Hintergrundpapier des GKV-Spitzenverbandes zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung

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Transkript:

Hintergrundpapier des GKV-Spitzenverbandes zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung Qualität im deutschen Gesundheitswesen Das deutsche Gesundheitswesen ist im internationalen Vergleich durch eine hohe Dichte an Einrichtungen, technischen Geräten und Personal gekennzeichnet. Dies gilt ganz besonders für Fachärzte und die Krankenhausversorgung. Damit sind ein umfassendes Versorgungsangebot und ein schneller Zugang zu medizinischen Leistungen verbunden. Hinsichtlich der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung allgemein bewegt sich Deutschland im Mittelfeld. Beim Vergleich der Versorgungsqualität zeigen sich in internationaler Perspektive zum Teil überdurchschnittliche, zum Teil aber auch unterdurchschnittliche Ergebnisse. Innerhalb Deutschlands gibt es Hinweise auf erhebliche Unterschiede in der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sowohl zwischen verschiedenen Krankenhäusern und Ärzten als auch regional. Rechtliche Grundlagen Für die Qualitätssicherung im deutschen Gesundheitswesen hat der Gesetzgeber im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein komplexes Regelwerk geschaffen. Die konkreten Bestimmungen sind für den Bereich der Krankenversicherung vorrangig im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert, neben Normen im SGB IX zur Rehabilitation und im SGB XI für die Pflege. Im Abschnitt Sicherung der Qualität der Leistungserbringung beschreibt das SGB V sowohl Maßnahmen der Methodenbewertung, die mit den unterschiedlichen Regelungen für den ambulanten und den stationären Sektor die Überprüfung des Nutzens von medizinischen Interventionen des GKV Leistungskataloges adressieren, als auch Anforderungen an die Sicherung der Qualität der in der Versorgung erbrachten Leistungen. Vereinfacht ist nach der Frage, ob eine Leistung im Rahmen des gesetzlichen Auftrages erbracht werden soll (Methodenbewertung), die Frage zu beantworten, wie diese Leistung zu erbringen ist, damit der davon erwartete Nutzen auch gleichmäßig und in entsprechender Qualität eintritt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Leistungserbringer und Kostenträger. Legitimiert durch das SGB V legt der G-BA verbindliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung im ambulanten und stationären Sektor fest. Die Qualitätssicherung für die Bereiche der Pflege und Rehabilitation liegt außerhalb der Zuständigkeit des G-BA. Bisher sind fast alle Qualitätssicherungsverfahren sektoral organisiert. 22. August 2012

Krankenhäuser Im stationären Bereich erfolgt eine bundesweit einheitliche Erfassung von Qualitätsdaten im Rahmen der externen vergleichenden stationären Qualitätssicherung (ESQS). Anhand spezifischer Indikatoren ermöglicht die ESQS einen Vergleich zwischen zugelassenen Krankenhäusern. Der G-BA legt jährlich die zu dokumentierenden Leistungsbereiche fest. 2011 waren dies insgesamt 30 Bereiche, z. B. die Geburtshilfe oder das Einsetzen künstlicher Hüftgelenke. Nur Krankenhäuser, die in den vorgegebenen Leistungsbereichen tätig sind, werden von der ESQS erfasst. Im Jahr 2010 waren dies etwa 1.700 Krankenhäuser. Etwa ein Fünftel aller rund 16 Millionen vollstationären Behandlungsfälle wurden so in die Qualitätssicherung einbezogen. Diese Daten stellen die Grundlage für die Auswertungen auf Krankenhaus-, Landes- und Bundesebene dar. Sie werden in den gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsberichten veröffentlicht bisher alle zwei Jahre und ab 2013 jährlich. Seit Januar 2012 müssen die Krankenhäuser dort 182 Indikatoren aus 25 Leistungsbereichen darstellen. Zusätzlich zur ESQS gibt es für die Krankenhäuser Anforderungen zur Strukturqualität, zum einrichtungsinternen Qualitätsmanagement sowie Mindestmengenregelungen und Vereinbarungen zu Fortbildungspflichten. Die ESQS in Deutschland ist ein ausdifferenziertes und gut funktionierendes System. Der Ressourcenaufwand für die ESQS ist beträchtlich: Die Kosten allein für die Aufwandsentschädigung der Krankenhäuser betragen für das Jahr 2012 insgesamt etwa 9,6 Millionen Euro. Die Vergütung erfolgt bundeseinheitlich je Krankenhausbehandlungsfall (DRG-Fall) über die Abrechnung direkt an die Krankenhäuser. Zusätzlich zu diesen Kosten fallen Verwaltungskosten auf Landesebene in Höhe von insgesamt ca. 16 Millionen Euro an. Darüber hinaus werden vom G-BA Gelder an das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA-Institut) für die Auswertung gezahlt. Förderung der Qualität Die Qualitätsergebnisse werden den einzelnen Krankenhäusern zurückgespiegelt. Das ermöglicht jedem Krankenhaus eine Beurteilung, wie es im Vergleich zum Durchschnitt aller Häuser arbeitet. Besondere Auffälligkeiten werden im strukturierten Dialog zwischen Krankenhäusern und externen Fachexperten geklärt und ggf. Maßnahmen zur Verbesserung definiert. Seit 2011 werden in einzelnen Leistungsbereichen auch Followup-Daten erhoben, anhand derer es möglich sein wird, längerfristige Effekte abzubilden. 2

