A Analysis, Woche 8 Partielle Ableitungen A 8. Partielle Ableitungen Wir haben vorhin Existenzkriterien für Extrema betrachtet, aber wo liegen sie genau? Anders gesagt, wie berechnet man sie? In einer Dimension hat man die betreffende Funk- A3 tion differenziert, die Ableitung gleich null gesetzt und so die Kandidaten für Extrema gefunden. Dazu mußte man aber erst untersuchen wie man eine Ableitung findet. In höheren Dimensionen braucht man für ein Extremum jedoch mindestens, dass die betreffende Funktion x F x, betrachtet als Funktion jeder einzelne Variable, also x i F x,..., x i,..., x n, ein Extremum hat. Dies ist übrigens eine notwendige aber nicht eine ausreichende Bedingung für ein Extremum. Um x i F x,..., x i,..., x n zu untersuchen brauchen wir die partiellen Ableitungen. Wir wiederholen die Differenzierbarkeit für eine Funktion f : R R: f heißt differenzierbar in a, wenn f a := x a fx fa x a existiert. Die Differenzierbarkeit in a ist äquivalent zu: 8. Es existiert ein Polynom ersten Grades lx = fa + c x a derart, dass gilt fx l x x a x a =. 8. Es gilt c = f a. Die Äquivalenz findet man weil f fx fa a = x a x a bedeutet wie jeder der folgenden Behauptungen. fx fa f fx fa + f a x a a = x a x a x a x a x a fx l x x a fx l x = x a x a das gleiche Die Funktion l ist die Tangente an f in a und so bedeutet Differenzierbarkeit in a, jetzt betrachtet als in 8.: 83 = =
84 4. Juni 4 Woche 8, Partielle Ableitungen Es gibt eine Funktion l ersten Grades derart, dass, wenn x a, fx lx wesentlich schneller nach geht als x a. Für eine Funktion f : R n R oder f : R n R gibt es viele Möglichkeiten eine Tangentialrichtung zu betrachten. Definition 8. Sei f : R n R eine Funktion, sei a R n und e i der i-te Einheitsvektor: e i =,...,,,,...,. an i-ter Stelle Man nennt f partiell differenzierbar in a für die i-te Veränderliche, wenn fa + he i fa h h existiert. Man schreibt fa + he i fa i fa =. h h und nennt i fa die i-te partielle Ableitung von f in a. Bemerkung 8.. Man kann diese Ableitung auch definieren durch alle Koordinaten außer dem i-ten einzufrieren. Anders gesagt, betrachte g : R R mit und man bekommt i fa = g a i. gx i = fa,..., a i, x i, a i+,..., a n f f x x Abbildung 8.: Für Funktionen f : R R kann man eine Skizze herstellen; fa ist die Steigung der Tangente in x -Richtung und fa die Steigung der Tangente in x -Richtung. Bemerkung 8.. Man begegnet mehreren Notationen für die partiellen Ableitungen von x fx in x = a: i fa = xi fa = D xi fa = f xi a = f fx a = x i x i. x=a Meistens ist klar, welche partielle Ableitung gemeint ist. Nur bei so etwas wie f x x, x könnte man Probleme bekommen. Ist da fx, x oder fx, x gemeint?
8. Partielle Ableitungen 4. Juni 4 85 Definition 8. Sei f : R n R eine Funktion und sei a R n. Wenn alle n partiellen Ableitungen von f in a existieren, schreibt man fa = fa, fa,..., n fa. 8.3 Zum Symbol sagt man nabla und fa nennt man den Gradienten von f in a. Bemerkung 8.. Für f : R n R m ist i fa, wenn es existiert, ein Spaltenvektor und fa ist eine n m-matrix: f a f a... n f a f a f a... n f a fa =.... f m a f m a... n f m a Diese Matrix wird Jacobimatrix genannt. Beispiel 8.3 Sei f : R R definiert durch fx, x = x + sinx x. Dann gilt fx, x = + x cosx x und fx, x = x x cosx x. Auch höhere Ableitungen sind möglich: fx, x = + x cosx x = x 4 sinx x, fx, x = + x cosx x = x cosx x x 3 sinx x, fx, x = x x cosx x = x cosx x x 3 sinx x, fx, x = x x cosx x = x cosx x 4x x sinx x. Man sieht fx, x = fx, x. Beispiel 8.4 Die Funktion f : R R mit xy 3 für x, y,, fx, y = x + y für x, y =,, ist nicht nur stetig, sondern hat auch partielle Ableitungen erster und zweiter Ordnung. Die ersten Ableitungen sind y 5 x y 3 fx, y = x + y für x, y,, für x, y =,, und fx, y = y 4 x + 3y x 3 x + y für x, y,, für x, y =,, Außerhalb, ist f definiert als rationale Funktion und man verwendet die Standardableitungsregeln. In, braucht man die Definition: fh, f, f, = = h h h h 3 h + = h h h =.
