Die Leitlinien der EU-Kommission zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag

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Transkript:

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Wiesbaden, 17.01.2005 Verkehr und Landesentwicklung - Landeskartellbehörde Die Leitlinien der EU-Kommission zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag 1. EINLEITUNG Das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG gilt nach dessen Abs. 3 nicht für Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen sowie für Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die - unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn - zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen - ohne dass den beteiligten Unternehmen a) Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder b) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. Der Inhalt dieser Vorschrift wird voraussichtlich nahezu wörtlich in die neue Freistellungsvorschrift des 2 Abs. 1 GWB übernommen; beide gelten auch für vertikale Vereinbarungen. Die Leitlinien der EU-Kommission zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG (ABl. C 101 vom 27.04.2004 S. 97) sind also künftig auch für die Anwendung des nationalen Rechts von Bedeutung. Ihr wesentlicher Inhalt soll stark komprimiert im Folgenden wiedergegeben werden. Um den Einstieg in den Original-Text zu erleichtern, sind in der Regel die Teilziffern (= Tz.) der Leitlinien zitiert. 2. DER ALLGEMEINE RAHMEN VON ART. 81 EG-VERTRAG Die europäischen Gerichte haben Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen als Begriffe des Gemeinschaftsrechts definiert, mittels derer eine Unterscheidung getroffen werden kann zwischen dem einseitigen Verhalten eines Unternehmens und der Abstimmung des Verhaltens oder dem kollusiven Zusammenspiel zwischen Unternehmen. Nach europäischem Wettbewerbsrecht unterliegt einseitiges Verhalten nur Art. 82 EG (Tz. 14). Nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1/2003 dürfen derartige Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen, die nicht unter das Verbot von Art. 81 Abs. 1 fallen, nach nationalem Recht nicht untersagt werden. - 2 -

- 2 - Abgestimmte Verhaltensweisen fallen in den Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 1 EG, wenn mindestens 1 Unternehmen sich gegenüber einem anderen zu einem bestimmten Marktverhalten verpflichtet, oder wenn infolge von Kontakten zwischen Unternehmen die Ungewissheit über ihr Marktverhalten beseitigt bzw. zumindest erheblich verringert wird. Es ist nicht notwendig, dass die Abstimmung im Interesse aller beteiligten Unternehmen liegt; sie kann auch stillschweigend erfolgen (Tz. 15). Wenn nachgewiesen ist, dass eine Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, müssen keine tatsächlichen wettbewerbswidrigen Wirkungen nachgewiesen werden (Tz. 20). (Es folgen weitere Ausführungen zu den Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 1. Insoweit erscheinen jedoch wichtiger die Leitlinien für vertikale Beschränkungen (ABl. C 291 vom 13.10.2000 S. 1) sowie die Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. C 3 vom 06.01.2001 S. 2). 3. ANWENDUNG DER 4 VORAUSSETZUNGEN VON ART. 81 ABS. 3 3. 1 Allgemeine Grundsätze Nach ständiger Rechtsprechung müssen alle 4 Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 kumulativ erfüllt sein, damit diese Ausnahmeregelung anwendbar wird. