Bereitstellung und Nutzung geschützter Werke in der archivischenpraxis -Fallbeispiele und Lösungsansätze

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Transkript:

Bereitstellung und Nutzung geschützter Werke in der archivischenpraxis -Fallbeispiele und Lösungsansätze Andreas Nestl Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns E-Mail: andreas.nestl@gda.bayern.de Telefon: 089/28638-2486 1

Einleitung ArchivischeVorlagepraxis -ein Lavieren zwischen Rechtssicherheit und maximaler Nutzbarmachung der Bestände? Selbstbild und Anspruch der Archive Gesetzlicher Auftrag der Archive Schutzwürdige Rechtspositionen Datenschutzrecht Persönlichkeitsrechte Urheberrecht 2

Fallbeispiel I. Aus dem Nachlass eines Künstlers, der von diesem in den 1980er Jahren ohne weitere Unterlagen dem Archiv schenkungsweise übereignet worden ist, möchte sich ein Kunsthistoriker zwei künstlerisch gestaltete Portraitfotografien aus der Nachkriegszeit im Lesesaal ansehen. II. Anschließend wünscht er hochauflösende Reproduktionen beider Fotografien, um sie zu Hause eingehend studieren zu können. Da ihm die Fotografien so gut gefallen, verwendet er die Reproduktionen zur Gestaltung des Einbandes eines Aufsatzbandes. III. Das Archiv beabsichtigt bei dieser Gelegenheit, den gesamten Bestand einschließlich der Fotografien von einem Dienstleister digitalisieren zu lassen und danach in einem internen digitalen Lesesaal sowie im Internet zugänglich zu machen. 3

Prüfungsschritte 1. Ist ein Schutztatbestand nach dem UrhG gegeben? 2. Wer ist der Urheber des geschützten Objekts? 3. Welche Handlungen sind vom urheberrechtlichen Schutz umfasst? 4. Wem stehen Nutzungs- und Verwertungsrechte in welchem Umfang zu? 5. Erlauben zeitliche oder inhaltliche Schranken ausnahmsweise eine Nutzung? 6. Wer haftet bei einer Verletzung urheberrechtlicher Schutztatbestände? 4

1. Schutztatbestand nach dem UrhG Werke Begriff: Persönliche geistige Schöpfungen ( 2 Abs. 2 UrhG) Kriterien: Originalität, Abgrenzung zum Handwerklichen Beispiele (nicht abschließender Katalog: 2 Abs. 1 UrhG) Sprachwerke (z. B. Gutachten, Entwürfe wissenschaftlicher Arbeiten) Lichtbildwerke (Abgrenzung zu Lichtbildern, die nicht über die Abbildung des Gegenstands hinausgehen Pläne, Karten, Skizzen und Pläne (z. B. Baupläne) Amtliche Werke ( 5 UrhG) genießen keinen Schutz (z. B. Findbücher) Werke in amtlicher Verwahrung und Zugang nach Informationsfreiheitsrecht? 5

1. Schutztatbestand nach dem UrhG Verwandte Schutzrechte Lichtbilder (Schutz: 50 Jahre ab Erscheinen bzw. Herstellung) Wissenschaftliche Editionen (Schutz: 25 Jahre ab Erscheinen bzw. Herstellung) Datenbanken (Schutz: 15 Jahre ab Erscheinen bzw. Herstellung) Abzugrenzen von den urheberrechtlichen Schutzrechten sind Recht am eigenen Bild ( 22 ff KUG) Sacheigentum an einem Werkexemplar (vgl. 44 Abs. 1 UrhG) Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte 6

2. Urheberschaft Urheber ist der Schöpfer des Werkes ( 7 UrhG). Schöpferprinzip nicht: Auftraggeber Persönlichkeitsprinzip nicht: Auftrag gebende Institution oder Dienstherr Vererbbarkeit ( 28 Abs. 1 UrhG) Das Urheberrecht ist nicht übertragbar. Es geht insbesondere nicht mit dem Eigentum an einem Werkexemplar über! Rechtsfolgen der Urheberschaft ( 11 UrhG) Urheberpersönlichkeitsrechte (insb. Recht auf Erstveröffentlichung) wirtschaftliche Verwertungsrechte stehen dem Urheber zu! 7

3. Einzelne Verwertungshandlungen Erstveröffentlichung ( 12 UrhG - Zustimmungsvoraussetzung) Veröffentlichung durch Archivierung? Veröffentlichung durch Vorlage im Lesesaal? Vervielfältigung ( 16 UrhG) Digitalisierung und Verfilmung von Archivgut Erstellen von Reproduktionen an Archivbenützer Verbreitung ( 17 UrhG) Ausstellung ( 18 UrhG) Öffentliche Zugänglichmachung ( 19a UrhG) 8

4. Erwerb von Nutzungsrechten Möglichkeit der Rechteübertragung an Dritte ( 31 Abs. 1UrhG) ausdrücklich oder konkludent (mit Abgabe an das Archiv unter Kenntnis der archivgesetzlichen Regelungen) Umfang der Rechteübertragung einfach - ausschließlich, zeitlich oder örtlich beschränkt - unbeschränkt Zweckübertragungslehre ( 31 Abs. 5 UrhG) und Darlegungslast im Zweifel: keine Rechteabtretung! Nutzungsrechte und Arbeitsverhältnis ( 43 UrhG) in der Regel sind Nutzungsrechte abgetreten - soweit es der Aufgabenstellung entspricht Unbekannte Nutzungsarten ( 31a UrhG) bei Altverträgen mit abgetreten, wenn ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt wurden ( 137l UrhG) 9

5. Schranken: Zeitliche Schranken Werke: 70 Jahre nach Tod des Urhebers ( 63 UrhG) Lichtbilder: 50 Jahre nach Erscheinen bzw. Herstellung ( 72 Abs. 3 UrhG) Wissenschaftliche Editionen: 25 nach Erscheinen bzw. Herstellung ( 70 Abs. 3 UrhG) Übergangsregeln ( 129 ff UrhG) 10

5. Schranken: Inhaltliche Schranken Eigener Gebrauch insb. Kopierprivileg für den privaten oder wissenschaftlichen Gebrauch ( 53 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 UrhG) Wissenschaftsschranken Elektronische Leseplätze ( 52b UrhG) Digitalisierung zu Archivzwecken ( 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 UrhG) Zitatrecht ( 51 UrhG) Zugänglichmachen verwaister Werke ( 61 UrhG) Fotografien nicht von der Schranke erfasst! Katalogbildfreiheit ( 58 UrhG) aber: dauernde Inventare dürfen nicht online zugänglich gemacht werden Freie Benutzung ( 24 UrhG) 11

6. Haftungsfragen Verletzerhaftung grds. vorrangig Benützer nimmt mit Veröffentlichung bzw. Verbreitung tatbestandliche Handlungen vor Störerhaftung Aufklärungspflichten, insb. bei Nachfragen Verhinderungspflichten bei Evidenz 12

Vielen Dank! Andreas Nestl Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns E-Mail: andreas.nestl@gda.bayern.de Telefon: 089/28638-2486 13