Priv.-Doz. G. Reißig, F. Goßmann M.Sc Universität der Bundeswehr München Institut für Steuer- und Regelungstechnik (LRT-5) Email: felix.gossmann@unibw.de Moderne Methoden der Regelungstechnik, HT 26 Übung 6 - Lösung Aufgabe. Steuerbarkeit eines Zustandssystems Gegeben ist das Zustandssystem ẋ = Ax+Bu mit den Matrizen ( ) ( ) A =, B =. Aufgabe Zeigen sie, dass das gegebene Zustandssystem steuerbar ist. Lösung Aufgabe. Nach Vorlesung 5 ist ein System steuerbar, wenn für alle x,x F n eine Zeit t existiert, in der das System mit einem zulässigen Eingangssignal u(t) von x in x überführt wird. Für den Nachweis der Steuerbarkeit gibt es zwei Kriterien:. Kalman-Kriterium:DieSteuerbarkeitsmatrixR(A,B) = [B, AB, A 2 B,..., A n B] besitzt vollen Rang. Also rang(r) = n. 2. Hautus-Kriterium: Für alle Eigenwerte λ i von A besitzt die Matrix [(λ i I A), B] vollen Rang. Also rang([(λ i I A), B]) = n. Die Anwendbarkeit der beiden Kriterien wird im Folgenden an dem gegebenen System gezeigt.. Kalman-Kriterium: [( ) ( R(A,B) =, ( ) = ) ( )] Es wird sofort deutlich, dass der Rang von der Matrix R(A,B) = 2 = n ist. Somit ist das gegebene System nach dem Kalman-Kriterium steuerbar 2. Hautus-Kriterium: Beim Betrachten der Matrix A fällt sofort auf, dass diese bereits Jordan-Normalform besitzt und die der einzige Eigenwert ist. Es ist also nur für den Eigenwert
die Bedingung von Hautus zu prüfen. Es folgt unmittelbar: [( ) ( ) ( [(λ i I A), B] =, ( ) =. )] Es ist sofort erkennbar, dass der Rang der erhaltenen Matrix gleich 2 ist und auch gleich n. Das System ist nach dem Hautus-Kriterium also steuerbar. Aufgabe 2. Analyse eines Satelliten-Modells Betrachtet wird ein Modell eines Satelliten in einem Zentralkraftfeld, der seine Position mittels Steuerdüsen beeinflussen kann. Der Satellit wird als eine Punktmasse m = kg mit Ortskoordinate q R 2 betrachtet, auf welche eine radiale Kraft mit Betrag ω2 q 2 sowie eine radiale bzw. tangentiale Kraft mit Betrag u bzw. u 2 wirkt. Das vollständige Modell ist in der untenstehenden Abbildung dargestellt. Desweiteren gilt für ω >, r = q und θ bezeichnet den in der Abbildung dargestellten Winkel. Auf Basis der u 2 u ω2 r 2 q θ Newton schen Grundgesetze ergeben sich für die Bewegung des Satelliten in der Ebene die folgenden Differentialgleichungen in Polar-Koordinatenform: r = r θ 2 ω2 r 2 +u, θ = 2ṙ θ r + u 2 r. 2
Aufgabe a) Leiten Sie mit Hilfe der in der Aufgabenstellung angegeben Gleichungen ein Differentialgleichungssystem für x = (x,x 2,x 3,x 4 ) T her, wobei x = r, x 2 = ṙ, x 3 = θ ωt und x 4 = θ ω. b) Zeigen Sie, dass die Linearisierung um x = (,,,) T und u = (,) T des in a) erhaltenen Differentialgleichungssystems auf das lineare Zustandssystem ẋ = Ax+Bu mit A = 3ω 2 2ω, B =, () 2ω führt. c) Zeigen Sie für das in Aufgabe b) hergeleitete lineare System, dass es für einen beliebigen Startwert x R 4 ein Eingangssignal u: R R 2 existiert, sodass für ein t das Zustandssignal ϕ(t,x,u) = (,,,) T erreicht werden kann. d) Gegeben sind die folgenden alternativen Eingangsmatrizen für das linearisierte System aus Aufgabe b): B r =, B t =, B rt = (2) Erklären Sie, was die Wahl einer dieser Eingangsmatrizen im Kontext des Satelliten bedeutet und beantworten Sie jeweils die in Aufgabe c) gestellte Aufgabenstellung. e) Falls das Zustandssystem aus Aufgabe b) für eine der in Aufgabe d) betrachteten Eingangsmatrizen nicht steuerbar ist, bestimmen Sie eine invertierbare Transformations-Matrix T R 4 4, so dass à := T AT = ) ) ( B, B := T B r = à 2,2 (Ã, Ã,2 und (Ã,, B ) steuerbar ist. Lösung Aufgabe 2. a) Um die beiden Differentialgleichungen in die gewünschte Zustandsform zu bringen, 3
