I Rechtsnatur und Bedeutung der Kapitalgesellschaften

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Transkript:

I

I 1 A Einführung I Rechtsnatur und Bedeutung der Kapitalgesellschaften Kapitalgesellschaften sind juristische, mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Personen des privaten Rechts. Sie bilden eine besondere Gruppe von Körperschaften und können als Sonderformen wirtschaftlicher Vereine verstanden werden. Nach deutschem Recht existieren mit der AG, KGaA und der GmbH (einschließlich der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)) drei Kapitalgesellschaftsformen, die im AktG bzw. im GmbHG geregelt sind. Mit der Societas Europaea (SE) wurde zudem eine Kapitalgesellschaftsform geschaffen, für die in allen Mitgliedsstaaten der EU weitgehend einheitliches Recht gilt. Kapitalgesellschaften zeichnen sich durch eine körperschaftliche Organisation aus, sind also sowohl hinsichtlich der Geschäftsführung, Vertretung und Willensbildung als auch hinsichtlich ihres rechtlichen Bestands von ihren Gesellschaftern losgelöst. Kapitalgesellschaften gelten qua Gesetz als Handelsgesellschaft ( 3 AktG, 13 Abs. 3 GmbHG, 278 Abs. 3 AktG) und zählen daher gemäß 6 Abs. 1 HGB zu den Kaufleuten. Als juristische Personen sind sie mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und können daher Inhaber eigener Rechte und Pflichten sein. Gläubigern gegenüber haften Kapitalgesellschaften selbst mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Die Gesellschaftsanteile sind grundsätzlich frei veräußerbar und vererblich. Anders als bei Personengesellschaften steht regelmäßig die rein monetäre Beteiligung, nicht dagegen die persönliche Mitarbeit der Gesellschafter im Vordergrund. Nach der Beteiligung des Gesellschafters am gezeichneten Kapital bestimmen sich dementsprechend auch regelmäßig die wesentlichen mit der Beteiligung verbundenen Gesellschaftsrechte, wie etwa Gewinnbezugs- und Stimmrechte. Geschäftsführung und Vertretung können dagegen von Nichtgesellschaftern übernommen werden (Fremdorganschaft). In der Praxis hat sich insbesondere die GmbH als Organisationsform im Mittelstand weitgehend durchgesetzt, lässt sich doch hier für die Gesellschafter die Vermeidung der unbeschränkten Haftung mit einem weitgehend dispositiven Recht im Innenverhältnis, der im Vergleich zu Personengesellschaften leichteren Übertragbarkeit der Anteile und der Möglichkeit der Fremdorganschaft kombinieren. Mit der Einführung der UG (haftungsbeschränkt) in 5a GmbHG als einer Sonderform der GmbH hat der Gesetzgeber die Attraktivität weiter erhöht. Gleichwohl ist festzustellen, dass das Spektrum der Kapitalgesellschaften in der Praxis außerordentlich weit reicht: Von der kleinen Einmann-GmbH über mittelständische Unternehmen und Familien-AGs bis hin zum börsennotierten multinationalen Konzern in der Rechtsform der AG. Darüber hinaus ist im Bereich des Rechts der Kapitalgesellschaften eine erhebliche Internationalisierung erkennbar, zum einen durch die Einführung der SE, die als Vehikel zur Erleichterung grenzüberschreitender Umstrukturierungen dienen soll und für die in allen Mitgliedstaaten der EU weitgehend einheitliches Recht gilt, zum anderen aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, nach der in vielen Fällen auch Gesellschaften auslän- Begriff der KapGes Loslösung von den Gesellschaftern Kapitalbeteiligung steht im Vordergrund GmbH vorherrschend Weites Spektrum

2 A Einführung dischen Rechts im Inland der Status einer Kapitalgesellschaft zuzuerkennen ist, so etwa der nach englischem Recht gegründeten Limited. Eine von den steuerlichen Folgen losgelöste detaillierte Erörterung der zivilrechtlichen Behandlung von Kapitalgesellschaften erscheint hier wegen der Vielschichtigkeit der Materie nicht angebracht; hierzu sei auf die einschlägige Literatur verwiesen. Soweit die zivilrechtliche Behandlung einzelner Sachverhaltsgestaltungen jedoch für die steuerliche Erörterung von Bedeutung ist, wird dies jeweils gesondert dargestellt. II Konzeptionelle Grundlagen der Besteuerung