Hintergrundsüberlegungen zu Komplementärmedizin

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Transkript:

Hintergrundsüberlegungen zu Komplementärmedizin Heilsanspruch Placebo H.-H.Abholz; Abt Allgemeinmedizin HHU

Was will der Patient vom Arzt (Heilsanspruch) Heilung Verhind./Verminderung von Komplikationen Linderung Verstehen der Krankheit Trost/Mitleid Empathie Unterstützung bei Anpassung an Krank-sein

Was tun, wenn die ersten 3 Ziele nicht erreichbar sind, weil. Schulmedizin nicht hilft Hilft, aber Nebenwirkungen hat Nicht vom Pat. gewünscht wird Es keine Schulmedizinische Hilfe gibt Erinnern: Tue das Beste für mich so lautet Behandlungsauftrag Nicht aber Tue Schulmedizinisches

Was steht dann zur Verfügung? Nichts-Tun und darüber informieren Komplementärmedizin Placebo Medizin

Was ist Placebo-Medizin? Der bewusste Einsatz von etwas, was nach Schulmedizinischer Vorstellung keine Wirkung haben kann Aber faktisch immer hat, sonst bräuchte man keine Placebokontrollierten Studien!

Placebos Definition I : Etwas, was nicht wirkt, aber der Patient meint, dass es das tut Frage: wenn es der Patient tut, was ist das Problem? Eine Krankheit wird nicht ursächlich aufgehalten Wenn aber die Krankheit zum Beispiel Schwindel ist und aufhört?

Placebo - Definition II Placebos sind Substanzen oder Verfahren der Behandlung, die keine naturwissenschaftlich nachvollziehbare Wirksamkeit haben. Ist das ausreichende Bedingung? Z.B.: Statine wirkten immer, aber nach wissenschaftlicher Sicht nicht immer über gleiche naturwiss. Erklärbarkeit. Erst über Cholesterin- Senkung, dann über antiarrhythmische Eigenschaften, dann über Endothel-Stabilisierung

und ein identisches Problem Auch Nitro-Körper wirkten über 60 Jahre mit jeweils anderen Erklärungen: Coronarerweiterung, Coronar-Sprossung, Erweiterung der peripheren Venen mit weniger pre-load im Herzen, NO- Induktion. Frage, die bleibt: Sucht man nicht erst nach Wirkung den wahren Mechanismus?

Studien zu Placebo

Studien zu Therapien, die sich später über RCTs als unwirksam erwiesen. Roberts H. et al, 1993

Hinweise auf das Wirksame von Placebo Moerman D.E. 2000

Substanz- und Adhärenzwirkung Granger B.B, 2005

Placebo Effekt in Klinischen Studien Drug tested Outcome Drug group Adherent* Drug group Not adherent Placebo group Adherent* Placebo group Not adherent Clofibrate 5 year mortality 15,0 % 24,6 % 15,1 % 28,2 % Antibiotics Infection after chemotherapy 18,1 % 53,0 % 32,2 % 64,0 % Chlorpromazi n 1 year relapse 13,0 % 57,0 % 40,0 % 80,0 % Propanolol (men) 1 year mortality 1,4 % 4,2 % 3,0 % 7,0 % Propanolol (women) 1 year mortality 4,5 % 8,7 % 6,8 % 19,0 % Amiodarone 2 year all cause mortality 7,4 % 14,8 % 8,8 % 18,7 %

Also: Placebo wirkt Adherance wirkt auch teilweise in gleicher Dimension Ist Placebo-Wirkung eine Funktion der sich selbst stabilisierenden Person? Ist mit sich selbst stabilisierender Person auch Compliance assoziiert?

Placebo-Effekt über Bedeutungszuweisung durch Patienten

Reale Studienzuordnung

Placebo- Wirkung Bedeutungszuweisung durch Patienten

Experimentelle Studien

Placebo-Effekt Hinweise auf die Steuerung durch den Arzt

Placebo - Definition: III Placebos als Substanz oder als Verfahren nutzen über eine Bedeutungszuweisung meist eine therapeutisch ausgerichtet durch a) den Patienten und b) den Arzt Ein Nutzen ist eher bei Funktionsstörungen als bei Störungen mit veränderten Strukturen zu erwarten (also Schmerz, Brechen, Schwindel, weniger BZ oder Tumorwachstum)

Facit Wenn Hilfe gegeben werden soll, aber... Schulmedizin und Komplementärmedizin nicht reichen, dann kann Placebo-Medizin indiziert sein; wobei Placebo eh immer also auch bei Schulmedizin/Komplementärmed. - mit gegeben wird

Gefahren von Placebo-Medizin 1. Vorenthalten wirksamer Therapie 2. Entmündigung 3. Verhinderung von Entwicklungsmöglichkeiten des Patienten 4. Störungen der Arzt-Patienten-Beziehung 5. Medikalisierung (Omnipotenz der Medizin)

Anhang

Eigenschaften von Placebos

Nebenwirkungen von Placebo Pizzo P.A. 1983