Entwicklung einer kundenbezogenen Wertschöpfung

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Transkript:

Entwicklung einer kundenbezogenen Wertschöpfung Kundenzentrierung steht in Spannung zur Orientierung des Unternehmens nach Produkten, Ländern und Funktionen. Deshalb bleibt in vielen Unternehmen ein proklamierter Customer Focus nur oberflächlich. Es gilt, die Gewichte zu verschieben. Christian Belz 44 Sales Management Review 1 2015

Kundenorientierung Schwerpunkt Kundenorientierung ist in Unternehmen omnipräsent und in der Forschung vielfach beschrieben. Als Kunden fühlen wir uns aber häufig nicht sympathisch, kompetent und individuell behandelt. Kundenorientierung betrifft den Verkauf sehr unmittelbar. Die These lautet aber: Kundenorientierung bewegt sich in Unternehmen meistens an der Oberfläche. Dieser Beitrag zeigt die Basis, definiert Kundenvorteile und -prozesse. Nehmen Unternehmen die Orientierung am Kunden ernst, so müssen sie die Eingriffstiefe verstärken und damit der Kundendimension schrittweise mehr Gewicht verleihen. Das Unternehmen auf die Bedürfnisse des Kunden ausrichten Unternehmen sind kundenorientiert, wenn sie wirksam und sympathisch mit Kunden kommunizieren, ihre Mitarbeitenden auf Kunden eingehen und die Leistung für den Kunden passt. Kundenorientierung ist ein klassisches und wichtiges Thema. Grundidee des Marketings ist es ja, das Unternehmen auf die Bedürfnisse und den Nutzen des Kunden auszurichten. Offensichtlich spielen aber auch die Fähigkeiten der Mitarbeitenden und die Voraussetzungen der Technik eine Rolle, ebenso wie das Unternehmen organisatorisch aufgestellt ist. Unternehmen orientieren sich nicht nur nach Kunden, sondern auch nach Produkten und Technik, nach Ländern, nach Kanälen, nach Funktionen des Marketings oder auch nach Aktionären und Analysten. Zwischen diesen Ausrichtungen gibt es Spannungen und es folgen Prioritäten und Kompromisse. Das Leistungsvermögen des Unternehmens entspricht dabei den Ansprüchen einzelner Kunden oft nicht. Prof. Dr. Christian Belz ist Ordinarius für Marketing an der Universität St. Gallen und Direktor am Institut für Marketing; www.ifm.unisg.ch. Auch der Kunde geht zunehmend selektiv vor und sucht nach Leistungen, die seine Prozesse gezielt erleichtern und seinem Bedarf genau entsprechen. Zudem verlangt das ökonomische Prinzip, dass ein Unternehmen nur gerade so viel für Kunden tut, wie es nötig ist, um ein Geschäft kurz- und langfristig erfolgreich zu realisieren. Es ist ein verbreitetes Missverständnis, dass Unternehmen alles für den Kunden tun wollen. Mit Forderungen zur Kundenbegeisterung wird das laufend geschürt. Nur sind zumutbares Marketing und zumutbarer Vertrieb erfolgreicher. Auch der Kunde geht zunehmend selektiv vor und sucht nach Leistungen, die seine Prozesse gezielt erleichtern und seinem Bedarf genau entsprechen. Er ist nicht bereit, Überleistungen zu bezahlen. Zudem verhalten sich Kunden nicht konform, sondern stellen je nach Situation andere Anforderungen an das Unternehmen. Von Luxus bis zu Schnäppchen ist alles möglich. Effiziente Kundenorientierung geht nicht davon aus, ob es noch etwas mehr für den Kunden sein darf, sondern konzentriert sich nur auf ergiebi- Christian Belz Universität St. Gallen, St. Gallen, Schweiz E-Mail: christian.belz@unisg.ch Sales Management Review 1 2015 45

