Fall 1: A. Anspruch S gegen K auf Herausgabe des Bildes gem. 985 BGB I. Besitz des K: K ist unmittelbarer Besitzer des Gemäldes isd 854 I BGB. II. Eigentum des S? 1. Das Gemälde stand im Eigentum des K. 2. Laut Sachverhalt kam es auch noch zu keiner Übereignung an den S gem. 929 S. 1 BGB. Allein aus dem Kaufvertrag geht aber noch kein Eigentum über, sodass nach wie vor das Eigentum bei dem K ist. III. Ergebnis: S hat gegen den K keinen Anspruch aus 985 BGB. B. Anspruch S gegen K auf Übergabe und Übereignung des Bildes gem. 433 I 1 BGB I. Kaufvertragsschluss 1. Angebot des K durch das Ausstellen des Bildes im Schaufenster in Verbindung mit dem Preisschild? Zwar liegen bei dem im Schaufenster ausgestellten Bild alle essentialia negotii vor (Kaufgegenstand und Preis sind bezeichnet), allerdings fehlt der Rechtsbindungswille bei Schaufensterauslagen. Diese stellen daher noch kein verbindliches Angebot dar, sondern nur eine invitatio ad offerendum. 2. Angebot durch S (+) 3. Annahme durch K (+) II. Erlöschen des Anspruchs gem. 142 I BGB? 1. Anfechtungserklärung gem. 143 I, II BGB? K hat dem S gegenüber erklärt, dass er sich unter diesen Umständen nicht mehr an den Vertrag mit ihm gebunden fühlt. Im Wege der Auslegung nach 133, 157 BGB ist dies als Anfechtungserklärung zu verstehen. Diese wurde auch gegenüber dem Vertragspartner abgegeben. 2. 119 II BGB als Anfechtungsgrund? a) Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft? aa) Eigenschaft = alle gegenwärtigen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die in der Person oder der Sache selbst begründet sind. Bei Sachen sind dies alle wertbildenden Faktoren, nicht aber der Wert selber bei K (+) hinsichtlich der Urheberschaft des Gemäldes/ dessen Eigenschaft als Originalgemälde, nicht aber hinsichtlich des Wertes des Bildes. Seite 1 von 7
bb) Verkehrswesentlichkeit der Eigenschaft = wenn auf die Eigenschaft im Rechtsverkehr bei Geschäften der fraglichen Art üblicherweise entscheidenden Wert gelegt wird beim Gemäldekauf (+) cc) Irrtum = unbewusste Fehlvorstellung oder Unkenntnis über einen tatsächlichen Sachverhalt K ging davon aus, er verkaufe nur Abdruck, tatsächlich aber Original verkauft, daher Irrtum (+) dd) Zwischenergebnis: Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft bei K (+) b) Kausalität des Irrtums? (+), da er andernfalls zu diesen Konditionen keinen Vertrag mit dem S geschlossen hätte. 3. Anfechtungsfrist von 121 I BGB? Wohl noch unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (+). 4. Zwischenergebnis: WE des K wirksam angefochten und damit nach 142 I BGB unwirksam. III. Ergebnis: Kein Anspruch des S gegen K aus 433 I 1 BGB. C. Anspruch des S gegen K auf Ersatz des Vertrauensschadens ihv 100 Euro gem. 122 I BGB I. Anspruchsvoraussetzungen 1. Anfechtung nach 119 BGB (+), s.o. 2. Kein Ausschluss nach 122 II BGB (+) II. Rechtsfolge: Ersatz des Vertrauensschadens 1. Vertrauensschaden = des Schadens der entstanden ist, weil man sich auf die Wirksamkeit der WE verlassen hat; hier: 100 Euro für den eigens angeschafften Bilderrahmen 2. Höhenmäßige Begrenzung auf das positive Interesse: hier: positives Interesse ist so gestellt zu werden, wie man bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung stehen würde = Erhalt eines Bildes im Wert von 500 Euro; damit keine Begrenzung vorliegend. III. Ergebnis: Anspruch des S gegen K aus 122 I BGB ihv 100 Euro (+). Abwandlung A. Anspruch des K gegen S auf Herausgabe des Bildes gem. 985 BGB I. S ist Besitzer des Bildes, vgl. 854 I BGB. II. Eigentum des K? 1. Ursprünglich (+) Seite 2 von 7
