Asyl- und Aufenthaltsrecht 5. Vorlesung: Übersicht Schutzgründe RLC Leipzig, 15.5.2017 Dr. Carsten Hörich
Der Ablauf des Asylverfahrens Meldung als Asylsuchender Erstverteilung Antragstellung Zuständigkeitsprüfung nach Dublin VO Anhörung Entscheidung Legalität des Aufenthaltes Illegalität des Aufenthaltes Asyl / Flüchtling Subsidiärer Schutz Nat. Abschiebungsverbot. Abschiebung Ggf. Duldung
16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 3
Entscheidungsquoten 2014 35,2% 31,5% Sach. Entscheidungen (+) Sach. Entscheidungen (-) 36,5 % (-) 29,8 % (+) 33,4% 33,7 % (-) Formelle Entscheidungen
Entscheidungsquoten 2015 17,8% Sach. Entscheidungen (+) 36,5 % (-) 32,4% 49,8% 33,7 % (-) Sach. Entscheidungen (-) Formelle Entscheidungen 29,8 % (+)
Entscheidungsquoten 2016 36,5 % (-) 25,0 % 12,6 % 33,7 62,4 % (-) Sach. Entscheidungen (+) Sach. Entscheidungen (-) Formelle Entscheidungen 29,8 % (+)
Entscheidungsquoten Jan. April 2017 16,5 % Sach. Entscheidungen (+) 46,3 % Sach. Entscheidungen (-) 36,5 % (-) 37,2 % 33,7 % (-) Formelle Entscheidungen 29,8 % (+)
1. Asyl gem. Art. 16a GG 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 8
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: Politisch verfolgte genießen Asylrecht. Von den positiven Entscheidungen 2015: 0,7 %; 2016: 0,3 %; Jan April 2017: 0,4 %
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG ist wer durch Verfolgung durch einen Staat in Leib und Leben oder anderen Rechtsgütern bedroht ist.
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: Verfolgung = jede gezielte Rechtsgutbeeinträchtigung, die von einer gewissen Intensität ist Als Rechtsgüter kommen auch alle anderen, bspw. Religionsfreiheit, Eigentumsfreiheit etc. in Betracht. P: Wie weit muss hier im Einzelfall die Beeinträchtigung reichen?
Die Religionsausübung Der A lebt in einem Land, indem die öffentliche Ausübung seiner Religion (bspw. öffentliche zugängliche Gottesdienste bzw. sonstige Glaubensbekundungen in der Öffentlichkeit) generell verboten ist. Allerdings wird der private Religionsgebrauch, d.h. der in keine Form öffentlich wahrnehmbare Gebrauch, weder verfolgt, noch bestraft. Der A flieht nach Deutschland und beantragt hier nunmehr Asyl und beruft sich al Fluchtgrund auf seine Religionsfreiheit. Dies wird allerdings abgelehnt, da der A seine Religion im Privaten ausüben kann. Dies reiche als Gewährung der Religionsfreiheit aus. Ein Fluchtgrund liege daher nicht vor. Stimmen Sie dem zu?
Die Religionsausübung Der A lebt in einem Land, indem die öffentliche Ausübung seiner Religion (bspw. öffentliche zugängliche Gottesdienste bzw. sonstige Glaubensbekundungen in der Öffentlichkeit) generell verboten ist. Allerdings wird der private Religionsgebrauch, d.h. der in keine Form öffentlich wahrnehmbare Gebrauch, weder verfolgt, noch bestraft. Der A flieht nach Deutschland und beantragt hier nunmehr Asyl und beruft sich al Fluchtgrund auf seine Religionsfreiheit. Dies wird allerdings abgelehnt, da der A seine Religion im Privaten ausüben kann. Dies reiche als Gewährung der Religionsfreiheit aus. Ein Fluchtgrund liege daher nicht vor. Stimmen Sie dem zu? Nein, dies überzeugt nicht. Zur Ausübung der Religionsfreiheit gehört insbesondere auch die Teilnahme am gemeinsamen, öffentlichen Gebet gemeinsam mit anderen Gläubigen nach dem überlieferten Brauchtum. In diesem Fall liegt daher eine Verfolgung mit hinreichender Intensität vor. Vgl. näher Maaßen, in: BeckOK GG, Art. 16a, Rn. 17.1.
