Arbeitsmedizin im Wandel - Die Novellierung der ArbMedVV 2013 Arbeitsmedizinische Vorsorge im Rahmen des BGM Dr. Joachim Stork Audi Gesundheitswesen 1
Unternehmensstrategie Personalpolitik Präventionsziele Handlungsfelder des BGM (Beispiel) Gesundheitsgerechte Arbeit Gesunde MA Arbeitsgestaltung Arbeitsmedizinische Vorsorge Gefährdungsbeurteilung, Gefahrstoffmanagement, Betriebliche Gesundheitsförderung Gute Führung und Zusammenarbeit Integration, BEM, Personaleinsatzkonzepte Internationalisierung und Gesundheit Medizinische Beratung, Sozialberatung Qualitätssicherung Gesundheitsdaten Qualifizierung Abstimmung Mitbestimmung Ethik Rechtsnormen 2
Arbeitsmedizinische Vorsorge im Rahmen des BGM- Traditionelle Praxis Stärken Etablierte Systematik arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen in den meisten Betrieben Hohe Plausibilität, Beteiligung/Erreichungsgrad, Nachfrage Hohe ad hoc - Akzeptanz bei Betriebsärzten, unstrittige = herkömmliche Arztrolle Aber Fokussierung nur auf (bekannte)teilaspekte der Arbeitssituation Gefühlte Zielsetzung: Entscheidung über gesundheitliche Bedenken Häufig Defizite bei Dokumentation wichtigster arbeitsmedizinischer Fakten (Dauerdiagnosen, Beratungsinhalte, Leistungswandlung, Tätigkeit, ) Auswertung / Auswertbarkeit Konsequenzen für die Arbeitsgestaltung Erfassung und Thematisierung individueller Risikofaktoren, Link zur BGF Evidenz der Kriterien für gesundheitliche Bedenken, Beurteilungspraxis Sinnhaftigkeit des eignungsorientierten AVU-Konzepts, Beispiel: Gefahrstoffe Präventiver Zielorientierung 3
Arbeitsmedizinische Vorsorge : Plädoyer für begriffliche Schärfe und eine Neuorientierung 2004 * Die aus der bisher dominierenden Sicht wichtigste Konsequenz einer AVU ist die ärztliche Feststellung von gesundheitlichen Bedenken, das sog. Ergebnis der AVU Mögliche Konsequenzen für die Eignung beeinträchtigen die Akzeptanz von AVU Regelungen zu AVU sollten eine verbindliche Mitteilung zur Einsetzbarkeit von Arbeitnehmern an den Arbeitgeber nur für die Untersuchungen vorsehen, bei denen eine gravierende, belegbare Selbstoder Fremdgefährdung zu prüfen ist Die Frage der Rechtsverbindlichkeit arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen sollte demgegenüber davon abhängig sein, ob eine gesundheitliche Gefährdung oder Beeinträchtigung für die Arbeitenden selbst erkennbar sind (z.b. Hautbelastung oder Schichtarbeit), oder ob eine von Laien nicht beurteilbare Gefährdung vorliegt (z.b.co) Auflistungen von Gründen gesundheitlicher Bedenken bedürfen der Überprüfung Neue Erkenntnisse über arbeitsbedingte Gesundheitsgefährdungen durch Gefahrstoffexpositionen können kaum gewonnen werden, wenn die Nichteinhaltung von Luftgrenzwerten DER wesentliche Anlass von AVU bleibt AVU eignen sich nicht als Palliativmaßnahme (Beispiel: CMR-Stoffe) Im Interesse der Prävention ist die expositionsbezogene Auswertung arbeitsmedizinischer Untersuchungsergebnisse unverzichtbar * aus: Stork, J., Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bei Gefahrstoffexposition Kritische Reflexion Bericht über das BG-Kolloquium im Rahmen der Arbeitsmedizinischen Jahrestagung 2004 in Innsbruck 4