von Kapitalgesellschaften KapGes ist Steuerrechtssubjekt Zusätzliche Besteuerungsebene Begründung notwendig Das Steuerrecht als Teil des öffentlichen Rechts folgt der im Zivilrecht verankerten strikten Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter insofern, als es Kapitalgesellschaften auch steuerlich als eigenständige Rechtssubjekte auffasst und zur Erfüllung steuerlicher Pflichten heranzieht. So ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig nach 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, ihre Tätigkeit gilt zwingend als Gewerbebetrieb nach 2 Abs. 2 GewStG und sie ist regelmäßig Unternehmer i. S. v. 2 UStG. Nicht problematisch erscheint dies im Bereich der Gewerbe- und Umsatzsteuer, da Objekt- bzw. Verkehrsteuern nicht am Vorliegen einer eigenen Rechtspersönlichkeit ansetzen und sich daher kein Unterschied gegenüber der Behandlung von Personengesellschaften bzw. Einzelunternehmen ergibt. Hinsichtlich der Körperschaftsteuer als Personensteuer ist diese sog. Maßgeblichkeit des Gesellschafts- für das Steuerrecht jedoch insoweit zu hinterfragen, als hierdurch gegenüber der Besteuerung von natürlichen Personen und Personengesellschaften eine zusätzliche Besteuerungsebene geschaffen wird und es dadurch zu einer doppelten Erfassung steuerlicher Ergebnisse, zum einen auf der Gesellschaftsebene, zum anderen auf der Ebene der Anteilseigner kommen kann. Die Besteuerung der Kapitalgesellschaften selbst ist zudem keineswegs zwingend; vielmehr wäre es auch denkbar, die im organisatorischen Rahmen einer Kapitalgesellschaft erzielten Einkünfte wie im Fall von Einzelunternehmen und Personengesellschaften im Wege des Durchgriffs direkt und ausschließlich auf der Ebene der natürlichen Personen zu besteuern. Grundsätzlich ist es nicht zu rechtfertigen, die Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von der Wahl des zivilrechtlichen Rechtskleides abhängig zu machen. Auch ist die Beibehaltung der Trennung von Gesellschafts- und Gesellschafterebene im Steuerrecht kein Selbstzweck. Wenn also das Steuerrecht, dem Zivilrecht folgend, eine zusätzliche Besteuerungsebene in Form der juristischen Person»einzieht«, bedarf es dazu einer weitergehenden Begründung.

II Konzeptionelle Grundlagen der Besteuerung von Kapitalgesellschaften 3 1 Begründung einer eigenständigen Körperschaftsteuer Die Notwendigkeit einer eigenständigen Belastung von Kapitalgesellschaften mit Körperschaftsteuer resultiert aus der infolge ihrer rechtlichen Selbständigkeit bestehenden Möglichkeit, Gewinne zu thesaurieren und erst zu einem späteren Zeitpunkt an ihre Anteilseigener auszuschütten, während dies bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften so nicht der Fall ist. Da eine direkte Zurechnung der von der Kapitalgesellschaft erzielten und nicht ausgeschütteten Einkünfte zu den Gesellschaftern im Sinne einer sog. Teilhabersteuer weder mit der einkommensteuerlichen Konzeption des Zufluss- bzw. Realisationsprinzips noch mit dem Konzept der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vereinbar ist und auch in tatsächlicher Hinsicht, insbesondere bei Publikumsgesellschaften, kaum durchführbar erscheint, müsste die Besteuerung der thesaurierten Gewinne, wenn keine eigenständige körperschaftsteuerliche Belastung erfolgte, bis zum Zeitpunkt der Ausschüttung aufgeschoben werden. Die hierdurch bewirkte steuerliche Besserstellung der Kapitalgesellschaft gegenüber der Einzelunternehmung bzw. der Personengesellschaft lässt sich aber wegen der damit einhergehenden Wettbewerbsverzerrung nicht rechtfertigen (HEY in HHR, Einf. KSt Anm. 17 m. w. N.). Der Gesetzgeber hat sich daher dazu entschieden, die zivilrechtliche Anerkennung der eigenen Rechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaften (z. B. 1 Abs. 1 AktG, 13 GmbHG) auch im Bereich des Steuerrechts gelten zu lassen und deren Einkünfte im Wege einer eigenständigen Körperschaftsteuer, quasi als Einkommensteuer der juristischen Person, zu belasten. Hinzu tritt dann im Fall der Ausschüttung eine Erfassung auf der Ebene des