ESQS: Stärken und Schwächen Durch die stationäre Qualitätssicherung ist es in einigen Bereichen zu messbaren Verbesserungen gekommen, die den Patienten zugutekommen, z. B. bei Operationen an den Herzkranzgefäßen und bei der Behandlung von Patienten mit Lungenentzündung im Krankenhaus. Es gibt allerdings auch kritische Beispiele, wo seit Jahren Mängel festgestellt, aber nicht umfassend behoben werden etwa beim hüftgelenksnahen Oberschenkelhalsbruch bei über 65-Jährigen und bei der Einleitungsgeschwindigkeit eines Notfall- Kaiserschnitts während der Entbindung. Das bedeutet nicht, dass bei diesen Negativbeispielen die ESQS sinnlos ist. Ohne die Datenerfassung wäre vermutlich nie bekannt geworden, dass es überhaupt gravierende Mängel gibt. Es zeigt sich aber, dass auf der Umsetzungsebene die Anstrengungen intensiviert werden müssen und in manchen Fällen auch wiederholte strukturierte Dialoge nicht ausreichen. Echte Sanktionen werden bisher praktisch nie eingeleitet. Unterstützung bei der Wahl des richtigen Krankenhauses Die Versicherten sollen durch öffentlich zugängliche Qualitätsberichte die Möglichkeit erhalten, sich in der Kliniklandschaft zu orientieren und sich zu informieren. Die Qualitätssicherung soll dabei helfen, Krankenhäuser vergleichen und für eine anstehende Behandlung eine begründete Wahl treffen zu können. Die Qualitätsberichte der Krankenhäuser sind bisher aber nur sehr schwer verständlich. Viele interessante Daten werden auch nicht von allen Häusern veröffentlicht. Vor allem deshalb werden sie auch nur wenig genutzt. Einer Untersuchung des G-BA zufolge haben lediglich ein Fünftel der Deutschen überhaupt von Qualitätsberichten gehört. Vor einem geplanten Eingriff im Krankenhaus haben weniger als 3 Prozent einen Qualitätsbericht zur Information verwendet. Die Berichte müssen in Zukunft deshalb viel stärker auf die Infor- 1 mationsbedürfnisse der Patienten ausgerichtet werden. 1 Geraedts, M. (2006). Qualitätsberichte deutscher Krankenhäuser und Qualitätsvergleiche von Einrichtungen des Gesundheitswesens aus Versichertensicht. In: Böcken, J. et al. Gesundheitsmonitor 2006. Gesundheitsversorgung und Gestaltungsoptionen aus der Perspektive von Bevölkerung und Ärzten. S. 154 ff. 3