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: Keine Verfolgung = bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen. So BVerfGE 54, 341 (357).
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: Wann liegt eine politische Verfolgung vor? Politische Verfolgung ist typischerweise der Missbrauch hoheitlicher Herrschaftsmacht durch Ausgrenzung einzelner Personen oder bestimmter Gruppen aus der übergreifenden Friedensordnung wegen bestimmter unverfügbarer persönlicher Merkmale. (So BVerfGE 81, 142)
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: Wann liegt eine politische Verfolgung vor? Politische Verfolgung ist typischerweise der Missbrauch hoheitlicher Herrschaftsmacht durch Ausgrenzung einzelner Personen oder bestimmter Gruppen aus der übergreifenden Friedensordnung wegen bestimmter unverfügbarer persönlicher Merkmale. Aber auch: Die Verweigerung eines solchen Schutzes, d.h. wenn der Staat auf Dauer nicht in der Lage ist oder es auf Dauer ablehnt, staatlichen Schutz vor Übergriffen zu bieten!
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: Wann liegt eine politische Verfolgung vor? Ausnahme: Es liegt eine sog. quasipolitische Verfolgung vor. Quasi-staatlich ist eine Herrschaftsgewalt nur, wenn sie auf einer staatsähnlich organisierten, effektiven und stabilisierten Herrschaftsgewalt beruht. (Vgl. BeckOK GG, Art. 16a, Rn. 29).
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: Beachte: Der Antragsteller muss selbst, d.h. individuell politisch verfolgt sein, d.h. familiäre Verbundenheit zum Verfolgten bzw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe reicht allein nicht aus! Aber: Bei sog. Gruppenverfolgung, d.h. bei einem staatlichen Verfolgungsprogramm kann dies doch reichen (Vgl. BVerwG, NVwZ 1996, 1110)
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: - Beachte: Es darf keine sog. inländische Fluchtalternative vorliegen!
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: - Beachte: Es darf keine sog. inländische Fluchtalternative vorliegen! Auf Grund der Subsidiarität des Asylrechts ist nur asylberechtigt, wer durch die Verfolgungsmaßnahmen landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Dies ist der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine tatsächlich erreichbare und zumutbare Zuflucht nicht finden kann.
Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG: wer durch Verfolgung durch einen Staat in Leib und Leben bedroht ist -> Einschränkung durch Art. 16a Abs. 2 GG sog. Sichere Drittstaaten!
2. Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, 3 ff. AsylG 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 23
Internationaler Schutz Definition der Flüchtlingseigenschaft folg auf völkerrechtlicher Ebene aus der sog. Genfer Flüchtlingskonvention und auf europäischer Rechtsebene aus der sog. Qualifikationsrichtlinie Zum dortigen Begriff des Internationalen Schutzes gehört auch der sog. subsidiäre Schutz 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 24
Legaldefinition: 3 Abs. 1 AsylG (1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich 1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen 1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
Legaldefinition: 3 Abs. 1 AsylG (1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich 1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2.außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Voraussetzungen der Schutzanerkennung Positive Voraussetzungen (muss vorliegen): Vorliegen von Verfolgungshandlungen gem. 3a AsylG Vorliegen von Verfolgungsgründen gem. 3b AsylG Vorliegen von Verfolgungsakteuren
Voraussetzungen der Schutzanerkennung Positive Voraussetzungen (muss vorliegen): Vorliegen von Verfolgungshandlungen gem. 3a AsylG Vorliegen von Verfolgungsgründen gem. 3b AsylG Vorliegen von Verfolgungsakteuren Negative Voraussetzungen (darf nicht vorliegen): Kein Akteur vorhanden, der Schutz bieten kann, 3d AsylG Keine Möglichkeit des Internen Schutzes, 3e AsylG Kein Ausschluss der Flüchtlingseigenschaft, 3 Abs. 2 AsylG
X, Y und Z beantragen den Flüchtlingsschutz isd GfK mit der Begründung, dass in ihren Herkunftsländern Homosexualität unter Strafe steht, d.h. dass Straftatbestände existieren, welche für die Ausübung homosexueller Handlungen Haftstrafen androhen. Dies wird allerdings abgelehnt, da die Schwere der Verfolgung bzw. Rechtsbeeinträchtigung nicht ausreicht, da die in Rede stehenden Strafvorschriften zwar existieren, allerdings in der Praxis nicht angewandt werden (was stimmt). Ist dies vertretbar?
