Gesamtschlussbericht zum Verbundprojekt

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Gesamtschlussbericht zum Verbundprojekt Verbesserung der Versorgung schlecht eingestellter Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (DEBATE) Förderkennzeichen: 01GX1041A 01GX1041B 01GX1041C Zuwendungsempfänger: Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin Universität Witten/Herdecke, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin Für die Verbundpartner (A. Altiner, E. Drewelow, S. Löscher, M. Pentzek, S. Santos, I. Schluckebier, S. Wilm, A. Wollny): Rostock, 29.02.2016 Dr. phil. Anja Wollny, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für Allgemeinmedizin Universitätsmedizin Rostock Doberaner Straße 142 18057 Rostock Tel: +49 (0)381/494-2484 Fax: +49 (0)381/494-2482 http://allgemeinmedizin.med.uni-rostock.de

I. Kurze Darstellung 1. Aufgabenstellung Das Projekt DEBATE zielte darauf ab, die Wirksamkeit einer Intervention zur Verbesserung der hausärztlichen Versorgung schlecht eingestellter Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 in Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen zu überprüfen. Dabei testete die Studie eine auf Hausärzte abzielende edukative Intervention, die mit der Förderung der partizipativen Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) eine relevante Verbesserung der Versorgung dieser Patientengruppe bewirken sollte. 2. Voraussetzungen, unter denen das Vorhaben durchgeführt wurde Die DEBATE-Studie wurde als multizentrische, cluster-randomisierte, kontrollierte Studie konzipiert und von folgenden Forschungseinrichtungen durchgeführt: - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock (A) - Institut für Allgemeinmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (B) - Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Universität Witten/Herdecke (C). Alle drei Partner waren für die Rekrutierung der Hausärzte und Patienten sowie die Datenerhebung vor Ort zuständig, wobei das Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock zusätzlich die Koordination der Verbundpartner sowie die Aufgabe der Dateneingabe übernahm. Das Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Universität Witten/Herdecke übernahm zudem die Aufgabe des Monitorings. Beim vorliegenden Bericht handelt es sich um einen gemeinsamen Endbericht aller Verbundpartner. 3. Planung und Ablauf des Vorhabens Die DEBATE-Studie wurde von der Ethikkommission der Universität Rostock geprüft und erhielt am 25.05.2011 ein positives Votum (Registriernummer: A 2011 59). Die Ethikkommissionen in Düsseldorf und Witten schlossen sich diesem Votum an. Die Studie wurde im März 2011 im Trial Register ISRCTN aufgenommen (ISRCTN70713571). Im Rahmen der multizentrischen cluster-randomisierten, kontrollierten Interventionsstudie DEBATE wurde untersucht, ob die auf Hausärzte abzielende edukative Intervention in der Lage ist: - zum einen den HbA1c-Wert der eingeschlossenen Patienten der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe zu senken und - zum anderen den patientenseitigen Anteil an der Entscheidungsfindung in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe zu erhöhen. Das primäre Outcome war die Senkung des HbA1c-Wertes um mind. 0,5% gegenüber der Kontrollgruppe. Die sekundären Outcomes konzentrierten sich u.a. auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität, das kardiovaskuläre Risikoprofil der Patienten und die Patientenzentriertheit. Angestrebt wurde die Rekrutierung von 60 Hausärzten und 780 Patienten (13 pro Praxis) mit Diabetes mellitus Typ 2 in drei Studienzentren (Rostock, Düsseldorf und Witten), wobei die teilnehmenden Hausarztpraxen mit ihren eingeschlossenen Patienten jeweils ein Cluster bildeten. Eingeschlossen wurden Hausärzte, die als Facharzt für Allgemeinmedizin, Internist oder praktischer Arzt mindestens seit drei Jahren niedergelassen waren und am DMP Diabetes mellitus Typ 2 teilnahmen. Diese rekrutierten wiederum Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, deren HbA1c-Wert zum Zeitpunkt der 2

Rekrutierung über 8,5% liegen sollte. Weitere Voraussetzungen für die telefonische Befragung der Patienten waren, dass diese ausreichende Deutschkenntnisse und die Fähigkeit zur Einwilligung in die Studienteilnahme nach Aufklärung besaßen. Da in den interessierten Praxen nur wenige Patienten mit einem HbA1c-Wert von 8,5% rekrutiert werden konnten, die auch den übrigen Einschlusskriterien entsprachen, wurde das Einschlusskriterium des HbA1c-Wertes von > 8.5% auf > 8,0% herabgesetzt. Jedoch konnten auch mit dem HbA1c-Wert von > 8,0% nicht immer 13 Patienten in den einzelnen Praxen rekrutiert werden, so dass am Ende Hausärzte eingeschlossen wurden, die zwischen 4 und 13 Patienten einbrachten. Darüber hinaus wurde auf die Notwendigkeit der Teilnahme der Hausärzte am DMP-Diabetes verzichtet, da dies keinen unmittelbaren Einfluss auf die Studie hatte und eine größere Anzahl von interessierten Hausärzten nicht (mehr) am DMP-Diabetes teilnahmen. Vor diesem Hintergrund wurden 108 Hausärzte mit 846 Patienten in die Studie eingeschlossen. Die Randomisierung erfolgte nach der Baselineerhebung (T0) auf Praxisebene und wurde vom Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vorgenommen. Teilnehmende Hausärzte und Patienten wurden nicht verblindet. Jedoch wurden sie weder über die Studienhypothesen noch über Endpunkte informiert. Das Ziel der edukativen Intervention bestand darin, dass Arzt und Patient im gemeinsamen Gespräch patientenseitige Ressourcen zur Verbesserung der Diabetes-Einstellung identifizieren und Möglichkeiten der Beeinflussungen festmachen sollten. Für die Veränderung des ärztlichen Kommunikationsstils und zur Unterstützung der partizipativen Entscheidungsfindung (Shared decisionmaking) wurden zwei Implementierungsstrategien genutzt. Zum einen besuchte auf Hausarzt-Ebene ein sogenannter Peer (ein praktisch tätiger, hausärztlicher Kollege) die Praxis und führte mit dem Arzt ein motivationsförderndes Gespräch. Zum anderen wurde in diesem Gespräch der Arzt für die Patienten-Ebene in das softwarebasierte Kommunikationstool arriba-debate eingeführt und konnte dieses zusammen mit dem Peer anhand von konkreten Patientenfällen erproben. Daran anschließend wurden die Hausärzte zu vertiefenden Fortbildungen zu beiden Themen eingeladen. Die Hausärzte der Kontrollgruppe bekamen keine Intervention; ihre Patienten erhielten die übliche hausärztliche Behandlung ( care as usual ). Die Patienten aus Interventions- und Kontrollgruppe wurden insgesamt zu 5 Zeitpunkten im Abstand von 6-8 Monaten telefonisch befragt (u.a. zu ihrer Lebensqualität mit dem Diabetes oder ihrem Einbezug in Entscheidungen in der Hausarztpraxis). Darüber hinaus wurden in den Praxen zeitgleich der HbA1c-Wert sowie zusätzliche Laborparameter (u.a. zur Berechnung des kardiovaskulären Gesamtrisikos) erfasst. 4. Wissenschaftlicher Stand, an den angeknüpft wurde Trotz Einführung des Disease Management Programms (DMP) Diabetes mellitus Typ 2 und den damit verbundenen Schulungsmaßnahmen zeigte ein Teil der Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (ca. 15-20%) weiterhin eine am HbA1c Wert gemessene schlechte Blutzuckereinstellung. Um genau diese Gruppe der schlecht eingestellten Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 zu erreichen, nutze die vorliegende Untersuchung zwei bereits erprobte Strategien, die als Interventionen auf Arzt- /Praxisebene zur Verstärkung der Patientenorientierung eingesetzt wurden: - Zum einen das motivationsfördernde Gespräch mit einem Peer (einem praktisch tätigen hausärztlichen Kollegen) [1,2] und 3