Gesellschafters. Das Nebeneinander von Einkommen- und Körperschaftsteuer ist somit eine unmittelbare Folge aus der steuerrechtlichen Akzeptanz der eigenständigen zivilrechtlichen Rechtspersönlichkeit der juristischen Personen. Infolgedessen gibt es keine einheitliche, sondern eine dualistische, d. h. von der jeweiligen Rechtsform abhängige»unternehmensbesteuerung«. Trotz der Erfassung thesaurierter Gewinne bei Kapitalgesellschaften ist zu konstatieren, dass die Belastung mit Körperschaftsteuer sich von derjenigen einer Personengesellschaft deutlich unterscheidet, da der lineare Steuersatz im Bereich der Körperschaftsteuer ggf. über, zumeist aber wohl unterhalb der einkommensteuerlichen Belastung einer personenbezogenen Unternehmung liegen dürfte. Dies ist zwar insofern gerechtfertigt, als bei Ausschüttung eine zusätzliche einkommensteuerliche Belastung erfolgt; zur Gleichstellung mit Einzelunternehmen und Personengesellschaften wäre es aber nun denkbar, Letztere ebenfalls unabhängig von ihren Gesellschaftern durch Einführung einer allgemeinen Betriebssteuer einer eigenen Besteuerung zu unterwerfen, solange die Gewinne nicht auf die private Ebene der Gesellschafter transferiert werden. Letztlich ist der Gesetzgeber dieser im Rahmen des Entwurfs zum Steuersenkungsgesetz 2001 (StSenkG) im Wege einer Option zur KSt in Erwägung gezogenen Überlegung nicht gefolgt; gleichwohl hat er mit der im UntStRefG 2008 eingeführten begünstigten Besteuerung einbehaltener Gewinne im Bereich der Personenunternehmen ( 34a EStG) versucht, eine steuerliche Belastungsneutralität zwischen Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen zu etablieren, indem er mit der Möglichkeit der Thesaurierung Besserstellung ggü. PersGes nicht vertretbar Dualistisches Unternehmenssteuerrecht Betriebssteuerkonzept trotz 34a EStG im Ergebnis nicht umgesetzt

4 A Einführung Weiterhin dualistisches Unternehmenssteuerrecht Gewährung eines Sondersteuersatzes für einbehaltene Gewinne i. H. v. 28,25% näherungsweise eine der sich bei Kapitalgesellschaften insgesamt aus KSt und GewSt ergebende steuerliche Belastung ermöglicht. Im Fall der späteren Entnahme dieser Gewinne erfolgt wie bei Kapitalgesellschaften im Fall der Ausschüttung und Anwendung des Sondersteuersatzes nach 32d Abs. 1 EStG auch eine Nachversteuerung mit 25%. Systematisch hat der Gesetzgeber damit jedoch an der transparenten (Mit)unternehmerbesteuerung einerseits und der Körperschaftsbesteuerung nach dem Trennungsprinzip andererseits festgehalten. Es verbleibt daher auch nach dem Unt- StRefG 2008 bei einem Nebeneinander von ESt und KSt als Ausfluss der steuerrechtlichen Akzeptanz der eigenständigen zivilrechtlichen Rechtspersönlichkeit der juristischen Personen. Weiterhin gibt es keine einheitliche, sondern eine dualistische, von der jeweiligen Rechtsform abhängige Unternehmensbesteuerung. 2 Gestiegene Bedeutung der Gewerbesteuer für Kapitalgesellschaften Nach den durch das UntStRefG 2008 bewirkten gewerbesteuerlichen Änderungen, insbesondere der Qualifizierung der GewSt als nicht abziehbare Betriebsausgabe, der Vereinheitlichung der Steuermesszahl auf 3,5% und der Ausweitung der Hinzurechnungstatbestände für Finanzierungsaufwendungen in 8 Nr. 1 GewStG, verbunden mit der Absenkung des KSt-Satzes von 25% auf 15%, ist für Kapitalgesellschaften eine verstärkte relative Bedeutung der GewSt zu diagnostizieren. So entspricht unter Vernachlässigung von Hinzurechnungen und Kürzungen die gewerbesteuerliche Belastung bei einem Hebesatz von 429%, unter Berücksichtigung des SolZ bei einem Hebesatz von 452%, der Höhe der körperschaftsteuerlichen Belastung (vgl. HERZIG, DB 2007, 1541, 154 (2). Demgegenüber bewirkt bei Personenunternehmen die Anrechnung der GewSt auf die ESt gemäß 35 EStG bis zu einem Hebesatz von 380%, bei Berücksichtigung des SolZ bei einem Hebesatz von ungefähr 400%, eine vollständige Entlastung von der GewSt, vorausgesetzt, es kommt nicht zu sog. Anrechnungsüberhängen (vgl. HERZIG/LOCHMANN, DB 2007, 1037, 1039). 