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Vereinbarung gemäß Abs. 2 nichtig (Tz. 41, 42). Bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 3 müssen die verlorenen Erstinvestitionen (sunk investment) der Parteien berücksichtigt werden, ebenso der Zeitraum und die Wettbewerbsbeschränkungen, die erforderlich sind, um eine leistungssteigernde Investition vornehmen und die Kosten amortisieren zu können. Das Risiko, vor dem die Parteien stehen, und die verlorenen Investitionen, die zur Durchführung der Vereinbarung vorgenommen werden müssen, können somit bewirken, dass die Vereinbarung nicht unter Art. 81 Abs. 1 fällt, bzw. die Voraussetzung von Abs. 3 für den Zeitraum erfüllt, der erforderlich ist, um die Investitionskosten zu amortisieren (Tz. 44). Grundsätzlich können alle beschränkenden Vereinbarungen die 4 in Abs. 3 genannten Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllen. Bei schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen ist dies jedoch unwahrscheinlich. Solche Einschränkungen erscheinen normalerweise auf der schwarzen Liste von Gruppenfreistellungsverordnungen oder werden in den Leitlinien und Bekanntmachungen der Kommission als Kernbeschränkungen eingestuft; sie schaffen in der Regel weder objektive wirtschaftliche Vorteile, noch bringen sie den Verbrauchern Vorteile (Tz. 46). - 3 -

- 3-3.2 Erste Voraussetzung des Art. 81 Abs. 3: Effizienzgewinne Nach der ersten Voraussetzung von Art. 81 Abs. 3 muss die beschränkende Vereinbarung zur Verbesserung der Warenerzeugung oder verteilung bzw. zur Förderung des technischen o- der wirtschaftlichen Fortschritts beitragen. Die Bestimmung bezieht sich ausdrücklich nur auf Waren, gilt jedoch analog auch für Dienstleistungen (Tz. 48). Zweck der ersten Voraussetzung ist die Festlegung der Arten von Effizienzgewinnen, die berücksichtigt werden und den Anforderungen der 2. und 3. Voraussetzung unterworfen werden können (Tz. 50). Sämtlich geltend gemachten Effizienzgewinne müssen substantiiert werden, um Folgendes nachprüfen zu können: a) die Art der geltend gemachten Effizienzgewinne; b) die Verknüpfung zwischen der Vereinbarung und den Effizienzgewinnen; c) die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß jedes geltend gemachten Effizienzgewinns; d) wie und wann jeder geltend gemachte Effizienzgewinn erreicht wird. Gemäß Buchstabe a) ist zu überprüfen, ob die geltend gemachten Effizienzgewinne objektiver Art sind; denn nur solche können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Berücksichtigung finden. Dies bedeutet, dass die Effizienzgewinne nicht vom subjektiven Standpunkt der Parteien aus beurteilt werden dürfen. Kosteneinsparungen infolge der bloßen Ausübung von Marktmacht der Parteien können keine Berücksichtigung finden. Wenn Unternehmen z. B. Preise absprechen oder Märkte aufteilen, verringern sie die Produktion und damit die Produktionskosten. Dies hat jedoch im Markt keinerlei wettbewerbsfördernde Wirkungen (Tz. 49). Gemäß Buchstabe b) ist zu überprüfen, ob es einen hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung und den behaupteten Effizienzgewinnen gibt. Dies setzt in der Regel voraus, dass sich die Effizienzgewinne aus der Wirtschaftstätigkeit ergeben, die Gegenstand der Vereinbarung ist. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich z. B. um den Vertrieb, die Lizenzierung bestimmter Technologien, die gemeinsame Produktion oder gemeinsame Forschung und Entwicklung. Bei dem Kausalzusammenhang zwischen Vereinbarungen und den behaupteten Effizienzgewinnen muss es sich in der Regel um einen direkten Zusammenhang handeln; er besteht z. B., wenn eine Vereinbarung über den Technologietransfer den Lizenznehmer in die Lage versetzt, neue oder verbesserte Produkte herzustellen, oder eine Vertriebsvereinbarung zu niedrigeren Vertriebskosten oder zur Erbringung einer wertvollen Dienstleistung führt. Gemäß den Buchstaben c) und d) ist der Wert der behaupteten Effizienzgewinne zu ermitteln, die bei der Prüfung der 3. Voraussetzung von Art. 81 Abs. 3 die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Vereinbarung aufwiegen müssen (Tz. 55). Wenn Kosteneinsparungen geltend gemacht werden, muss zur Anwendung von Abs. 3 der Wert der Einsparungen so genau wie möglich berechnet oder geschätzt und eingehend beschrieben werden, wie der Betrag berechnet wurde. Ferner ist anzugeben, nach welchen Verfahren die Effizienzgewinne erzielt wurden oder erzielt werden sollen. - 4 -