- zum anderen das Zurverfügungstellen des softwarebasierten Kommunikationstools arribadebate. Dabei nutzte die Studie im Besonderen Erkenntnisse, die durch die folgenden Forschungsprojekte gewonnen wurden: - zum einen die durch die Bundesärztekammer geförderte qualitativ-quantitative Querschnittsstudie (Projekt-Nr. 06-115, Düsseldorf, Witten-Herdecke) Was charakterisiert eine Population schlecht eingestellter Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2? [3] sowie - zum anderen das im Rahmen der BMBF Projekte Nachwuchsförderung (01GK0511) und Chronisch Kranke (01GK0401, 01GK0701) entwickelte und inzwischen mehrfach ausgezeichnete hausärztliche Beratungskonzept arriba [4,5], welches zum Studienbeginn um zwei Diabetes-Module (orale Antidiabetika und Insulintherapie) erweitert wurde. In diesen Studien konnte herausgearbeitet werden, dass Kategorien wie der Einfluss und die Integration des Diabetes in das Leben, die Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit und eigenen Kontrolle sowie die Wahrnehmung der Schwere des Diabetes eine besondere Bedeutung bei den Betroffenen haben und sich signifikant bei gut und schlecht eingestellten Menschen mit Diabetes mellitus unterscheiden. Diese Kategorien bilden ab, wie Patienten ihre Erkrankungen kognitiv und emotional verarbeiten, wie sie und ihre Familien die krankheitsbedingten Einschränkungen in ihrem Alltag erleben, und welche individuellen Strategien der Bewältigung oder auch zur Verdrängung sie entwickeln. Zwar scheint die Kontinuität der Arzt-Patienten-Beziehung in der hausärztlichen Versorgung prinzipiell besonders geeignet, um die schlecht eingestellten Patienten zu erreichen, jedoch führt die hier eingeschliffene Routine nicht selten dazu, dass relevante, aber möglicherweise als konfliktbeladen empfundene Inhalte nicht oder nur wenig miteinander kommuniziert bzw. oft umgangen werden. Vor diesem Hintergrund galt es, die patientenzentrierte Kommunikation zwischen Hausarzt und schlecht eingestelltem Diabetes-Patient zu fördern und mögliche Wege aufzuzeigen, die die eingeschliffene Routine durchbrechen können. Hier hat es sich bewährt, ein Decision-Aid, welches sich vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) an den Bedürfnissen der Patienten orientiert, in die Konsultation zu integrieren. In Bezug auf den Diabetes wurden zum bereits erprobten Herz-Kreislauf-Rechner arriba zwei zusätzliche Diabetes-Module zur oralen Antidiabetika- und Insulintherapie entwickelt und den Ärzten der Interventionsgruppe zur Verfügung gestellt. 5. Zusammenarbeit mit anderen Stellen Das arriba-diabetes-tool wurde von Thomas Scheithauer (Benrodestraße 78, 40597 Düsseldorf) entwickelt und angepasst. Die statistische Auswertung der DEBATE-Studie wurde vom Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf durchgeführt. II. Eingehende Darstellung 1. Verwendung der Zuwendung und des erzielten Ergebnisses im Einzelnen 1.1 Arbeiten im Verbund Alle drei Partner im Verbund übernahmen parallel die Aufgaben der Arzt- und Patientenrekrutierung sowie der Datenerhebung von Ort. Darüber hinaus übernahm das Institut für Allgemeinmedizin der 4

Universitätsmedizin Rostock zusätzlich die Koordination der Verbundpartner sowie die Dateneingabe in eine elektronische Datenbank und das Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Universität Witten/Herdecke eine zweistufige Quelldatenkontrolle für alle drei Studienzentren. Zwischen den Partnern fanden regelmäßige Abstimmungen über das Vorgehen und den aktuellen Stand der Rekrutierung, über die Inhalte und die Durchführung der Intervention, die zu verwendenden Fragebögen für die einzelnen Erhebungsphasen sowie die elektronische Datenbank statt. Dazu gab es im Durchschnitt vierteljährliche Telefonkonferenzen mit allen Mitarbeitern (insgesamt 18) und ein Treffen der Verbundpartner pro Jahr (insgesamt 4). Die Projektlaufzeit wurde auf Antrag in allen drei Zentren kostenneutral um ein Jahr und vier Monate bis August 2015 verlängert. 1.2 Rekrutierung, Randomisierung und Datenerhebung 1.2.1 Rekrutierung Da sich bzgl. der Rekrutierung der Hausärzte herauskristallisierte, dass die Anzahl der Patienten in den einwilligenden Praxen zu gering ausfiel, wurde zum einen das Einschlusskriterium des HbA1c-Wertes von > 8.5 auf > 8,0 heruntergesetzt. Jedoch konnten auch mit dem HbA1c-Wert von > 8,0 nicht immer 13 Patienten in den Praxen rekrutiert werden, so dass es den Ärzten möglich war, in die Studie zwischen 4 und 13 Patienten einzuschließen. Damit kamen die Praxen auf eine durchschnittliche Patientenzahl von 7,9. Zum anderen wurde auf die Notwendigkeit der Teilnahme der Hausärzte am DMP-Diabetes verzichtet, da dies keinen unmittelbaren Einfluss auf die Studie hatte und eine größere Anzahl von interessierten Hausärzten nicht (mehr) am DMP-Diabetes teilnahm. Die weiteren Ein- und Ausschlusskritierien blieben bestehen. Die Ärzte wurden eingeschlossen, wenn sie Facharzt für Allgemeinmedizin, hausärztlich tätiger Internist oder praktischer Arzt mit KV-Zulassung sowie seit mindesten drei Jahren niedergelassen waren. Die Patienten wurden eingeschlossen, wenn sie die Fähigkeit zum Informed Consent für die Studienteilnahme sowie ausreichend Deutschkenntnisse besaßen und keine schwerwiegende Komorbidität mit voraussichtlicher Lebenserwartung von weniger als 18 Monaten vorlag. Hausärzte und Patienten konnten die Teilnahme an der Studie jederzeit beenden (Dropout-Beschreibung siehe 1.2.3). Insgesamt konnten in den drei Zentren 108 Hausärzte (geplant 60) und 846 Patienten (geplant 780) eingeschlossen werden. Auf Rostock (Teil A) entfielen dabei 42 Hausärzte und 344 Patienten, auf Düsseldorf (Teil B) 31 Hausärzte und 246 Patienten, und in Witten (Teil C) konnten 35 Hausärzte und 256 Patienten rekrutiert werden. Die tatsächliche Rekrutierungszeit erweiterte sich aufgrund der Rekrutierungsschwierigkeiten auf 24 Monate (statt geplanter 5 Monate). Drei Patienten wurden bei der Plausibilitätsprüfung nachträglich ausgeschlossen, da sich herausstellte, dass sie bereits zum Zeitpunkt des Einschlusses nicht an Diabetes Typ 2, sondern an Diabetes Typ 1 erkrankt waren. Drei weitere Patienten wurden ebenfalls nachträglich ausgeschlossen, da im Rahmen des Datenmonitorings für diese drei Patienten einer Praxis kein Datenabgleich vorgenommen werden konnte. Die Patientenakte lag weder in Papierform noch digital vor. Die Qualität und die Richtigkeit der bis dato übermittelten Daten konnte somit nicht überprüft werden. Ein weiterer Patient wurde ausgeschlossen, da der Erhebungsbogen zu T0 bei der späteren Dateneingabe nicht auffindbar war und die Daten zu T0 nicht rekonstruiert werden konnten. Somit wurde die Anzahl der eingeschlossenen Patienten von 846 Patienten auf 839 (A = 339, B = 244, C = 256) korrigiert, die Anzahl der Praxen blieb mit 108 bestehen. 5

