionstraining kann die Leistung demenziell Erkrankter (Kraft/Balance/Bewegungssicherheit bei Doppelanforderungen, Alltagsbewegungen) um 30 bis 50 % verbessern Sturzprävention. Seite 12
4. Menschen mit Demenz bewegen Der Abbau kognitiver Leistungen scheint sich zu verlangsamen: Bewegung scheint dem Abbau der neuronalen Netzwerke entgegenzuwirken (Aufmerksamkeitsspanne, Kurzzeitgedächtnis, Lernfähigkeit). Verbessertes Schlafverhalten. Verringerung depressiver Verstimmungen. Motorische Unruhe Gereiztheit, Aggressionen, Ängste Lebenslust. Körperwahrnehmung: Wer sich spürt, kann sich auch waschen, anziehen, kämmen, Soziale, kommunikative Fähigkeiten. Seite 13
4. Menschen mit Demenz bewegen Besondere Methoden: Vormachen: Direkt vor dem Erkrankten stehen. Einfache Sprache ergänzt das Vormachen. In Bildern reden: Stabil wie ein Baum Berühren zum Korrigieren, Bewegung führen. Einfache, klar strukturierte Übungen statt komplexe. Misserfolge vermeiden, Kompetenzgefühl erhalten. Aufgaben individuell anpassen. Konstanter Rahmen vermittelt Sicherheit. Geregelte Abläufe. Bewegungsrituale schaffen. Thematische Zugänge (Radfahren, Gartenarbeit, Walzer) Bewegungsgeschichten, Geräte mit Aufforderungscharakter. Rhythmische Signale (Musik, Singen, Klatschen, uuund jetzt!) Seite 14
4. Menschen mit Demenz bewegen Inhalte: 1. Funktionstraining zur Förderung von Alltagsbewegungen (Balance, Kraft, Aufstehen, Gehen, Treppe steigen). 2. Doppelaufgaben (Motorisch-kognitives Kombinationstraining). 3. Ausdauertraining (Spazieren, Gehen im Sitzen, Tanzen). 4. Koordinationstraining (Reagieren, Auge-Hand- Koordination, Raum und Zeit erfassen, Körperteile unterschiedlich bewegen). 5. Wahrnehmungstraining. 6. Sinnesanregungen. 7. Tanzen und Musik. Seite 15
5. Zur Umsetzung von Bewegungsangeboten für Menschen mit Demenz Tandem-Konzept: Bewegungsgruppe für Menschen mit Demenz (leicht bis mittelschwer), die zu Hause leben. Das Besondere: Zeitgleich Gesundheitssport für Angehörige zwei Türen weiter: Rückengymnastik, Entspannung, Walking, Bislang zwei Tandem- Bewegungsgruppen in Frankfurt/M. Zugangsproblematik durch Zusammenarbeit mit Beratungsstellen, Pflegestützpunkten, gelöst. Seite 16
6. Zum Nachlesen Seite 17
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Petra Regelin Rheinhessischer Turnerbund Seite 18