Die Ausbildung des Reiters 04-04-2013 18:16 Die 3. Säule des Equus -Trainingskonzeptes: Die Reiterausbildung Training des Reiters
Die Ausbildung und das Training von ReiterInnen und Pferden ist ein sehr komplexes Geschehen. Wer dabei erfolgreich sein will und auch auf ein hohes Niveau kommen möchte, braucht eine Vielzahl von Kenntnissen und Fähigkeiten. Die Grundlagen der Trainingslehre, die Biomechanik von Mensch und Pferd, das Wissen über Bewegungsabläufe beim Reiten, die Grundlagen der Pädagogik und Didaktik bis hin zu der Entwicklung einer
korrekten Beziehung zwischen den Trainingspartnern "Mensch & Pferd" sind die wichtigsten daraus. Wenn wir uns mit komplexen Aufgaben beschäftigen, ist es nicht immer leicht, die Übersicht zu bewahren. Deshalb habe ich in meinem Trainingskonzept Equus eine klare Dreiteilung gewählt:
1) Beziehungstraining 2) Ausbildung des Pferdes
3) Ausbildung des Reiters Diese einfache Struktur soll uns helfen, die Übersicht zu bewahren. Wenn z.b. eine Übung nicht gelingt, kann man
sich folgende Fragen stellen: "Woran liegt es, dass es momentan nicht klappt? Sind es Verständigungsschwierigkeiten zwischen Mensch & Pferd? Liegt es an einem falschen Bewegungsablauf des Reiters? Oder sind es muskuläre Defizite oder fehlende
Balance beim Pferd?..." Wenn man weiß, wohin man den Fokus legt, findet man leichter passende Lösungen. Je nach Ausbildungsstand und Situation gibt es natürlich unterschiedliche Prioritäten in der Ausbildung von Mensch & Pferd. In den vorangegangenen Artikeln habe ich Informationen und Gedankenanstösse zu den Themen
1) und 2) gegeben. In diesem Artikel möchte ich ihnen einige Aspekte über die Ausbildung und das Training des Reiters (im Folgenden ist immer auch die Reiterin gemeint) nahebringen.
Welche Fähigkeiten braucht der Reiter? Wenn man die Frage stellt, "Welche Fähigkeiten braucht ein guter Reiter?" hört man meistens folgende Dinge:
"Einen guten Sitz, Balance und ruhige Hände". Manchmal werden auch Eigenschaften wie Disziplin, Geduld oder Einfühlungsvermögen genannt. Das ist alles richtig - aber noch nicht genug.
Was oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass jeder Reiter eigentlich auch ein guter Pferdetrainer sein sollte. In jedem Moment des Zusammenseins beeinflusst und erzieht der Mensch das Pferd. Zum Thema "Körpersprache und Beziehungstraining" habe ich bereits im ersten Teil geschrieben und möchte daher nicht mehr darauf eingehen. Ab dem Moment wo der Mensch aufs Pferd steigt, trainiert er es natürlich auch. Ob das Pferd beim Aufsteigen ruhig
stehen bleibt, ob bereits im Schritt mit effektiver Gymnastik gearbeitet wird, welche Übungen im Trab gemacht werden u.a.m. - all das sind Fragen, die der Reiter zu entscheiden hat und wofür er Wissen braucht. Deshalb möchte ich die Fähigkeiten, die ein guter Reiter (= Pferdetrainer) braucht, beschreiben.
Sitz und Haltung Zu den Basisfähigkeiten des Reiters zählen der Sitz und die Haltung am Pferd. Das "Mitgehen" mit der Bewegung
des Pferdes in den unterschiedlichen Gangarten zu erlernen, sowohl ausgesessen und auch in entlastender Position, ist ein wichtiges Ziel zu Beginn der Reiterausbildung. Dafür sind ein gewisses Maß an Kraftausdauer in den Beinen und der Rumpfmuskulatur und die nötige Beweglichkeit vor allem in den Hüftgelenken und der Wirbelsäule erforderlich. Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit sind motorische Grundeigenschaften, die man - auch ohne am Pferd zu sitzen - verbessern kann. Außerdem braucht der Reiter für einen guten Sitz Balance und die
Wahrnehmung für den eigenen Körper. Damit kommen wir bereits zu den koordinativen Fähigkeiten. Koordinative Fähigkeiten
Die Koordination ist eigentlich die wichtigste Komponente beim Reitsport. Man könnte zur Koordination auch sagen, "das differenzierte Steuern von unterschiedlichen Bewegungen, die zum richtigen Zeitpunkt erfolgen müssen". Je komplexer die Bewegungen sind, um so wichtiger wird diese Fähigkeit.