2. Übereignung an S gem. 929 S. 1 BGB? a) Dingliche Einigung zwischen K und S laut SV (+) b) Rückwirkender Entfall der dinglichen WE des K nach 142 I BGB? aa) Anfechtungserklärung gem. 143 I, II BGB? Auslegung nach 133, 157 BGB ergibt, dass inhaltlich Anfechtungserklärung vorliegt; S gem. 143 II BGB richtiger Erklärungsgegner. bb) Anfechtungsgrund: 119 II BGB Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft? Wie oben gesehen, irrte der K grundsätzlich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (Urheberschaft des Bildes/ Eigenschaft als Original); dieser Irrtum müsste aber auch den dinglichen Vertrag betreffen. Ob dies bei 119 II BGB hinsichtlich der dinglichen WE (auch) der Fall ist, wird unterschiedlich beurteilt 1 : - M1: Es fehlt an der Verkehrswesentlichkeit der Eigenschaft der Sache, da Gegenstand der Übereignung die Sache als solche ohne bestimmte Eigenschaften sei. - M 2: Auch hier gelte der Bestimmtheitsgrundsatz des Sachenrechts mit der Folge, dass die Verkehrswesentlichkeit sehr wohl zu bejahen ist und damit Gegenstand der Übereignung eine Sache mit bestimmten Eigenschaften ist. Je nach Streitentscheid Eigentümerstellung des K (+/-) und damit Anspruch (+/-), da Besitzrecht isd 986 I 1 BGB nicht besteht (KV nicht vorhanden wegen Anfechtung der WE des K, s.o.) B. Anspruch des K gegen S auf Herausgabe des Bildes gem. 812 I 1 Alt. 1 BGB I. Etwas erlangt: Je nach oben vertretener Auffassung nur Besitz oder Besitz und Eigentum. II. Durch Leistung: Ziel- und zweckgerichtetes Fördern fremden Vermögens: bei K (+) III. Ohne Rechtsgrund: WE angefochten, damit kein KV (+) IV. Ergebnis: Der Anspruch aus 812 I 1 BGB gerichtet auf Herausgabe des Bildes besteht. Zusatzfrage Anspruch S gegen K auf Ersatz des Vertrauensschadens gem. 122 I BGB I. Tatbestandsvoraussetzungen: (+), s. oben II. Rechtsfolge: 1 Bei Interesse nachzulesen in MüKo-Oechsler, 929 BGB, Rn. 33. Seite 3 von 7
1. Ersatz des Vertrauensschadens: auch in dem Fall, in dem das Geschäft nur getätigt wird, um einen Gewinn durch Weiterverkauf zu günstigen Konditionen zu erzielen, ist der entgangene Gewinn kein Posten des Vertrauensschadens (str. aber herrschend). Damit bleibt es bei den 100 Euro für den Rahmen. 2. Grenze positives Interesse: Dieses läge nun bei 150 Euro (hypothetischer Weiterverkaufspreis abzüglich Erwerbspreis). III. Ergebnis: S hat gegen K einen Anspruch aus 122 I BGB ihv 100 Euro. Fall 2 A. Anspruch des E gegen K auf Herausgabe der Vase gem. 985 BGB I. Besitz des K? K ist unmittelbarer Besitzer der Vase isd 854 I BGB. II. Eigentum des E? 1. Ursprünglich war der G Eigentümer der Vase. 2. Laut Sachverhalt war der E Alleinerbe; damit ging gem. 1922 I BGB das Eigentum der Vase auf ihn über. 3. Übereignung an den K gem. 929 S. 1 BGB? a) Dingliche Einigung: ursprünglich (+) b) Aber rückwirkender Entfall gem. 142 I BGB durch Anfechtung? aa) Anfechtungserklärung des E? Gem. 133, 157 BGB (+), auch gegenüber richtigem Erklärungsgegner (+), vgl. 143 I, II BGB. bb) Anfechtungsgrund: Arglistige Täuschung isd 123 I Var. 1 BGB? - Täuschung = Erregen oder Aufrechterhalten eines Irrtums durch das Vorspiegeln falscher oder Unterdrücken wahrer Tatsachen - Arglist = wenn mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt worden ist. Bei dem E wurde ein Irrtum erregt durch Vorspiegeln von wahren Tatsachen und durch Unterdrücken wahrer Tatsachen; auch wurde jeweils (wenigstens) bedingt vorsätzlich gehandelt. α) Täuschung durch Tun: P: erfolgte durch den F; 123 BGB bei Dritten nur unter den Voraussetzungen von 123 II 1 BGB wäre der F hier Dritter, dann abhängig von Kennen oder Kennenmüssen αα) Eigenschaft als Dritter? Dritter = wer als Unbeteiligter mit dem Geschäft in Berührung kommt (nicht Dritte sind Personen, die im Lager des Erklärungsempfängers stehen) Hier: F ist nicht im Lager des K stehend und mithin Dritter (+) Seite 4 von 7
