Rheumatologische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika

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Neues zur rheumatologischen Pharmakotherapie 229 Rheumatologische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika W. W. Bolten Klaus-Miehlke-Klinik, Wiesbaden Schlüsselwörter Schmerztherapie, nichtsteroidale Antirheumatika, NSAR, Cyclooxygenase, COX-2- selektive NSAR, Prostaglandine Zusammenfassung Die antialgetische Pharmakotherapie wird bei muskuloskelettalen Erkrankungen vornehmlich mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) durchgeführt. NSAR inhibieren in geschädigtem Gewebe die von der stimulierbaren Cyclooxygenase (COX)-2 abhängige parakrine Synthese von Prostaglandinen (PGs), die am peripheren Neuron die Transmission des Schmerzsignals modulieren. Nicht selektive/traditionelle NSAR inhibieren darüber hinaus die COX-1-abhängige Synthese von PGs, die gewebeerhaltende ( housekeeping ) Funktion haben. GI-, CV- und renale Funktionsstörungen bis hin zu lebensbedrohlichen Komplikationen sind die wichtigsten Nebenwirkungen. Bei Risikopatienten sind Komplikationen vermeidende Präventivmaßnahmen angezeigt. Dazu gehören der Einsatz COX-2-selektiver NSAR, die Komedikation von Protonenpumpeninhibitoren (PPI), die Wahl möglichst niedriger NSAR- Dosen u. a. Kontraindikationen müssen beachtet Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) zum risikoarmen Einsatz von NSAR können der Therapieplanung zugrunde gelegt Korrespondenzadresse Dr. Wolfgang W. Bolten Klaus Miehlke-Klinik, Rheumatologie Leibnizstr. 23, 65191 Wiesbaden E-Mail: wbolten@em.uni-frankfurt.de Keywords Pain management, non-steroidal anti-inflamatory drugs, NSAIDs, Cyclooxygenase, COX-2 selective NSAIDs, prostaglandins Summary Antialgesic pharmacotherapy in musculo - skeletal diseases is carried out primarily with non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs). NSAIDs inhibit the paracrine synthesis of prostaglandins (PGs) in damaged tissue, which is dependent on the stimulatable Cyclooxygenase (COX)-2. PGs modulate the transmission of the pain signal to the peripheral neuron. Traditional/non-selective NSAIDs also inhibit the COX-1-dependent synthesis of PGs, which have a tissue-preserving ( housekeeping ) function. The main side effects are GI-, CV- and renal dysfunction and right up to life-threatening complications. In patients at risk, preventive measures are indicated to avoid complications. These include the use of COX-2 selective NSAIDs, concomitant medication with PPI, choosing the lowest possible dose of NSAID. Contraindications must be considered. The recommendations of the German society for rheumatology (DGRh) for low-risk use of NSAIDs can be taken as a basis for therapy planning. Use of NSAIDs in pain management of rheumatoid arthritis arthritis + rheuma 2016; 36: 229 234 Zur Pathophysiologie und Pharmakotherapie rheumatischer Schmerzen Schmerz hat unterschiedliche Ursachen, und Schmerz wird von den Betroffenen unterschiedlich wahrgenommen. Traumatische Gewebeverletzung, aktivierte Arthrose oder rheumatoide Arthritis sie alle nutzen prinzipiell die gleichen pathophysiologischen Prozesse zur Schmerzgenerierung. Im geschädigten Gewebe fallen vermehrt immunkompetente Zellen und proinflammatorische Interleukine an. Diese induzieren die Expression der Cyclooxygenase (COX)-2. Konsekutiv steigt die parakrine Syntheserate