Arztpraxen Im ambulanten Bereich liegt der Schwerpunkt der Qualitätssicherungsmaßnahmen auf zufallsgesteuerten Stichprobenprüfungen. Dass für die Arztpraxen anders als in den Krankenhäusern vorrangig diese Art der Qualitätssicherung durchgeführt wird, ist durch die Vorgaben des Gesetzgebers bedingt. Von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in ausgewählten Leistungsbereichen werden die von den behandelten Ärzten geführten Unterlagen und Dokumentationen geprüft. Dies erfolgt durch Qualitätssicherungskommissionen, deren Mitglieder sich aus aktiv tätigen Vertragsärzten zusammensetzen. Die Krankenkassen haben die Möglichkeit, sich an den Qualitätsprüfungen zu beteiligen und eigene Experten in die rund 80 Kommissionen zu entsenden. Im Jahr 2009 wurden insgesamt 4.465 von 44.275 Vertragsärzten geprüft. In den Richtlinien des G-BA sowie in den Bundesmantelverträgen werden die entsprechenden Vorgaben festgelegt. Die Umsetzung der Qualitätssicherungsmaßnahmen erfolgt regional unterschiedlich. Die Höhe der von den KVen gezogenen Zufallsstichproben variiert bei den Stichprobenziehungen sehr deutlich. Das Beispiel der konventionellen Röntgendiagnostik zeigt z. B. für das Jahr 2010, dass in den unterschiedlichen KVen zwischen 4 und 46 Prozent der betreffenden Ärzte geprüft wurden. Das Engagement in der Qualitätssicherung variiert also regional sehr stark. Außerdem gibt es bei der Beseitigung festgestellter Qualitätsdefizite zum Teil keine Fortschritte. So ergaben die Stichprobenprüfungen bei der Arthroskopie (Gelenkspiegelung) ganz erhebliche Mängel: Nur bei 30 Prozent der geprüften Ärzte gab es im Jahr 2010 keine Beanstandungen, bei 31 Prozent jedoch geringe und bei 38 Prozent sogar erhebliche oder schwerwiegende Beanstandungen. Neben den direkten Möglichkeiten der Qualitätsförderung (Information der Praxen, kollegiale Diskussion der Probleme und Vorschläge zur Abhilfe) kann bei Qualitätsdefiziten die Vergütung für diese Leistungen zurückgefordert werden. In schwerwiegenden Fällen kann die Genehmigung zur Leistungserbringung entzogen werden. Diese anwendbaren Möglichkeiten für qualitätsbezogene Konsequenzen sind schärfer als bei den Krankenhäusern. Sie werden allerdings nur wenig genutzt. Die Probleme bei der Arthroskopie zum Beispiel sind seit Jahren bekannt. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Transparenz. Die öffentlich zugänglichen Berichte der KVen geben in erster Linie Auskunft über die Fallzahlen und die Schwere der Mängel. Die konkreten Mängel selbst werden nicht benannt. Bei welchen Ärzten sie auftreten, wird auch nicht bekannt gegeben. Somit bleibt die Qualitätssicherung oft ohne Konsequenzen und das, obwohl über den Blick in die Akten der Patienten eine sehr verlässliche und aussagekräftige Bewertung der Qualität möglich ist. Mit der 4

Stichprobengröße von mindestens 4 Prozent der Ärzte ist außerdem keine flächendeckende Qualitätsmessung wie bei den Krankenhäusern möglich. Hiervon gibt es nur eine wichtige Ausnahme: Im Bereich der ambulanten Dialysebehandlung erfolgt eine kontinuierliche Überprüfung zentraler Qualitätsparameter für alle Patienten. Hier konnten in den letzten Jahren auch wesentliche Qualitätsverbesserungen angestoßen und belegt werden. Echte patientenbezogene Verlaufsanalysen sind aber auch bei der Dialyse nicht möglich. Diese Schwäche haben fast alle bisherigen Ansätze gemeinsam: Die Qualitätssicherung im Krankenhaus bezieht sich nur auf einen einzelnen Krankenhausaufenthalt; die in der Dialyse beim niedergelassenen Arzt auf ein Quartal den jeweiligen Abrechnungszeitraum der Ärzte. Es werden aus Datenschutzgründen nur Daten übermittelt, die vollständig anonymisiert sind. Die Übermittlung erfolgt quartalsweise und damit sind die Ergebnisse aus verschiedenen Quartalen nicht verknüpfbar. Das schränkt die Aussagekraft entscheidend ein, denn für die betroffenen Patientinnen und Patienten ist ja gerade der Krankheitsverlauf auf längere Sicht entscheidend. Dazu kommt, dass auch Krankenhäuser Dialysen durchführen, dort aber keine Datenerfassung wie bei den Ärzten stattfindet. Einrichtungs- und sektorenübergreifende Qualitätssicherung Dass Qualitätssicherung an den Sektorengrenzen und mit der einzelnen Abrechnungsperiode endet, wird seit Jahren kritisch diskutiert. Darauf haben der Gesetzgeber und der G-BA inzwischen reagiert. Mit dem Inkrafttreten der Richtlinie zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (Qesü-Richtlinie) im Dezember 2010 wurde der Grundstein für eine Qualitätssicherung gelegt, die sich primär an den Behandlungsabläufen orientiert. Durch die Richtlinie wurden Anforderungen an die Qualitätssicherung zwischen den Sektoren vereinheitlicht und weitere wichtige Punkte umgesetzt: die Längsschnittbetrachtung von Daten sowohl über Sektoren als auch über die Zeit hinweg sowie eine stärkere Betonung des Aspektes der Qualitätsförderung. Das AQUA-Institut wurde auf dieser neuen Grundlage mit der Entwicklung sektorenübergreifender Qualitätssicherungsverfahren für die Themen Katarakt (grauer Star), Konisation (Operation am Gebärmutterhals), perkutane Koronarinterventionen (PCI, Herzkatheter), Arthroskopie (Gelenkspiegelung) des Knies, Endoprothetik (Gelenkersatz an Hüfte und Knie), nosokomiale Infektionen (Infektionen als Folge einer medizinischen Behandlung) sowie Dickdarmkrebs beauftragt. Die sektorenübergreifende Qualitätssicherung soll in diesen wichtigen Bereichen erstmals die Messung und die Verbesserung der medizinischen Versorgungsqualität über die Sektorengrenzen hinweg und in der Langzeitbeobachtung sowie einen Qualitätsvergleich bei allen stationären 5

