Telefon: 233-28619 Telefax: 233-25090 Rolf G. Ortmann Seite Referat 1 für Arbeit und Wirtschaft Kommunale Beschäftigungspolitik und Qualifizierung Unterstützung des Strukturwandels Pilotprojekt anonymisierte Bewerbungen Antrag Nr. 08-14 / A 01861 der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL vom 30.09.2010 Sitzungsvorlage Nr.08-14 / V 06536 Beschluss des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft am 10.05.2011 (SB) Öffentliche Sitzung Kurzübersicht zur beiliegenden Beschlussvorlage Anlass Inhalt Entscheidungsvorschlag Gesucht werden kann im RIS auch nach Antrag Nr. 08-14 / A 01861 der Stadtratsfraktion DIE GRÜ- NEN/RL vom 30.09.2010 Das bundesweite Pilotprojekt Anonyme Bewerbungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie die Möglichkeiten eines Modellprojektes in München werden dargestellt. Die Ergebnisse des von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durchgeführten bundesweiten Pilotprojektes An - onyme Bewerbungen werden abgewartet und auf ihre Übertragbarkeit auf München überprüft. Dem Stadtrat wird hierüber erneut berichtet. Anonymisierte Bewerbungsverfahren, Vermeidung von Diskriminierung im Arbeitsleben, Bestenauslese.
Telefon: 233-28619 Telefax: 233-25090 Rolf G. Ortmann Seite Referat 1 für Arbeit und Wirtschaft Kommunale Beschäftigungspolitik und Qualifizierung Unterstützung des Strukturwandels Pilotprojekt anonymisierte Bewerbungen Antrag Nr. 08-14 / A 01861 der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL vom 30.09.2010 Sitzungsvorlage Nr. 08-14 / V 06536 2 Anlagen Beschluss des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft am 10.05.2011 (SB) Öffentliche Sitzung I. Vortrag des Referenten Die Stadtratsfraktion Die Grünen/RL hat am 30.09.2010 den Antrag Nr. 08-14 / A 01861 gestellt (Anlage 1), wonach das Referat für Arbeit und Wirtschaft ein Pilotprojekt für Unternehmen einrichten solle, die bereit sind, für einen befristeten Zeitraum nur noch anonymisierte Bewerbungen anzunehmen. In diesem Antrag wird Bezug auf ein bundesweites Projekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit zur Zeit der Antragstellung fünf Großunternehmen genommen. 1. Bundesweites Modellprojekt Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat im November 2010 das Modellprojekt Anonymisierte Bewerbungsverfahren offiziell gestartet. Für je 12 Monate werden Deutsche Post, Deutsche Telekom, das Kosmetikunternehmen L Oréal, der Erlebnisschenkdienstleister Mydays, der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, das Bundesfamilienministerium, die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Stadtverwaltung von Celle Bewerbungen ohne Foto, Name, Alter, Geschlecht, Herkunft und Familienstand entgegen nehmen. Beim Modellprojekt werden mehrere Tausend Bewerbungen für rund 225 Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze anonymisiert. Die Stellen reichen von der Lehrlingsausbildung über die zu vergebenden Studienplätze bis hin zu technischen Berufen oder Jobs im Kundenservice. Die Anonymisierung bezieht sich dabei allein auf die erste Phase der Bewerbungsverfahren, die Zeit vor der Einladung zum Be-
Seite 2 werbungsgespräch. Hier wird auf persönliche Angaben und Fotos verzichtet, um den Fokus auf Fähigkeiten und Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber zu lenken. Ausgangspunkt für das Modellprojekt ist die These, dass vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, ältere Arbeitssuchende und Frauen mit Kindern in Bewerbungsverfahren oft benachteiligt werden; sie sollen nach Studien und gemäß der Beratungserfahrung der ADS.deutlich schlechtere Chancen haben, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Die Anonymisierung muss während des Modellprojekts an die bisherigen Bewerbungsverfahren im Unternehmen angepasst werden. Sämtliche Anonymisierungsmethoden sollen getestet und auf ihre Tauglichkeit geprüft werden: - Anonymisierte Online-Bewerbungsbögen, die passgenau die Kompetenzen, Qualifikationen und Motivation erfassen sollen, die für die Arbeitgeber wichtig sind; - einheitliche, anonymisierte Bewerbungsformulare, die Bewerberinnen und Bewerber per Download, E-Mail oder Post erhalten und ausgefüllt zurückschicken sollen; - nachträgliche Anonymisierung der