ββ) Kenntnis oder Kennenmüssen des K (-), 123 I Var. 1, II 1 BGB (-) β) Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung: P: Setzt Aufklärungspflicht gem. 242 BGB voraus; diese nur sehr restriktiv zu bejahen und grundsätzlich nicht den Vertragsparteien aufzuerlegen auch insofern keine Täuschung durch den K. cc) Anfechtungsgrund 119 II BGB? Irrtum des E über verkehrswesentliche Eigenschaft? Hier: E kannte den Ursprung der Vase, verkannte allein ihren Wert; Irrtum über Wert aber kein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft. dd) Zwischenergebnis: Kein rückwirkender Entfall der dinglichen Einigung gem. 142 I BGB. c) Übergabe (+) d) Verfügungsmacht des E (+) 4. Zwischenergebnis: K hat von dem E Eigentum erworben. III. Ergebnis: Damit kein Anspruch des E gegen K aus 985 BGB. B. Anspruch des E gegen K auf Herausgabe der Vase gem. 812 I 1 Alt. 1 BGB I. Etwas erlangt von dem K? (+), Eigentum und Besitz an der Vase II. Durch Leistung des E? (+) III. Ohne Rechtsgrund? Rechtsgrund könnte Kaufvertrag zwischen E und K sein 1. Vertragsschluss? a) WE des K (+) b) WE des E Rückwirkender Entfall gem. 142 I BGB? aa) Anfechtungserklärung nach 143 I, II ivm 133, 157 BGB (+), s.o. bb) Anfechtungsgrund: 123 I Var. 1 ivm II 1 BGB (-), 119 II BGB (-) (s.o. Hinweis: Hier verläuft die Prüfung der Anfechtungsgründe parallel, was aber nicht immer so sein muss!) cc) Zwischenergebnis: Kein rückwirkender Entfall der wirksamen WE des E gem. 142 I BGB. 2. Zwischenergebnis: Kaufvertrag und Rechtsgrund damit (+) IV. Ergebnis: Anspruch aus 812 I 1 Alt. 1 BGB (-) Abwandlung A. Anspruch des E gegen K auf Herausgabe der Vase gem. 985 BGB I. Besitz des K? K ist unmittelbarer Besitzer der Vase isd 854 I BGB. II. Eigentum des E? Seite 5 von 7
1. Ursprünglich war der G Eigentümer der Vase. 2. Laut Sachverhalt war der E Alleinerbe; damit ging gem. 1922 I BGB das Eigentum der Vase auf ihn über. 3. Übereignung an den K gem. 929 S. 1 BGB? a) Dingliche Einigung: ursprünglich (+) b) Aber rückwirkender Entfall gem. 142 I BGB durch Anfechtung? aa) Anfechtungserklärung des E? Gem. 133, 157 BGB (+), auch gegenüber richtigem Erklärungsgegner (+), vgl. 143 I, II BGB. bb) Anfechtungsgrund: Arglistige Täuschung isd 123 I Var. 1 BGB? α) Täuschung: Bei dem E wurde ein Irrtum erregt durch Vorspiegeln von wahren Tatsachen und durch Unterdrücken wahrer Tatsachen β) Arglist = Wenigstens bedingt vorsätzliches Handeln des F? (+) γ) Zurechnung der Täuschung? hier: F ist nicht Dritter, sondern steht als Angestellter im Lager des K, damit ist ihm die Täuschung des F in jedem Fall zuzurechnen (auf 123 II BGB kommt es überhaupt nicht an). cc) Anfechtungsfrist: 124 I BGB: Jahresfrist: hier (+) dd) Zwischenergebnis: Wirksame Anfechtung und damit rückwirkende Nichtigkeit nach 142 I BGB 4. Zwischenergebnis: Eigentum verblieb bei dem E. III. Besitzrecht? Aus Kaufvertrag? 1. Wirksamer Abschluss eines KV (+) 2. Rückwirkender Entfall nach 142 I BGB? a) Anfechtungserklärung (+), s.o. b) Anfechtungsgrund nach 123 I Var. 1 BGB? Verhalten des F kann zugerechnet werden (+), damit besteht Anfechtungsgrund c) Frist (+), s.o. d) Zwischenergebnis: Wirksame Anfechtung (+) 3. Zwischenergebnis: Kein Besitzrecht des K (+) IV. Ergebnis: Anspruch des E auf Herausgabe gem. 985 BGB besteht. B. Anspruch des E gegen K auf Herausgabe der Vase gem. 812 I 1 Alt. 1 BGB Seite 6 von 7
I. Etwas erlangt von dem K? (+), Eigentum und Besitz an der Vase II. Durch Leistung des E? (+) III. Ohne Rechtsgrund? Rechtsgrund könnte Kaufvertrag zwischen E und K sein, aber wirksame Anfechtung nach 142 I, 123 I Var. 1 BGB (s.o.). Damit kein Rechtsgrund gegeben. IV. Ergebnis: Anspruch aus 812 I 1 Alt. 1 BGB auf Herausgabe (+). Seite 7 von 7