1.2.2 Randomisierung Die Randomisierung der Hausarztpraxen (Cluster-Randomisierung) wurde von einem Statistiker vom Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vorgenommen. Es wurden 108 Praxen randomisiert, wovon 54 Praxen der Interventionsgruppe zugeordnet werden konnten (mit 433 Patienten) und 54 Praxen der Kontrolle (mit 406 Patienten). 1.2.3 Datenerhebung und Dropouts Datenerhebung (T0-T4) In Vorbereitung der Datenerhebung auf Patientenebene wurden mögliche Fragebögen zur Diabetesspezifischen Lebensqualität und zur patientenseitigen Wahrnehmung der eigenen Anteile am Prozess der Entscheidungsfindung gesichtet. Daraufhin wurde entschieden, den ursprünglich vorgesehenen SF-36 gegen die Fragebogeninstrumente EuroQoL (EQ-5D) und PAID auszutauschen. Darüber hinaus wurde sich für die Kurzversion des PACIC entschieden und aufgrund der Pilotierung der PEF-FB-9 leicht modifiziert und ergänzt. Zusätzlich wurde der in einem früheren Diabetes-Projekt (BÄK 06-115, s.o.) von der Forschergruppe entwickelte Fragebogen zur psychosozialen Charakterisierung der Diabetes- Patienten hinzugefügt. Die Patienten wurden mit diesen Instrumenten telefonisch im Abstand von jeweils 6-8 Monaten insgesamt 5-mal befragt. Welche Fragebogeninstrumente zu welchem Zeitpunkt erhoben wurden, kann der Tabelle 1 entnommen werden. Weitere Daten wurden wie geplant in den Hausarztpraxen erhoben: Arztseitig: Alter, Geschlecht, Zeitpunkt der Niederlassung, Facharztbezeichnung, Praxischarakteristika. Patientenseitig: Alter, Geschlecht, soziodemografische Grunddaten (u.a. Familien- und Bildungsstand), Zeitraum der Erstdiagnose Diabetes, Medikamentöse Therapie, HbA1c, kardiovaskuläres Risikoprofil. Tab 1: Zusammenfassung der Datenerhebungsinstrumente und -zeitpunkte Erhebungsinstrumente T0 T1 T2 T3 T4 HbA1c x x X x x EQ-5D und PAID x - X - x PEF-FB-9 und PACIC-D x x X x x Medikamente x - X - x Kardiovaskuläres Risikoprofil x - X - X FB psychosoziale Charakterisierung x - - - x Die Baselineerhebung fand bei allen 108 Hausärzten und 840 Patienten statt. Aufgrund der Rekrutierungsschwierigkeiten zu Beginn des Projektes verzögerten sich bei den frühzeitig befragten Praxen die Randomisierung sowie der Peerbesuch in den Interventionspraxen, so dass das erste Follow-up (T1) im Durchschnitt 8 Monate nach der Baselineerhebung erfolgte. Das zweite und alle weiteren Follow-up (T2-T4) erfolgten wie geplant je nach 6 Monaten. Von den in der Baseline-Erhebung befragten 839 Patienten (A = 339, B = 244, C = 256) konnten von 774 Patienten (A = 323, B = 221, C = 230) auch Daten zu T1 erhoben werden. Zum Messzeitpunkt T2 konnten 705 Patienten befragt werden (A= 299, B= 195, C= 211). Von diesen wurden wiederum zu T3 656 Patienten (A = 281, B = 182, C = 193) und davon zu T4 letztlich 649 Patienten (A = 271, B = 182, C = 196) befragt. 6

Parallel erfolgte die Eingabe der erhobenen Daten auf Hausarzt- und Patientenebene in eine Datenbank. Dropouts Es wurde damit gerechnet, dass zwischen den einzelnen Erhebungszeitpunkten je Studienarm 2,5% der Hausärzte und 6% der Patienten die Studie verlassen. Am Ende der Studie (Zeitpunkt T4) sollten nach der Fallzahlkalkulation noch 54 Hausärzte und 540 Patienten in der Studie verblieben sein. Im gesamten Studienverlauf ist lediglich eine Praxis (im Zentrum B) aus der Studie ausgeschieden. Obwohl die durchschnittliche Dropoutrate der Patienten mit 6,2% ein wenig über der ursprünglichen Kalkulation lag, stehen durch die leichte Überrekrutierung zum Erhebungszeitpunkt T0 zum Zeitpunkt T4 mit 649 Patienten ausreichend Patienten für die Analyse zur Verfügung. Die Patientenzahlen zu den einzelnen Erhebungszeitpunkten sowie die Dropoutraten zwischen diesen können der Tabelle 2 entnommen werden. Tab 2: Übersicht über Patientenzahlen Zentrum Pat.T0 % Pat.T1 % Pat.T2 % Pat.T3 % Pat.T4 A 339 4,7 323 7,4 299 6,0 281 3,5 271 B 244 9,4 221 11,8 195 6,6 182 0 182 C 256 9,0 230 8,2 211 8,5 193 0 196 Gesamt 839 7,7 774 8,9 705 6,9 656 1,1 649 Die Dropouts erklären sich größtenteils durch ein frühzeitiges Ausscheiden der Patienten aufgrund von Tod oder sehr verschlechtertem Gesundheitszustand. Aber auch Gründe wie der Wechsel des Hausarztes oder kein Interesse an der Studie machten in diesen Fällen eine telefonische Befragung nicht mehr möglich bzw. nötig. 1.3 Intervention 1.3.1 Der Peerbesuch in der Hausarztpraxis Ziel der edukativen Intervention war es, durch eine verbesserte, da stärker am Patienten orientierte Kommunikation der Hausärzte den HbA1c-Wert der Patienten zu senken und die gemeinsame Entscheidungsfindung zu erhöhen. Dabei nutzte die Intervention zwei bereits in anderen Kontexten erfolgreich eingesetzte Implementationsstrategien: Zum einen das motivationsfördernde Gespräch mit einem Peer, zum anderen das Zurverfügungstellen des softwarebasierten Kommunikationstools arriba-debate (siehe 1.3.3). Das Ziel des Peerbesuchs war es, durch das Schulungsgespräch mit einem speziell dafür ausgebildeten und selbst als Hausarzt niedergelassenen Kollegen (sog. Peer) die teilnehmenden Hausärzte der Interventionsgruppe in die Lage zu versetzen, die patientenseitige Agenda und Krankheitskonzepte ihrer schlecht eingestellten Diabetes-Patienten zu erkennen und diese so stärker als bisher in einem Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Um aus der Routine einer eher arztzentrierten Kommunikation wechseln zu können, ohne sich selbst und den Patienten zu überfordern oder zu verunsichern, sollte der Fokus mehr auf die Perspektive des Patienten gerichtet werden. Auf diese Weise sollte zunächst das Kommunikationsverhalten der Hausärzte verändert und daran anschließend die Selbstwirksamkeitserwartung der Patienten erhöht werden. 7