- 4 - Im Allgemeinen werden Effizienzgewinne durch eine Integration der wirtschaftlichen Tätigkeiten erzielt, indem Unternehmen ihre Vermögenswerte zusammenlegen, um zu erreichen, was sie allein nicht ebenso effizient verwirklichen könnten, oder indem sie einem anderen Unternehmen Aufgaben übertragen, die von diesem effizienter erbracht werden können. Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb können als eine Wertschöpfungskette angesehen werden, die in mehrere Stufen unterteilt werden kann. Auf jeder Stufe dieser Kette muss ein Unternehmen entscheiden, ob es die Tätigkeiten selbst oder in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen durchführt bzw. die Tätigkeit vollständig ausgliedert und anderen Unternehmen überträgt. Wenn man sich für die Zusammenarbeit mit einem anderen Unternehmen entscheidet, muss in der Regel eine Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 geschlossen werden. Hierbei kann es sich um vertikale Vereinbarungen handeln, wenn die Vertragsparteien auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette tätig sind, oder um horizontale Vereinbarungen, wenn die Vertragsparteien auf derselben Stufe der Wertschöpfungskette tätig sind (Tz. 60 bis 62). Da sich die unterschiedlichen Formen der Effizienzgewinne häufig überschneiden, unterscheiden die Leitlinien lediglich zwischen Kosteneinsparungen und qualitativen Effizienzgewinnen. Eine sehr wichtige Quelle von Kosteneinsparungen ist die Entwicklung neuer Produktionstechniken und verfahren (die Leitlinien nennen als Beispiel die Einführung des Fließbandes bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen, Tz. 64). Die Verbindung zweier sich ergänzender Technologien kann zu Synergieeffekten durch Senkung der Produktionskosten oder zur Herstellung eines qualitativ höherwertigen Produkts führen (Tz. 65). Kosteneinsparungen können sich auch aus Skalenvorteilen (economies of scale) ergeben, d.h. abnehmende Stückkosten bei steigender Produktion (Beispiel: durch das Zusammenlegen der Betriebslogistik kann die Auslastung von LKWs erhöht und die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge gesenkt werden, Tz. 66). Verbundvorteile (economies of scope) können sich ergeben, wenn Unternehmen, die bisher mit den gleichen Einsatzfaktoren unterschiedliche Produkte herstellen, nun eine Anlage mit demselben Personal zur Herstellung einer Vielzahl von Produkten einsetzen und die andere Anlage still legen. Qualitative Effizienzgewinne bestehen vor allem in technischen und technologischen Fortentwicklungen auf der Basis entsprechender F+E-Vereinbarungen (z.b. Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, Tz. 70). Die Zusammenlegung von Produktionsanlagen kann nicht nur zu Kosteneinsparungen, sondern auch zur Herstellung höherwertiger Produkte führen oder die Markteinführung neuer oder verbesserter Waren in einer kürzeren Frist ermöglichen. Als effizienzsteigernd wurden bereits anerkannt: Kooperationsvereinbarungen im Telekommunikationssektor, weil so neue weltweite Dienste zügiger angeboten werden konnten; Kooperationsvereinbarungen im Bankensektor, mit denen verbesserte Einrichtungen für grenzüberschreitende Zahlungen zustande kamen (Tz. 71). - 5 -