3 Folgen und Reichweite des Trennungsprinzips Abschirmwirkung Die Besteuerungssystematik der Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner ist durch das sog. Trennungsprinzip gekennzeichnet. Konstitutive Merkmale dieses Prinzips sind die von der Kapitalgesellschaft entfaltete Abschirmwirkung gegenüber ihren Gesellschaftern sowie das Anerkenntnis von Verträgen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Folge der Anerkennung der eigenen Rechtspersönlichkeit der Kapitalgesellschaften und ihrer daraus abgeleiteten Steuerrechtssubjekteigenschaft ist, dass die Besteuerungsebene der Anteilseigner erst dann berührt wird, wenn die Kapitalgesellschaft ihre Gewinne auf deren Ebene transferiert, was regelmäßig erst im Fall von

II Konzeptionelle Grundlagen der Besteuerung von Kapitalgesellschaften 5 Gewinnausschüttungen der Fall ist. Die Kapitalgesellschaft schirmt die Anteilseigner mithin so lange von einer steuerlichen Erfassung des Ergebnisses auf deren Ebene ab, wie sie die Gewinne thesauriert. Diese Trennung zwischen Gesellschaft einerseits und Gesellschafter andererseits bewirkt zudem, dass im Grundsatz die Anteilseigner ihrer Gesellschaft auch in steuerrechtlicher Hinsicht wie fremde Dritte gegenüberstehen können, und folglich zwischen ihnen geschlossene Verträge grundsätzlich auch steuerrechtlich anerkannt werden (vgl. BÖHMER, StuW 2012, 33, 34). Ist z.b. der Gesellschafter einer GmbH als Geschäftsführer der Gesellschaft tätig, so stellen die Gehaltszahlungen für die GmbH Betriebsausgaben, für den Gesellschafter Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit dar. Diese grundsätzliche steuerliche Anerkennung der Rechtsbeziehungen zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseignern findet allerdings ihre Grenze, wenn hierdurch nicht betrieblich, sondern gesellschaftsrechtlich veranlasste Einkommensverschiebungen bewirkt werden. Insbesondere verdeckte Gewinnausschüttungen (vga) dürfen das zu versteuernde Einkommen der Körperschaft nicht vermindern. Folgerichtig führt aber auch ein der Kapitalgesellschaft durch den Anteilseigner im Wege der verdeckten Einlage (ve) zugewendeter Vermögensvorteil nicht zu steuerlichem Einkommen der Gesellschaft, wenn und soweit die Vorteilsgewährung durch das Gesellschaftsverhältnis begründet ist (vgl. BÖHMER, StuW 2012, 33, 34). Beide dargestellten Rechtsfolgen stehen im Gegensatz zur Behandlung des Gesellschafters einer Personengesellschaft. Da die Personengesellschaft als solche weder Steuersubjekt i. S. d. EStG noch des KStG ist, erfolgt insoweit ein Durchgriff durch die Personengesellschaft auf die Ebene der Gesellschafter. Nach dem hier zur Anwendung gelangenden Transparenzprinzip werden die von Personengesellschaft erzielten Einkünfte, unabhängig davon, ob sie in der Gesellschaft belassen oder von den Gesellschaftern entnommen werden, den Gesellschaftern anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet und bei diesen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer unterworfen, so dass nur eine Besteuerungsebene besteht. Während das Vorstehende unabhängig davon gilt, ob die Personengesellschaft Überschuss- oder Gewinneinkünfte erzielt, ist bei einer Gewinneinkünfte erzielenden Personengesellschaft, vorausgesetzt, der betreffende Gesellschafter ist als Mitunternehmer anzusehen, zudem zu beachten, dass gemäß 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch Vergütungen für Tätigkeiten im Dienst der Gesellschaft, für die Überlassung von Wirtschaftsgütern oder für die Hingabe von Darlehen, die der Mitunternehmer von»seiner«gesellschaft bezieht, ebenfalls zu seinen aus dieser Gesellschaft erzielten Gewinneinkünften zählen. Zwar werden auch insoweit die zwischen der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern geschlossenen Verträge steuerrechtlich anerkannt, jedoch wird ihnen über 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG die steuerliche Wirksamkeit genommen (vgl. hierzu NIEHUS/WILKE, Die Besteuerung der Personengesellschaften, 2013, 25ff.). Anerkennung von Leistungsbeziehungen Keine Anerkennung, wenn vga oder ve Bei PersGes Transparenzprinzip