In den drei Studienzentren wurden Hausärzte für die Tätigkeit als Peers im Projekt gewonnen (A = 5, B = 4, C = 3), die wiederum 47 Ärzte der Interventionsgruppe in ihren Praxen (A = 19, B = 15, C = 13) besuchten. Aufgrund von Terminfindungsproblemen wurden zwei Peergespräche (A = 1, B = 1) telefonisch geführt. Insgesamt fünf Hausärzten der Interventionsgruppe konnten die Materialien nur schriftlich zugesandt werden, da sie das Gespräch mit dem Peer ablehnten (A = 1, C = 4). In Vorbereitung auf die Gespräche mit den teilnehmenden Hausärzten wurden die Peers sowohl in narrativer Gesprächsführung als auch in der Anwendung von arriba-diabetes in einer 4-stündigen standardisierten Fortbildung geschult. Darüber hinaus war es wichtig, die Ärzte für ihre Rolle und Tätigkeit als Peer intensiv anzuleiten, indem sie darauf trainiert wurden, auf die unterschiedlichen Motivationslagen ihres Gegenübers einzugehen und verschiedene Arzttypen einzuschätzen, um entsprechend die Interventionsinhalte vermitteln zu können. Zusätzlich wurden verschiedene Worst Case Szenarien durchgespielt und besprochen. Das gesamte Training orientierte sich am Elaboration Likelihood Modell. In den Peer-Besuchen wurden den Hausärzten durch die Peers das Kommunikationstool arribadiabetes auf einem Datenträger sowie ein Kommunikationsleitfaden für ihre schlecht eingestellten Diabetespatienten übergeben. Im Verlauf des Gesprächs wurde arriba-diabetes anhand ganz konkreter Patienten des jeweiligen Arztes gemeinsam durchgesprochen und erprobt. Im gemeinsamen Gespräch ging es sowohl um die Möglichkeit, die Routine mit den Patienten mittels narrativer Gesprächstechniken aufzubrechen als auch um die Einschätzung des Schweregrades und Risikos des Patienten sowie eine anschließende gemeinsame Hierarchisierung der patientenseitigen Probleme. Indem gemeinsam Ressourcen beim Patienten gesucht und auf diese aufgebaut wird, sollte auch die Selbstwirksamkeitserwartung des Patienten erhöht werden und gleichzeitig dem Patienten verdeutlicht werden, dass er mit seinem eigenen Verhalten etwas Konkretes erreichen kann. Darüber hinaus wurden die Interventionsärzte dazu angehalten, ganz konkrete, aber in wenigen Wochen erreichbare Ziele mit ihren Patienten zu vereinbaren. Am Ende des Gespräches und anschließend vom jeweiligen Studienteam vor Ort wurden die Hausärzte zu vertiefenden Fortbildungen eingeladen. 1.3.2 Evaluation der Peerbesuche und ergänzende Fortbildungsveranstaltungen Sechs Monate nach dem erfolgten Peer-Besuch wurden die Hausärzte der Interventionsgruppe telefonisch zu den Ihnen im Peer-Gespräch vermittelten Inhalten befragt. Zum einen wurde überprüft, wie nachhaltig diese Inhalte erinnert und ggf. im Praxisalltag angewendet wurden. Zum anderen sollten so Aspekte zur Prozessevaluation abgebildet werden. Es fanden insgesamt 16 Nachbefragungen statt (A= 8, B= 3, C= 5) (Ergebnisse siehe Punkt 1.5.4). In Ergänzung zum Peer-Besuch wurden den Ärzten in der Interventionsgruppe vertiefende Fortbildungen zu den Themen a) Barrieren in der Arzt-Patienten-Kommunikation bei Diabetes und b) die Software arriba-diabetes angeboten. Insgesamt wurden 32 Fortbildungstermine in mehreren Wellen (A = 11; B+C = 21) offeriert. Aufgrund geringen Teilnehmerinteresses fanden letztlich fünf Fortbildungen (A = 3; B+C = 2) statt, an denen insgesamt zehn Hausärzte teilnahmen (A = 8; B+C = 2). 1.3.3 Das arriba-tool zum Diabetes mellitus Typ 2 Beim arriba-rechner handelt es sich um eine computerbasierte Entscheidungshilfe, mit der Hausärzte für ihre Patienten eine individuelle Risikoprognose für Herzinfarkt und Schlaganfall erstellen können. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit für einen Patienten, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, optisch demonstriert, und es werden Effekte von Verhaltensänderungen oder medikamentösen Therapien anschaulich dargestellt. Auf diese Weise können Hausärzte und 8

