eva wagner, enviros marrakches, 2001 (Detail) 2. Österreichischer Aufsichtsratstag WU Wien Interessenskonflikte von Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmen RA Dr Peter Kunz 1. März 2012 Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG 1
Allgemeines Öffentliche Unternehmen stehen in einem beherrschenden Einfluss der öffentlichen Hand (Definition Rechnungshof). Staatseigene Unternehmen sind Unternehmen, in denen der Staat eine beherrschende Stellung hat, sei es als Eigentümer sämtlicher Unternehmensanteile, einer Mehrheitsbeteiligung oder einer Sperrminorität (OECD Leitsätze zu Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen). Öffentliche Unternehmen verfolgen verschiedene Zwecke, zum Beispiel: Produktion eines öffentlichen Gutes (zb Bundestheater GmbH, Bregenzer Festspiele GmbH). Teilnahme an einem Markt mit unbeschränktem Wettbewerb (zb Wien Strom GmbH). Organisation öffentlicher Unternehmen in Rechtsformen des Privatrechts Primäre Rechtsformen: GmbH und Aktiengesellschaft. Gesellschafterstruktur: Sowohl Alleineigentum der öffentlichen Hand, als auch mit Minderheitsoder Mehrheitsgesellschaftern? Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG 2
Allgemeines Beispiele für öffentliche Unternehmen: ÖIAG ( Österreichische Industrieholding AG ): Die ÖIAG ist wiederum an den börsenotierten Gesellschaften OMV AG (31,50%), Telekom AG (28,42%) und Post AG (52,85%) beteiligt. Flughafen Wien AG: Der Flughafen Wien ist eine börsenotierte AG mit 50% der Aktien im Streubesitz. Die restlichen 50% der Anteile gehören zu je 20% den Länder Wien und Niederösterreich und zu 10% einer Mitarbeiterstiftung. ÖBB Holding AG (100% Bund), Wien Holding GmbH (100% Gemeinde) als Dachorganisationen. Kommunalkredit (100% Bund), Hypo Alpe Adria (100% Bund), Volksbanken (49% Bund?). Probleme bei öffentlichen Unternehmen sind insbesondere: Politisch motivierte Eingriffe von Eigentümerseite. Nachlässige oder unprofessionelle Wahrnehmung von Eigentümerpflichten. Rekrutierung des Personals nicht nach erforderlicher Qualifikation, sondern nach politischer Zugehörigkeit. Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG 3
Unabhängigkeit / Unbefangenheit Regelungen im Aktiengesetz und im GmbH-Gesetz über Interessenskollisionen 87 Abs 2 AktG und 30b Abs 1a GmbHG ( Offenlegung an Hauptversammlung bzw Generalsversammlung ): Vor der Wahl haben die vorgeschlagenen Personen der Hauptversammlung (bzw den Gesellschaftern) ihre fachliche Qualifikation, ihre beruflichen oder vergleichbare Funktionen sowie alle Umstände darzulegen, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen könnten. 96 Abs 2 AktG: Prüfung des Corporate Governance Berichtes durch den Aufsichtsrat. Regel 44 CGK: Keine widerstreitenden Interessen der Aufsichtsräte Aufsichtsratsmitglieder dürfen bei ihren Entscheidungen keine eigenen Interessen oder die ihnen nahe stehender Personen oder nahe stehender Unternehmen verfolgen, die im Widerspruch zu den Interessen des Unternehmens stehen, oder Geschäftschancen, die dem Unternehmen zustehen, an sich ziehen. Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG Regel 53 CGK: Aufsichtsrat unabhängig vom Vorstand und Gesellschaft Ein Aufsichtsrat ist als unabhängig anzusehen, wenn es in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand steht, die einen materiellen Interessenskonflikt begründet und daher geeignet ist, das Verhalten des Mitgliedes zu beeinflussen. 4