und ambulanten Leistungserbringern ermöglichen. Ausschlaggebend für Versicherte und Krankenkassen ist nicht der Ort oder der vertragliche Rahmen der Leistungserbringung, sondern das Erreichen möglichst guter Behandlungsergebnisse. Die sektorenübergreifende Qualitätssicherung befindet sich derzeit im Aufbau. Grundlegende Voraussetzungen hierfür wurden bereits geschaffen. Zuletzt hat der Gesetzgeber zum 1. Januar 2012 für eine rechtssichere Verfahrensweise zur Einbeziehung von Routinedaten in die Qualitätssicherungsverfahren gesorgt. Viele Informationen müssen für die Qualitätssicherung nicht extra und wieder erfasst werden, da sie in den Daten der Krankenkassen und den Abrechnungsdaten ohnehin bereits enthalten sind. Das entlastet die Ärzte und Krankenhäuser von unnötiger Bürokratie. Für die Umsetzung der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung sehr wichtig ist die Schaffung einer funktionierenden Auslöse- und Filterfunktion, die es den Ärzten und Krankenhäusern ermöglicht zu erkennen, für welche Patienten und zu welchem Zeitpunkt eine Dokumentationspflicht besteht. Die bisherigen Qualitätssicherungsmaßnahmen setzen überwiegend bei einer einzelnen Behandlungsmaßnahme an. Eine Nachverfolgung über die einzelne stationäre oder ambulante Behandlung hinaus ist in der Regel nicht vorgesehen. Die Chancen und Stärken der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung liegen nun insbesondere darin, den Blick über die einzelnen Interventionen hinaus auch in Richtung Langzeitbeobachtung zu öffnen. Hierfür sind geeignete technische Voraussetzungen für Auslöse- und Filterfunktionen zu schaffen, die eine vollständige Datenerhebung auch in der Nachbeobachtungsphase sicherstellen. Wenn wir z. B. erfassen wollen, wie beweglich ein Patient auf längere Sicht mit einem künstlichen Hüftgelenk ist, müssen die nach der Krankenhausentlassung ambulant weiterbehandelnden Ärzte wissen, wann sie bei welchen Patienten welche Daten erheben und an die jeweils zuständige Datenannahmestelle übermitteln müssen. Verkompliziert wird dieses Problem noch, wenn lediglich eine Stichprobe für die Qualitätssicherung gezogen wird. Dann muss der nachbetreuende Arzt darüber informiert sein, ob sein Patient zu der zu dokumentierenden Stichprobe gehört oder nicht. Für die beschriebene Anforderung werden derzeit unterschiedliche Lösungsoptionen diskutiert. Es wird geprüft, ob die elektronische Gesundheitskarte hier zumindest mittelfristig eine aufwandsarme und verlässliche Lösung eröffnen könnte. Aufgrund der langen Vorlaufzeit solcher Entwicklungen müssen kurzfristig jedoch auch pragmatische und praktikable Übergangslösungen entwickelt werden. 6

Ein weiteres Problem ist die Sicherung der Datenvollzähligkeit bei GKV-Versicherten, die im Rahmen von Selektivverträgen versorgt werden. So hat der Gesetzgeber zwar grundsätzlich geregelt, dass sie einbezogen werden sollen. Wie das allerdings konkret umgesetzt werden soll, ist derzeit noch nicht klar. Ausblick Die meisten Fragestellungen in der Qualitätssicherung der medizinischen Versorgung lassen sich nur mit einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung abbilden. Bei der praktischen Umsetzung bestehen aber noch technische, organisatorische und politische Hürden. Sie müssen so schnell wie möglich überwunden werden. Dieser Aufbauprozess wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Mit der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung ergeben sich auch neue inhaltliche Probleme. Sie soll mehr Klarheit über die Versorgungsprozesse insgesamt bringen, muss dabei aber gleichzeitig die Verantwortlichkeiten der einzelnen beteiligten Sektoren und Leistungserbringer transparent machen. In der Zwischenzeit darf die Aktualisierung und die Stärkung der Versorgungsrelevanz bei den bisherigen sektoralen Qualitätssicherungsverfahren nicht vernachlässigt werden. Entscheidend für die Wahl des Verfahrens sind auch in Zukunft das zugrunde liegende Qualitätsdefizit und das angestrebte Qualitätsziel. Es wird deshalb auf Dauer erforderlich und sinnvoll sein, auch sektorenspezifische Verfahren anzuwenden. Entscheidend ist, welchen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung ein Qualitätssicherungsverfahren leisten kann. 7