Patienten über eine dem objektiven kardiovaskulären Gesamtrisiko und den subjektiven Präferenzen des Patienten gleichermaßen Rechnung tragende Therapie gemeinsam entscheiden [5]. Für die DEBATE-Studie wurde arriba um ein Diabetes-spezifisches Tool erweitert, welches eine Risikoprognose für den Bereich der oralen Antidiabetika sowie jeweils eine Entscheidungswaage zur intensivierten und nicht-intensivierten Insulinbehandlung enthält. Gerade in Bezug auf schlecht eingestellte Diabetespatienten hat arriba den Vorteil, dass der Arzt dem Patienten demonstrieren kann, wie sich seine Prognose bei verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten verändert. Patienten erhalten so einen besseren Einblick, inwiefern sie ihre Erkrankung selbst beeinflussen können. 1.4 Monitoring 1.4.1 Vorgehen Das Monitoring-Manual wurde in den Studienzentren Witten (C) und Düsseldorf (B) erstellt und sah eine zweistufige Quelldatenkontrolle für alle drei Studienzentren vor: 1. Eine telefonische Quelldatenkontrolle für die Zeitpunkte T0-T3. Dabei wurden die Quelldaten zu ca. 20 Prozent aus jeder Praxis mittels einer zufälligen Stichprobe pro Praxis überprüft, mindestens jedoch von einem Patienten pro Praxis. Es sollten nur diejenigen (Hausarzt-) FB T0- T3 eines Patienten berücksichtigt werden, die zum Zeitpunkt des Monitorings bereits vorlagen. 2. Eine telefonische Quelldatenkontrolle des HbA1c-Wertes aller eingeschlossenen Patienten für den Zeitpunkt T4. Hier fand eine Vollerhebung der HbA1c-Werte statt, da es sich beim HbA1c- Wert um das primäre Outcome handelt und sicher gegangen werden sollte, dass dies korrekt erhoben worden war. Zusätzlich zu der zweistufigen Quelldatenkontrolle wurde eine Praxis persönlich vom Monitor besucht, sobald ein wesentlicher Grund zur Beanstandung vorlag. Ein Praxisbesuch wurde dann erforderlich, wenn a) innerhalb einer Praxis der während des Monitorings erhobene HbA1c-Wert mindestens 2 Mal nicht mit dem dokumentierten Wert im Patienten-Fragebogen übereinstimmte oder b) innerhalb einer Praxis in T0/T1/T2/T3 auffallend viele Abweichungen in der Fehlerdokumentation aufgelistet waren und in T4 mindestens ein abweichender HbA1c-Wert (Monitoring/Fragebogen) vorlag. 1.4.2 Ergebnis der ersten Quelldatenkontrolle (T0-T3) Zu T0 wurden insgesamt 1892 (A=748; B=510; C=583) Daten von 172 (A=68; B=51; C=53) Patienten überprüft (Patient existiert; Geschlecht; Geburtsdatum; Datum der HbA1c-Messung; HbA1c-Wert; Manifeste KHK; Blutdruck; Gesamtcholesterin, HDL; LDL; Medikamente). Der Fehleranteil betrug insgesamt 6% (A=5%; B=7%; C=5%). Eine hohe Fehlerquote wurde bei den Daten Blutdruckwert mit insgesamt 26% (A= 22%; B=31%; C=25%) und Manifeste KHK mit insgesamt 12% (A=13%, B=14%; C=9%) identifiziert. 9

Zu T1 wurden der HbA1c-Wert und das Datum der HbA1c-Messung überprüft. Insgesamt konnten 138 (A=72; B=66; C=-) Daten von 69 (A=36; B=33; C=-) Patienten überprüft werden. Die Fehlerquote lag bei 2% (A=3%; B=2%; C=-). Zu T2 konnten insgesamt 392 (A= 208; B= 184; C=-) Daten von 49 (A=26; B=23; C=-) Patienten überprüft werden (Datum der HbA1c-Messung; HbA1c-Wert; Manifeste KHK; Blutdruck; Gesamtcholesterin, HDL; LDL; Medikamente). Der Fehleranteil betrug insgesamt 4% (A= 6%; B=6%; C=-). Auch zu T2 zeigte sich wieder eine hohe Fehlerquote bei den Blutdruckwerten mit insgesamt 24% (A=27%; B= 22%; C=-). Zu T3 wurden wieder der HbA1c-Wert und das Datum der HbA1c-Messung überprüft. Insgesamt konnten 38 (A=26; B=12; C=-) Daten von 19 (A=13; B=6; C=-) Patienten überprüft werden. Die Fehlerquote betrug insgesamt 3% (A=4%; B=0; C=-). Da mit dem Monitoring im Zentrum C begonnen wurde als nur die t0-fragebögen vorlagen, hat entsprechend der oben beschriebenen Vorgehensweise (s.o. 1.4.1 Nr. 1) keine Quelldatenkontrolle zu den Zeitpunkten T1-T3 im Zentrum C stattgefunden. Es kann angenommen werden, dass die hohe Diskrepanz der Blutdruckwerte in T0 und T2 darauf zurückzuführen ist, dass die Fragebögen keine Abfrage des Datums der Blutdruckmessung enthielten. Demnach konnte bei der Quelldatenkontrolle des Blutdrucks kein Referenzpunkt angegeben werden. Die hohe Fehlerquote bei der Abfrage der Manifesten KHK kann darauf zurückzuführen sein, dass das Item nicht ausreichend präzise formuliert war. Für die teilnehmenden Hausärzte, die den Fragebogen ausgefüllt haben, war vermutlich nicht immer verstehbar, was mit der Frage gemeint ist. Die Quelldatenkontrolle der Medikamente erwies sich als schwierig, da viele Hausarztpraxen lediglich den aktuellsten Medikamentenplan der Patienten dokumentierten. Ein Zugriff auf ältere Medikamentenpläne war in T0 bei 90 Patienten und in T2 bei 31 Patienten nicht möglich. 1.4.3 Ergebnis der zweiten Quelldatenkontrolle (T4) Zu T4 wurden insgesamt 1298 (A=271; B=182; C=196) Daten (HbA1c-Wert; Datum der HbA1c- Messung) von 649 (A=271; B=182; C= 196) Patienten überprüft. Die Fehlerquote lag bei insgesamt 2% (A=2%; B=1%; C=4%). 1.4.4 Ergebnis der Praxisbesuche Aufgrund von Unstimmigkeiten im HbA1c-Wert (Fall a; siehe oben) erfolgten insgesamt sieben Praxisbesuche (A=4; B=3; C=0). Während eines Praxisbesuches konnte bei drei Patienten kein Datenabgleich durchgeführt werden, da die Patientenakten weder in digitaler Form noch in Papierform vorlagen. Infolge dessen wurden diese drei Patienten nachträglich als Initial-Drop-Outs aus der Studie ausgeschlossen. Ein Praxisbesuch aufgrund zu vieler Abweichungen in der Fehlerdokumentation (Fall b; siehe oben) kam nicht vor. 1.4.5 Umgang mit den erhobenen Monitoringdaten Die erhobenen Monitoringdaten wurden, wie im Monitoring-Manual festgelegt, in der Datenbank nachvollziehbar eingepflegt. Die Daten in der Datenbank wurden durch die beim Monitoring erhobenen Daten korrigiert. 10