86 4. Juni 4 Woche 8, Partielle Ableitungen Es folgt f, = h f, = h h 5 h 3 +h =, h 4 h + 3 h 3 h + Theorem 8.5 Vertauschungssatz Sei D R offen und f : D R eine Funktion. Wenn f, f, f, f und f stetig sind in D, dann gilt f = f. Bemerkung 8.5. Man kann die Bedingungen im Theorem noch ein wenig lockern. Suchen Sie in der Literatur nach dem Vertauschungssatz von Schwarz. Beweis. Sei x, y, x, y D derart, dass [x, x ] [y, y ] D nicht leer ist. Betrachte gx = f x, y f x, y und hy = f x, y f x, y. Es gilt h =. gx gx = f x, y f x, y f x, y + f x, y = hy hy und wegen des Mittelwertsatzes gibt es derartige ξ x, x und η y, y, dass x x g ξ = gx gx = hy hy = y y h η, und anders gesagt: x x fξ, y fξ, y = y y fx, η fx, η. Nochmals den Mittelwertsatz anwenden liefert η y, y und ξ x, x mit x x y y fξ, η = y y x x f ξ, η. Das heißt, für jede x > x und y > y gibt es ξ, η, ξ, η [x, x ] [y, y ] mit Weil f, und f stetig sind, gilt fx, y = fξ, η = f ξ, η. fξ, η = f ξ, η = fx, y. x,y x,y x,y x,y Sowohl ξ, η als auch ξ und η hängen von x, y ab. Weil ξ, ξ x, x und η, η y, y folgt wenn x, y x, y, dass auch ξ, η x, y und ξ, η x, y. Proposition 8.6 Sei D R n offen. Wenn f : D R in a D ein Extremum hat, und wenn die partiellen Ableitungen in a existieren, dann gilt fa =. Beweis. Wenn i fa, dann betrachtet man gt = fa + te i und geht voran wie in einer Dimension Satz.4 Analysis.
8. Richtungsableitungen 4. Juni 4 87 Definition 8.7 Sei D R n offen und a D. Wenn für f : D R gilt fa =, dann nennt man a einen stationären Punkt für f. Beispiel 8.8 Betrachten wir die Polynome p, p : R R mit p x, y = x + y xy + x + y und p x, y = x + y 3xy + x + y. Die stationären Punkte sind für p : { x y + = y x + = x, y =,, und für p : { x 3y + = y 3x + = x, y =,. Man kann sich überzeugen, dass nur p ein Extremum Minimum hat. 7 6 4 z 4 y 8 6 4 x 4 4 5 4 3 z 5 4 3 4 3 4 5 4 y x Abbildung 8.: Skizzen zu p und p aus Beispiel 8.8. Maple hat die Möglichkeit direkt die Niveaumengen angeben zu können. 8. Richtungsableitungen Bei Funktionen f : R R hat man auch linke und rechte Ableitungen definiert. Auch in höheren Dimensionen hat man ähnliches. Statt links und rechts gibt es nun mehrere Richtungen. Definition 8.9 Sei f : R n R eine Funktion, a R n und v R n mit v =. Wenn sie existiert, nennt man fa + tv fa v fa = t t die Richtungsableitung von f an der Stelle a in Richtung v. Bemerkung 8.9. Als alternative Definition kann man auch sagen: es gibt l v R derart, dass fa + tv fa l v t = ; t t und man definiert v fa = l v. Oft schreibt man auch f v a oder v f a statt vfa.
88 4. Juni 4 Woche 8, Partielle Ableitungen f x x Abbildung 8.3: Für Funktionen f : R R kann man eine Skizze herstellen; v fa ist die Steigung der Tangente in v-richtung. Der gelbe Punkt zeigt a, a, fa, a und der rote Pfeil soll v darstellen. Wenn ei fa und ei fa existieren und ei fa = ei fa, dann existiert die i-te partielle Ableitung und es gilt i fa = ei fa = ei fa. Beispiel 8. Für die Euklidische Norm. : R R existiert an der Stelle in jede Richtung die Richtungsableitung. Sie hat in keine partiellen Ableitungen. Beispiel 8. Die Funktion g : R R mit gx, y = 5 x y hat partielle Ableitungen in,, aber keine Richtungsableitungen in, außer die in ±e und ±e -Richtung. 5 5 4 4 3 3 - - - - Abbildung 8.4: Skizzen zu Beispiel 8. links und Beispiel 8. rechts. Beispiel 8. Betrachten wir die Funktion f : R R mit x y 4 fx, y = x 3 + y 7 x y für x, y,, für x, y =,.
8. Richtungsableitungen 4. Juni 4 89 Dann gilt e f, = t f, t f, t und auch e f, =. Wenn u hat man = t4 t +t 7 t = u f, = ftu, tu f, = t t t = u t u 4 t u 3 + t 4 u 7 t3 u u tu tu 4 tu 3 + tu 7 t 4 u u t = u4 u 3 = u. = Wir finden, dass für jede Richtung u die Ableitung u f, existiert und u f, >. Trotzdem hat sie kein Minimum in,, denn ft, t = t 6. y.5 -.5 - f -.5 - -.5 -.5 x.5 - - -.5.5 Abbildung 8.5: Skizzen des Graphen und von einigen Niveaumengen zu Beispiel 8.. Lemma 8.3 Sei U R n offen und a U. Wenn f : U R in a eine partielle Ableitung u fa hat und u fa <, dann hat f kein Minimum in a. Wenn man sich auf partielle und Richtungsableitungen beschränkt, zeigen die Beispiele, dass man nur schwache Aussagen machen kann bezüglich eines Extremwertes.
9 4. Juni 4 Woche 8, Partielle Ableitungen