- 5-3.3 Dritte (!) Voraussetzung von Art. 81 Abs. 3: Unerlässlichkeit der Einschränkungen Diese Voraussetzung verlangt eine zweistufige Prüfung: Die Vereinbarung insgesamt muss vernünftigerweise notwendig sein, um die Effizienzgewinne zu erzielen. Außerdem müssen auch die einzelnen sich hieraus ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen vernünftigerweise notwendig sein (Tz. 73). Die entscheidende Frage ist, ob mehr Effizienzgewinne mit der Vereinbarung und der Wettbewerbsbeschränkung als ohne sie erzielt werden (Tz. 74). Es darf also keine andere wirtschaftlich machbare und weniger wettbewerbsbeschränkende Möglichkeit geben, die Effizienzgewinne zu erzielen. Die Unternehmen, die sich auf Art. 81 Abs. 3 berufen, müssen erläutern und belegen, warum realistisch erscheinende und weniger wettbewerbsbeschränkende Alternativen für die Vereinbarung erheblich weniger effizient wären. Die Kommission wird in solchen Fällen einschreiten, in denen hinreichend klar ist, dass es realistische und erreichbare Alternativen gibt (Tz. 75). Es kann notwendig sein zu untersuchen, ob die Parteien die Effizienzgewinne alleine hätten erzielen können. In Fällen, in denen die geltend gemachten Effizienzgewinne durch Kostensenkungen in Folge von Skalenvorteilen oder Verbundvorteilen erfolgen sollen, müssen die Unternehmen erklären und substanziieren, warum diese Gewinne nicht ebenso gut durch internes Wachstum und Preiswettbewerb verwirklicht werden könnten. Eine Wettbewerbsbeschränkung ist unerlässlich, wenn die sich aus der Vereinbarung ergebenden Effizienzgewinne beseitigt oder erheblich geschmälert würden oder die Wahrscheinlichkeit zurückgehen würde, dass sich diese Effizienzgewinne realisieren. Je ausgeprägter die Wettbewerbsbeschränkungen sind, um so strenger fällt die Prüfung nach der dritten Voraussetzung aus. Es ist unwahrscheinlich, dass Beschränkungen, die auf der schwarzen Liste in Gruppenfreistellungsverordnungen erscheinen oder als Kernbeschränkungen in Leitlinien oder Bekanntmachungen eingestuft sind, als unerlässlich angesehen werden (Tz. 79). Die Beurteilung der Unerlässlichkeit erfolgt insbesondere unter Berücksichtigung der Marktstruktur, den mit der Vereinbarung verbundenen wirtschaftlichen Risiken und den Anreizen für die Vertragsparteien. Beispiel: Wenn ein Lieferant eine erhebliche kundenspezifische Investition getätigt hat, um einen Kunden mit einem Betriebsmittel zu beliefern, ist der Lieferant an diesen Kunden gebunden. Um zu verhindern, dass der Kunde daraufhin diese Abhängigkeit ausnutzt, um günstigere Bedingungen zu erlangen, kann es erforderlich werden, die Bedingung aufzuerlegen, dass die vertragsgegenständlichen Teile nicht von Dritten bezogen werden dürfen oder Mindestmengen der Teile beim Lieferanten zu kaufen sind (Tz. 80; weitere Einzelheiten in Tz. 116 der Leitlinien für vertikale Beschränkungen); weitere Beispiel in Tz. 82. - 6 -

- 6-3.4 Zweite (!) Voraussetzung des Art. 81 Abs. 3: Angemessene Beteiligung der Verbraucher Der Begriff Verbraucher umfasst alle Nutzer der Produkte, auf die sich die Vereinbarung bezieht, also auch Unternehmen wie Produzenten, Großhändler oder Einzelhändler sowie natürliche Personen, die außerhalb ihrer Geschäfts- oder Berufstätigkeit handeln. Der Begriff angemessene Beteiligung bedeutet, dass die Weitergabe der Vorteile die tatsächlichen oder voraussichtlichen negativen Auswirkungen mindestens ausgleichen muss, die den Verbrauchern durch die Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 81 Abs. 1 entstehen. Entsprechend dem allgemeinen Ziel des Art. 81, wettbewerbswidrige Vereinbarungen zu verhindern, muss die Nettowirkung einer Vereinbarung aus der Sicht der betroffenen Verbraucher mindestens neutral sein (Tz. 85). Negative Auswirkungen für die Verbraucher auf einem räumlich oder sachlich relevanten Markt können normalerweise nicht von den positiven Auswirkungen auf einem anderen relevanten Markt