GÜNTHER ÖLSCHLÄGER 3.3 MEHRDEUTIGKEIT SPRACHLICHER AUSDRÜCKE

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Transkript:

1 GÜNTHER ÖLSCHLÄGER 3.3 MEHRDEUTIGKEIT SPRACHLICHER AUSDRÜCKE

MEHRDEUTIGKEIT SPRACHLICHER AUSDRÜCKE 2 GLIEDERUNG Vermeintliche Mehrdeutigkeit im Alltag Vagheit Ambiguität - Übersicht Kompositional Lexikalisch Polysemie Homonymie Disambiguität Kontext Einbezug der Äußerungssituation Bedeutungsvarianten maximalistisch minimalistisch

MEHRDEUTIGKEIT SPRACHLICHER AUSDRÜCKE 3 VERMEINTLICHE MEHRDEUTIGKEIT IM ALLTAG Assoziation Mehrdeutigkeit mit verschiedenen Begriffen > sprachwissenschaftlich falsch Bsp.: Ich habe mir eine Eintrittskarte gekauft > keine Ambiguität, sondern verschiedenen Äußerungsbedeutungen Bsp.: Fußballweltmeister, Papst > je nach Zeitraum unterschiedliche Bedeutung > gleiche lexikalische Bedeutung ABER unterschiedliche Extension

MEHRDEUTIGKEIT SPRACHLICHER AUSDRÜCKE 4 VERMEINTLICHE MEHRDEUTIGKEIT IM ALLTAG unterschiedliche Menschengruppen bewerten Wörter verschieden Bsp.: Demokratie, Sozialstaat > unterschiedliche Bewertung durch verschiedene Assoziationen mit den jeweils repräsentierten Konzepten oft Verwendungsweise nicht klar voneinander abgrenzbar -> fließende Übergänge, keine klare Extension Bsp.: krank

MEHRDEUTIGKEIT SPRACHLICHER AUSDRÜCKE 5 VAGHEIT Extension nicht klar fixierbar Flexibler Gebrauch von Wörtern Grenzen zwischen den verschiedenen Verwendungsweisen fließend > deswegen KEINE Ambiguität Bsp.: ob ein Gegenstand zur Extension Stuhl oder Sessel gehört

MEHRDEUTIGKEIT SPRACHLICHER AUSDRÜCKE 6 AMBIGUITÄT Formen: Kompositional syntaktische Struktur semantische Bezugsbereiche grammatische Bedeutung Lexikalisch Polysemie Homonymie Homophonie Homographie

MEHRDEUTIGKEIT SPRACHLICHER AUSDRÜCKE 7 KOMPOSITIONALE AMBIGUITÄT Auch Sätze können ambig sein Mehrdeutig lexikalisch, sondern kompositional: syntaktische Struktur semantische Bezugsbereiche grammatische Bedeutung

8 KOMPOSITIONALE AMBIGUITÄT Bsp.: Die Lehrerin ärgert die Klasse > syntaktisch ambig, da im ersten Fall die Lehrerin das Subjekt ist, die Klasse das Objekt und im zweiten Fall umgekehrt Bsp.: Einen Film hat jedes Kind gesehen > Grund für Mehrdeutigkeit: verschiedene Bezugsbereiche Bsp.: Binde einen Kranz > Grammatische Bedeutung, da Binde =Imperativform, aber auch 1. Ps. Sg. Ind. Präs. von binden, da es möglich ist auf das Subjekt im Aussagesatz zu verzichten

9 LEXIKALISCHE AMBIGUITÄT Polysemie: Wörter, die mehrere, miteinander verbundene Bedeutungen aufweisen; erhalten Wörterbucheintrag, in dem die versch. Bedeutungsvarianten aufgeführt werden Bsp.: a) er kaufte sich einen Anzug aus einem teuren Stoff b) Dies ist ein geeigneter Stoff für eine Satire c) Radioaktive Stoffe sind gefährlich > Zusammenhang zwischen versch. Bedeutungen; intuitiv können wir mehr oder weniger Beziehungen zw. den versch. Bedeutungen der Wörter feststellen