von Prostaglandinen (PGs) um ein Mehrfaches an. PGs fördern lokal Reparationsprozesse. Sie sensibilisieren aber auch periphere Nozizeptoren, die biochemische Stimuli in elektrophysiologische Signale transduzieren. Neuronale Transmission bringt Schmerzsignale in das zentrale Nervensystem. Dort werden die Schmerzsignale prozessiert. So werden Schmerzempfindungen ausgelöst, kontrolliert und moduliert. Das antialgetische Wirkprinzip der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) beruht auf der Inhibition der PG-Synthese durch reversible Rezeptorblockade am COX-2-Enzym. Physiologisches Substrat der PG-Synthese ist die Arachidonsäure (AA) (1). Solange die PG-Synthese sistiert, bleibt die Schmerzkaskade unterbrochen ( Abb. 1). Acetylsalicylsäure (ASS) hemmt als einziges NSAR die COX-Enzyme irreversibel. In hoher Dosis wirkt ASS antialgetisch/ antiphlogistisch, wird aber wegen ihres erheblichen Nebenwirkungspotenzials praktisch nur gelegentlich bei akutem Schmerz eingesetzt. In einer anderen Indikation, nämlich der PG-abhängigen Thrombozy- Schattauer 2016 arthritis + rheuma 4/2016

230 W. W. Bolten: Rheumatologische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika Abb. 1 Vereinfachtes Schema der enzymatischen Prostaglandin (PG)-Synthese und ihrer Inhibition: Via COX-1 werden ubiquitär und parakrin aus Arachidonsäure PGs synthetisiert, die in vielen Organen housekeeping -Funktionen haben (z. B. die Protektion der Magenmukosa). Die in alteriertem Gewebe induzierte COX-2 synthetisiert PGs, die regional an Nozisensoren die Transduktion biochemischer Signale in elektrophysiologische Schmerzsignale modulieren. Die nicht selektive Inhibition der COX-Enzyme durch tnsar erklärt deren im Vergleich zu den Coxiben höhere GI-Toxizität. Glukokortikoide hemmen die COX-2-Biosynthese. (TxA 2 = Thromboxan; PGI 2 = Prostazyclin). tenaggregationshemmung, wird ASS kardioprotektiv in sehr niedriger und damit gering nebenwirkungsträchtiger Dosierung genutzt. Die kernlosen Thrombozyten können die irreversibel durch ASS besetzten COX-Enzyme nicht durch COX-Neusynthese ersetzen. Thrombozytenaggregation ist erst mit nachgereiften Thrombozyten wieder möglich. Auch steroidale Antirheumatika (Glukokortikoide), die zuverlässig entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken, senken die Syntheserate schmerzvermittelnder PGs. Sie besetzen aber nicht wie NSAR den COX-Rezeptor. Glukokortikoide verhindern die Expression der COX-2, sodass auch eine PG-Synthese nicht mehr stattfinden kann. Das breite Wirkspektrum der Steroide führt vor allem längerfristig zu klinisch durchaus relevanten unerwünschten Wirkungen. Bekanntestes Beispiel ist die Osteoporose. Deshalb sollte der längerfristige und hochdosierte Einsatz von Glukokortikoiden zur Schmerz- und Entzündungstherapie vermieden werden, vor allem, wenn das Therapieziel auch mit NSAR erreicht werden kann. NSAR-Nebenwirkungen Abb. 2 Spektrum der tnsar-assoziierten gastroduodenalen (GD) Beschwerden und der Befunde der Oesophagogastroduodenoskopie (OGD): NSAR-induzierte dyspeptische Beschwerden korrelieren nicht oder nur geringfügig mit dem Auftreten oder dem Schweregrad endoskopischer Mukosaschäden. GI-Komplikationen kündigen sich nicht durch dyspeptische Beschwerden an! Vice versa sagen Magen-Darmbeschwerden nichts über das Vorhandensein oder den Schweregrad von Mukosaläsionen aus. Natürlich muss mit unerwünschten