Der Werkstoff Elastomer aus produkthaftungsrechtlicher Sicht - Überblick über die Produkthaftung am Beispiel aktueller Produkthaftungsfälle und Rückrufaktionen - Merseburger Elastomertage Vortrag am Mittwoch, 27.09.2017 Referentin: Rechtsanwältin Esther Krapf, Erfurt
Produkthaftungsrechtliche Risiken: Zivilrechtliche Schadenersatzansprüche Vertragliche Haftung Haftung nach 823 BGB (Produzentenhaftung) Verschuldensunabhängige Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz Strafrechtliche Produktverantwortung Hoheitliche Maßnahmen (Rückrufanordnungen, öffentliche Warnungen) 2
Vertrags- und Haftungsstrukturen Grundstoff- Hersteller / Unterlieferant Verarbeiter / Lieferant Hersteller / Inverkehrbriger GF GF Verkäufer RL RL MA MA Endkunde 3
Sachmangelgewährleistung im Kaufrecht Sachmangel, 434 BGB, wenn zur Zeit des Gefahrenübergangs nicht vereinbarte Beschaffenheit; hilfsweise nicht für nach Vertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet, hilfsweise nicht für gewöhnliche Verwendung geeignet oder erfüllt nicht die erwartete, übliche Beschaffenheit unsachgemäße Montage oder mangelhafte Montageanleitung Öffentliche Äußerungen des Verkäufers des Herstellers oder seines Gehilfen Fehlmengen oder Falschlieferung 4
Sachmangelgewährleistung im Kaufrecht Rechtsbehelfs-System, 437 BGB, 1. Stufe: Nacherfüllung 439 BGB 2. Stufe: Minderung 441 BGB Schadenersatz 280 BGB Rücktritt 323 BGB 5
Sachmangelgewährleistung im Kaufrecht Nacherfüllung 439 BGB Zur Wahl des Käufers: Nachbesserung Ersatzlieferung erforderliche Aufwendungen zu Lasten des Verkäufers Verweigerungsrecht des Verkäufers unmöglich unzumutbar unverhältnismäßige Kosten 6
Produzentenhaftung nach 823 BGB Verschuldensabhängige Haftung des Herstellers bei Verletzung von herstellerspezifischen Verkehrssicherungspflichten: Konstruktionspflicht Fabrikationspflicht Instruktionspflicht Produktbeobachtungspflicht 7
Produzentenhaftung: Fehlerarten Fabrikationsfehler Instruktionsfehler Einzelne Exemplare sind aufgrund eines planwidrigen Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers oder einer Fehlfunktion einer Maschine beim Herstellungsverfahren mangelhaft Der Hersteller unterlässt es, den Verbraucher mit dem Umgang des Produktes vertraut zu machen und ihn auf den Gefahrenbereich aufmerksam zu machen, der bei ihm verbleibt. Konstruktionsfehler Der Hersteller trifft nicht alle technisch möglichen Sicherheitsvorkehrungen, die gewährleisten, dass derjenige Sicherheitsgrad erreicht wird, den die im entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält, um Drittschäden zu vermeiden. Produktbeobachtungsfehler Der Hersteller unterlässt es, die Produkte auf bei der Herstellung noch nicht bekannte schädliche Eigenschaften hin zu überwachen und bei Gefahren Abhilfe zu schaffen. 8
Produzentenhaftung: nicht bei missbräuchlicher Verwendung des Produkts Bestimmungsgemäßer Gebrauch Naher Fehlgebrauch Mißbrauch Produkthaftung Keine Haftung des Produzenten Im Regelfall keine Warn- und Hinweispflichten 9
Beweislastverteilung nach 823 BGB Verletzung eines geschützten Rechtsgutes Vom Geschädigten zu beweisen Herstellung eines fehlerhaften Produktes Verletzung herstellerspezifischer Verkehrssicherungspflichten durch Fabrikationsfehler Konstruktionsfehler Instruktionsfehler Produktbeobachtungsfehler Vom Geschädigten zu beweisen Wird vermutet, vom Hersteller zu widerlegen Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Verletzung Vom Geschädigten zu beweisen Rechtswidrigkeit Wird vermutet, vom Hersteller zu widerlegen (regelmäßig indiziert) Verschulden des Produzenten Wird vermutet, vom Hersteller zu widerlegen 10
Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz Verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers ( Gefährdungshaftung ) Herstellerbegriff Fehlerbegriff Ausschlußtatbestände Beweislast 11
Aufbau der Haftung nach 1 ProdHaftG Rechts- oder Rechtsgutverletzung Vom Geschädigten zu beweisen Durch ein Produkt im Sinne des Produkthaftungsgesetzes Vom Geschädigten zu beweisen Vorliegen eines Produktfehlers nach 3 ProdHG Vom Geschädigten zu beweisen Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Verletzung Vom Geschädigten zu beweisen Rechtswidrigkeit Wird vermutet, vom Hersteller zu widerlegen (regelmäßig indiziert) Kein Haftungsausschluss Von Hersteller zu beweisen 12
Verjährungsrecht Regelmäßige Verjährungsfrist = 3 Jahre ( 195 BGB) Im Kaufrecht (Werkvertrag) 2 Jahre (5 Jahre) Gewährleistungspflicht Ausnahme: 10 jährige Frist ( 196 BGB) Ausnahme: 30 jährige Frist ( 197 BGB) 13
Produkthaftung gemäß Produktsicherheitsgesetz Anforderungen an die Produktsicherheit Auswirkungen auf Produkthaftungsfälle Rechtsfolgen bei Verstößen: - Untersagung des Inverkehrbringens - Anordnung über die Anbringung von Warnhinweisen - Warnerklärungen durch die zuständigen Behörde - Anordnung der Überprüfung des Produktes von einer zugelassenen Stelle 14
Produkthaftung gemäß Produktsicherheitsgesetz Grundsätzliche Anforderungen: Ein Produkt darf nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn es bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet. Bei der Beurteilung, ob ein Produkt diesen Anforderungen entspricht, sind insbesondere zu berücksichtigen: o Eigenschaften des Produkts (Beschaffenheit inkl. Zusammensetzung, Verpackung, Anleitungen für Zusammenbau, Installation, Wartung, Gebrauchsdauer) o Einwirkungen des Produktes auf andere Produkte, soweit zu erwarten ist, dass es zusammen mit anderen Produkten verwendet bzw. kombiniert wird o Aufmachung des Produkts, Kennzeichnung, Warnhinweise, Gebrauchs- und Bedienungsanleitung, Angaben zur Haltbarkeit und Beseitigung des Produktes o Gruppen von Verwendern, die bei der Verwendung des Produkts stärker gefährdet sind als andere (z. B. Kinder oder ältere Personen) 15
Strafrechtliche Produktverantwortung Unternehmen Mitarbeiter Unternehmensleitung StGB kennt keine Strafbarkeit von juristischen Personen und Personenvereinigungen Durch fehlerhaftes Handeln hat er eine Ursache für den Schaden gesetzt. Mitverantwortung, wenn er eine erhaltene, für ihn erkennbare rechtswidrige Weisung ausführt oder er hat Kraft eigenen Entschlusses weisungswidrig fehlerhaft gehandelt Rechtsprechung stellt besondere Pflichten der Geschäftsleitung auf Betriebsbezogene Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung: Organisations-, Aufsichts-, Kontroll- und Auswahlpflichten 16
Strafrechtliche Produktverantwortung: nicht delegierbare Verpflichtungen Auswahl (Kenntnisse, Ausbildung, Fähigkeiten, Erfahrung) Überwachung (eigene, gegebenenfalls externe oder zusätzliche innere Kontrolle) Mitwirkung (Aufklärung, Vorschläge, Hinwirken, Ausübung von Entscheidungsbefugnissen) 17
Risikominimierung durch organisatorische Maßnahmen, insbesondere durch Qualitätsmanagementsysteme und Qualitätssicherungsvereinbarungen vertikale und horizontale Aufgabenübertragung Nutzen von Managementsystemen vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten 18
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