1.5 Ergebnisse 1.5.1 Deskriptive Analyse des primären Outcomes (Rostock) Die cluster-randomisierte, kontrollierte Studie DEBATE hatte das primäre Ziel, bei schlecht eingestellten Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 den HbA1c-Wert der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe um 0,5% zu reduzieren. Dazu wurden in einer ersten deskriptiven Analyse die HbA1c-Werte auf Ebene der Hausarztcluster zu den Messzeitpunkten T0 (Ausgangsbasis der Baselineerhebung) und T3 (vorletzte Erhebungsphase nach 20 Monaten) verglichen. Durchschnittlich hat sich der HbA1c-Wert in der Interventionsgruppe um 0,39% gesenkt und in der Kontrollgruppe um 0,45%. Das bedeutet, dass in beiden Gruppen der HbA1c-Wert ähnlich stark gesenkt wurde. Wir vermuten, dass allein die Tatsache, an einer Studie teilzunehmen, in der schlecht eingestellte Diabetiker im Mittelpunkt stehen, diesen Effekt ausgelöst hat. Möglicherweise hat die alleinige Studienteilnahme (ohne Kenntnis einer Randomisierung in zwei Gruppen) als Anlass genügt, sich mit seinen Patienten noch einmal auseinander zu setzen und aus der üblichen Routine auszubrechen. Weitere Analysen (sowohl intention to treat- als auch per protocol-analysen) vor allem im Unterschied von T0 zu T4 sind notwendig und werden von der Biometrie gerade vorbereitet. 1.5.2 Die Wahrnehmung der Patient-Arzt-Beziehung von schlecht eingestellten Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 (Düsseldorf) Im Rahmen der DEBATE-Studie wurde explorativ untersucht, wie die Wahrnehmung der Arzt- Patienten-Beziehung mit dem Diabetes zusammenhängt. Die Forschungsfrage lautete: Wie hängen Arzt- und Patientenmerkmale, die Wahrnehmung der Patient-Arzt-Beziehung und die Wahrnehmung des Diabetes miteinander zusammen? Mit den erhobenen Baseline-Daten konnten querschnittliche Zusammenhänge zwischen folgenden Variablen aufgezeigt werden: a) Fragebogenangaben von Patienten: Krankheitswahrnehmung (störender Einfluss des Diabetes auf das Leben, diabetes-bezogene Probleme), wahrgenommene gemeinsame Entscheidungsfindung, Zufriedenheit mit der medizinischen Betreuung, gesundheitsbezogene Lebensqualität b) Hausarztangaben zum kardiovaskulären Risiko (angelehnt an arriba). Zur Beantwortung der Fragestellung wurden Analysen auf drei Ebenen durchgeführt (jeweils adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, Partnerschaftsstatus). Auf der ersten Ebene wurde untersucht, welchen Einfluss Arzt- und Patientenmerkmale auf die patientenseitige Wahrnehmung der Patient-Arzt-Beziehung (PEF-FB-9; PACIC) haben. Auf der zweiten Ebene wurde der Einfluss der Patient-Arzt-Beziehung auf die patientenseitige Krankheitswahrnehmung (PAID; BÄK-Fragebogen) analysiert und auf der dritten Ebene wurde der Einfluss der patientenseitigen Krankheitswahrnehmung auf die Lebensqualität (EQ-5D) und auf das kardiovaskuläre Risiko (angelehnt an arriba-score) untersucht. Auf der ersten Ebene konnte gezeigt werden, dass ein Zusammenhang zwischen Praxisart und gemeinsamer Entscheidungsfindung besteht: Patienten aus Einzelpraxen empfinden mehr gemeinsame Entscheidungsfindung als Patienten aus Praxisgemeinschaften. Andere Arzt- und 11

Patientenmerkmale wie Alter, Geschlecht, Praxisgröße, Praxisart, Bildung und Partnerschaft scheinen keinen Einfluss auf die Wahrnehmung der Patient-Arzt-Beziehung zu haben. Weitere Zusammenhänge konnten auf der zweiten Ebene zwischen der Patient-Arzt-Beziehung und der patientenseitigen Krankheitswahrnehmung identifiziert werden: Patienten, die die gemeinsame Entscheidungsfindung stärker wahrnehmen, berichten über weniger Probleme mit dem Diabetes. Ein weiteres Ergebnis war, dass je zufriedener Patienten/innen mit der hausärztlichen Betreuung sind, desto störender empfinden sie den Diabetes im Alltag. Auf der dritten Ebene zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Krankheitswahrnehmung und den beiden Outcomes Kardiovaskuläres Risiko und Lebensqualität : Je störender der Diabetes erlebt wird, desto höher ist das kardiovaskuläre Risiko und desto geringer ist die Lebensqualität. Die patientenseitig wahrgenommene gemeinsame Entscheidungsfindung und die Zufriedenheit mit der hausärztlichen Betreuung zeigen in der DEBATE-Studie nur einen geringen Einfluss im Sinne leichter Effekte auf die Krankheitswahrnehmung der Patienten. Darüber ist ein indirekter Einfluss auf die Lebensqualität und das kardiovaskuläre Gesamtrisiko nicht auszuschließen. Kausalschlüsse lassen sich aus dieser Querschnittsanalyse nicht ableiten. 1.5.3 Gemeinsame Entscheidungsfindung bei schlecht eingestellten Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus: Welcher HbA1c-Wert wird angestrebt? (Düsseldorf) Es wurden explorativ folgende Studienfragen untersucht: Mit wie vielen Patienten vereinbaren Hausärzte gemeinsam einen HbA1c-Zielwert, und für wie viele Patienten legen Hausärzte einen HbA1c-Zielwert selbst fest, ohne dies mit den Patienten zu vereinbaren? Wie hoch ist dieser HbA1c- Zielwert, an dem sich Hausärzte orientieren? Von den 740 Patienten, die aktiv zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung an der Studie teilnahmen, konnten 721 in die vorliegende deskriptive Analyse eingeschlossen werden (mittleres Alter 64,9 ± 10,77 (29-91 Jahre); 67,1% männlich, 32,9% weiblich). Ausgewertet wurden folgende Angaben der Hausärzte zu ihren Patienten: a) der gemeinsam mit ihren Patienten vereinbarte HbA1c-Zielwert; b) wenn kein gemeinsamer HbA1c-Wert vereinbart wurde, der HbA1c-Wert ihrer Patienten, mit dem sie aus hausärztlicher Sicht zufrieden wären; c) der zuletzt gemessene HbA1c-Wert ihrer Patienten. Eine gemeinsame Zielvereinbarung erfolgte in 53,4 % (n=385) der Fälle, wohingegen 46,6 % (n=336) der Hausärzte einen HbA1c-Wert für ihre Patienten festlegten, ohne dies mit ihren Patienten zu vereinbaren. Der gemessene HbA1c lag in der Stichprobe schlecht eingestellter Patienten bei 9,1% (SD=1,1). In der Gruppe der Patienten, mit denen ein Zielwert vereinbart wurde, konnte gezeigt werden, dass eine Reduktion des HbA1c von 1,8% angestrebt wird (9,1% zu 7,3%) während in der Gruppe der Patienten, für die die Hausärzte einen Zielwert festlegen, ohne dies mit den Patienten zu vereinbaren, eine Reduktion des HbA1c von 1,6% angestrebt wird (9,2% zu 7,6%). Der durchschnittliche vereinbarte HbA1c-Zielwert war um 0,3% signifikant geringer als der durchschnittlich gewünschte Zielwert. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass 70 % der vereinbarten bzw. gewünschten Zielwerte im Bereich 6,5-7,5% und somit im Korridor der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) zum Diabetes lagen. In der Subgruppe mit einem Zielwert > 7,5 (29%) wurde der anvisierte HbA1c-Zielwert signifikant seltener gemeinsam festgelegt. Insgesamt vereinbarten Hausärzte mit signifikant mehr Frauen gemeinsam einen HbA1c-Zielwert (56,3% vs. 47,3%). Ein Zusammenhang zwischen HbA1c-Zielwert und Alter des Patienten konnte nicht nachgewiesen werden. 12