gilt es zunächst die Ableitung aller Zustände zu bestimmen: ẋ = ṙ = x 2, ẋ 2 = r, ẋ 3 = θ ω = x 4, ẋ 4 = θ. Außerdem werden die bisherigen zeitabhängigen Größen r und θ und deren zeitliche Ableitungen mit Hilfe des definierten Zustandsvektors x = (x,x 2,x 3,x 4 ) T beschrieben: r = x +, ṙ = ẋ, r = ẋ 2, θ = x 3 +ωt, θ = x 4 +ω, θ = ẋ 4. Da die gegebenen Differentialgleichungen bereits nach der höchsten Ableitung umgestellt sind, können nun die Terme von r und θ und deren zeitliche Ableitungen durch die Entsprechungen des Zustandsvektors ersetzt werden: ẋ 2 = (x +) (x 4 +ω) 2 ẋ 4 = 2x 2(x 4 +ω) (x +) + ω 2 (x +) 2 +u, u 2 (x +). Damit und den vorher festgelegten Zustandsdefinitionen folgt das Differentialgleichungssystem unmittelbar: ẋ ẋ 2 ẋ 3 ẋ 4 = (x +) (x 4 +ω) 2 ω2 (x +u +) 2 x 4 2x 2(x 4 +ω) x + + u 2 x + b) Zunächst gilt es zu prüfen, ob x für u eine Ruhelage des nichtlinearen Systems ist, andernfalls wäre eine Abbildung auf ein lineares Zustandssystem nicht möglich. Einsetzen der Ruhelage führt zu: ẋ ẋ 2 ẋ 3 ẋ 4 x 2 = (+) (+ω) 2 ω2 2 (+ω) + + + (+) 2 + = Bei x = (,,,) T und u = (,) T handelt es sich also um eine Ruhelage des 4
nichtlinearen Systems. Das Zustandssystem, welches eine Linearisierung des nichtlinearen Systems in a darstellt, ist gegeben durch ẋ = Ax + Bu mit A R 4 4 B R 4 2. Die dafür erforderlichen Matrizen A und B berechnen sich nach: A i,j = f i x j (x,u ), B i,j = f i u j (x,u ). Bei der Betrachtung des in der Aufgabenstellung angegebenen Systems wird deutlich, das nur die von Null verschiedenen Einträge in den beiden Matrizen geprüft werden müssen. Im Falle der Matrix A ergibt sich daher: A,2 = f x 2 (x,u ) =, A 2, = f 2 x (x,u ) = (+ω) 2 2 ω2 4 = 3ω 2, A 2,4 = f 2 x 4 (x,u ) = (+) 2(+ω) = 2ω, A 3,4 = f 3 x 4 (x,u ) =, A 4,2 = f 3 (x,u ) = 2(+ω) = 2ω. x 4 + Bei der Betrachtung der restlichen Koeffizienten ergibt sich unmittelbar, dass die relevante partielle Ableitung in allen Fälle gleich Null ist. Somit entspricht die in der Aufgabenstellung angegebene Matrix A einer Linearisierung um die betrachtete Ruhelage. Desweiteren gilt die Matrix B zu prüfen: B 2, = f 2 u (x,u ) =, B 4,2 = f 4 u 2 (x,u ) = + =. Bei allen anderen Koeffizenten ergibt sich ebenfalls, dass die relevante partielle Ableitung gleich Null ist. Somit entspricht auch die in der Aufgabenstellung angegebene Matrix B der gewünschten Linearisierung. c) Die in der Aufgabenstellung geforderte Eigenschaft kann genau dann erfüllt werden, wenn das betrachtete Zustandssystem steuerbar ist. Der Nachweis der Steuerbarkeit wird im folgenden mit dem Kalman-Kriterium geführt (Die anderen Kriterien sind gleichermaßen anwendbar). Die Steuerbarkeitsmatrix des Zustandssystems aus Aufgabe b) lautet: R(A,B) = }{{} B 2ω 2ω }{{} A B. }{{}}{{} A 2 B A 3 B Es wird deutlich, dass die Forderung nach der Steuerbarkeit bereits nach dem Betrachten der ersten vier Spalten der Steuerbarkeitsmatrix erfüllt werden kann. Die 5
Matrix muss den Rang n = 4 besitzen und da bereits alle vier vorhandenen Spaltenvektoren linear unabhängig sind, ist die Steuerbarkeit in jedem Fall gewährleistet, unabhängig davon was in den folgenden, nicht berechneten Spalten, steht. Das lineare Zustandssystem aus Aufgabe b) ist also steuerbar. d) Zunächst wird der Fall der Matrix B r betrachtet, welcher den Ausfall der tangentialen Steuerdüse beschreibt. Da die Matrix A eine Spalte mit ausschließlich Einträgen hat, ist ein Eigenwert von A. Lässt sich nun nachweisen, dass nach dem Hautus- Kriterium bereits der bisher einzige bekannte Eigenwert λ = nicht steuerbar ist, ist die geforderte Steuerbarkeit bereits nicht mehr gewährleistet. Es gilt also zu zeigen, dass rang( I A,B r ) < 4 ist. Ist dies der Fall, ist das System nach Satz 2 (Hautus-Kriterium) nicht steuerbar. Es gilt rang( A,B r ) = rang(a,b r ) = rang 3ω 2 2ω < 4. 