Wirkungen auch bei der NSAR-Therapie gerechnet Wohl bekannt und gut untersucht sind die gastrointestinalen (GI)-Nebenwirkungen. Dyspeptische Beschwerden treten unter NSAR häufig auf. Statistisch korreliert die Dyspepsie nicht mit den relativ selteneren, wegen der weltweit aber häufigen Verordnung klinisch bedeutsamen GI-Komplikationen (Perforation, Ulkus, Blutung). Bedrohliche GI-Nebenwirkungen können ohne Warnsignal kurzfristig und zu jedem Zeitpunkt im Verlauf der NSAR-Therapie entstehen und kompliziert, gegebenenfalls sogar letal verlaufen. ( Abb. 2). Besonders gefährdet sind Patienten mit bestimmten Risikoindikatoren (2) (Alter > 60 70 Jahre; schwere Grund- oder Begleiterkrankung; GI-Vorschäden; Komedikation mit Glukokortikoiden, Gerinnungshemmern, selektiven Serotonin- Wiederaufnahmehemmern): arthritis + rheuma 4/2016 Schattauer 2016

W. W. Bolten: Rheumatologische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika 231 Patientenbezogene Risikofaktoren Positive Gastrointestinalanamnese (z. B. Ulkus, GI-Blutung) 1 Höheres Lebensalter (> 65 Jahre) Schwere Komorbidität Komedikation als Risikofaktoren Glukokortikoide Antikoagulanzien Antidepressiva (SSRI und SSNRI) Für die GI-Nebenwirkungen wird die Hemmung der nicht induzierbaren COX-1 verantwortlich gemacht. Deren Syntheseprodukte sind PGs, die u. a. die Magen-Darm-Mukosa schützen. GI- Komplikationen treten unter den verschiedenen traditionellen NSAR (tnsar) bei äquipotenter Dosierung etwa gleich häufig auf. Unter den im therapeutischen Dosisbereich COX-2-selektiv wirksamen jüngeren NSAR, den sogenannten Coxiben, ist die GI-Komplikationsrate nur halb so groß wie unter tnsar. Die COX- 1-abhängige PG-Synthese wird durch Coxibe nicht gehemmt, PG-abhängige mukosaprotektive Mechanismen bleiben erhalten. Ähnlich erfolgreich kann die GI- Komplikationsrate durch die Komedikation mit einem Protonenpumpenhemmer (PPI) vermindert werden (3). Ohne Säure scheint es selbst bei fehlendem Mukosaschutz durch PGs (fast) kein Ulkus zu geben. Anders als bei der Therapie mit Coxiben kann erwartungsgemäß der untere GI-Trakt nicht von der PPI-Komedikation profitieren. In jüngerer Zeit stehen in der wissenschaftlichen Diskussion kardiovaskuläre (CV) NSAR-Nebenwirkungen (z. B. Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Gefäßthrombosierung) im Vordergrund (4). Pathophysiologisch verantwortlich für die kardiovaskulären NSAR-Nebenwirkungen könnte der iatrogen ausgelöste PG-Mangel sein, der der (ansonsten pharmakotherapeutisch erwünschten) COX-2-Inhibition durch NSAR zuzuschreiben ist. Ein anderer Erklärungsversuch weist dem gestörten 1 Eine Helicobacter-pylori-Infektion verändert das GI-Risiko einer NSAR-Therapie nicht. Helicobacter pylori und NSAR sind additive Riskofaktoren. Verhältnis von COX-2- und COX-1-Inhibition im Gefäßbereich die Schuld an den CV-Nebenwirkungen zu. Ohne die PG-Bildung zu beeinflussen, vermindern Opioide somatische Schmerzen. Sie sind im Durchschnitt bei rheumatologischer Indikation nicht besser wirksam als NSAR (5). Das Potenzial und das Spektrum ihrer Nebenwirkungen sind ebenfalls nicht geringer. Ein spezifisches Problem ist die Entwicklung einer Abhängigkeit. Opioide sollten bei rheumatischen Schmerzen allenfalls als zweite Wahl z. B. nach Versagen einer NSAR-Therapie zum Einsatz kommen. Schmerzdimensionen Akuter Schmerz provoziert aktuell Aufmerksamkeit bei einer neu oder