Neufassung der ArbMedVV 2013 Deutlichere Abgrenzung zu Eignungsuntersuchungen, die auch vor Inkrafttreten der ArbMedVV nicht verbindlich geregelt waren Entfall der Pflicht-Mitteilung an den Arbeitgeber über evtl. gesundheitliche Bedenken Vorsorge ist individuelle gesundheitliche Beratung mit oder ohne Untersuchung Klarstellung, dass körperliche Untersuchungen nicht duldungspflichtig sind Bewertung Integration unverzichtbarer Grundsätze ärztlichen Handelns: Stärkung der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten Stärkung der präventiven Ausrichtung der arbeitsmedizinischen Vorsorge Stärkung der arbeitsmedizinischen Wunschvorsorge 5
Ausblick I Vergleichbarer Rechtsrahmen für Eignungsuntersuchungen muss zeitnah geschaffen werden Auslösekriterien für verbindliche AVU müssen gleiche Grundlage / Systematik der Ableitung haben, wie andere Präventionsmaßnahmen bei Gefahr: die Praxis braucht konsistente Regeln: Rangfolge der Schutzmaßnahmen (ArbSchG) Definition von Rahmenbedingungen für eine hohe Beteiligung an Angebots- und Wunschuntersuchungen Die Ableitung/Fundierung der Gefährdungsbeurteilung aus den Ergebnissen (schwellenloser) AVU / Untersuchungen im Rahmen betrieblicher Vorsorgeprogramme gewinnt an Bedeutung 6
Anzahl MA mit Erkrankungen des Hand-Arm-Systems - Vergleich Montagebänder A13 / A14 (1/2008 4/2009) 20 A4 17 17 15 10 A6 9 % Fälle/MA dir. 5 5 6 5,8 3,9 4,5 0 0,6 2 2 0,2 11* 12* 1,2 131 (A13) 1 0,3 132 2 0,7 133 1,8 134 131 (A14) 141 142 1 143 2 0,2 0,5 6* 7
Ausblick II Die Potenziale Arbeitsmedizinischer Vorsorge für alle d.h. einer generellen Angebotsvorsorge für alle Beschäftigten sollten erkannt und in der nächsten ArbMedVV Novelle als Option berücksichtigt werden: Voraussetzung der Gewinnung neuer Erkenntnisse zu den Wechselbeziehungen zwischen Arbeit und Gesundheit Beitrag zur Gefährdungsbeurteilung bei offenen Fragestellungen Beitrag zur Betrieblichen Gesundheitsförderung und ihrer Allokation Voraussetzung valider Daten zur Gesundheit von Belegschaften Damit: Grundvoraussetzung eines seriösen BGM 8
Backup
Beinhaltet jede AVU Vorsorge- und Eignungsaspekte? Beispiel: Gefahrstoffexposition (CO, Cr, Ni) Individuelle Beratung zur Arbeitsweise, Einstellung/Nutzung von Absauganlagen und PSA Biomonitoring als Beitrag zur Beurteilung der internen Belastung und Gefährdungsbeurteilung, Verlaufsmonitoring Gruppenbezogene Auswertung medizinischer Befunde, einschließlich Biomonitoring Hohe externe / interne Belastung ist kein Anlass individueller gesundheitlicher Bedenken, sondern für Maßnahmen der Verhältnisprävention Es geht um Schutz vor Gefährdung der Untersuchten, nicht um Drittschutz AVU bei kanzerogenen Gefahrstoffen nicht geeignet zur Früherkennung von Berufskrebs Gefahr irreführender Kommunikation von AVU als Krebsvorsorgeuntersuchungen Kontroverse um Pflichtuntersuchungen bei CMR-Stoffen: Verhältnismäßigkeit möglicher gesundheitlicher Bedenken bei überwiegend fehlenden Grenzwerten 10
Beispiele für Zielsetzungen und mögliche Messgrößen des BGM * Optimaler Arbeitsschutz Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit Gefährdungsbeurteilungen, Häufigkeit von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten, arbeitsbedingter Erkrankungen Häufigkeit vorzeitiger Berentung wegen Erwerbsunfähigkeit Anteil MA mit chronischen Erkrankungen / gesundheitsbedingter Einsatzbeschränkung Anteil gesundheitsgerecht eingesetzter MA Verbesserung der Anwesenheit Arbeitsunfähigkeitsquoten, diagnosespezifische Arbeitsunfähigkeitszeiten Mitarbeiterbindung, Arbeitszufriedenheit Belegschaftsbefragungen, Fluktuation, BMAS (Hrsg.), Arbeitsmedizinische Empfehlungen zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, Publikation in Vorbereitung 11