Europäische Verwaltungskooperation im Telekommunikationsrecht Das Koordinationsverfahren. Österreich Seminar SS 2013 Mag Kerstin Tobisch

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KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

PUBLIC RAT DER EUROPÄISCHEN UNION. Brüssel, den 21. Juni 1999 (25.08) (OR. f) 8612/99 LIMITE PV/CONS 30 SOC 02 ENTWURF.

Transkript:

Europäische Verwaltungskooperation im Telekommunikationsrecht Das Koordinationsverfahren Österreich Seminar SS 2013 Mag Kerstin Tobisch

Europäische Verwaltungskooperation Ausgangslage Bürger Verwaltungsbehörde eines MS (TKK) Behörden anderer MS (NRB) Europäische Kommission, Ausschüsse, Agenturen (GEREK) Vertikale und horizontale Verschränkungen der unionalen und der mitgliedstaatlichen Verwaltungsebenen Die Entscheidung wird nicht autonom, sondern unter Einbindung der verschiedenen Ebenen getroffen. 2

Koordinationsverfahren: Rechtliche Grundlagen der Kooperation Europarechtliche Vorgaben: Art 7 Telekom-RahmenRL 2002/21/EG (idf RL 2009/140/EG) Empfehlung der Kommission vom 15.10.2008 zu den Notifizierungen, Fristen und Anhörungen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 2002/21/EG GEREK-VO (EG) 1211/2009 Empfehlung der Kommission über relevante Produkt- und Dienstmärkte Leitlinien zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht Innerstaatliche Umsetzung: 129 TKG 2003

Koordinationsverfahren zur Marktdefintion und -analyse Koordinationsverfahren zur Marktdefinition und Marktanalyse Es gibt nicht das Koordinationsverfahren Berücksichtigungsverfahren Vetoverfahren gem 129 Abs 1 TKG 2003 gem 129 Abs 3 TKG 2003 bzw Art 7 Abs 3 RRL bzw Art 7 Abs 4 RRL

Marktanalyse und Marktdefinition - Kooperation 1: Berücksichtigungsverfahren Stellungnahme Frist:1 Monat Stellungnahme Wirkung? GEREK Kommission Entwurf einer Vollziehungshandlung Entscheidung weitestgehende Berücksichtigung der Stellungnahmen Österreich TKK Stellungnahme Sonstige MS NRB Michael Mayrhofer

Marktanalyse und Marktdefinition - Kooperation 2: Vetoverfahren Entwurf einer Vollziehungs -handlung negative Stellungnahme F R I S T : 2 M o n a t e Mitteilung der Bedenken GEREK Kommission Österreich TKK Sonstige MS NRB Michael Mayrhofer

Marktanalyse und Marktdefinition Vetoverfahren/Zwischenverfahren Stellungnahme GEREK Bedenken betreffend Vereinbarkeit mit Unionsrecht /Hemmnis für Binnenmarkt Entscheidung: Veto / Ok weitestgehende Berücksichtigung Kommission Veto: STOP -> Zurückziehung oder Änderung des notifizierten Maßnahmenentwurfs Österreich TKK Stellungnahmen Sonstige MS NRB Michael Mayrhofer

Koordinationsverfahren - Handlungsformen der Kommission Stellungnahme ist weitestgehend zu berücksichtigen Vgl Unterschiede im Wortlaut: weitestgehend Rechnung tragen, the utmost account, le plus grand compte keine verbindliche Rechtswirkung erhöhte Begründungsanforderungen bei Abweichung von der Stellungnahme EuG Rs T-109/06 (Vodafone/Kommission) Slg 2007, II-5151, Rn 91; VwGH 28.2.2007, 2004/03/0210. Veto staatengerichteter Beschluss isv Art 288 Abs 4 AEUV -> verbindlich TKK ist (zunächst) auch an rechtwidrige Beschlüsse gebunden von der nationalen Behörde ist die Vollziehungshandlung innerhalb von sechs Monaten abzuändern oder zurückzuziehen (Art 7 Abs 6 RRL bzw 129 Abs 3a TKG 2003) Bindung an Änderungsvorschläge 8

Rechtsschutz in Kooperationsverfahren Problem: Rechtsschutzkonzept ist dualistisch, nicht integrativ Typischen Verflechtungen zwischen unionalen und innerstaatlichen Handlungen kann nicht ausreichend Rechnung getragen werden Auseinanderfallen zwischen formellen Entscheidungsträgern und materieller Determinierung

Rechtsschutz im Telekom- Koordinationsverfahren I Konkrete Problemfelder: Existenz von Rechtsbehelfen Zugänglichkeit zum Rechtsschutz Rechtswegklarheit Effektivität des Rechtsschutzes Rechtzeitigkeit

Rechtsschutz im Telekom- Koordinationsverfahren II Rechtsschutz gegen den Regulierungsbescheid Gem 121 Abs 5 TKG 2003 kein ordentliches RM zulässig Nichteinhaltung oder fehlerhafte Durchführung des Kooperationsverfahrens belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit unionale Mitwirkungsakte können nicht Gegenstand der Prüfung durch mitgliedstaatliche Gerichte sein Rechtsschutz gegen die Stellungnahme der Kommission TKK muss Stellungnahme nicht befolgen, da nicht verbindlich erhöhter Begründungsaufwand bei Nichtberücksichtigung Telekommunikationsbetreiber keine Nichtigkeitsklage vor EuG möglich Stellungnahme kann vom VwGH nicht überprüft werden Bescheidbeschwerde gem Art 131 Abs 1 + Vorabentscheidungsverfahren gem Art 267 AEUV

Rechtsschutz im Telekom- Koordinationsverfahren III Rechtsschutz gegen das Veto der Kommission TKK an Veto gebunden TKK ist Adressat des Vetos => Nichtigkeitsklage möglich Telekommunikationsbetreiber Bescheidbeschwerde gem Art 131 Abs 1 B-VG + Vorabentscheidungsverfahren gem Art 267 AEUV Nichtigkeitsklage gem Art 263 Alt 4, unter Voraussetzung einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit

Department of Public Law and Tax Law Institute for Austrian and European Public Law Althanstrasse 39-45, 1090 Vienna, Austria Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ass. Mag. Kerstin Tobisch T +43-1-313 36-4075 F +43-1-313 36-713 Kerstin.tobisch@wu.ac.at www.wu.ac.at SEITE 13