Der hausärztlich anvisierte HbA1c-Zielwert liegt im oberen Bereich der von der Diabetes-NVL empfohlenen Werte zur Primärprävention von Folgekomplikationen (6,5-7,5%). Somit ist die angestrebte Reduktion realistisch. 1.5.4 Wie bewerten Hausärzte einen Peer-Besuch in ihrer Praxis? (Witten) Peer educational outreach visits (Peer-Besuche) sind eine wichtige und wirksame Interventionsmethode in der Versorgungsforschung. Ziel ist es, durch einen kollegialen Austausch eine Einstellungsänderung und folglich eine Änderung des Alltagshandelns beim besuchten Arzt zu erreichen. Es wurde untersucht, wie die teilnehmenden Hausärzte den Peer-Besuch durch einen speziell trainierten Kollegen wahrgenommen haben, ob die vermittelten Inhalte nachhaltig präsent waren und in Handeln umgesetzt wurden. Dazu wurden beide Akteure der Peer-Intervention befragt: Die hausärztlichen Peers fertigten nach jedem Besuch ein strukturiertes Memo an, u.a. zu Gesprächsatmosphäre und -inhalt. Die besuchten Hausärzte wurden etwa 6 Monate nach dem Peer-Besuch in teilstrukturierten Telefoninterviews befragt. Die Telefonate wurden aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch in einem multidisziplinären Team ausgewertet. Die Interviewauswertungen lassen erkennen, dass die Gesprächsatmosphäre von den Hausärzten überwiegend als angenehm empfunden wurde. Detaillierte Erinnerungen an die vermittelte Kommunikationsstrategie waren zum Teil explizit, zum Teil nur oberflächlich vorhanden. Die Erinnerung an das Computerprogram arriba war dagegen nachhaltiger und wurde häufiger positiv erinnert. Nach eigenen Einschätzungen der Hausärzte wird das arriba-diabetes-tool häufiger angewendet als die narrative Kommunikationsstrategie. Als Barrieren zur Umsetzung wurden vor allem Zeitmangel und eine eher störende Technik in der Arzt-Patientenkommunikation hervorgehoben. Für die Planung und Durchführung von edukativen Peer-Interventionen ist es wichtig zu wissen, wie diese Interventionsform von den besuchten Ärzten angenommen und verarbeitet wird. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass der Besuch von einem Peer für Hausärzte eine akzeptierte und nachhaltige Möglichkeit schaffen kann, Inhalte zu vermitteln. 1.5.5 Gibt es zwischen ost- und westdeutschen Patienten Unterschiede in der Beteiligung an der gemeinsamen Entscheidungsfindung in der Hausarztpraxis? (Rostock) Studien beschreiben, dass sich bis heute ost- und westdeutsche Patienten aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Prägung in Bezug auf die Beteiligung an der Entscheidungsfindung unterscheiden. Neben der Lebensqualität und Zufriedenheit beeinflussen möglicherweise auch Herkunft und Sozialisation den Umgang mit der Erkrankung. Ob 25 Jahre nach der Wende (noch) Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Patienten hinsichtlich ihrer wahrgenommenen Beteiligung an der Entscheidungsfindung vor dem Hintergrund eines schlecht eingestellten Diabetes mellitus Typ 2 bestehen, sollte mit Hilfe der Baseline-Daten untersucht werden. Hierzu wurden Einzelitems und der standardisierte Summenwert des PEF-FB-9 in einer deskriptiven Analyse betrachtet. In einem Stufenmodell wurde eine multiple lineare Regression bezüglich der patientenseitigen Einschätzung der Beteiligung an Entscheidungsprozessen geschätzt (Kovariaten: Herkunft, Geschlecht, Alter, Bildungsabschluss der Patienten). Die ostdeutschen Patienten bewerten ihre Beteiligung an der Entscheidungsfindung mit dem Hausarzt um 5,5 Score-Punkte signifikant höher als die westdeutschen Patienten (p=0,012) der Stichprobe. Gleichzeitig nimmt die wahrgenommene Beteiligung an der Entscheidungsfindung 13

signifikant um 0,3 Score-Punkte/ Lebensjahr bei der untersuchten Population ab (p=0,003): Je älter der Patient ist, desto weniger stark empfindet er sich an der Entscheidungsfindung beteiligt. Geschlecht und Bildungsgrad der Patienten zeigen in diesem Modell keine signifikanten Effekte. Ein Einfluss der Hausarztcharakteristika Geschlecht und Alter konnte für die Stichprobe ausgeschlossen werden. Vergleicht man ost- und westdeutsche Patienten in Bezug auf das Entscheidungsverhalten können beide Gruppen 25 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht als homogen betrachtet werden. Zum einen spielen Zu- und Abwanderung eine Rolle. Zum anderen dürfen ostdeutsche Besonderheiten nicht einfach als Nachwirkungen der DDR interpretiert werden. 2. Wichtigste Positionen des zahlenmäßigen Nachweises 2.1 Personalien In Rostock arbeiteten Eva Drewelow und Anja Wollny während des gesamten Förderzeitraums im Projekt. In Düsseldorf begann Janine Immecke als wissenschaftliche Mitarbeiterin die Aufgaben im Projekt und wurde von Sarah Lambrecht im April 2012 abgelöst. Im Januar 2013 übernahm dann die Stelle der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Sara Santos, die das Projekt zu Ende führte. In Witten waren Susanne Löscher als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Iris Schluckbier als Study Nurse während der Förderperiode bis 30.4.2014 im Projekt tätig. Danach übernahm Roman Schlager als wissenschaftlicher Mitarbeiter die Aufgaben im Projekt und wurde weiterhin von Susanne Löscher unterstützt. Die Projektmitarbeiter in Rostock, Düsseldorf und Witten wurden für die Dauer der kostenneutralen Laufzeitverlängerung aus Haushaltsmitteln der einzelnen Zentren finanziert. 2.2 Kostenneutrale Verlängerung der Laufzeit Aufgrund der Rekrutierungsschwierigkeiten zu Beginn des Projektes und der daraus resultierenden höheren Anzahl von zu rekrutierenden Hausarztpraxen kam es zu zeitlichen Verzögerungen, so dass die Rekrutierungsphase aufwändiger und langwieriger war als ursprünglich vorgesehen. Daher konnte die Rekrutierungsphase erst im Juni 2013 abgeschlossen werden. Dies war der Grund für die nicht volle Ausschöpfung der ursprünglich bereit gestellten Mittel für das Jahr 2011. Vor diesem Hintergrund und unter Einhaltung der weiteren Erhebungszeiträume hat sich das Ende der Projektlaufzeit auf August 2015 verschoben; das Projekt wurde entsprechend kostenneutral verlängert bis 31.08.2015. Da die Personalmittel für die Laufzeitverlängerung nicht ausreichten, wurden die erforderlichen Mittel von den Instituten als Eigenanteil getragen. Davon abgesehen, konnten Finanzierungs- und Zeitpläne eingehalten werden. 2.3 Sonstige allgemeine Verwaltungsausgaben 2.3.1 Aufwandsentschädigungen für Hausärzte Aufgrund der höheren Anzahl an rekrutierten Hausärzten wurden die Aufwandsentschädigungen für die einzelnen Ärzte von einer Pauschale für die Rekrutierung der Patienten pro Praxis auf eine Pauschale pro rekrutierten Patienten verändert. Da die Entwicklung zu Beginn aber nicht absehbar war, wurden die Kooperationsverträge mit den Hausärzten erst später entsprechend geändert, so dass sich die Zahlungen hier etwa um 1000,00 Euro erhöhten. 14

