Technische Universität München Externe Kosten von Verkehr - Status Quo und Perspektiven - Technische Universität München, mobil.tum regine.gerike@mobil-tum.de München, 3. März 2009
Externe Kosten - Definition Externe Effekte sind unkompensierte Vor- oder Nachteile, die Dritten durch wirtschaftliche Aktivität entstehen. Externe Nutzen werden fast komplett durch Marktprozesse weitergegeben: z.b. Preissenkungen im Verkehr größere Marktgebiete, mehr Kunden, etc. Nutzen für Unternehmen und/oder Kunden Externe Kosten werden nicht durch den Markt weitergegeben und verursachen Ineffizienzen.
Externe Kosten - Definition Preis, Kosten soziale Grenzkosten A D p** F G** private Grenzkosten p* E G* B C H Nachfrage Wohlfahrtsverlust x** x* Fahrten
Externe Kosten - Definition Das Problem: Gesellschaftliche Kosten Umweltverschmutzung Unfälle, Lärm, etc. Die Lösung: Verursachergerechte Anlastung Allgemeinheit Andere Regionen Künftige Generationen Kostenwahrheit
Politische Aktivitäten 1999: erstmals wird eine Richtlinie zur Erhebung von Gebühren für den Schwerverkehr erlassen. (1999/62/EC Eurovignetten- oder Wegekosten- Richtlinie ). Nur die Anrechnung der Wegekosten ist erlaubt. 2001: eine Richtlinie für den Eisenbahnverkehr wird verabschiedet (2001/14/EC). Sie erlaubt die Anlastung externer Kosten aber nur wenn dies bei mindestens einem konkurrierenden Verkehrsträger auch geschieht. 2006: die RL von 1999 für LKW wird revidiert und ergänzt (RL 2006/38/EC). Noch immer ist nur die Anrechnung von Wegekosten erlaubt (abgesehen von punktuellen Ausnahmen). Aber die EU-Kommission wird verpflichtet, bis Mitte 2008 eine Methodik zur europaweiten Anrechnung externer Kosten zu erarbeiten und diese zur Diskussion zu stellen. 2007: Nach einer Anfrage des Europa-Parlamentes erklärt Kommissar Barrot im Dezember, dass er mit der Methodik zugleich auch einen erneuten Novellierungsvorschlag für die Richtlinie 2006/38/EC vorlegen will. Damit soll dann die Anlastung externer Kosten bei LKW ermöglicht werden. 2008: Im Januar wird das Methodenhandbuch als wissenschaftliche Basis für die Kommissionsvorschläge wird veröffentlicht. Juni 2008: Wechsel Verkehrskommissar (neu: Antonio Tajani, Italien).
Politische Aktivitäten - Luftverkehr Einigung in Brüssel: Flugverkehr wird ab 2012 in den EU-Emissionshandel einbezogen Zunächst soll die Emissionsobergrenze (cap) bei 97 Prozent des Durchschnitts der Emissionen der Jahre 2004-2006 liegen. Ab 2013 ist eine Absenkung auf 95 Prozent vorgesehen, es soll jedoch überprüft werden, ob die Gesamtmenge weiter abgesenkt wird. Ab 2012 sollen 15 Prozent der Zertifikate versteigert werden, die Menge kann im Rahmen der Verhandlungen zum Klimapaket der EU erhöht werden. Über die Verwendung der Auktionseinnahmen entscheiden die Mitgliedstaaten, eine Reihe von Zwecken (vor allem im Bereich Klimaschutz) werden jedoch empfohlen und durch Berichtspflicht transparent gemacht. Die Fluggesellschaften können aus anderen Sektoren oder aus Klimaschutzprojekten in Drittländern (JI und CDM) Zertifikate zuzukaufen.