Unabhängigkeit / Unbefangenheit Regel 54 CGK: Zumindest ein Aufsichtsrat unabhängig von Aktionären Bei Gesellschaften mit einem Streubesitz von mehr als 20% gehört den von der Hauptversammlung gewählten oder von Aktionären aufgrund der Satzung entsandten Mitgliedern des Aufsichtsrates mindesteins ein gemäß C-Regel 53 unabhängiges Mitglied an, das nicht Anteilseigner mit einer Beteiligung von mehr als 10% ist oder dessen Interessen vertritt. Bei Gesellschaften mit einem Streubesitz von mehr als 50% gehören mindestens zwei Mitglieder dem Aufsichtsrat an, die diese Kriterien erfüllen. Entwurf Public Corporate Governance Kodex (Stand: Juli 2011) Zusätzlich beispielsweise: Bei der Bestellung von Mitgliedern des Überwachungsorganes ist darauf zu achten, dass sich aus deren beruflicher Tätigkeit keine Interessenskollisionen ergeben. (Kapitel 10.2.1.4.). Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG Sonderregel für Bestellung von Aufsichtsräten im ÖIAG-G 2000 4 Abs 1 Satz 2 ÖIAGG 2000: Die Bestellung und Abberufung erfolgt durch die Mitglieder des Aufsichtsrates ( Selbstkooptierungsrecht ). 5
Unterschied AG - GmbH GmbH AG Geschäftsführer GmbH: Generalversammlung kann dem Geschäftsführer bindende Weisungen erteilen. Aufsichtsrat GmbH: fakultativ oder zwingend ( 29 GmbHG); Generalversammlung bleibt oberstes Organ. Vorstand AG: weisungsfrei; dennoch erteilte Weisungen des Alleinaktionärs sind zwar nicht bindend (durchsetzbar), dürfen aber befolgt werden. Aufsichtsrat AG: verpflichtend einzurichten. Entsandte oder nominierte Aufsichtsratsmitglieder dürfen Weisungen des Aktionärs befolgen, soweit das Unternehmenswohl nicht gefährdet ist (Auftragsverhältnis). Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG 6
Interessenskonflikte Gesetzlich geregelte Inkompatibilitäten Vorstand AG bzw Geschäftsführer GmbH darf nicht auch gleichzeitig Aufsichtsrat sein. Überschreitung einer bestimmten Mandatszahl unzulässig. Gesetzlich akzeptierte Inkompatibilitäten zb Betriebsrat im Aufsichtsrat; Aufsichtsrat als Berater der Gesellschaft ( 95 Abs 5 Ziffer12 AktG). Wirtschaftliche Interessenskonflikte Interessenskonflikt zwischen Aufsichtsratsmandat und eigenen wirtschaftlichen Interessen (zb Beteiligung an Konkurrenzunternehmen, Lieferant, Beratervertrag). Strukturelle Interessenskonflikte Interessenskonflikt zwischen Aufgaben als Aufsichtsrat (Unternehmenswohl) und Politikinteressen. Emotionale Interessenskonflikte Interessenskonflikt zwischen persönlicher bzw emotionaler Bindung und rationaler Entscheidung. Unternehmenswohl und eigene Haftung Interessenskonflikt zwischen dem Wohl des Unternehmens und der eigenen Haftung als Aufsichtsrat (zb Verhalten in einer Unternehmenskrise). Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG 7
Umgang mit Interessenskonflikten Offenlegung des Interessenskonfliktes im Gremium? Offenlegung des Interessenskonfliktes gegenüber Aktionären/Gesellschaftern? Stimmverbot des Aufsichtsratsmitgliedes in der Aufsichtsratssitzung? Teilnahmeverbot des Aufsichtsratsmitgliedes an der Aufsichtsratssitzung? Informationsverbot für die Gesellschaftsorgane gegenüber dem Aufsichtsratsmitglied? Amtsniederlegung des Aufsichtsratsmitgliedes? Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG 8
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG 9
RA Dr Peter Kunz Schwerpunkte Mergers & Aquisitions Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Nachfolgeplanung & Stiftung Tätigkeiten als Aufsichtsrat und Stiftungsvorstand Publikationen Mitherausgeber des Handbuchs für den Aufsichtsrat Publikationen im Bereich des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG 10