2.3.2 Aufwandsentschädigungen für Peers Aus demselben Grund erhöhten sich auch die Ausgaben für die Peers, mit denen bereits zu Beginn des Projektes entsprechende Honorarverträge geschlossen wurden. Insgesamt entstand hier ein Minus von 2.250,00 Euro. 2.3.3 Ausgleich Beide Punkte konnten durch Einsparungen beim Safety Board und den Publikationsausgaben eingespart werden, so dass der Posten für die sonstigen allgemeinen Verwaltungsausgaben nicht überzogen wurde. Bei den Entschädigungen der Peers wurden darüber hinaus noch weitere Kosten als Eigenanteil der Institute getragen. 3. Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeit Insgesamt liefert die DEBATE-Studie wichtige Daten zur Umsetzbarkeit, Akzeptanz und Effizienz der implementierten Intervention zur Verbesserung der Versorgung von Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus Typ 2. Gerade für diese Patientengruppe, die oft zu den sozial benachteiligten Personengruppen zählt, besteht in besonderem Maße Forschungsbedarf. 4. Voraussichtlicher Nutzen, insbesondere der Verwertbarkeit des Ergebnisses im Sinne des fortgeschriebenen Verwertungsplans Die bisherigen Ergebnisse u.a. zur Evaluation der Peerbesuche bei den Hausärzten (siehe 1.5.4) sowie die geringe Teilnahme von Studienärzten an den vertiefenden Fortbildungen zu den Themen der patientenzentrierten Kommunikation und der Anwendung von partizipativer Entscheidungsfindung weisen darauf hin, dass die über viele Jahre eingeübten Kommunikationsstrukturen nur schwer aufzubrechen sind. Daher müssen diese Konzepte viel früher und damit bereits im Studium vermittelt werden. So hat das Konzept der narrativen, patientenzentrierten Gesprächsführung mittlerweile Eingang in die Aus- und Weiterbildung von Studierenden und angehenden Allgemeinmedizinern gefunden. Zudem ist das arriba-tool zum Diabetes ein fester Bestandteil von arriba geworden und steht zum Beispiel den an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmenden Hausärzten in Baden- Württemberg zur Verfügung. Die DEBATE-Studie wurde bereits auf zahlreichen Fachkonferenzen vorgestellt und mit Experten diskutiert. So wurden die Ergebnisse z. B. mehrfach auf den Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin sowie auf den Tagungen des Förderschwerpunktes vorgestellt und besprochen. Eine Auflistung aller Konferenzbeiträge findet sich unter 6. Das Studienprotokoll wurde bereits zu Beginn der Studie veröffentlicht, und weitere Veröffentlichungen werden zurzeit vor allem zu den in Punkt 1.5 dargestellten Ergebnissen vorbereitet. 5. Bekannt gewordenen Fortschritte auf dem Gebiet des Vorhabens bei anderen Stellen keine 6. Erfolgte oder geplante Veröffentlichungen des Ergebnisses Artikel: Eva Drewelow, Anja Wollny, Michael Pentzek, Janine Immecke, Sarah Lambrecht, Stefan Wilm, Iris Schluckebier, Susanne Löscher, Karl Wegscheider, Attila Altiner. Improvement of primary health care 15

of patients with poorly regulated diabetes mellitus type 2 using shared decision-making the DEBATE trial. BMC Family Practice 2012, 13:88 Kongressbeiträge: Löscher S, Santos S, Wollny A, Drewelow E, Schluckebier I, Pentzek M, Altiner A, Wilm S. Wie bewerten Hausärzte einen Peer-Besuch in ihrer Praxis? Erfahrungen aus der Interventionsstudie. Vortrag auf dem 47. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, 12-14.09.2013, München Wollny A, Drewelow E, Löscher S, Santos S, Pentzek M, Wilm S, Altiner A. Verbesserung der hausärztlichen Versorgung schlecht eingestellter Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 mittels partizipativer Entscheidungsfindung (DEBATE). Postervortrag auf dem Workshop zum Förderschwerpunkt "Versorgungsnahe Forschung Chronische Krankheiten und Patientenorientierung" des BMBF, 18.10.2013, Erkner Santos S, Wilm S, Löscher S, Schluckebier I, Altiner A, Wollny A, Drewelow E, Pentzek M. Die Wahrnehmung der Patient-Arzt-Beziehung von schlecht eingestellten Menschen mit Typ 2- Diabetes mellitus Baseline-Ergebnisse der DEBATE-Studie. Vortrag auf dem 48. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, 18.-20.09.2014, Hamburg Drewelow E, Santos S, Wollny A, Löscher S, Pentzek M, Wilm S, Altiner A. Verbesserung der hausärztlichen Versorgung "schlecht eingestellter" Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 mittels partizipativer Entscheidungsfindung (DEBATE). Poster auf dem Workshop zum Förderschwerpunkt "Versorgungsnahe Forschung Chronische Krankheiten und Patientenorientierung" des BMBF, Erkner-Berlin, 05.-06.02.2015 Drewelow E, Wollny A, Altiner A, Santos S, Pentzek M, Wilm S, Löscher S, Schluckebier I, Hornung A. Gibt es zwischen ost- und westdeutschen Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 Unterschiede in der Beteiligung an der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit ihrem Hausarzt? Poster auf dem 14. Kongress für Versorgungsforschung (DNVF), Berlin, 07.-09.10.2015 Santos S, Wilm S, Löscher S, Schluckebier I, Altiner A, Wollny A, Drewelow E, Abholz HH, Pentzek M. Gemeinsame Entscheidungsfindung bei schlecht eingestellten Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus: Welcher HbA1c-Wert wird angestrebt? - Baseline-Teilergebnisse der DEBATE-Studie. Vortrag auf dem 49. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Bozen-Südtirol/ Italien, 17.-19.09.2015 Literatur [1] Jamtvedt G, Young JM, Kristoffersen DT, O'Brien MA, Oxman AD. Audit and feedback: effects on professional practice and health care outcomes. Cochrane Database Syst Rev 2006;19:CD000259. [2] Farmer AP, Légaré F, Turcot L, Grimshaw J, Harvey E, McGowan JL, Wolf F. Printed educational materials: effects on professional practice and health care outcomes. Cochrane Database Syst Rev 2008;16:CD004398. [3] http://www.bundesaerztekammer.eu/downloads/115_visitenkarte-2010.pdf. [4] Krones T, Keller H, Sönnichsen A, Sadowski EM, Baum E, Wegscheider K, Rochon J, Donner- Banzhoff N. Absolute cardiovascular disease risk and shared decision making in primary care: a randomized controlled trial. Ann Fam Med. 2008;6:218-27. [5] http://arriba-hausarzt.de/ 16