6 A Einführung Die nachfolgende Abbildung fasst noch einmal zusammen: Transparenzprinzip: nur eine Besteuerungsebene steuerrechtliche Anerkennung von Verträgen zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter, aber bei Sondervergütung i.s.v. 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG keine Steuerwirksamkeit Trennungprinzip: zwei Besteuerungsebenen grds. Anerkennung von Verträgen zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter Ausnahme: gesellschaftsrechtliche Veranlassung, vga bzw. ve Personengesellschaft Kapitalgesellschaft Abb. 1: Transparenz- und Trennungsprinzip III Systeme der Vermeidung einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung Problem der Doppelerfassung Grundsätzlich erfolgt die Besteuerung der körperschaftsteuerlichen Subjekte unabhängig von deren Anteilseignern. Solange die Kapitalgesellschaft ihre Gewinne einbehält (thesauriert) und nicht an die Anteilseigner ausschüttet, erfolgt die steuerliche Belastung mithin ausschließlich auf Ebene der Kapitalgesellschaft. Im Fall der Ausschüttung erzielen die jeweiligen Anteilseigner steuerbare Einkünfte, beispielsweise Einkünfte aus Kapitalvermögen, woraus grundsätzlich eine Doppelbesteuerung der betreffenden Gewinne resultiert, nämlich einerseits mit Körperschaftsteuer auf der Ebene der Kapitalgesellschaft und andererseits mit der persönlichen Einkommensteuer auf der Ebene der Anteilseigner, bzw. mit nochmaliger Körperschaftsteuer, soweit es sich bei dem Anteilseigner ebenfalls um eine Kapitalgesellschaft handelt. Während bis zum Veranlagungszeitraum 2000 durch das sog. Anrechnungsverfahren die unliebsame Doppelbesteuerung mit KSt und ESt bzw. nochmaliger KSt exakt vermieden wurde, hat der Gesetzgeber durch das StSenkG das Anrechnungsverfahren abgeschafft und durch das sog. Halbeinkünfteverfahren ersetzt, welches die körperschaftsteuerliche Vorbelastung lediglich typisiert berücksichtigt. Mit dem UntStRefG 2008 hat der Gesetzgeber schließlich mit Wirkung ab 2009 das Halbeinkünfteverfahren in ein Teileinkünfteverfahren modifiziert und dessen Anwendungsbereich grundsätzlich auf Ausschüttungen beschränkt, die innerhalb eines Betriebsvermögens realisiert oder zu einer anderen Überschusseinkunftsart als den Einkünfte aus Kapitalvermögen gezählt werden. Zu einer solchen Zurechnung kann es über die Subsidiaritätsregelung des 20 Abs. 8 EStG kommen. Für die Besteuerung privater Einkünfte aus Kapitalvermögen gilt ab 2009 indes grundsätzlich

III Systeme der Vermeidung einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung 7 weder das Halb- noch das Teileinkünfteverfahren; stattdessen soll in diesem Bereich fortan die Doppelbelastung mit KSt und ESt in pauschalierender Weise vermieden werden, indem die Kapitalerträge auf Anteilseignerebene in vollem Umfang nicht mehr dem Normaltarif nach 32a EStG, sondern gemäß 32d Abs. 1 EStG einem gesonderten Steuersatz von 25% unterworfen werden. Nur in den Fällen des 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist ggf. auch in diesen Fällen auf Antrag eine Anwendung des Teileinkünfteverfahrens und des progressiven ESt-Tarifs nach 32a EStG möglich. 1 Anrechnungsverfahren Vereinfacht beschrieben wirkte innerhalb des Anrechnungsverfahrens die von der Kapitalgesellschaft entrichtete KSt lediglich vorübergehend und wurde im Moment der Ausschüttung über zwei Stufen wieder neutralisiert, nämlich zunächst durch die Herstellung der sog. Ausschüttungsbelastung und in einem zweiten Schritt durch die Anrechnung der sodann verbliebenen körperschaftsteuerlichen Belastung auf die persönliche ESt bzw. KSt des Anteilseigners. Wirtschaftlich wirkte die KSt der Kapitalgesellschaft mithin wie eine Vorauszahlung auf die persönliche Steuer des Anteilseigners, vergleichbar mit der Anrechnung der LSt im Fall der Einkommensteuerveranlagung eines Arbeitnehmers. Von der Kapitalgesellschaft erwirtschaftete Gewinne unterlagen unabhängig von der Ausschüttung zunächst einer Tarifbelastung von 40%. Im Fall der Ausschüttung flossen hiervon 10%-Punkte im Wege einer KSt-Minderung an die Kapitalgesellschaft zurück, so dass sich die KSt-Belastung auf 30% reduzierte und eine Ausschüttung i. H. v. 70% des Vorsteuergewinns der Gesellschaft möglich wurde. Auf der Ebene des Anteilseigners wurde sodann ein Zufluss von Einnahmen i. S. v. 