wiederkehrend auftretenden somatischen Läsion. Aufgrund dieses Signals werden (reflektorisch oder kontrolliert) Vermeidungsstrategien und Gegenmaßnahmen eingeleitet z. B. die physische Entlastung bei mechanischer Überlastung eines vorgeschädigten Gelenks, die zur Schmerzlinderung führen. Andere akute Maßnahmen sind dann oftmals nicht mehr erforderlich. Eine spezielle Schmerztherapie einschließlich der kurzzeitigen Behandlung mit NSAR kann den Schmerz schneller abklingen lassen. Rezidivierend entzündlich aktive oder chronische Organalterationen verursachen prozessabhängig wiederkehrende oder auch anhaltende (chronische) Schmerzen. In diesem Fall kann erfolgreiche Schmerzbehandlung z. B. mit NSAR den Reparationsprozess der Grunderkrankung fördern. Bei konsequenter erfolgreicher Behandlung kommt es seltener zur Chronifizierung und Verselbstständigung nach Art einer Schmerzkrankheit. Wenn Schmerzen trotz günstiger Entwicklung der schmerzverursachenden Erkrankung weiter bestehen, wenn für das Fortbestehen der Schmerzen aber kein vernünftiger Grund zu erkennen ist, wenn also der Schmerz sich verselbständigt und sich zunehmend gegenüber herkömmlichen Therapien resistent zeigt, dann muss eine eigenständige chronische Schmerzkrankheit angenommen Eine solche unglückliche aufgesetzte Krankheitskarriere kann noch am ehesten in ihren frühen Phasen verhindert oder gebessert Je erfolgreicher die frühzeitig und konsequent durchgeführte Schmerzbehandlung ist, desto weniger muss mit einer Chronifizierung gerechnet Manchmal sind wie bei der Fibromyalgie (FM) psychosomatische Prozesse Auslöser oder Ursache rheumatischer Schmerzen und unterschiedlichen Schmerz erlebens. Probatorisch angewandte pharmakologische Schmerztherapien bleiben in der Regel erfolglos und sollten beendet werden, bevor unerwünschte Arzneimittelwirkungen das Krankheitsbild komplizieren. Behandlungsstrategien NSAR sind die weltweit am häufigsten eingesetzten Medikamente. Ihr Nebenwirkungsprofil ist verhältnismäßig gut bekannt (6). Im Zusammenhang mit der Entwicklung und behördlichen Zulassung der COX-2-selektiven NSAR um die Jahrhundertwende konnte vor allem durch große Outcomestudien (7 10) der Datenpool erweitert und verbessert Kardiovaskuläre Nebenwirkungen stehen seitdem im Mittelpunkt der wissenschaftlichen, aber auch der öffentlichen Diskussion. Der neutrale Beobachter konnte zeitweise kaum zwischen wissenschaftlich, politisch öffentlich und wirtschaftlich motivierten Publikationen oder deren Interpretationen unterscheiden. Teile der Ärzteschaft und der Patienten verweigerten sich deshalb der Therapie mit NSAR, hauptsächlich der mit Coxiben, und vergaben so wirksame Behandlungsmöglichkeiten. Damit nun NSAR bei muskuloskelettalen Erkrankungen möglichst sicher eingesetzt werden können, stellen medizinische Fachgesellschaften auf der Basis des vorhandenen wissenschaftlichen Datenmaterials sinnvolle Behandlungsempfehlungen zusammen, die Hilfestellung bei der Entwicklung von Therapiestrategien geben sollen. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) empfiehlt in einem Zehnpunkteprogramm Maßnahmen zur Erhöhung der Therapie sicherheit beim Einsatz von NSAR zur Schmerztherapie bei muskulo - Schattauer 2016 arthritis + rheuma 4/2016