aufgewogen und kompensiert werden. Wenn jedoch zwei Märkte mit einander verknüpft sind, können auf verschiedenen Märkten erzielte Effizienzgewinne berücksichtigt werden, sofern im Wesentlichen die gleiche Verbrauchergruppe von der Einschränkung betroffen ist wie die jenige, die von den Effizienzgewinnen profitiert (Tz. 43!). Es ist nicht erforderlich, dass die Verbraucher an jedem einzelnen Effizienzgewinn beteiligt werden (Tz. 86). Entscheidend ist das Ausmaß der Auswirkungen auf die Käufer auf dem relevanten Markt, und nicht die Auswirkungen auf Einzelpersonen innerhalb dieser Verbrauchergruppe (Tz. 87). Je größer die nach Art. 81 Abs. 1 festgestellte Wettbewerbsbeschränkung ist, umso bedeutender müssen die Effizienzgewinne und deren Weitergabe an die Verbraucher sein. Dieses abgestufte Konzept beinhaltet, dass es bei relativ begrenzten wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen einer Vereinbarung und erheblichen Effizienzgewinnen wahrscheinlich ist, dass ein angemessener Anteil der Kosteneinsparungen an die Verbraucher weitergegeben wird. In solchen Fällen ist es daher in der Regel nicht erforderlich, eine vertiefte Analyse der zweiten Voraussetzung von Art. 81 Abs. 3 vorzunehmen, sofern die anderen drei Voraussetzungen erfüllt sind (Tz. 90). Hat eine Vereinbarung sowohl erhebliche wettbewerbswidrige als auch erhebliche wettbewerbsfördernde Auswirkungen, ist eine sorgfältige Untersuchung erforderlich. Bei der Abwägungsprüfung ist in solchen Fällen zu berücksichtigen, dass der Wettbewerb langfristig ein wichtiger Motor für die Verwirklichung von Effizienzsteigerungen und Innovationen ist (Tz. 92). Für diese Abwägungsprüfung stellt die Kommission einen analytischen Rahmen zur Verfügung (Tz. 93 ff.). Bei der Beurteilung des Ausmaßes, in dem Kosteneinsparungen voraussichtlich an die Verbraucher weitergegeben werden, und des Ergebnisses der Abwägung sind insbesondere folgende Faktoren zu berücksichtigen: a) Merkmale und Struktur des Marktes, b) Art und Ausmaß der Effizienzgewinne, c) Elastizität der Nachfrage und d) Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung. - 7

- 7 - Das Ausmaß und die Art des verbleibenden Wettbewerbs beeinflussen die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe von Vorteilen. Je größer das verbleibende Ausmaß des Wettbewerbs, umso wahrscheinlicher ist es, dass die einzelnen Unternehmen versuchen werden, ihre Umsätze zu steigern, indem sie ihre Kosteneinsparungen weitergeben. Wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass Wettbewerber auf eine Produktionssteigerung einer oder mehrerer Parteien der Vereinbarung mit einer Vergeltungsmaßnahme reagieren, kann der Anreiz zur Erhöhung der Produktion zurückgehen, es sei denn, der Wettbewerbsvorteil in Folge der Effizienzgewinne stellt für die Unternehmen einen Anreiz dar, von der gemeinsam beschlossenen Marktpolitik der Mitglieder eines Oligopols abzuweichen; die Effizienzgewinne in Folge der Vereinbarung könnten die betreffenden Unternehmen also zu Einzelgängern (mavericks) machen (Tz. 97). Die Produktions- und Preisentscheidungen eines auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Unternehmens hängen nicht von seinen Fixkosten (d. h. den Kosten die sich nicht mit der Produktionsrate verändern), sondern von seinen variablen Kosten (d.h. den Kosten die sich mit der Produktionsquote verändern) ab (Tz. 98). Das Ausmaß, in dem Kosteneinsparungen weitergegeben werden, hängt davon ab, in welchem Maße die Verbraucher auf Preisänderungen reagieren, d.h. von der Elastizität der Nachfrage. Je größer der Anstieg der Nachfrage infolge einer Preissenkung, umso größer ist auch die Quote der Weitergabe. Dies folgt aus der Tatsache, dass mit den zusätzlichen Umsätzen infolge der