Beim Reiten ist es so, dass wir mit unseren Händen, Beinen und unserem Gewicht dem Pferd Signale geben, d.h. mit ihm kommunizieren. Somit ist das unabhängige Bewegen von Armen, Händen, Fingern und Beinen - ohne dass das Becken dabei blockiert - eine entscheidende Fähigkeit. Diese hat nichts mit Kraft zu tun. Wer gut koordiniert ist, hat ein trainiertes (Bewegungs-)Gehirn. Besonders das Kleinhirn als "Speicher von Bewegungsprogrammen" ist dafür zuständig und vergrößert durch Training sein Potential.
Der Reiter, der bereits "Sitzen" gelernt hat, muss daher anschließend lernen, mit seinen Händen und Beinen gezielte Signale (Hilfen) ans Pferd zu geben, ohne dabei seine Grundhaltung/-bewegung zu verlieren.
Vor allem die Hände müssen speziell geschult werden. Sie wirken indirekt auf das empfindlichen Pferdemaul. Sie können entweder eine klare Kommunikation mit dem Pferd erwirken oder zu einem ständigen "Störfaktor" für das Pferd werden. Mit Schulung der Hände meine ich, dass der Reiter in der Lage sein muss, die Hände im Verhältnis zum Pferdemaul ruhig zu haben (das ist etwas anderes, als ruhig im Verhältnis zum Widerrist!). Es bedeutet aber auch, dass er imstande sein muss, gezielte Bewegungen der Hände (die richtige Bewegung zum richtigen
Zeitpunkt) auszuführen, um den Pferdekopf zu positionieren. Das dogmatische Tief- und Stillhalten der Hände, wie es häufig zu sehen ist, ist kein Zeichen von gutem Reiten sondern entspricht eher einer "Schablone", die nicht in der Lage ist, auf Veränderungen der Pferdehaltung zu reagieren. Wenn dann noch Hilfszügel verwendet werden, um das Pferd (eigentlich seinen Kopf und Hals) in eine bestimmte "Position" zu zwingen, ist das ein Eingeständnis von Unfähigkeit.
Auch das Erlernen der Schenkelhilfen hat viel mit Koordination zu tun. Zuerst muss der Reiter lernen, die Beine entspannt und ruhig am Pferdeleib anliegen zu lassen. Wer hingegen schon als Anfänger gelernt hat, ständig mit den Beinen zu "klopfen", wird nie zu fein dosierten Schenkelhilfen kommen. Bei manchen Reitern hat man leider den Eindruck, dass die Schenkelhilfen eher in die "Kraftsportabteilung" gehören. Wer sein Pferd darauf trainieren
möchte, auf feine (Schenkel-)Hilfen zu reagieren, muss sich daher Gedanken machen, wie er eine Abstumpfung vermeiden oder wieder reduzieren kann. Dazu ist der sparsame Einsatz der Unterschenkel (nur als Signal z.b. bei Änderungen der Gangart) und das Wissen um die sinnvolle Verwendung der Reitgerte nötig.
Zu den koordinativen Fähigkeiten wird auch noch die Rhythmusfähigkeit gezählt. Das bedeutet, dass man die eigene Körperbewegung an den Rhythmus des Pferdes anpassen kann (z. B. beim Leichttraben). Später kann es auch bedeuten, den Rhythmus des Pferdes mit der eigenen Bewegung verändern zu können.