Kerngedanke 1 Unternehmen konzentrieren sich auf nötige und nicht mögliche Leistungen für Kunden. ge Ansätze für Unternehmen und Kunden. Mindestens wäre es aber erwünscht, dass Unternehmen sich dort am Kunden ausrichten, wo keine Kostensteigerungen folgen. Schlendrian ist häufig für Unternehmen und Kunden ineffizient. Unternehmen stützen sich inzwischen häufig auf Umfragen zur Kundenzufriedenheit, um Fortschritte und Rückschläge in der Kundenorientierung zu messen. Leider werden diese Erhebungen häufig zu gleichförmig und generisch durchgeführt und verlieren ihre Wirkung für rasche Verbesserungen. Sie werden langweilig für die Verantwortlichen. Wichtig wäre es deshalb, zwar zu einem Teil jeweils die gleichen Fragen zu stellen, um Veränderungen im Zeitablauf zu erkennen, aber in einem zusätzlichen Teil bei jeder Erhebung auch spezifische, wichtige und neue Aspekte der Kundenbeurteilung zu vertiefen. Gleichzeitig gilt es auch, die kritischen Ereignisse zu erfassen, die der Kunde in schematischen Befragungen kaum ausdrücken kann. Zudem können Kunden alle Fragen nach dem Warum des Kaufens nicht zuverlässig beantworten. Ergiebig ist es, nach dem Wie zu fragen. Dabei spielen konkrete Schritte des Kunden zum Kauf eine wichtige Rolle. Kunden berichten besser zeitnah über ihre konkreten Erfahrungen. Jährliche Erhebungen, weit entfernt von den aktuellen Kundenerlebnissen, sind wenig ergiebig. Dass Kundenzufriedenheit nicht direkt zum Erfolg führt, zeigen aktuelle Untersuchungen von Keiningham. Der Zusammenhang ist oft gering oder sogar negativ. Abb. 1 Kundenvorteile Image Koordination 99 Beziehung 66 Geschwindgkeit 33 Erklärung Kunde 1 0 Kunde 2 Wirtschaftlichkeit Individualisierung allgemein Innovation Qualität Entlastung und Sicherheit Legende: Bis 32 Basisvorteil 33-65 Profilierungsvorteil 66-100 Zukunftsvorteil Quelle: eigene Darstellung 46 Sales Management Review 1 2015

Kundenorientierung Schwerpunkt Kundenvorteile strategisch erörtern Maßstab für die Kundenorientierung sind die Vorteile für angestrebte Kunden in der Zusammenarbeit und mit der Leistung des Anbieters. Es geht also um attraktive Kunden, nicht um alle. Und es geht um die Sicht des Kunden. Gleichzeitig sind mit jedem Kauf auch Nachteile des Kunden verknüpft. Auch mit ihnen müssen sich Marketing und Vertrieb proaktiv befassen. Abbildung 1 gibt einen Überblick der möglichen Vorteile, besonders für komplexere Angebote. Selten ist es ratsam, einen Kunden mit allen Vorteilen gewinnen zu wollen. Segmente, Zielgruppen und besonders einzelne Kunden setzen Schwerpunkte, ebenso wie der Anbieter. Solche Vorteile lassen sich strategisch erörtern: Mit welchen maßgeblichen Vorteilen positioniert sich ein Unternehmen oder eine Geschäftseinheit am Markt? Ebenso spielen sie bei jedem Verkaufsgespräch eine Rolle. Der Verkäufer überlegt sich im Value Selling, mit welchen Vorteilen er einen Kunden gewinnen kann. Kerngedanke 2 Kundenvorteile sind keine Produktvorteile oder -spezifikationen. Der Nutzen steht im Vordergrund. Vor- und -Nachteile des Kunden prägen das Value Selling. Es ist für Kunden mühsam, sich zu bewegen. Deshalb gilt es, den Weg zu erleichtern und gezielt anzustoßen. Für jede Kategorie von Vorteilen unterscheiden wir drei Stufen: Basisvorteile werden vom Kunden vorausgesetzt, sie schaffen nur