Preissenkung aufgrund einer Produktionssteigerung die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass diese Umsätze die durch den niedrigeren Preis infolge der Produktionssteigerung verursachten Einnahmeverluste ausgleichen werden (Tz. 99). Es ist wichtig, die beiden gegensätzlichen Kräfte abzuwägen, die sich aus der Wettbewerbsbeschränkung und den Kosteneinsparungen ergeben. Auf der einen Seite schafft die Stärkung der Marktmacht infolge der beschränkenden Vereinbarung für die Unternehmen einen Anreiz, die Preise zu erhöhen. Auf der anderen Seite können die berücksichtigten Kosteneinsparungen die Unternehmen zu einer Preissenkung animieren (Tz. 98, 101). Anderen Arten von Effizienzgewinnen (z.b. qualitative Verbesserungen) ist es schwierig, einen exakten Mehrwert zuzuordnen. Die beteiligten Unternehmen müssen aber zunächst substantiieren, dass die Verbraucher an dem Vorteil angemessen beteiligt sind (Tz. 102, 103). 3.5 Vierte Voraussetzung des Art. 81 Abs. 3: Keine Ausschaltung des Wettbewerbs Mit diesem Merkmal wird letzten Endes dem Schutz des Wettbewerbsprozesses Vorrang eingeräumt vor potentiellen wettbewerbsfördernden Effizienzgewinnen, die sich aus wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen ergeben könnten. Mit der letzten Voraussetzung des Art. 81 Abs. 3 wird die Tatsache anerkannt, dass die Rivalität zwischen Unternehmen eine wesentliche Antriebskraft für die wirtschaftliche Effizienz einschließlich langfristiger dynamischer Effizienzsteigerungen in Form von Innovationen ist. Der Schutz des Wettbewerbsprozesses bleibt das eigentliche Ziel von Art. 81, und zwar nicht nur auf kurze, sondern auch auf lange Sicht (Tz. 105). - 8 -

- 8 - Nach ständiger Rechtsprechung kann die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 nicht die Anwendung von Art. 82 verhindern. Da sowohl Art. 81 als auch Art. 82 das Ziel der Wahrung eines wirksamen Wettbewerbs verfolgen, erfordert der Grundsatz der Kohärenz, Art. 81 Abs. 3 dahingehend auszulegen, dass eine Anwendung dieser Bestimmung auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen ausgeschlossen ist, die den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen. Dies schließt es nicht aus, dass sich z.b. ein marktbeherrschendes Unternehmen an einem Nicht-Voll-Funktions-Gemeinschaftsunternehmen beteiligt, das zwar als wettbewerbsbeschränkend eingestuft wird, aber gleichzeitig die Zusammenlegung erheblicher Vermögenswerte mit sich bringt (Tz. 106). Die Feststellung einer Ausschaltung des Wettbewerbs im Sinne der letzten Voraussetzung von Art. 81 Abs. 3 ist abhängig vom Grad des Wettbewerbs vor Abschluss der Vereinbarung und von den Auswirkungen der beschränkenden Vereinbarung auf den Wettbewerb. Je stärker der Wettbewerb auf dem betreffenden Markt bereits geschwächt ist, umso geringer brauchen die Wettbewerbsbeschränkungen zu sein, die bereits zu einer Ausschaltung des Wettbewerbes im Sinne des Abs. 3 führen. Das Ausmaß der verbleibenden Quellen tatsächlichen Wettbewerbs kann nicht allein anhand von Marktanteilen beurteilt werden. In der Regel sind hierfür umfangreiche qualitative und quantitative Untersuchungen erforderlich. Dabei müssen die Fähigkeit zur wettbewerblichen Reaktion der vorhandenen Wettbewerber und bestehende Anreize, diese auch zu nutzen, geprüft werden (Tz. 109). Das tatsächliche Marktverhalten der Parteien kann Rückschlüsse auf die Auswirkungen der Vereinbarung ermöglichen. Wenn nach Abschluss der Vereinbarung die Parteien erhebliche Preiserhöhungen vorgenommen und beibehalten haben, liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sie keinem echten Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind und der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ausgeschaltet