232 W. W. Bolten: Rheumatologische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika Von der DGRh 2016 empfohlene Maßnahmen zur Verbesserung der Therapiesicherheit beim Einsatz von NSAR zur Schmerztherapie bei muskuloskelettalen Erkrankungen (6) 1. NSAR sollen über den kürzesten klinisch notwendigen Zeitraum mit der niedrigsten analgetisch noch wirksamen Dosis im zugelassenen Dosierungsrahmen eingesetzt 2. Vor jeder NSAR-Verordnung und im Verlauf der NSAR-Behandlung soll das individuelle CV-, das GI-, das renale und das hepatische Risiko des Patienten beurteilt und darauf basierend der Therapieplan erstellt bzw. angepasst 3. Kontraindikation für die Behandlung mit jeglichem NSAR sind die Herzinsuffizienz (NYHA III/IV), die schwere Nierenfunktionsstörung (GFR < 30 ml/min) und das floride GI-Ulkus. tnsar sollten nach vorausgegangenem NSAR-induziertem GI- Ulkus gar nicht mehr zumindest nicht ohne PPI eingesetzt Coxibe sind bei KHK, pavk und anamnestisch zerebrovaskulärer Komplikation kontraindiziert, Etoricoxib zusätzlich bei nicht ausreichend kontrollierter Hypertonie. 4. Bei erhöhtem CV-Risiko und dringender NSAR-Indikation kann Naproxen im Vergleich zu anderen tnsar vorteihaft sein, wenn hohe Dosen eingesetzt werden müssen. Dann muss auch das in Kombination mit Low-dose-ASS erhöhte Blutungsrisiko und das erhöhte GI-Risiko bedacht Naproxen sollte bei geringem NSAR-Bedarf durch niedrig dosiertes Ibuprofen ersetzt Diclofenac, hoch dosiertes Ibuprofen und Coxibe sollten bei erhöhtem CV-Risiko vermieden 5. Bei erhöhtem GI-Risiko sollte ein Coxib anstelle eines tnsar eingesetzt Bei Coxib-Unverträglichkeit oder Kontraindikationen, oder alternativ zur Coxib-Therapie sollen tnsar mit einem PPI (ggf. auch mit niedrig dosiertem Misoprostol) kombiniert werden (cave: Der untere GI-Trakt wird durch PPI nicht geschützt)! Bei GI-Hochrisikopatienten (z. B. nach frisch abgeheiltem oberen GI-Ulkus) soll bei nicht vermeidbarer NSAR-Therapie anstelle eines tnsar ein Coxib zusammen mit einem PPI eingesetzt 6. Bei gleichzeitig erhöhtem GI- und CV- Risiko kann Naproxen (bzw. bei geringem NSAR-Bedarf auch niedrig dosiertes Ibuprofen) in Kombination mit PPI gegenüber allen anderen NSAR vorteilhaft sein. Im Fall einer Komedikation mit Low-dose- ASS muss beachtet werden, dass Interaktionen den GI-Vorteil von Coxiben sowie die kardioprotektive Wirkung von ASS mindern könnten. 7. Patienten mit mäßig eingeschränkter Nierenfunktion (GFR 30 60 ml/min) und dringendem NSAR-Bedarf sollten unter Kontrolle der Nierenfunktion in dreimonatigen Abständen mit reduzierter NSAR- Dosis behandelt Eine GFR unter 30 ml/min verbietet eine Behandlung mit NSAR. 8. Mäßig erhöhte Serumtransaminasewerte sollen bei fortgesetzter NSAR-Behandlung kurzfristig (anfangs wöchentlich) kontrolliert NSAR sollten nicht verabreicht werden, wenn die Transaminasenspiegel (SGOT, SGPT) den dreifachen oberen Referenzwert übersteigen oder der Bilirubinspiegel über den zweifachen oberen Normalwert ansteigt. 9. Topische NSAR-Präparationen (Gel, Salbe, Creme) können zur ergänzenden lokalen und bei ausreichender analgetischer Wirkung auch alleine verwendet Wenn die analgetische Wirkung durch den regelrechten Einsatz von NSAR nur unzureichend bzw. gar nicht erreicht wird, kann zusätzlich bzw. ersatzweise unter Berücksichtigung des Risikoprofils eine Behandlung mit nichtopioiden An - algetika (z. B. Novaminsulfat) zuletzt auch eine Opioidtherapie versucht 10. Nichtmedikamentöse Behandlungsmethoden (Physiotherapie etc.) tragen zur Schmerzlinderung bei und sollten wo