Unzufriedenheit, falls sie nicht geboten werden. Profilierungsvorteile sind heute für den Kunden besonders wichtig und wirken als Wettbewerbsvorteil. Zukunftsvorteile wirken heute noch vereinzelt oder marginal, werden aber für die zukünftige Zusammenarbeit mit Kunden als wichtig eingeschätzt. Wenn sich im Markt und bei Kunden die Profilierungs- zu Basisvorteilen verschieben, besteht die Hoffnung, dass die Zukunfts- zu Profilierungsvorteilen werden. Die Kundenprozesse detailliert erfassen Manche Führungskräfte gehen immer noch davon aus, dass Kunden vor dem Kaufentscheid alle sachlichen und emotionalen Vorteile und Nachteile für Angebote explizit oder auch intuitiv abwägen und dann im Markt den besten Saldo wählen. Kundenvorteile sind aber nicht statisch. Zum Kauf legen Kunden einen langen Weg zurück, selbst für einfachere Leistungen sind 40 oder 50 Zwischenschritte verbreitet. Auf diesem Weg verschieben sich die Gewichte der Vorteile laufend. Zudem werden diese Kundenprozesse im heutigen Geschehen der Märkte häufig verlängert, verschoben, unterbrochen oder abgebrochen. Jeder Mensch verfolgt viele Interessen und Kaufprozesse parallel. Deshalb wird der Kundenprozess der Gegenstand von Marketing und Vertrieb. Der Weg zum Kauf wird wichtiger, als Vor- und Nachteile der Leistung oder eines Un- Zusammenfassung Unternehmen orientieren sich nach Produkten, Ländern, Funktionen und Kunden. Das Gewicht dieser Dimensionen bestimmt die Kundenorientierung. Unternehmen werden schrittweise die Kundenorientierung stärker gestalten. Von segmentorientierter Kommunikation bis zu einer gezielten Wertschöpfung für Kundengruppen und Großkunden ist der Weg anspruchsvoll. Es gilt, konkrete Vorteile für Kunden umzusetzen und Kunden wirksam zum Kauf zu führen. Strukturell gehört die Zukunft der Kundenorganisation. Sales Management Review 1 2015 47

Kerngedanke 3 Im Kaufprozess verändern sich die Ansprüche des Kunden erheblich. Den Kunden zum Kauf zu führen wird oft wichtiger als das Kaufobjekt. ternehmens, die von den Wettbewerbern ähnlich realisiert werden. Es ist für Kunden mühsam, sich zu bewegen. Deshalb gilt es, den Weg zu erleichtern und gezielt anzustoßen. Unternehmen sind kundennah, wenn sie sich mit den realen Kundenprozessen auseinandersetzen, sie detailliert erfassen, an den Stellhebeln für weitergeführte oder abgebrochene Prozesse mit geschickten Maßnahmen von Marketing und Vertrieb ansetzen. Das Vorgehen ist konsequent bottom-up. Kundennähe geschieht dort, wo Kunden sich bewegen, nicht im Schonraum von Konferenzräumen und Büros, wo sich Führungskräfte kundenorientierte Slogans, wirksame Positionierungen oder neue Argumente und Unique Selling Propositions ausdenken. Kundenorientierung lässt sich steigern Kundenorientierung lässt sich kommunizieren. Kundenorientierung lässt sich durch Servicequalität und ein kundennahes Verhalten der Mitarbeiter steigern. Schließlich ist es möglich, die Wertschöpfung für angestrebte Kunden gezielt zu steigern. Abbildung 2 zeigt die Stufen der Eingriffe und eine plausible Unternehmensentwicklung im Zeitablauf. Mit der zunehmenden Eingriffstiefe zur Kundenorientierung, strukturieren sich auch Unternehmen neu. Am konsequentesten ist die Kundenorganisation, die maßgebliche Teile der Wertschöpfung nach Kundengruppen bis zu Key Accounts ausrichtet. Abb. 