Externe Kosten - Verteilungswirkungen Verteilung auf Andere Personen Andere Regionen Andere Zeiten Interpersonelle Verteilung Interregionale Verteilung Intertemporale Verteilung
Ebenen der Betrachtung für externe Effekte im Verkehr Individueller Fahrer Verkehrsträger Straße: Alle Straßenbenutzer Fahrzeugkategorie: Lkw, Pkw, Motorrad Alle Verkehrsträger: Straße, Schiene, Luftverkehr, Schiffsverkehr usw. Allgemeinheit: Gesamte Gesellschaft und Wirtschaft
Ansätze zur Bewertung externer Kosten Ansätze zur Bewertung externer Kosten Zahlungsbereitschaft Schadensbewertung Vermeidung direkt indirekt direkt indirekt direkt indirekt
Wirkungspfadansatz zur Erfassung externer Umweltkosten Quelle: UBA 2007, Methodenkonvention
Methodik externe Kosten Verkehr - Überblick Flächeninanspruchnahme Luftverschmutzung Lärmbelastung externe Unfallkosten Trennwirkung Externe Effekte Externe Kosten Infrastruktur Natur und Landschaft Klimawandel Vor- und nachgelagerte Prozesse
Methodik Lärmkosten Bottom-up approach: Entspricht dem Wirkungspfadansatz. Zwei Szenarien werden gerechnet: Referenzszenario (Verkehrsmenge, Fahrverhalten, Fahrzeugflotte, etc.) Marginal Szenario: Entspricht dem Referenzszenario mit einem zusätzlichen Fahrzeug. Die Differenz zwischen beiden Szenarien entspricht den marginalen externen Lärmkosten dieses Fahrzeugs. Top-down approach: Willingness To Pay, Willingness To Accept (Kompensation) für eine Reduzierung der Lärmbelastung, Multiplikation der Werte mit durchschnittlicher Lärmbelastung
Methodik - Lärmkosten EC 2007, Handbook External costs, p. 66: To value the disutility due to traffic noise, it is recommended to use an annual WTP-value equal to 0,09% 0,11% of capita income per db.
Methodik Lärmkosten Quelle: Maibach (2007) Handbook on estimation of external cost in the transport sector, based on UNITE 2003.
Methodik - Externe Kosten der Luftverschmutzung Verkehr Partikel (PM 10) NO x, SO 2, HC Atemwegserkrankungen kardiovasculäre Erkrankungen chronische Bronchitis Verschmutzung von Gebäuden Aktivitätseinschränkungen Korrosionsschäden an Farben, Blechen Erhöhung Schadstoffkonzentration in Luft, Boden und Wasser gesundheitliche Wirkungen Gebäude- schäden Wachstumsund Einschränkung Erhöhung des Minderung der Qualitäts- der Auswahl an- Aufwands für Flächenfunktion minderungen baubarer Pflanzen Düngung, Pflege der Pflanzen Verluste an Genressourcen verringerter ästhetischer, ethischer und natur- wissenschaftlicher Wert des Ökosystems Erhöhter Reinigungsbedarf bei Fassaden und Fenstern Erhöhter Sanierungsbedarf Minderung der ökonomischen Leistung Minderung der ökonomischen Funktion Minderung des ideellen Wertes Schadenskosten gesundheitliche Wirkungen Schadenskosten Gebäude Schadenskosten Vegetation Luftverschmutzungsbedingte externe Kosten des Verkehrs
Methodik Luftverschmutzung, Wirkungspfadansatz Quelle: UBA 2007, Methodenkonvention
Methodik - Luftverschmutzung Quelle: Maibach (2007) Handbook on estimation of external cost in the transport sector.