wurde (Tz. 111). Der von verschiedenen Produkten ausgehende Wettbewerbsdruck unterscheidet sich je nach Grad der gegenseitigen Substituierbarkeit. Je mehr Produkte, die Gegenstand der Vereinbarung der Vertragsparteien sind, nahe Substitute sind, umso größer sind die voraussichtlichen wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der Vereinbarung (Tz. 113). Auch die Quellen potentiellen Wettbewerbes sind zu berücksichtigen, was eine Untersuchung der Marktzutrittsschranken erfordert. Die Parteien müssen belegen, warum ggf. diese Schranken niedrig sind und müssen substantiieren, warum von den zu benennenden Quellen potentiellen Wettbewerbs tatsächlich Druck auf die Parteien ausgeht (Tz. 114). In diesem Zusammenhang ist u. a. folgendes zu prüfen: a) der Rechtsrahmen und seine Auswirkungen auf den Eintritt eines neuen Wettbewerbers b) die Marktzutrittskosten einschließlich nicht rückholbarer Kosten (sunk cost), die nicht hereingeholt werden können, wenn der neue Anbieter wieder aus dem Markt ausscheidet; mit der Höhe dieser Kosten nimmt das Geschäftsrisiko für potenzielle Neuzugänger zu. c) die effiziente Mindestgröße in der Branche, d.h. das Produktionsvolumen, bei dem die Durchschnittskosten minimiert werden. Wenn diese Größe im Vergleich zur Marktgröße erheblich ist, wird ein wirksamer Markteintritt wahrscheinlich kostspieliger und risikoreicher. - 9 -

- 9 - d) die Wettbewerbsstärke potenzieller Neuzugänger. Ein effektiver Markteintritt ist insbesondere dann wahrscheinlich, wenn potenzielle neue Anbieter Zugang zu mindestens ebenso kosteneffizienten Technologien haben wie die im Markt etablierten Unternehmen oder wenn sie über andere Vorteile verfügen, die ihnen einen wirksamen Wettbewerb ermöglichen. e) die Stellung der Käufer und ihre Fähigkeit, neuen Wettbewerbsquellen im Markt Raum zu schaffen. Das Vorhandensein mächtiger Abnehmer kann nur dann als Argument gegen die Vermutung einer Ausschaltung des Wettbewerbs dienen, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Käufer den Weg für den Eintritt neuer Wettbewerber ebnen werden. f) die wahrscheinliche Reaktion der im Markt etablierten Unternehmen auf versuchte Markteintritte. Wenn diese z.b. aufgrund ihres bisherigen Marktverhaltens einen aggressiven Ruf haben, kann sich dies auf künftige Marktzugänge auswirken. g) Die wirtschaftlichen Aussichten einer Branche können ein Indikator für ihre langfristige Attraktivität sein. h) umfangreiche Markteintritte in der Vergangenheit oder deren Fehlen. ZUSÄTZLICHE HINWEISE Über die vorstehend zusammengefassten Leitlinien hinaus gibt es an verschiedenen Stellen der Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (2001 /C 3/ 02) weitere spezielle Hinweise für die Anwendung von Artikel 81 Abs.3 EG auf folgende Arten von Vereinbarungen: Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung (Tz. 68-77 einschließlich Beispielen); vergleiche hierzu auch die FuE Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2659/ 2000 (2000 /L 304 /7) Produktionsvereinbarungen einschließlich Spezialisierungsvereinbarungen ( Tz.102-114 einschließlich Beispielen); vergleiche hierzu die Gruppenfreistellungsverordnung über Spezialisierung Nr. 2658/2000 (2000 /L 304 / 3) Einkaufsvereinbarungen (Tz.132-183 einschließlich Beispielen ) Vermarktungsvereinbarungen (Tz. 151-158 einschließlich Beispielen) Vereinbarungen über Normen (Tz.169-178 einschließlich Beispielen) Umweltschutzvereinbarungen (Tz.192-198 einschließlich Beispielen) Für Technologietransfer -Vereinbarungen existieren eine gesonderte Gruppenfreistellungsverordnung (2004 /L123 /11) sowie auch gesonderte Leitlinien (2004/C 101/2; zur Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG außerhalb der TT-GVO vgl. insbesondere Tz. 146 ff.).