Sowohl für den guten Sitz als auch für die Koordination von unterschiedlichen (Arm-/Bein-) Bewegungen ist die Körperwahrnehmung entscheidend. Nur wer spüren kann, wie er sich momentan hält oder bewegt, hat die Möglichkeit, etwas zu verändern. Die eigene Wahrnehmung sollte durch regelmäßiges Feedback von außen überprüft werden. Dafür ist qualitativer Unterricht am besten geeignet. Erfahrene Reiter können auch Videoaufnahmen für Feedback benutzen.
Nicht nur die Wahrnehmung des eigenen Körpers sondern auch die Wahrnehmung des Pferdes (Bewegung, Rhythmus, Aktivität, Balance) ist eine notwendige Eigenschaft eines guten Reiters. Wer spüren kann, wie sich der Partner unter ihm bewegt und wie die momentane Balance ist, ist der bessere Reiter und Pferdetrainer.
In Summe wird klar, dass jede Art von fortgeschrittenem Reiten (damit meine ich, wenn das Pferd nicht nur als Transportmittel verwendet wird) ein koordinativ anspruchsvolles Geschehen darstellt, das "Kraftakte" weitgehend überflüssig macht.
Das Wissen - Kognitive Fähigkeiten Neben den sportmotorischen Grundeigenschaften mit der besonderen Betonung der Koordination brauchen wir
auch Fachwissen, wenn wir Pferde reiten (= trainieren) wollen. Je genauer mein Plan ist, wie ich ein Ziel erreiche, um so größer ist die Chance, dieses Ziel auch zu erreichen.
Das bedeutet für den Reiter, er sollte sich zumindest Grundwissen in Trainingslehre und Funktioneller Anatomie aneignen. Wenn man ein Pferd trainieren möchte, muss man sich z.b. Gedanken über die natürliche Schiefe des Pferdes
machen (siehe dazu den letzten Artikel). Man sollte wissen, welche Übungen man wann anwendet und auch erkennen können, ob diese Vorgangsweise zu einer Verbesserung führt. Hier sind wir thematisch mitten in der "Trainingssteuerung".
Vielleicht fragen sich jetzt manche LeserInnen, woher kriege ich dieses Wissen? Die Frage ist berechtigt. Meine Erfahrung ist, dass ich meinen SchülerInnen neben der praktischen Unterweisung immer auch den Sinn der einzelnen Lektionen erkläre. So lernen die Schüler nicht "nur" reiten, sondern nebenbei
auch Trainingslehre und Bewegungslehre und sind nach einiger Zeit in der Lage, selber ihre Pferde sinnvoll zu trainieren. Daher sollten gute TrainerInnen (jetzt meine ich die, die auch andere Reiter und deren Pferde trainieren) ihren
Unterricht so gestalten, dass die Schüler fachspezifisch informiert werden. Ich weiß, dass das leider noch die Ausnahme ist.
Zusammenfassung Ich habe die Ausbildung der Reiter aus einer komplexen Sicht der erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse skizziert. Die Beschreibung ist jedoch nicht vollständig.
Ein weiteres wichtiges Thema im Reitsport sind Emotionen und der Umgang damit. Es gibt kaum einen anderen Sport, wo sich so viele Gefühle äußern, wie hier. Sei es die anfängliche Unsicherheit oder Angst vor dem "unbekannten Lebewesen" oder einer speziellen Übung. Aber auch Gefühle wie Ärger und Frust wenn etwas nicht klappt, kommen vor. Natürlich entstehen auch Glücksgefühle und Vertrautheit, wenn Harmonie zwischen Mensch
& Pferd vorherrscht. Alle diese Gefühle sind mächtige Einflussfaktoren zwischen den beiden Partnern, die den Trainingsfortschritt prägen. Darüber möchte ich ein anderes Mal schreiben. Wenn Sie mehr zum Thema "Ausbildung des Reiters" lernen und vor allem in der Praxis erleben wollen, so freue
ich mich auf ein Kennen lernen in einem meiner Seminare. Termine finden Sie in meiner Homepage und auf Anfrage. Mag. Franz Bachofner März 2013
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