Methodik - Unfallkosten Unfallopfer leidet unter pathologischen Unfallfolgen fällt im Produktionsprozess aus wird polizeidienstlich, juristisch und verwaltungstechn isch betreut leidet unter psychischen Belastungen mit pathologischem Krankheitsbild muss seine Lebensplanung umstellen leidet zukünftig wahrscheinlich an Folgeerkrankungen empfindet Schmerz und Trauer Verlust des Lebens Reproduktionskosten Ressourcenausfallkosten Humanitäre Kosten Persönliche Betroffenheit ohne Kostencharakter Quelle: Gerike, 2006 in Anlehnung an BASt
Methodik - Klimakosten
Methodik - Klimakosten
Klimawandel - Kippschalter im Erdsystem Quelle: Edenhofer, O. (2007) Kosten und Strategien des Klimaschutzes, Präsentation auf der Workshopreihe Sachsen im Klimawandel, Chemnitz, 6. November 2007
Methodik - Klimakosten
CO 2 -Emissionen pro Kopf und Jahr, alle Sektoren Quelle: World Bank
Methodik Klimakosten, Diskontierung Jährlicher Schaden von 100, der 200 Jahre lang auftritt: Diskontrate Barwert 0 Prozent 20.000 1 Prozent 8.633 3 Prozent 3.324 5 Prozent 2.000 Quelle: UBA 2007, Methodenkonvention
Methodik - Klimakosten UBA-Methodenkonvention, Literaturrecherche 14-300 / t CO 2 Stern-Report Stabilisierung 450-550 ppm 85 / t CO 2. UBA-Methodenkonvention best guess-szenario 70 / t CO 2 Sensitivitätsrechnungen: 20 / t CO 2 und 280 / t CO 2 WBGU (2003) Stabilisierung der CO 2 -Konzentration unter 450 ppm UNITE, Infras/IWW 2004 Kyoto-Ziel (für Deutschland: Verringerung der Treibhausgasemissionen um 21 Prozent im Zeitraum 2008-2012 bezogen auf das Jahr 1990) 2030: 50 / t CO 2 2050: 100-200 / t CO 2. 20 / t CO 2. Maibach (2007) Kyoto und anlaufende Folgeverhandlungen 7-180 / t CO 2
Methodik - Klimakosten Quelle: Maibach 2007
CO 2 -Emission pro Personenkilometer 200 C O 2-Em ission [Gra am m je Perso nen -km ] 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Bus Obus U-Bahn Straßen- /Stadtbahn Eisenbahn Pkw Quelle: VDV (Hrsg.) (2007) VDV Statistik 2006.
Durchschnittliche Klimakosten auf Basis der Emissionsdaten des VDV 600 K lim akosten [C ent pro 100 Personen-km ] 500 400 300 200 100 70 /t CO2 20 /t CO2 280 /t CO2 0 Bus Obus U-Bahn Straßen- /Stadtbahn Eisenbahn Pkw Quelle: Eigene Berechnung auf Basis der Daten aus: VDV (Hrsg.) (2007) VDV Statistik 2006.
Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland 2005 Schreyer, C.; Maibach, M.; Sutter, D.; Doll, C.; Bickel, P. (2007) Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland. Aufdatierung 2005
Durchschnittliche externe Kosten von Verkehr in Deutschland, Personenverkehr Externe Kost ten [ / 1000 Pkm] 450 400 350 300 250 200 150 100 Zusatzkosten in städtischen Räumen Vor- und nachgelagerte Prozesse Natur und Landschaft Klimakosten Luftverschmutzung Lärm Unfälle 50 0 Pkw Bus Motorräder Schiene Luft PV total Schreyer, C.; Maibach, M.; Sutter, D.; Doll, C.; Bickel, P. (2007) Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland. Aufdatierung 2005
Durchschnittliche externe Kosten von Verkehr in Deutschland Durchschnittskosten 2005 [1.000 pro Pkm / tkm] 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 Unfälle Lärm Luftverschmutzung Klimakosten Natur und Landschaft Vor- und nachgelagerte Prozesse Zusatzkosten in städtischen Räumen Personen Güterverkehr Pkw Bus Schiene Luft Lieferwagen Lkw Schiene Luft Binnenschiff Schreyer, C.; Maibach, M.; Sutter, D.; Doll, C.; Bickel, P. (2007) Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland. Aufdatierung 2005
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte Information und Aufklärung Freiwillige Vereinbarun gen Wirtschaftliche Anreize Regulatorische Instrumente Staatseigene Projekte und Unternehmungen Negative Anreize Positive Anreize Handelbare Eigentumsrechte Ge- und Verbote Aufklärung über Tatbestände und Zusammenhänge Appelle für Verhaltensänderungen Sozialer Druck zur Verhaltensänderung Freiwillige Einhaltung von freiwilligen Umweltstandards Ökolabelling Abgaben Emissionsgebühren Ökosteuern Haftungsrecht Subventionen Steuerliche Vergünstigungen Darlehen Bürgschaften Zinsvergünstigungen Emissionszertifikate Energiezertifikate Abgeltung für Nutzungsverzichte Emissionsvorschriften Prozess-, Produktvorschriften Instutionelle Vorschriften Öko-Audit Energie-, Verkehrs- Raumplanung Forschung