und wann immer möglich eingesetzt skelettalen Erkrankungen (6). Diese Empfehlungen werden im Folgenden erörtert. Erörterung zu den zehn NSAR-Behandlungs - empfehlungen der DGRh 1. Es klingt trivial, ist aber nicht selbstverständlich: Eine Schmerztherapie mit NSAR soll am Symptom Schmerz orientiert nicht länger als nötig und dabei in möglichst geringer, noch ausreichend wirksamer Dosis durchgeführt Zu hoch dosiert ist ein NSAR, wenn die Tageshöchstdosis überschritten wird oder wenn eine ausreichende Schmerzlinderung auch mit niedrigerer als der aktuell eingesetzten Dosis erreicht werden kann. In beiden Fällen ist das Nebenwirkungspotenzial erhöht, ohne dass aus der höheren Tagesdosis ein Nutzen für den Patienten resultierte. Bei der NSAR-Verordnung muss der Patient über die Bedeutung und Methoden der Dosisfindung informiert Und für die Dosisanpassung muss die geeignete Arzneimittelspezialität verordnet 2. Das individuelle Nebenwirkungsrisiko ist bei einschlägigen Organvorschädigungen erhöht. Damit das bei der NSAR-Verordnung berücksichtigt werden kann, müssen CV-, GI-, renale, hepatische und gegebenenfalls andere Vorerkrankungen, beispielsweise im Rahmen der Anamneseerhebung, identifiziert und eingeschätzt Weiterführende (z. B. technische oder Labor-) Diagnostik ist erst bei begründetem Verdacht erforderlich. 3. Wegen einiger meist als sekundäre Parameter in Studien verifizierter CV- Nebenwirkungen haben nationale und internationale Arzneimittelbehörden (teilweise uneinheitlich) Zulassungen für einzelne NSAR oder NSAR-Gruppen durch absolute Kontraindikationen eingeschränkt. Kontraindikationen für alle NSAR (bei Herzinsuffizienz, Nieren insuffizienz, aktuellem GI-Ulkus), für tnsar (zusätzlich bei stattgehabtem GI-Ulkus) und für Coxibe (zusätzlich bei koronarer Herzkrankheit, arthritis + rheuma 4/2016 Schattauer 2016

W. W. Bolten: Rheumatologische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika 233 pavk, zerebrovaskulären Komplikationen) und speziell für Etoricoxib (bei nicht kontrollierter arterieller Hypertonie) müssen in jedem Fall beachtet 4. Für einzelne NSAR (Naproxen, Ibuprofen, Diclofenac) haben sich in Studien und Studienanalysen sowohl Vorals auch Nachteile herauskristallisiert. So hat Naproxen in hoher Dosierung ein geringeres CV-Risiko, aber das GI- Risiko steigt darunter an. Niedrig dosiert ist Ibuprofen wohl nicht kardioläsiv. Mit der Erhöhung der Ibuprofendosis geht dieser Vorteil verloren. Ein höheres CV-Risiko entsteht durch Diclofenac und die Coxibe. Aus diesen Daten können generelle Empfehlungen zum Einsatz von NSAR zur Schmerztherapie bei Risikopatienten abgeleitet Bei der individuellen Behandlungsentscheidung wird aber die Wichtung der verschiedenen Faktoren das individuelle therapeutische Prozedere bestimmen. 5. Für Patienten ohne oder mit sehr geringem GI-Risiko, (z. B. jugendlicher Sportler, der nach Bänderzerrung NSAR einnimmt), können GI-protektive Maßnahmen kaum Vorteile bringen. Dagegen profitieren GI-Risikopatienten von Maßnahmen zur GI-Protektion. Wenn Coxibe anstelle von tnsar eingesetzt werden, ist die GI-Toxizität ca. 50 % geringer. Alternativ kann die GI- Sicherheit von tnsar auch durch Komedikation mit PPI (oder dem PG- Analogon Misoprostol) um etwa 50 % verbessert werden, auch wenn PPI den unteren GI-Trakt nicht schützen können. Die Akzeptanz für Misoprostol ist bei Ärzten wie Patienten wegen der zu