10 LEXIKALISCHE AMBIGUITÄT Homonymie: Wort=homynom, wenn es mehrere unterschiedl. Bedeutungen hat Stehen in Beziehung zueinander, verfügen über die gleiche Ausdrucksseite, aber haben versch. Bedeutungen, die nichts miteinander zu tun haben erhalten versch. Wörterbucheinträge als je versch. Wörter Bsp.: a) Ihr Geld liegt auf der Bank b) Sie arbeitet bei einer Bank c) Sie saßen zusammen auf einer Bank

11 LEXIKALISCHE AMBIGUITÄT Sonderfälle der Homonymie Homophonie: > wenn Wörter mit versch. Bedeutung nur lautlich, aber nicht in der Schreibung übereinstimmen Bsp.: leeren und lehren oder Wal und Wahl Homographie: > zwei Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung sind nur in der Schreibung, aber nicht lautlich gleich Bsp.: übersetzen und übersetzen

12 DISAMBIGUIERUNG notwendig: Kontext/Äußerungssituation =wichtiger Faktor für Übergang von Satzbedeutung zur Äußerungsbedeutung - neben Bezugnahme auf best. Personen und Gegenstände Kontext: Bsp.: a) Er kaufte sich diesen Anzug aus teurem Stoff b) Dies ist ein geeigneter Stoff für einen Roman c) Sie arbeitet in einer Bank d) Wir sitzen auf einer Bank

13 DISAMBIGUIERUNG Kontext: Bsp.: a) Er kaufte sich diesen Anzug aus teurem Stoff b) Dies ist ein geeigneter Stoff für einen Roman a) Sie arbeitet in einer Bank b) Wir sitzen auf einer Bank -> Kontext reicht zum Verständnis des jeweiligen Wortes aus, unabhängig von jeweiliger Äußerungssituation

14 DISAMBIGUIERUNG Einbezug der Äußerungssituation: - bei kompositionaler Ambiguität Bsp.: a) Diesen Stoff müssen wir noch behandeln b) Das Geld liegt auf der Bank. ->sprachlicher Kontext reicht nicht aus, denn Satz ist an sich ambig

15 DISAMBIGUIERUNG Problem der lexikalischen Semantik: Bedeutungsvarianten eines polysemen Wortes Lösung: 1. Einheitliche Bedeutung 2. Bedeutungsvarianten

16 DISAMBIGUIERUNG Bedeutungsmaximalistischer Ansatz: -> geht von versch. Bedeutungsvarianten eines polysemen Wortes aus Bsp.: a) Sie wurde vor zwei Jahren an die Universität berufen. b) Die Universität wird derzeit gerade umgebaut. c) Die Universität protestierte gegen diese Maßnahmen. d) Er ist ein Vertreter der humboldtschen Universität.

17 DISAMBIGUIERUNG Bedeutungsminimalistischer Ansatz: -> geht von Beobachtung aus Fall von Polysemie: versch. Verwendungs- und Verstehensweisen eines Wortes sind nicht auf Grundlage einer einheitlichen Bedeutung in Zusammenhang mit enzyklopädischem Wissen und bestimmten Allgemeinen Schlussprinzipien und Maximen zu erklären

18 DISAMBIGUIERUNG Beispiel: Schule -> unterschiedl. Verständnis von Schule; Extension Schule: versch. Mengen a) Sie unterrichtet schon lange an dieser Schule. b) Die Schule müsste schon lange renoviert werden. c) Die ganze Schule war in der Aula versammelt. d) Die Schule beginnt um 8 Uhr.

19 DISAMBIGUIERUNG Beispiel: -> Verständnis eines Wortes: Äußerung im Zusammenspiel von abstrakter allgemeiner, lexikalischer Bedeutung und enzyklopädischem Wissen Ich möchte gerne den Elefanten -> Bezug zu Spielkarte Ich habe gestern mit Dresden gesprochen ->man meint zuständigen Referenten in Dresden