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.h. d. gesamten Vorsteuergewinns erfasst, also des Ausschüttungsbetrags (Bardividende) zuzüglich der darauf entfallenden Ausschüttungsbelastung. Von der sich unter Berücksichtigung dieser Kapitalerträge ergebenden Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer wurde schließlich die in Form der Ausschüttungsbelastung nach wie vor bestehende KSt-Vorbelastung als Steueranrechnungsbetrag abgezogen. Um dies zu ermöglichen, erhielt der Anteilseigner von der ausschüttenden Kapitalgesellschaft eine Steuerbescheinigung, aus der sich die auf seine eigene Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer anrechenbare Körperschaftsteuer ergab. Angemerkt sei, dass auch bei Geltung des Anrechnungsverfahrens derartige Kapitalerträge der KapESt unterlagen, welche ebenfalls als Vorauszahlung auf die ESt bzw. KSt des Anteilseigners wirkte und mit der sich tatsächlich ergebenden Steuerbelastung innerhalb der Veranlagung verrechnet wurde. KSt war nur Interimsbelastung Tarifbelastung, KSt-Minderung, Anrechnung beim Anteilseigner

8 A Einführung Die nachfolgende Abbildung stellt, unter Vernachlässigung der Kapitalertragsteuer, die grundlegende Funktionalität des Anrechnungsverfahrens noch einmal dar: Ebene der Kapitalgesellschaft Gewinn (= z.v.e.) vor KSt KSt-Tarifbelastung = 40 % des Gewinns vor KSt Gewinn nach KSt = 60 % des Gewinns vor KSt KSt- Minderung = 10 %- Punkte Ausschüttungsbelastung = 30 % des Gewinns vor KSt Barausschüttung = 70 % des Gewinns vor KSt 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG a.f. 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG Anrechnungsbetrag = 3/7 der Barausschüttung Barausschüttung, 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG Ebene des Anteilseigners Einkünfte aus Kapitalvermögen Festzusetzende ESt bzw. KSt abzgl. KSt-Anrechnungsbetrag Abschlusszahlung oder Erstattung Abb. 2: Anrechnungsverfahren

III Systeme der Vermeidung einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung 9 Das Anrechnungsverfahren war allerdings in mehrfacher Hinsicht problematisch: Zum einen war es erforderlich, die steuerliche Belastung des für Ausschüttungen verwendbaren Eigenkapitals genau festzuhalten, um im Ausschüttungsfall die Ausschüttungsbelastung von 30% herstellen zu können, denn nicht alle durch Gewinne entstandenen Zugänge zum Eigenkapital waren auch mit 40% Körperschaftsteuer belastet. Man denke nur an steuerfrei vereinnahmte Investitionszulagen oder Gewinne, die noch mit einer Tarifbelastung von 45% versteuert waren. Die erforderliche Gliederungsrechnung war ausgesprochen aufwendig und kompliziert. Zudem war eine Annahme darüber erforderlich, welche der unterschiedlich hoch belasteten Eigenkapitalteile als zuerst für etwaige Ausschüttungen verwendet galten. Zum anderen waren Anteilseigner, für die im Inland keine Veranlagung durchgeführt wurde, von der Anrechnung der Ausschüttungsbelastung ausgeschlossen; zugleich war eine entsprechende Anrechnung der KSt-Belastung von Dividenden, die in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen aus Kapitalgesellschaften anderer EU-Staaten zuflossen, ausgeschlossen. Insofern verstieß die in 36 EStG verankerte Regelung über die Anrechnung der Ausschüttungsbelastung gegen die in Art. 56 EGV (jetzt Art. 63 AEUV) europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit (vgl. EuGH v. 06. 03. 