Therapiebeginn drohenden Diarrhöen eher gering. Wenn die bisherige tnsar- Therapie erfolgreich war und die GI- Sicherheit erhöht werden soll, dann wird eher die Komedikation mit einem PPI gewählt Bei GI-Hochrisikopatienten (z. B. nach gerade abgeheiltem oberen GI-Ulkus) muss bei nicht vermeidbarer NSAR-Therapie anstelle eines tnsar ein Coxib gegebenenfalls zusammen mit einem PPI eingesetzt Für die Wahl des therapeutischen Prozedere können bei medizinischer Gleichwertigkeit ökonomische Argumente ausschlaggebend sein. Ärzte sollten eine Vorstellung von den Arzneimittelkosten haben. 6. Senioren sind naturgemäß die wichtigste Zielgruppe für die NSAR-Therapie. In den höheren Altersklassen sind häufiger polymorbide Menschen zu finden. Sind dadurch bei diesen Patienten sowohl GI- als auch CV-Risiko erhöht und ist wegen rheumatischer Schmerzen der NSAR-Bedarf hoch, dann wird zur Schmerztherapie Naproxen empfohlen. Das CV-System ist durch Naproxen geringer belastet, das GI-Risiko steigt aber an. Deshalb sollte zusätzlich ein PPI verordnet Haben diese Patienten einen niedrigen NSAR-Bedarf, hat Ibuprofen die besseren Referenzen. Die niedrige Ibuprofen-Tagesdosis trägt zur guten Verträglichkeit bei. Patienten mit erhöhtem CV-Risiko erhalten häufig gleichzeitig zur Thrombozytenaggregationshemmung Low-dose- ASS. Ibuprofen (eventuell auch andere tnsar) konkurriert mit ASS um den thrombozytären COX-1-Rezeptor. Der ist bei gleichzeitiger Medikamenteneinnahme großenteils durch Ibuprofen besetzt, sodass ASS nicht mit diesen besetzten Rezeptoren interagieren kann. Wenn Ibuprofen die Bindung wieder frei gibt, steht ASS wegen ihrer kürzeren Halbwertszeit nicht mehr zur Verfügung, kann somit nicht mehr kardioprotektiv wirksam Ob eine zeitlich versetzte Einnahme der beiden Medikamente das Problem beseitigt, steht noch in Frage. Im Fall einer Komedikation von Coxiben mit Low-dose-ASS kann der GI-Vorteil von Coxiben verloren gehen. 7. Alle NSAR können als COX-2-Inhibitoren bei Patienten mit chronisch eingeschränkter Nierenfunktion (altersassoziiert oder im Rahmen von Nieren - erkrankungen), aber auch bei Gesunden (z. B. bei Sportlern, die durch Dehydratation und physischer Grenzbelastung ihr renales System an die funktionelle Grenze bringen) ein akutes Nierenversagen provozieren. Die Niere nutzt offensichtlich die Regulierbarkeit der COX-2, um ihren variablen PG-Bedarf zur Steuerung physiologischer renovaskulärer Mechanismen zu decken. NSAR dys regulieren den Steuerungsvorgang. Sportlern ist deshalb von der präventiven Einnahme von NSAR dringend abzuraten. Bei chronischer Niereninsuffizienz bestimmt die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) die höchstmögliche NSAR- Tagesdosis. Wird die GFR unter 30 ml/minute gemessen, ist eine NSAR- Therapie nicht mehr möglich. 8. Eine Transaminasenerhöhung signalisiert die hepatische Belastung. Erfahrungsgemäß können über den zeitlichen Verlauf stabil gemessene SGOT- und SGPT-Serumspiegel toleriert werden, wenn sie nicht den dreifachen oberen Referenzwert übersteigen oder der Bilirubin-Spiegel über den zweifachen oberen Normalwert ansteigt. 