2ω Durch Streichen der Nullspalten ergibt sich folgende Matrix: 3ω 2 2ω 2ω Es fällt sofort auf, dass Spalte und Spalte 4 linear abhängig sind, weshalb der Rang der Matrix in jedem Fall kleiner als 4 ist. Nach dem Kriterium von Hautus ist das System also nicht steuerbar. Für den Satelliten bedeutet also der Ausfall der tangentialen Steuerdüse den Verlust der Steuerbarkeit. Bei der analogen Betrachtung des Eigenwerts mit den anderen beiden Eingangsmatrizen B t und B rt ergibt sich jeweils eine Matrix mit vollem Rang (wird an dieser Stelle nicht genauer ausgeführt, kann aber analog zu der gezeigten Betrachtung durchgeführt werden), die Steuerbarkeit kann also nicht widerlegt werden und es Bedarf einer vollständigen Steuerbarkeitsanalyse. Hierzu können zum einen die restlichen Eigenwerte der A-Matrix ermittelt werden und das Hautus-Kriterium für alle verbleibenden Eigenwerte geprüft werden. Alternativ kann auch die Steuerbarkeitsmatrix R(A, B) für beide Fälle bestimmt werden und die Steuerbarkeit mit dem Kalman-Kriterium geprüft werden. Im Folgenden wird die Analyse mit Hilfe der Steuerbarkeitsmatrix durchgeführt. Als erstes wird der Fall der Matrix B t betrachtet, welcher den Ausfall der radia- 6
len Steuerdüse beschreibt. Zunächst wir die Steuerbarkeits-Matrix ermittelt: 2ω R(A,B) = 2ω 2ω 3 4ω 2. 4ω 2 }{{}}{{}}{{}}{{} B t A B t A 2 B t A 3 B t Nach dem Kalman-Kriterium muss diese Matrix den Rang n = 4 haben. Es werden also vier linear unabhängige Spalten- bzw. Zeilenvektoren. Durch Streichen der Nullspalten ergibt sich folgende Matrix: 2ω 2ω 2ω 3 4ω 2 4ω 2 Es ist deutlich, dass die vier verbleibenden Spaltenvektoren linear unabhängig sind, sodass die Matrix den Rang 4 besitzt. Das System ist nach dem Kalman-Kriterum also steuerbar. Der Ausfall der radialen Steuerdüse beeinträchtigt also im Gegenzug zur tangentialen Steuerdüse nicht die Steuerbarkeit des Systems. Abschließend wird noch der Fall B rt betrachtet, bei dem die radiale und tangentiale Steuerdüse gekoppelt sind und jeweils durch den gleichen Eingang angesteuert werden. Es existiert also nur noch ein Eingangssignal u(t) = u (t). Auch hier wird zunächst die Steuerbarkeitsmatrix ermittelt: 2ω ω 2 R(A,B) = 2ω ω 2 2ω 3 2ω 4ω 2. 2ω 4ω 2 2ω 3 }{{}}{{}}{{}}{{} B rt A B rt A 2 B rt A 3 B rt Auch hier muss die Steuerbarkeitsmatrix den Rang n = 4 besitzen. Zunächst werden wieder alle Nullspalten gestrichen: 2ω ω 2 2ω ω 2 2ω 3 2ω 4ω 2 2ω 4ω 2 2ω 3 Auch hier ergeben die verbleibenden Spalten nur linear unabhängige Vektoren, sodass der Rang dieser Matrix ebenfalls 4 ist. Das System bleibt also auch bei der Kopplung der beiden Steuerdüsen nach Kalman steuerbar. e) Es gilt eine Basis von R(A,B r ) zu bestimmen. Diese bestimmt sich im Allgemeinen aus allen linear unabhängigen Vektoren der Steuerbarkeitsmatrix. Die Steuerbar- 7
keitsmatrix lautet in diesem Fall: R(A,B) = }{{} B r 2ω }{{} A B r Durch Streichen aller Nullspalten ergibt sich die Matrix: ω 2 ω 2 2ω 2ω 2ω 3 ω 2 ω 2 2ω 2ω 3 }{{}}{{} A 2 B r A 3 B r Dabei sind die erste und vierte Spalte der Matrix linear abhängig, was sich aufgrund der nicht vorhanden Steuerbarkeit ergibt. Es lässt sich also die Basis von R(A,B r ) durch die ersten drei Spaltenvektoren der Matrix bilden: b =, b 2 =, b 3 = ω ω 2 2ω Somit erhält man als eine Transformationsmatrix die Matrix T = ω 2 2ω Da eine invertierbare Matrix T benötigt wird, wurde die letzte Spalte entsprechend durch einen Vektor ergänzt, der die Invertierbarkeit sicherstellt. Es ergibt sich daraus unmittelbar ω 2 T = 2, 2ω und damit 3ω 2 Ã = T AT = ω ω 2, B = T B = 8
Nach Vorlesung ist dann (Ã,, B ) steuerbar, wobei Ã, = ω, B. ω 9