Maßnahmen Die 4 E Ordnungsrechtliche Maßnahmen (Gebote und Verbote: Enforcement ) Ausbildung, Aufklärung und Information ( Education ) Angebotsgestaltung (Verkehrswege und Verkehrsmittel: Engineering ) Anreizsysteme ( En-couragement oder Economy )
Push-and-Pull: Paket Internalisierungsszenario Vignette für die Innenstadt Einfahrt Innenstadt: EURO 1,70 Parkraumbewirtschaftung In Städten und auf grüner Wiese: 1,- / h. Einfahrtbeschränkung, Fußgängerzonen bessere Umweltstandards für Busse und Bahnen Radverkehrsförderung Car Sharing Fahrverbote für Umweltsünder Mehr Fußgängerzonen Bessere Standards Mehr Radwege, Schilder, Stellplätze Stellplätze, Kooperation ÖV Einfahrverbot ohne Plakette Förderung verkehrsarmer Siedlungsstrukturen CO2-Abgabe Fahrausbildung zu Kraftstoffsparender Fahrweise Förderung regenerativer Energien Erweiterung der Haftpflicht Tempolimits Fahrausbildung verstärkte Sicherheitsvorschriften und kontrollen Bauvorhaben nur mit ÖPNV-Anschluss. Benzin plus 0,32 /l, Diesel plus 0,36 /l Ausbildung, Aufklärung, ÖV Biodieselförderung (in Segmenten) Beitrag nach Punkten BAB: 120 km/h, Wohngebiet: 30 km/h Begleitetes Fahren, Führerschein mit 17 Promille-Grenze auf 0,0 gesenkt
Externe Kosten von Verkehr in Sachsen: Trend und Maßnahmenszenario Quelle: Gerike, 2008
Akzeptanz Effektivität Öffentliche Akzeptanz Politische Akzeptanz
Distance-Based Toll Systems in Europe Quelle: T&E, 2007
Entwicklung Nettotonnage, Binnenverkehr Strasse Quelle: Bundesamt für Raumentwicklung (2007): Volkswirtschaftliche Auswirkungen der LSVA mit höherer Gewichtslimite
Fazit Jede (Verkehrs-)aktivität verursacht Kosten und Nutzen. Interne Kosten und Nutzen sind wichtig für Anreizsetzung. Externe Kosten und Nutzen werden von der Gesellschaft als Ganzes, anderen Regionen und künftigen Generationen getragen. Externe Kosten und Nutzen verursachen Ineffizienzen und hindern den Markt am Funktionieren. Externe Kosten sind von besonderer Bedeutung. Die naheliegende Lösung ist, dem Nutzer alle Kosten anzulasten. Diese Prinzip heißt Internalisierung / Verursacherprinzip und ist eine notwendige (wenn auch keine hinreichende) Voraussetzung für ein effizientes Verkehrssystem. Jeder Effekt braucht dabei seine Maßnahme. Maßnahmenpakete auch wegen Akzeptanz wichtig.
Wichtige Dokumente Umweltbundesamt (UBA) (2007) Ökonomische Bewertung von Umweltschäden Methodenkonvention zur Schätzung externer Umweltkosten, http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3193.pdf EC (12/2007) Handbook with estimates of external costs in the transport sector, http://ec.europa.eu/transport/costs/handbook/index_en.htm EC (2007) Zusammenfassende Bewertung der Internet-Konsultation zur Internalisation der externen Kosten (10-12/2007), http://ec.europa.eu/transport/costs/ consultations/doc/ 2007_consultation_results_en.pdf RL-Entwurf (04,07/2008 und folgende): Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 1999/62/EC on the charging of heavy goods vehicles for the use of certain infrastructures [COM(2008)436], http://ec.europa.eu/transport/road/road_charging/tolls_user_charges_vehicles en. htm
Externe Kosten Wichtige Projekte ExternE Externalities of Energy, http://www.externe.info/index.html HEATCO - Developing Harmonised European Approaches for Transport Costing and Project Assessment, http://heatco.ier.uni-stuttgart.de/ UNITE - UNIfication of accounts and marginal costs for Transport Efficiency, http://www.its.leeds.ac.uk/projects/unite/ GRACE - Generalisation of Research on Accounts and Cost Estimation, http://www.grace-eu.org/ Schweizer Arbeiten, z.b. des ARE (Bundesamt für Raumentwicklung), http://www.are.admin.ch/ Übersicht über Road User Charging Schemes wordlwide: http://www.cfit.gov.uk/map/index.htm