X, Y und Z beantragen den Flüchtlingsschutz isd GfK mit der Begründung, dass in ihren Herkunftsländern Homosexualität unter Strafe steht, d.h. dass Straftatbestände existieren, welche für die Ausübung homosexueller Handlungen Haftstrafen androhen. Dies wird allerdings abgelehnt, da die Schwere der Verfolgung bzw. Rechtsbeeinträchtigung nicht ausreicht, da die in Rede stehenden Strafvorschriften zwar existieren, allerdings in der Praxis nicht angewandt werden (was stimmt). Ist dies vertretbar? Vgl. EuGH, Urt. v. 7.11.2013, Rs. C-199/12 ( X, Y und Z ) = NVwZ 2014, 132
Der A kommt aus einem Land, in welchem eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, aufgrund deren religiösen Überzeugung verfolgt wird. Zwar ist der A nicht dieser religiösen Überzeugung, allerdings wurde dies in seinem Herkunftsstaat irrtümlich angenommen. Der A wurde daher in seinem Heimatstaat verfolgt. Ist der A als Flüchtling anzuerkennen?
3. Subsidiärer Schutz, 4 AsylG 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 32
Subsidiär Schutzbedürftiger Ist ein Mensch, dem ein ernsthafter Schaden droht (außerhalb der Flüchtlingseigenschaft) Todesstrafe Folter oder unmenschliche/erniedrigende Behandlung ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens, körperlichen Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt (bewaffneter Konflikt)
Subsidiär Schutzbedürftiger ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt (bewaffneter Konflikt) Beachte: Nur Zivilpersonen, d.h. keine Angehörigen von Streitkräften; Milizen, Freiwilligenkorps, organisierte Widerstandsbewegungen etc.
Subsidiär Schutzbedürftiger ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt (bewaffneter Konflikt) Beachte: Ernsthafte Bedrohung durch Willkürliche Gewalt Wie wird dies festgestellt? Risikoquotient vs. Betrachtung aller Gesamtumstände
Weitere Voraussetzung gem. 4 Abs. 3 AsylG Vorliegen von Verfolgungsakteuren isd 3c AsylG keine anderweitige Schutzmöglichkeit i.s.d. 3d AsylG keine Möglichkeit des Internen Schutzes i.s.d. 3e AsylG Keine Straftaten isd 4 Abs. 2 AsylG 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 36
Beachte: Einschränkung beim Vorbringen der Prüfung dieser Schutzgründe (Asyl gem. Art. 16a GG; Flüchtling isd GfK, Subs. Schutz), wenn der Antragsteller aus einem sog. sicheren Herkunftsstaat stammt Vgl. Art. 16a Abs. 3 GG i.v.m. 29a AsylG
Sichere Herkunftsstaaten sind (Stand 15.5.2017): Albanien Bosnien-Herzegowina Ghana Kosovo Mazedonien Montenegro Senegal Serbien 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 38
4. Nationales Abschiebungsverbot, 60 Abs. 5, 7 AufenthG 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 39
Nationales Abschiebungsverbot, 60 Abs. 5 AufenthG = ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn die Abschiebung einen EMRK-Verstoß darstellen würde
Nationales Abschiebungsverbot, 60 Abs. 5 AufenthG = ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn die Abschiebung einen EMRK-Verstoß darstellen würde Bspw. bei fehlender Existenzsicherung im Heimatstaat Vgl. EGMR, NVwZ 2012, 681 ff.
Nationales Abschiebungsverbot, 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 42
Nationales Abschiebungsverbot, 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 43
Nationales Abschiebungsverbot, 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 44
Nationales Abschiebungsverbot, 60 Abs. 7 S. 4 AufenthG Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 45
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! 16.05.2017 Dr. Carsten Hörich 46