2007 C-292/04, DStR 2007, 485). Gliederungsrechnung erforderlich Verstoß gegen EU-Recht 2 Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren sowie 8b KStG Vor der Einführung des Anrechnungsverfahrens, d. h. in Veranlagungszeiträumen vor 1977, wurden die ausgeschütteten Gewinne doppelt besteuert: zunächst auf der Ebene der Kapitalgesellschaft selbst mit KSt und anschließend auf der Ebene des Anteilseigners mit ESt (sog. klassisches System). Mit dem im Regelfall ab 2002 geltenden Halbeinkünfteverfahren, welches später in ein Teileinkünfteverfahren modifiziert wurde, ist nun eine Rückbesinnung auf das klassische System erfolgt, da keine Anrechnung der KSt auf der Ebene der Anteilseigner mehr erfolgt, sondern die körperschaftsteuerliche Vorbelastung vielmehr definitiv ist. Um gleichwohl zu berücksichtigen, dass die zur Auskehrung gelangenden Gewinne bereits einmal der Besteuerung unterlegen haben, wird diese Vorbelastung innerhalb des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens nur noch typisiert berücksichtigt, indem die Gewinnausschüttungen auf Ebene der Anteilseigner bei natürlichen Personen partiell ( 3 Nr. 40 Buchst. d EStG) von der Besteuerung freigestellt werden, und korrespondierend auch nur eine teilweise Berücksichtigung der mit diesen Erträgen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen zugelassen wird ( 3c Abs. 2 EStG). Soweit es sich bei dem Anteilseigner um eine Kapitalgesellschaft handelt, sind die Beteiligungserträge vollständig freigestellt ( 8b Abs. 1 KStG), um in Anbetracht der sich u.u. über mehrere Stufen erstreckenden Beteiligungsstrukturen eine mehrfache Belastung der Gewinne mit KSt zu vermeiden. Ausgehend von der Überlegung, dass die Gewinnausschüttungen bei der empfangenden Kapitalgesellschaft nach 8b Abs. 1 KStG steuerfrei gestellt werden, vertritt der Gesetzgeber zudem die (verfehlte) Auffassung, dass im Gegenzug auch etwaige damit in Zusammenhang stehende Definitiv-KSt ab 2002 i. H. v. 25 % Bei natürlichen Personen teilweise Freistellung, bei KapGes im Ergebnis zu 95 % freigestellt

10 A Einführung Tarifabsenkungen auf 15 % TEV nur in den Fällen von 3 Nr. 40 Satz 3 EStG TEV berücksichtigt Vorbelastung nur typisiert Aufwendungen nicht abziehbar sein dürften. Aus unterschiedlichen Gründen hat er allerdings diese als nicht abziehbar eingestuften Aufwendungen in einer typisierten Höhe von 5% der steuerfreien Beteiligungserträge angenommen, woraufhin sich die Steuerbefreiung im Ergebnis auf 95% reduziert (siehe hierzu F II 3.1.1). Nachdem mit Einführung des Halbeinkünfteverfahrens der KSt-Satz auf 25% vermindert wurde, ist mit dem UntStRefG 2008 vom Veranlagungszeitraum 2008 an eine weitere Absenkung auf nunmehr 15% bewirkt worden. In Anbetracht dieser geringeren körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der zur Ausschüttung gelangenden Gewinne hat der Gesetzgeber die bisherige hälftige Steuerfreistellung bei natürlichen Personen gemäß 3 Nr. 40 EStG ab 2009 auf eine 40%ige Freistellung reduziert (Teileinkünfteverfahren). Zudem gilt das Teileinkünfteverfahren nur noch dann, wenn die von der ausschüttenden Kapitalgesellschaft einzubehaltende Kapitalertragsteuer keine Abgeltungswirkung entfaltet (zur sog. Abgeltungsteuer sogleich). Dies ist bei Gewinnausschüttungen ab 2009 nur noch der Fall, wenn die Ausschüttungen nach 20 Abs. 8 EStG innerhalb eines Betriebsvermögens zufließen oder einer anderen Überschusseinkunftsart als den Einkünften aus Kapitalvermögen zugerechnet werden; der Anteil des Gesellschafters entweder mehr als 25% umfasst oder mindestens 1% beträgt und der Gesellschafter zudem für die Gesellschaft beruflich tätig ist ( 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG). In diesen Fällen ist ein entsprechender Antrag notwendig. Das nachfolgende Beispiel verdeutlicht, dass das Teileinkünfteverfahren nur typisiert, nicht aber exakt eine Doppelbelastung vermeidet. Lediglich bei einem persönlichen ESt-Satz von 30,61% vermag das Teileinkünfteverfahren eine diesem Steuersatz auch insgesamt entsprechende steuerliche Gesamtbelastung herbeizuführen, während sich bei einem höheren ESt-Satz insgesamt eine geringere und bei einem niedrigeren ESt-Satz insgesamt eine höhere steuerliche Belastung ergibt, als es, gemessen an dem persönlichen ESt-Satz des Anteilseigners, zutreffend wäre. Die Kapitalertragsteuer ( 43 Abs. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) sei hier vernachlässigt, da sie wegen der Anrechnung nach 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG keinerlei materielle Belastung entfaltet. Auf die Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags sowie die Gewerbesteuer wird zur Vereinfachung verzichtet. BEISPIEL 1 Die X-GmbH erzielt ein zu versteuerndes Einkommen von 100 S, welches ungemildert der KSt unterliegt. Im Folgejahr nimmt sie eine Barausschüttung von 85 S vor. Der Grenzsteuersatz des Anteilseigners soll alternativ 30,61%, 0% oder 45% betragen. Etwaige Frei- und Pauschbeträge seien vernachlässigt. Ebene der X-GmbH Gewinn vor KSt 100,00 S KSt 15%./. 15,00 S Ausschüttungsbetrag 85,00 U Ebene des Anteilseigners Zufließende Einnahmen nach 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 85,00 S Steuerbefreiung gemäß 3 Nr. 40 Buchst. d EStG./. 34,00 S Einkünfte aus Kapitalvermögen 51,00 U

III Systeme der Vermeidung einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung 11 Grenzsteuersatz 30,61% fi ESt beläuft sich auf KSt Gesamtbelastung bei einem ESt-Satz von 30,61%: Grenzsteuersatz 0% fi ESt beläuft sich auf KSt Gesamtbelastung bei einem ESt-Satz von 0%: Grenzsteuersatz 45% fi ESt beläuft sich auf KSt Gesamtbelastung bei einem ESt-Satz von 45%: 15,61 S 15,00 S 30,61 U 0 S 15,00 S 15,00 U 22,95 S 15,00 S 37,95 U Bei einem individuellen Grenzsteuersatz des Anteilseigners von 30,61% führt das Teileinkünfteverfahren zu einer diesem Steuersatz entsprechenden Belastung. Anteilseigner mit einem geringeren Grenzsteuersatz werden durch das Teileinkünfteverfahren benachteiligt, während Anteilseigner mit einem höheren Grenzsteuersatz begünstigt werden. Zum Vergleich: Bei Geltung des Anrechnungsverfahrens hätte sich in den hier genannten Fällen schlussendlich ein Gesamtsteuerbelastung von 45%, 30,61% bzw. 0% ergeben, gemessen an dem ESt-Satz des Anteilseigners also stets die zutreffende Belastung. Über derartige Qualitäten verfügt das Teileinkünfteverfahren erkennbar nicht. B. Das Teileinkünfteverfahren vermeidet eine Ungleichbehandlung von ausländischen und inländischen Anteilseignern, da die 15%ige Tarifbelastung unabhängig von der Vornahme von Ausschüttungen sowie der Besteuerung auf der Anteilseignerebene erhalten bleibt. Zudem ist das klassische System international gebräuchlicher als das höchst komplexe Anrechnungsverfahren. Problematisch erscheint allerdings insbesondere die lediglich typisierte Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund des mindestens bis zum Jahr 2017 reichenden Übergangszeitraums Bestandteile des alten Systems nach wie vor bestehen und von den Kapitalgesellschaften zu berücksichtigen sind; die Anteilseigner bleiben hiervon allerdings unbehelligt (vgl. hierzu Kapitel M). Vor- und Nachteile 3 Abgeltungsteuer Grundsätzlich findet ab 2009 für Dividenden, die natürlichen Personen innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen zufließen, nicht das Teileinkünfteverfahren Anwendung, sondern stattdessen kommt hier die sog. Abgeltungsteuer zum Tragen. Die Besteuerung der Ausschüttung im Normaltarif unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach 20 Abs. 8, 32d Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. 3 Nr. 40 Satz 2 EStG ist damit gesetzessystematisch der Ausnahmefall. Wie beim Teileinkünfteverfahren bleibt bei Geltung der Abgeltungsteuer die körperschaftsteuerliche Vorbelastung bestehen, allerdings wird diese Vorbelastung auf Anteilseignerebene nicht durch die Verminderung der Bemessungsgrundlage, sondern vielmehr durch die Anwendung eines gesonderten, deutlich unter dem Spitzensteuersatz angesiedelten Steuersatzes von 25% berücksichtigt ( 32d Abs. 1 EStG). Da dieser reduzierte ESt-Steuersatz dem Kapitalertragsteuersatz ( 43 Abs. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) entspricht, erklärt 43 Abs. 5 EStG die Einkommensteuer des Anteilseigners durch den Einbehalt der Kapitalertragsteuer grundsätzlich als abgegolten, woraus sich die Bezeichnung Abgeltungsteuer erklärt. Ausschüttung im PV außerhalb der 20 Abs. 8, 32d Abs. 2 EStG Sondersteuersatz 25 %