herkömmlichen Bewerbungsunterlagen (durch Schwärzen oder Übertragen von Daten). Anonymisierte Bewerbungen bieten keine Garantie gegen Benachteiligungen, sie können aber dabei helfen, Diskriminierung abzubauen. Statistisch gesehen findet Diskriminierung vor allem in der ersten Phase von Bewerbungsprozessen statt, also vor der Einladung zum Vorstellungsgespräch. Es wird unterstellt, dass wenn Bewerbende erst einmal die Chance bekommen, sich persönlich zu präsentieren, manches Vorurteil seine Kraft verliert. Bei anonymisierten Bewerbungsverfahren geht es um genau diese erste Chance. Anonymisierte Bewerbungen sollen außerdem helfen, neue Bewerbergruppen zu erschließen und sicherzustellen, dass Unternehmen die qualifiziertesten Bewerberinnen und Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes setzt daher auf Freiwilligkeit und Überzeugung, nicht auf gesetzliche Regelungen. Sie will Unternehmen anregen, ihre bisherige Bewerbungskultur zu überdenken. Zu den zu Anfang der Planungen des Modellprojekts teilnehmenden Unternehmen ist eine Kommune dazugekommen, die Stadtverwaltung von Celle. Der Oberbürgermeister der niedersächsischen Stadt begründet die Teilnahme: Schon seit längerer Zeit haben wir uns mit diesem Thema befasst. Ich bin dankbar, dass sich die Antidiskriminierungsstelle des Bundes jetzt für ein solches Verfahren einsetzt. Wir erwarten einen Imagegewinn für die Stadt Celle, wenn wir unsere Bewerbungsver-
Seite 3 fahren transparent und diskriminierungsfrei gestalten. Insofern beteiligen wir uns sehr gern an diesem Pilotprojekt. Das Projekt wird während der gesamten Zeit wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Aus den Ergebnissen sollen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. 2. Ein Pilotprojekt in / für München? Ein Pilotprojekt für die Landeshauptstadt vorzubereiten und durchzuführen, kann von zwei Ansatzpunkten ausgehen: Zum einen ein Pilotprojekt mit unabhängigen Unternehmen aus München zu vereinbaren oder zum anderen intern in der Stadtverwaltung ein Projekt autark durchzuführen. Mit selbständigen Unternehmen eine solche Maßnahme durchzuführen, benötigt einen großen Aufwand und nicht zu unterschätzenden Vorlauf: Es müssen Unternehmen ab einer gewissen Größe akquiriert werden, denn mit Klein- und Kleinstunternehmen, die nur selten Stellen ausschreiben, macht ein solches Vorhaben nur wenig Sinn. Auch ist bei dem Auswahlverfahren für zu beteiligende Unternehmen eine Vergleichbarkeit der zu besetzenden Stellen zu beachten. Im Rahmen eines Vorlaufes müssen sich die beteiligten Unternehmen auf ein gemeinsames Verfahren einigen: Bewerbungsbogen, Abläufe, Ergebnisse, Kontrollverfahren und Abschluss. Es ist abzuschätzen, welche Kosten dem einzelnen Unternehmen entstehen und welche Kosten im Verbund des Pilotprojekts anfallen. Auszuhandeln verbleibt, wer welche Kosten zu tragen hat. Alternativ könnte die Stadt als Arbeitgeberin selbst ein Projekt zu anonymisierten Bewerbungen durchführen. Die sowieso schon fortschrittliche Personalpolitik der Stadt könnte in Bezug auf Antidiskriminierungsstrategien einen weiteren Akzent setzen. Ein solches stadtinternes Pilotprojekt zu planen und umzusetzen wäre Aufgabe des Personal- und Organisationsreferats. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft hat daher im November 2010 das Personalund Organisationsreferat um eine Stellungnahme 1 gebeten. Dieses teilte mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 (Anlage 2) mit, das Referat beurteile sowohl die Einführung eines Pilotprojektes in Zusammenarbeit mit Unternehmen in München als auch die Durchführung eines stadtinternen Projektes aus folgenden Gründen kritisch: 1. Ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren ist bei der Landeshauptstadt Mün- 1 Dazu ist anzumerken, dass die Stellungnahme des POR sich nur auf die Verfahren bezieht, die dort durchgeführt werden. Es gibt darüber hinaus Bereiche innerhalb der Stadtverwaltung, welche die Stellenbesetzungen in eigener Zuständigkeit erledigen. In diesen Bereichen (z.b. Lehrer/innen im RBS oder Personal in der Branddirektion) könnte ein internes Pilotprojekt ebenfalls grundsätzlich durchgeführt werden. In diesem Fall entfällt aber die Planung und Umsetzung durch das POR.