2 Eingriffstiefe Kundenorientierung Eingriffstiefe spezifische Leistung und Wertschöpfung für Kunden: differenzierte Lösungen für Kunden, Wahlmöglichkeit der Kunden aus Interaktionsmodellen, Value Selling, Kundenerlebnis Kundenorganisation Servicequalität und Brand behavior: dem Kunden zuhören, schneller/ besserer/ innovativer Service, markenspezifisches Verhalten der Mitarbeiter, Beratung im Verkauf, One Voice to the Customer Key Account Management, teilweise segmentorientierter Verkauf kundenorientierte Kommunikation: Kundenwelt, Kundentestimonials, Kundenorientierung in der Marke, differenzierte Kommunikation für Segmente, kundenorientierter Verkauf Sparten- Organisation und funktionenorientierte Spezialisierung Zeit Quelle: eigene Darstellung 48 Sales Management Review 1 2015

Kundenorientierung Schwerpunkt Zu viele Initiativen von Unternehmen, um sich mehr am Kunden zu orientieren, sind nur oberflächlich. Die Schnittstelle zum Kunden soll für standardisierte Leistungen optimiert werden. Gleichzeitig handelt es sich meistens um flächendeckende Ansätze, beispielsweise sollen sich Personen mit Kundenkontakt gegenüber jedem Kunden freundlich, aufmerksam, motiviert oder zuverlässig verhalten. Diese Ansätze sind wichtig. Unternehmen sind aber erst dann kundenorientiert, wenn ihre Leistungen die Kundenbedürfnisse treffen, wenn das Unternehmen die richtigen Werte für den Kunden schöpft. Kundenorientierung bewegt sich zwischen rigoroser Kostensenkung und Individualisierung für Kunden. Top-down entwickelten sich manche Unternehmen vom generellen Angebot zu differenzierten Leistungen für Segmente und Zielgruppen. Die Segmentierungen funktionieren aber meistens schlechter als erwartet. Denn Kunden kaufen kaum gleichförmig ein, der gleiche Kunde braucht einmal umfassende Unterstützung und intensives Know-how der Lieferanten und beim nächsten Mal kauft er schlanke Leistungen sehr preisorientiert. Deshalb sind Unternehmen gefordert, mit den Kunden verschiedene Formen der Zusammenarbeit wirtschaftlich zu beherrschen, mindestens wenn sie wachsen und den Markt umfassender bedienen wollen. Es ist die Kernaufgabe des Vertriebs, die unternehmerische Leistungsfähigkeit in die Interaktion, den Prozess mit Kunden zu bringen. Auf beteiligte Menschen im Kundenunternehmen einzugehen, heißt aber noch lange nicht, die besondere Konstellation des Kunden mit Strategien, Beschaffungsvorgehen, internen Entscheidungsprozessen und so weiter zu beherzigen. Dieser Anspruch ist hoch. Fazit Grundsätzliche Erkenntnisse sind: Kundenorientierung steht in Spannung zu weiteren Ausrichtungen eines Anbieters, wie Controlling, Technik und Produkte, Kanäle und Instrumente, Regionen und Länder. Auch stellen Aktionäre und Kunden (sowie weitere Anspruchsgruppen des Unternehmens) verschiedene Ansprüche. Es gilt, neue Gewichte zu setzen und das Zusammenspiel zu klären. Kundenorientierung wird aber für den Erfolg der Anbieter zunehmend wichtig. Die große Herausforderung ist es, dieses Kräftespiel der Ausrichtungen in der Richtung des Kunden zu verschieben. Unternehmen betreiben zumutbares Marketing, also nur so viel Marketing wie nötig. Kunden beanspruchen je nach Situation verschiedene Leistungen und fordern differenzierte Unterstützung. Dem Kunden zu entsprechen, bedeutet selektiv und differenziert vorzugehen. Segmentierungen