9. Schwer einzuschätzen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit sind topische NSAR-Präparationen (Gel, Salbe, Creme). In klinischen Studien konnte ihre von der oralen Verabreichung nicht unterscheidbare antialgetische Wirkung bei umschriebenen Schmerzprozessen (z. B. aktivierte Gonarthrose) nachgewiesen Die NSAR-Gewebekonzentrationen waren nach topischer Applikation nur in der Subkutis vergleichbar hoch wie nach oraler Verabreichung. In Synovia, Synovialis, Serum sowie Muskulatur und Knorpel waren die Konzentrationen um ein bis zwei Zehnerpotenzen niedriger als nach systemischer Behandlung. Denkbar, dass niedrige PG-Spiegel in der Subkutis neuronale antialgetische Prozesse induzieren. Mit organischen Nebenwirkungen ist bei solch geringen systemischen Wirkstoffspiegeln kaum zu rechnen. Im klinischen Alltag sollte die topische Therapie zumindest probatorisch eingesetzt 10. Nichtmedikamentöse Behandlungsmethoden helfen, den Medikamentenverbrauch (und das damit verbundene Therapierisiko) zu senken. In der Zusammenarbeit (z. B.) mit qualifizierten Physiotherapeuten erhält die antialgetische Therapie eine neue Dimension. Interessenkonflikt Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Schattauer 2016 arthritis + rheuma 4/2016

234 W. W. Bolten: Rheumatologische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika Literatur 1. Vane JR. Inhibition of prostaglandin synthesis as a mechanism of action for aspirin-like drugs. Nat- New Biol 1971; 231 (25): 232 235. 2. Tielemans MM, Eikendal T, Jansen JB, van Oijen MG. Identification of NSAID users at risk for gastrointestinal complications: a systematic review of current guidelines and consensus agreements. Drug Saf 2010; 33 (6): 443 453. 3. Regula J, Butruk E, Dekkers CP et al. Prevention of NSAID-associated gastrointestinal lesions: a comparison study pantoprazole versus omeprazole. Am J Gastroenterol 2006; 101 (8): 1747 1755. 4. Coxib and traditional NSAID Trialists (CNT) Collaboration. Vascular and upper gastrointestinal effects of non-steroidal anti-inflammatory drugs: meta-analyses of individual participant data from randomised trials. The Lancet 2013; 382 (9894): 769 779. 5. Richards D. The Oxford Pain Group League table of analgesic efficacy. Evid-Based Dentistry 2004; 5 (1): 22 23. 6. Bolten WW, Kruger K, Reiter-Niesert S, Stichtenoth DO, Kommission Pharmakotherapie der DGRh. [DGRh recommendations for the implementation of current security aspects in the NSAID treatment of musculoskeletal pain]. Z Rheumatol 2016; 75 (1): 103 116. 7. Bombardier C, Laine L, Reicin A et al. Comparison of upper gastrointestinal toxicity of rofecoxib and naproxen in patients with rheumatoid arthritis. VIGOR Study Group. N Engl J Med 2000; 343 (21): 1520 1528. 8. Farkouh ME, Kirshner H, Harrington RA et al. Comparison of lumiracoxib with naproxen and ibuprofen in the Therapeutic Arthritis Research and Gastrointestinal Event Trial (TARGET), cardiovascular outcomes: randomised controlled trial. Lancet 2004; 364 (9435): 675 684. 9. Schnitzer TJ, Burmester GR, Mysler E et al. Comparison of lumiracoxib with naproxen and ibuprofen in the Therapeutic Arthritis Research and Gastrointestinal Event Trial (TARGET), reduction in ulcer complications: randomised controlled trial. Lancet 2004; 364 (9435): 665 674. 10. Silverstein FE, Faich G, Goldstein JL et al. Gastrointestinal toxicity with celecoxib vs nonsteroidal anti-inflammatory drugs for osteoarthritis and rheumatoid arthritis: the CLASS study: A randomized controlled trial. Celecoxib Long-term Arthritis Safety Study. Journal of the American Medical Association 2000; 284 (10): 1247 1255. Anzeige arthritis + rheuma 4/2016 Schattauer 2016