Seite 4 chen nicht erforderlich, um eine diskriminierungsfreie Stellenbesetzung sicherzustellen. Schon jetzt werde besondere Aufmerksamkeit auf die Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Bewerberinnen und Bewerber gelegt. Die Auswahl erfolge gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 94 Abs. 2 BV ausschließlich nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. 2. Anonymisierte Bewerbungsverfahren verzögern und verteuern das Ausschreibungsverfahren deutlich. Das Verschlüsseln von Bewerberdaten, das nachfolgende Entschlüsseln, der Aufbau einer Datenbank sei gleichzusetzen mit erhöhtem Aufwand an Ressourcen und Personal und könne das Bewerbungsverfahren erheblich verzögern. 3. Eine qualitativ hochwertige Bestenauslese ist unter Umständen nicht mehr möglich. Eine vollständige Anonymisierung der Bewerberdaten lasse eine richtige Bewertung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerberinnen und Bewerber nicht zu, z.b. die Größe des Unternehmens, wann wurden bestimmte Qualifikationen erworben oder auch die Beschreibung der erarbeiteten Qualifikationen. Damit stehen ganz besonders für qualifizierte Fach- und Führungskräfte die notwendigen Bewertungskriterien nicht zur Verfügung. Das POR hält es nicht für ratsam, zum jetzigen Zeitpunkt ein städtisches Pilotprojekt zum Thema durchzuführen. Es führt weiterhin aus, dass diese Einschätzung nicht zuletzt im Rahmen eines verantwortungsbewussten Umgangs mit Ressourcen angezeigt sei, da bereits öffentliche Gelder in das aktuell laufende Pilotprojekt des Bundesministeriums fließen. Es empfehle sich daher, die Ergebnisse des 'Pilotprojektes anonymisierte Bewerbungsverfahren' des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend abzuwarten und auf Grundlage dieser eine erneute Prüfung für eine eventuelle Einführung bei der Landeshauptstadt München durchzuführen. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft schließt sich dieser Haltung an und plädiert ebenfalls dafür, die Ergebnisse des bundesweiten Modellprojektes abzuwarten, die dann auch auf die lokale Ebene in München übertragen werden können. Anhörungsrechte eines Bezirksausschusses sind nicht gegeben. Die Sitzungsvorlage ist mit dem POR abgestimmt. Der Korreferent des Referates für Arbeit und Wirtschaft, Herr Stadtrat Helmut
Seite 5 Schmidt, und die Verwaltungsbeirätin für Kommunale Beschäftigungs- und Qualifizierungspolitik, Frau Stadträtin Lydia Dietrich, haben jeweils einen Abdruck der Sitzungsvorlage erhalten. II. Antrag des Referenten 1. Die Ergebnisse des von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durchgeführten bundesweiten Pilotprojektes Anonymisierte Bewerbungsverfahren werden abgewartet und auf ihre Übertragbarkeit auf München überprüft. Dem Stadtrat wird hierüber erneut berichtet. 2. Der Antrag Nr. 08-14 / A 01861 der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL vom 30.09.2010 ist hiermit geschäftsordnungsgemäß erledigt. 3. Dieser Beschluss unterliegt hinsichtlich Ziffer 1 des Referentenantrags der Beschlussvollzugskontrolle. III. Beschluss nach Antrag. Der Stadtrat der Landeshauptstadt München Der /Die Vorsitzende Der Referent Ober-/Bürgermeister/-in e.a. Stadtrat/-rätin Dieter Reiter Berufsm. Stadtrat
Seite 6 IV. Abdruck von I. mit III. über den Stenografischen Sitzungsdienst an das Direktorium Dokumentationsstelle (2x) an die Stadtkämmerei an das Revisionsamt z.k. V. Wv. RAW - FB III zur weiteren Veranlassung. Zu V. 1. Die Übereinstimmung des vorstehenden Abdrucks mit der beglaubigten Zweitschrift wird bestätigt. 2. An das Personal- und Organisationsreferat z.k. Am