füh- Handlungsempfehlungen Bestimmen Sie die prägenden Dimensionen, um Unternehmen, Marketing und Vertrieb auszurichten. Im Spannungsfeld stehen Leistungen, Länder, Funktionen und Kunden. Realisieren Sie Vorteile für attraktive Kunden von der Strategie bis zum konkreten Verkaufsgespräch. Orientieren Sie Marketing und Vertrieb konsequent an konkreten Kaufprozessen der Kunden. Sales Funnels sind nur konzeptionell und zu grob. Entwickeln Sie Ihr Unternehmen zu kundenorientierter Wertschöpfung und zur Kundenorganisation. Sales Management Review 1 2015 49

Kerngedanke 4 Über Customer Centricity zu kommunizieren, ist nicht genug. Es braucht eine kundenbezogene Wertschöpfung. ren hier oft zu wenig weit. Spielräume: Kundenorientierung bewegt sich zwischen rigoroser Kostensenkung und Individualisierung für Kunden; Angebote müssen punktgenau sein (kein Ballast und keine unnötige Komplexität) Echte Kundenorientierung erfordert es, die Werte des Unternehmens kundennah zu schöpfen. Kundenvorteile und -prozesse sind der wichtige Zugang. Oberflächliche Bekenntnisse zum Kunden oder breite Ansätze der Servicequalität greifen zu kurz. Leicht lässt sich die Kundenorientierung fordern oder akzeptieren. Das ist doch selbstverständlich. Nur folgt die Herausforderung danach, wenn es gilt, mit Spannungsfeldern im Unternehmen umzugehen. Literatur Belz, Ch. (2013): Marketing gegen den Strom, 2.A., Stuttgart Belz, Ch./Bieger, T. et al. (2011): Customer Value; 3. Auflage, Landsberg am Lech Belz, Ch./Seghezzi, H.D. (1990): Qualitätsmanagement für Dienstleistungen und Services, in: Hauser, H./ Haller, M. et al. (Hrsg.) (1990): Band zur wissenschaftlichen Tagung zur Eröffnung des Bibliothekbaus, St. Gallen, SD. 131-178 Elfroth, A./Neckermann, S./Zupancic, D. (2006): Kundenzufriedenheit Ein Konzept zur Messung und Verbesserung im Business-to-Business-Geschäft, Düsseldorf Keiningham, T. et al. (2014): The High Price of Customer Satisfaction, in: MIT Sloan Management Review(http://sloanreview.mit.edu/article) Reinecke, S. et al (1998): Total Customer Care, St. Gallen/Wien Rudolph, T. (1997): Profilieren mit Methode, Frankfurt/New York Rutschmann, M./Belz, Ch. (2014): Reales Marketing, Stuttgart Villiger, A./Herhausen, D./Schögel, M. (2013): Customer Centricity bei der Graubündner Kantonalbank : Kundenorientierung als Veränderungsprogramm. In: Marketing Review St. Gallen 30), Nr. 5, S. 22-35. Weinhold, H. (1968): Marketing in 12 Lektionen: Heerbrugg: Verkauf und Marketing. a Zusätzlicher Verlagsservice für Abonnenten von Springer für Professionals Vertrieb Zum Thema Kundenorientierung Suche finden Sie unter www.springerprofessional.de 439 Beiträge im Fachbereich Vertrieb Stand: Januar 2015 Medium Online-Artikel (31) Kompakt-Dossier (1) Interview (2) Zeitschriftenartikel (125) Buchkapitel (279) Sprache Deutsch (439) Von der Verlagsredaktion empfohlen Mescheder, B./Sallach, C.: Kundenbeziehungen und Wissen, in: Mescheder, B./Sallach, C.: Wettbewerbsvorteile durch Wissen, Wiesbaden 2012, S. 23-38, www.springerprofessional.de/3027836 Böttcher, G.: Kundenorientierung wird in schlechten Zeiten nicht gelebt (Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Christian Homburg), in: Springer für Professionals, Wiesbaden 2012, www.springerprofessional.de/3024994 50 Sales Management Review 1 2015