Der erste Eindruck im Nahverkehr: Intuitive Personenwahrnehmung in Bus und Bahn

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Transkript:

9. Deutscher Nahverkehrstag Trier, 29.03.2012 Der erste Eindruck im Nahverkehr: Intuitive Personenwahrnehmung in Bus und Bahn Dr. habil. Lars Penke University of Edinburgh

Der öffentliche Personennahverkehr: Zeit mit anderen auf engem Raum

Persönlicher Raum Öffentlicher Raum: > 3 m Höflicher Abstand zu Fremden Sozialer Raum: 1 3 m Interaktion mit Fremden Persönlicher Raum: 0,5 1 m Gesprächsdistanz mit vertrauten Personen Intimer Raum: < 0,5 m (~ Armreichweite) Reserviert für Famile, romantische Partner, enge Freunde und Haustiere

Geringer persönlicher Raum ist unangenehm Evans & Wener (2007, Journal of Environmental Psychology): Insbesondere der Platz in der Mitte senkt die Stimmung, erzeigt Stress (Kortisolanstieg) und reduziert die Leistungsfähigkeit

Umgang mit geringem persönlichen Raum Anpassung: Anpassung: Ablenkung Normen: Wahrnehmung anderer als unbelebte Objekte Gespräch beginnen zur Entfremdung Vermeidung von Blicken, Lautstärke, Berührung, Anniesen / -atmen etc.

Normverletzungen

Wahrgenommene Ähnlichkeit schafft Sympathie

Zeit mit anderen auf engem Raum: Positive Aspekte Neue Gesprächspartner treffen Chance zum Beobachten von Menschen

Die Vielfalt der Menschen

Das Fünf-Faktorenmodell der Persönlichkeit Extraversion: Gesprächsfreudigkeit, positive Stimmung, Dominanz Gewissenhaftigkeit: Zuverlässigkeit

Das Fünf-Faktorenmodell der Persönlichkeit Neurotizismus (emotionale Stabilität): Negative Stimmung, Empfindlichkeit, Schüchternheit Offenheit für Erfahrung: Unvoreingenommenheit, breite Interessen, Kreativität

Das Fünf-Faktorenmodell der Persönlichkeit Verträglichkeit: Unterstützung, Vertrauenswürdigkeit

Vertrauenswürdigkeit

Personenwahrnehumung ist ein schwieriges Unterfangen Akkuratheit Hinweis 1 Selbsteinschätzung Validität Hinweis 2 Hinweis 3 Hinweis 4 Inferenz Beobachtereinschätzung Stufen: Relevanz Entdeckung Verfügbarkeit Verwendung

Personenwahrnehmung Hohe Übereinstimmung von Selbstund Beobachtereinschätzungen Verändert sich überraschend wenig mit zunehmender Bekanntschaft Ankereffekte : Der erste Eindruck bleibt hängen Nullbekantschaftsforschung: Einschätzungen bereits möglich auf Basis von: Verhaltensausschnitten von wenigen Sekunden Gesprächsfetzen (z.b. Wortschatz) Verhaltensresiduen (z.b. Zustand des Sitzplatzes)

Stereotypen Grobe Kategorien, enthalten oft aber einen wahren Kern Deuten in die richtige Richtung, verschleiern aber Unterschiede innerhalb von Gruppen

Attraktivität Attraktive Menschen werden deutlich positiver wahrgenommen und besser behandelt Aber auch hier ein (geringer) wahrer Kern: Sie sind etwas intelligenter, extravertierter, aber unsozialer

Persönlichkeiten als unsere adpative Landschaft Andere Menschen waren immer ein wichtiger Teil unserer Umwelt Personenwahrnehmung als evolvierte Anpassung ans Gruppenleben

Männer, Frauen und Hormone

Gibt es Liebe auf den ersten Blick? Wichtige Unterscheidungen: 1. Attraktion 2. Verliebtheit 3. tiefe Liebe (Bindung) Chance auf Beziehung nach 11 3-min. Speed Dates : 4,4% (auf sexuellen Kontakt: 5,8%)

Schlussfolgerung Nahverkehrs aus psychologischer Perspektive: Zeit mit fremden Personen auf engem Raum Normen und Anpassungen helfen gegen Stress durch geringen persönlichen Raum Chance für Gespräche und Beobachtungen Wahrnehmung von Extraversion, Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität, Offenheit für Erfahrung und Verträglichkeit Der erste Eindruck ist erstaunlich akkurat Verlieben auf den ersten Blick ist möglich

Literaturempfehlung Sam Gosling (2008): Snoop: What Your Stuff Says About You. Basic Books.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! lars.penke@ed.ac.uk www.larspenke.eu